1026
38/9
Kgsb. den 4
Novbr
86.
10
Ich war mir heute ganz gewiß einen Brief von meinem Jonathan
11
gewärtig; aber mein Michael kam wider leer nach Hause. Wenn nur nicht
12
Hauptweh oder Krankheit an dieser
Quarantaine
Schuld sind: so will ich es
13
mir gern gefallen laßen. Ich muß heute schreiben, um meinen Kopf rein zu
14
haben; weil sich der Wind wider bey mir gedreht. Heute vor 8 Tagen wurde
15
ich mit einem unerwarteten Briefe von meinem
Alc.
B. erfreut und erqvickt.
16
Ich wollte gleich den Tag drauf antworten; aber es gieng nicht von der
17
Stelle, und ich besann mich endlich an meiner außerordentl. Mattigkeit u
18
Ohnmacht selbst Ursache gewesen
zu
seyn. Ich habe Magen und Kopf zu
19
sehr angegriffen.
20
Den 24
pr.
fieng ich den
Ferguson
an, und wurde von diesem Buche so
21
hingerißen, daß ich mich gantz selbst drüber vergaß. Meine Absicht war mit
22
dem Monath fertig zu seyn, weil ich durchaus meine Arbeiten mit dem
23
laufenden anfangen
wollte
. Die Qvalität meiner Diät, welche der Artzt mir
24
erlaubte, war schon von der Art, daß Crispus sich kreuzte u seegnete. Der
25
außerordentl. Wohlgeschmack hatte mich auch im Maas der Quantität
26
verführt, und meine Leute, welche meine herkulische Mahlzeiten gewohnt sind,
27
hatten auch zu wenig Augenmaas u zu viel Nachsicht; aber mein gebücktes
28
Sitzen und Lesen über die 3 Qvartanten, thaten mir wohl den meisten
29
Abbruch. Die drey ersten Tage der Woche zeichneten sich durch eine außerordentl.
30
schöne Witterung aus; Mittwochs den 1 d. fühlte ich erst eine
Erneurung
31
meiner Kräfte. Ich war eben im 6 ten u letzten Buche des
Ferguson,
das mich
32
ungemein
interessi
rte, als
Me Courtan
mit ihren Kindern zum Besuch kam,
S. 39
und ich den
entlarvten Moses Mendelssohn
erhielt, über deßen
2
Titel und besonders den Todverdruß den Tag vorher, wo ich ihn in den
3
Zeitungen laß, den Kopf zerbrochen hatte, und eben nicht viel Kluges ahnete.
4
Ich brachte noch denselben Abend den Engl. und die Scharteke glücklich zu
5
Ende, und hatte auch denselben Tag einen eben so glückl. Anfang mit den
6
Kämpfschen
Visceral
mitteln gemacht. Vorgestern eilte ich meine Antwort
7
nach Münster zu Ende zu bringen, aber unter sehr widrigen Aspecten, daß
8
ich selbst nicht w
eiß
uste, was ich schrieb, noch recht weiß, was ich
9
geschrieben habe. Trotz aller Bedenklichkeiten, ließ ich den Brief abgehen.
10
Weil doch alles Neue spät dorthin kommt: so dient hiemit, lieber Fritz, zur
11
vorläufigen Nachricht, daß der entlarvte M. M. von dem berüchtigten
12
Prediger des Atheismus
Schultz
ist, der durchaus keinem andern als sich selbst
13
die Ehre laßen will, und weitläuftig zu beweisen sucht, daß der arme M. sich
14
blos an seinen philosophischen Betrachtungen hat zu Tod ärgern können.
15
Ohngeachtet des Eckels über den unschlachtigen Ton, kann man sich nicht des
16
Lachens enthalten über die dumme Eitelkeit dieses Mannes, der wie ein Türk
17
um sich haut und in seinem Unsinn manchen treffenden Streich thut, den die
18
Berliner von keinem andern so derbe bekommen hätten. Auch hier heist es:
19
non quis? sed quid?
denn auch Narren sagen die Wahrheit. Das Geschwätz
20
dieses Mannes scheint nicht gantz grundlos zu
seyn
.
Mendelssohn, deßen
21
Religion im Grunde nichts als Philosophie, und ihr System eine Glaubens-
22
und Gewißenssache für ihn war, mag freylich eben so wenig imstande gewesen
23
seyn, die
φφ
ische Betrachtungen zu verstehen und zu verdauen, als eine
24
Blutwurst oder ein Stück Schweinefleisch zu genießen. Der eine mag eben
25
so laut über den Atheismum des Leßings triumphirt haben, als sich anderer
26
darüber wahrscheinlich geärgert hat. Schultz beruft sich auf kundbare
27
Zeugniße, die er sich theils scheut, theils nicht nöthig zu haben scheint, daß er sie
28
namentlich anführen soll. Alle Deine
Data
und Reichardts Anekdoten werden
29
weidlich von ihm gebraucht und angewandt seine Hypothese wahrscheinlich zu
30
machen und auszuputzen; und durch seine eigene Anklage sind die beyden
31
Donnerskinder vollig absolvirt und für unschuldig erklärt. Also ein sehr
32
reicher Stoff zu einem wirklich komischen Nachspiel –
33
In der heutigen Hamburgschen Zeitung ist
auch
das zweite Stück des
34
LXVIII.
Bandes der A. Bibl. angemeldt, wornach mir auch das Maul
35
wäßert, weil Deine und Deines Gegners Schriften recensirt worden.
36
Unterdeßen alles mit vollen Seegeln weiter kommt, liege ich hier wieder vor Anker.
37
Meine Absicht war diese beyde letzte Monathe des Jahrs alle zu Deinen
S. 40
Schriften gehorigen Acten durchzugehen und mit dem neuen Jahr nach Berlin
2
zu schreiben. Diese Woche hat es hier so viel Gerüchte gegeben, von denen
3
wenigstens die Hälfte wahr ist, daß ich meinen Plan umkehren muß.
Dela
4
Haye de Launoy
hat wirklich seinen Abschied, ein gleiches sagt man
5
allgemein u offentlich von meinem Nachbar, unserm
Provincia
l
-Director.
Alles
6
soll auf den alten Fuß kommen. Das
Accise-
und ZollGericht ist schon
7
wirklich mit dem hiesigen Stadtgerichte
combini
rt, und mit meinem Dienste hat
8
es so eine sonderbare Bewandnis, daß ich es für unumgänglich nöthig halte,
9
mich selbst darüber zu erklären, und die erforderliche Erörterungen darüber
10
zu geben. Ich habe zwar das Glück einen alten Posten zu besitzen,
er ist
11
aber durch die
Regie
so verstümmelt worden. Mein Vorgänger hatte die
12
Aufsicht über Packhof und das ganze
Licent,
hatte Sitz und Stimme im
13
jetzigen
Admiralitätscollegio,
das unter der Kriegs- u
Domainen
Cammer
14
be
steht. Man lies ihm blos den Packhof und sein altes Gehalt, behielt zwar
15
den Titel eines
Licent
raths, muste aber in keiner
Connexion
mit der
16
Kammer bleiben. Es wurde ein besonderer
Licent-Inspector
gesetzt als ein
poste
17
de confidence
mit einem doppelten Gehalt neml
à
600 rth. Ihm und dem
18
Licent-
Einnehmer wurden von ihrer freyen Wohnung jedem 2 Stuben
19
abgenommen zu Anlegung eines neuen
Magazins
u neuer
Bureaux.
Man lies ihm
20
ein kleines
Emolument
von den Lootsen, ohngeachtet selbige zur
Admiralität
21
und zum
ressort
der Kammer gehören. Ich habe mich um diese Kleinigkeit
22
nicht bekümmert, weil ich mit keinem zweyköpfigen Adler etwas zu schaffen
23
haben wollte. Durch Vermittelung des ehrlichen Reichardts erhielt ich im
24
Jänner 77 meinen Packhofverwalterposten wider alle meine und jedermanns
25
Erwartung, und zum besondern Verdruß meiner beyden Nachbarn und
26
Vorgesetzten. Der
Director
hatte einen Menschen vorgeschlagen der ihm ein
27
Capital
zu Unterhaltung einer
Fayence Fabric
vorschießen wollte, an der er
28
zu seiner Schande und zu seinem Schaden Antheil hatte. Mein anderer
29
Nachbar der
Licent Inspector
arbeitete für seinen damals lebenden
30
Schwiegervater. Die Erben meines Vorgängers machten eine Forderung von mehr als
31
900 fl. als Vergütung für den Garten p. Ich gab alles Preiß, theils aus
32
Noth theils aus Grundsätzen. Alles war gegen mich aufgebracht, und das
33
Leben wurde mir im ersten Jahr recht sauer gemacht. Der
Licent-Inspector
34
usurpi
rt vermöge eines Vergleichs die freye Wohnung des
Licent-
35
Einnehmers aus Liebhaberey zum Garten, und hat die beyden abgenommene Stuben
36
wider an sich gebracht auch vermuthlich auf Königl. Kosten in den alten und
37
beßern Stand setzen laßen. Ich entdeckte in einem
Particulier
Briefe an den
S. 41
damaligen
Regisseur
unsers
Departements Mr. Morinval
meine
2
Verlegenheit. Die Untersuchung wurde denjenigen aufgetragen, über die ich mich
3
beschwert hatte. Die
Resolution
fiel natürl. zu meinem Nachtheil aus,
4
ohngeachtet
Morinval
mit eigener Hand einige Ausdrücke gemildert hatte. Durch
5
diesen Vorfall wurde ich so aufgebracht, daß ich mir fest vornahm niemals
6
mehr an die
Gen Adm.
zu schreiben. Daher kam es, daß ich erst meinen
7
Urlaub durch die
Direction
suchte, und nur in diesem Jahr mit schwerem
8
Herzen mich an die
Adm.
unmittelbar wandte. Wie ich 76 meine Bücher mit
9
des seel. Lindners seinen verkaufen wollte, und Gott selbst mich durch ein
10
dazwischen kommendes viertägiges Fieber an diesem raschen Vorsatz hinderte,
11
schrieb ich einen heftigen Brief an die
Adm.
mit Beylegung des
Catalogi.
12
In diesem Schreiben zielte ich besonders auf
Magnier
den
dela Haye de
13
Launoy
zum
Regisseur
gemacht hatte, der seinen Beförderer ebenso stürzen
14
wollte wie er dem ersten hiesigen
Directeur d’Ambrun
den Hals gebrochen
15
hatte. Weil diese Winke zufälliger weise so bald eintraffen und
Magnier
16
beym Könige kein Gehör fand, sondern fort muste, scheint dieser Umstand
17
auch auf
dela Haye de Launoy
Eindruck gemacht zu haben, daß man mich
18
damals zu befriedigen suchte und Reichardts Vermittelung
w
so wirksam
19
war. Wegen dieser und mehrerer Umstände wünschte ich, wenn Gott nur
20
immer Kräfte dazu giebt ins Cabinet wegen meines Urlaubes und zu gl. Zeit
21
an den Minister von Werder wegen meiner ganzen Lage zu schreiben, damit
22
er wenigstens mit Kenntnis der Sache und der Person zu entscheiden im
23
stande ist.
24
Aber mit meinem Kopf heist es auch, (wie von Gellerts Greise) der kaum
25
halb seiner war, und ich hatte ihn gantz nöthig, um diesen
brouillon
meiner
26
ganzen Lage in ein anständiges Geschick zu bringen, daß es sich lesen und
27
verstehen läßt. Zu meinem großen Glück habe ich mich von Kindheit auf
28
gewöhnen müßen mitten in Tumult zu arbeiten. Geräusch um mich hält meine
29
Gedanken mehr zusammen, als eine stille Einsamkeit. Ohne diesen Vortheil
30
hätte ich als Uebersetzer unmögl. fort kommen können.
31
Dom. XXI.
5. November
32
Crispus
besuchte mich gestern und lachte herzl. über meine häusliche
33
Akademie. Im Winter leben wir alle in 2 unmittelbar zusammen hängenden
34
Stuben. In meiner ist die eine Wand mit Büchern bedeckt, und alle Tische u
35
Winkel belegt. Zwey Bette für mich u meinen Sohn. In der andern schlafen
36
Mutter u die beyde Mädchen. Zwey kleine Bücherschränke u ein
Clavier.
S. 42
Vormittags hat mein Sohn Stunde. Nach dem Eßen komt sein Freund
2
Nicolovius,
und sie lesen den
Don Quixote
im spanischen. Denn kommt
3
Raphael
bisweilen, und schreibt ein paar Zeilen den Kindern vor, übt sich mit
4
Michael im französischen. Denn kommt Hill, klimpert u singt den Mädchen
5
etwas auf dem
Clavier.
Denn kommen wider zwey und machen sich über den
6
Plutarch, wo
Crispus
so oft er kann,
praesidi
rt. Mittwochs u Sonnabends
7
komt ein pollnischer Sprachmeister. Kaum war ich mit dem
Ferguson
fertig,
8
bringt man mir aus Curl. 2 schön geschriebene Handschriften
Relazione del
9
Systema politico, Ecconomico e militare di S. M S.
und
Origine, e Titoli
10
della Rl. Casa di Savoja con li Acquisti fatti dalla medesima.
Ich verstehe
11
weder italienisch mehr noch den Innhalt. Wär ich im stande zu arbeiten und
12
zu schreiben; so würde ich allen Plunder zum Henker werfen. Nun hab ich
13
dergl.
Ressources
u
Palliative
nöthig, die im Grunde das Uebel ärger, und
14
nur auf eine kurze Zeit und dem Schein nach erträgl. machen, daß ich aus
15
Mangel eignen Nachdenkens mich der Himmel weiß alles womit zerstreuen
16
und beschäftigen kann.
17
Vorgestern wollte ich feyern; ich hatte mich an dem Briefe nach M. den
18
Tag vorher zu Schanden geschrieben und die Witterung war so traurig, daß
19
das Tagelicht kaum durch meine doppelten Fenstern durchschimmern konnte.
20
Auf einmal fielen mir
Pestels Fundamenta Jurisprudentiae naturalis
in die
21
Hände, welche schon wider meine Sitte, sich ein halb Jahr bey mir
22
umgetrieben hatten. Die Philosophie dieses Mannes ist der meinigen so homogen,
23
und der Styl so körnicht, daß ich kaum wider aufhören konnte. Kennst Du,
24
lieber Fritz Jon. den Mann? Er soll
Prof.
in
Leiden
seyn.
25
Je mehr also in Deiner Sache vorgearbeitet wird; desto lieber und
26
vortheilhafter ist es mir. Noch hat keiner etwas von meiner Materie und meinen
27
Gedanken
anticipi
rt, als der alte würdige 72jährige Greis
de Marées
zu
28
Deßau in seinen Briefen
über die neuen Wächter der
29
protestantischen Kirche
. Ich habe nur das 1 Heft; das 2
te
soll auch bereits
30
angekommen seyn. Ich kenne es aber noch nicht, wie Tellers Antworten darauf.
31
Je weniger mir zu sagen übrig bleibt: desto beqvemer und vortheilhafter wird
32
meine Nachlese seyn.
33
Ich habe diesen Nachmittag zum erstenmal Luft geschöpft, und bin in
34
Begleitung meines Sohns längst meinen Garten gegangen. Diese kleine
35
Bewegung hat mir wohl gethan. Es sieht schon alles nach dem Winter aus, lauter
36
Schnee und der sumpfige Boden hält schon ziemlich und ist von Frost beynahe
37
ausgetrocknet. Mein Barbierer ist ausgeblieben, sonst hatte ich meinen
S. 43
nächsten Nachbar den
Director
besucht, der sich oft nach meinem Befinden hat
2
erkundigen laßen. Kaum war ich auf meiner Stube, als ich Engels Rede auf
3
des Königs Geburtstag erhielt. Wer doch auch seiner Materie und des
4
Ausdrucks so mächtig wäre! Es ist freylich ein Unterschied, nur so viel zu sagen,
5
als man
kann
und
will
, ohne daß man muß. In einer solchen politischen
6
Rede ist die Wahrheit blos die Folie eines Spiegels oder durchsichtigen
7
Steins, ein
vehiculum
der Schönheit. Der mir so anstößige
Gallicismus,
8
welcher in der alten Rede so oft vorkam, ist hier nur einmal mir aufgefallen
9
S. 27 so echt wie die Grundsätze Friedrichs, sind
die
Friedr. Wilh. statt:
10
seine
11
Eben erfahr ich, daß Brahl eine günstige
Resolution
auf sein
Memorial
12
erhalten haben soll. Ich habe ihn seit 8 Tagen nicht
gesehn
, und will ihn
13
morgen zu mir bitten laßen.
14
Das Ende von diesem langen Liede läuft darauf hinaus, lieber Jonathan,
15
daß ich an die Arbeiten meines fliegenden Briefes nicht eher denken werde, bis
16
ich erst nach Berlin geschrieben habe, und erst mit dieser Arbeit fertig seyn
17
muß, wenn es nur immer mögl. ist und Gott Kräfte dazu giebt. Diese Briefe
18
müßen zusammen abgehen, und wenn ich auch
das
den Rest des alten
19
Jahres damit zubringen sollte.
20
Hab ich
üb
meine Ohrenbeichte abgelegt; so mag der Minister
21
entscheiden nach seinem Gewißen, und ich will mich gern meinem Schicksal
22
unterwerfen bey der Beruhigung, das meinige gethan zu haben. Erhalt ich unter
23
diesen Bedingungen, daß ich durch meine Abwesenheit keinen Nachtheil zu
24
besorgen habe, meinen Urlaub: so werde ich gewiß eilen mich denselben zu
25
Nutze zu machen, um unserer gemeinschaftl. Wünsche Ziel zu erreichen; denn
26
nichts als diese Reise kann meine Gesundheit und Gemüthsruhe wider
27
herstellen.
28
Das
individuell
e meiner Autorschaft und ihres Ausganges bleibt immer
29
mein Eigenthum, das mir nicht entwandt werden
kann
.
Kommen andere auf
30
die Spur meines Ganges, der jedem nahe und offen liegt: so gewinnt meine
31
Absicht
durch andere mehr, als vielleicht durch meine eigene Ausführung
32
derselben. Diese Ausführung ist noch immer zu unzeitig für mich so wohl als
33
für die öffentl. Leser. Beyde haben noch nicht die Reife. Wenn ich auch als
34
hinkender Bote
endige, was ich als
Vorläufer
angefangen: so wird
35
mein fliegender Brief, trotz aller widersprechender Modificationen in der
36
Form, seinem Innhalte nach das
bleiben
, was er
werden sollte
.
37
Entkleidung meiner kleinen Schriftstellerey, und Verklärung ihres Zwecks, das
S. 44
verkante
Christentum
und
Luthertum
zu erneuern, und die
2
demselben entgegengesetzte Misverständniße aus dem Wege zu räumen, dem
3
Drachen zu Babel einige Küchlein von
Pech
, Fett und Haar, unter
4
einander gekocht, in den Rachen zu werfen. Ich wünschte sehr durch einen
5
Brief wenigstens Deiner Gesundheit u Hauptwehs wegen beruhigt zu seyn.
6
Gott gebe, daß ich meine beyde Briefe schreiben und reisen kann. Komt die
7
Allg. Bibl. oder
M
Jacob an, und es lohnt der
Mühe
zu schreiben, so melde
8
ich es Dir. B. Geburtstag u meiner Marianne ihrer fällt in diesen Mond.
9
Vielleicht werden mich selbige zu meiner Arbeit begeistern; vielleicht mach ich
10
d
morgen
einen kleinen Versuch, wenigstens meine Loge wider zu sehen,
11
spätestens in der Mitte dieser Woche.
12
den 8.
von Jacobi hinzugefügt:
Nov. 86.
13
Ich muste abbrechen, und darüber ist der Brief liegen geblieben und also
14
ein Posttag versäumt worden. Vielleicht ist mir heute einer von Dir bescheert.
15
Wir haben hier einen starken Winter, und die Kälte hat mich abgehalten
16
auszugehen. Morgen denk ich den Anfang zu machen mit Gottes Hülfe und denn
17
bin ich 5 volle Wochen zu Hause geblieben. Ich hörte, wie ich eben daran
18
dachte, daß
M.
Jakob ein Dedicationsexemplar dem Kant zugeschickt hatte,
19
konnte daher nicht ruhen, bis ich es auf einige Stunden durch die dritte Hand
20
zum Ansehen erhielt. Es besteht auch in 14 Vorlesungen über die
21
Mendelssohnschen, und ist nichts als ein abermaliger Brey der Kritik mit Kants und
22
Schultz Worten wie er selbst sagt, und geht Dich weiter gar nichts an, lieber
23
Jonathan, als in so fern Du an dem Schicksal der Kantschen
φφ
ie Antheil
24
nimmst. Daß der erste Bekenner, Hofprediger Schultz, jetzt ein eben so lauter
25
Gegner ist, werde ich Dir hoffentlich gemeldt
haben
und Du selbst aus dem
26
OsterMeßCatalog ersehen haben. Ich weiß aber nichts von dem Fortgange
27
dieser Arbeit, weil der Canal aufgehört hat, durch den ich sonst alles
28
erfahren konnte. Ein gewißer Jenisch, der alle Woche einen Freytisch hatte ist
29
fortgereist, nach Berlin, von da nach Holl. und noch geschwinder mit seinem
30
Eleve
nach Braunschweig zurückgegangen. Eine Uebersetzung des
31
Agamemnons aus dem Aeschylus ist jetzt erschienen von diesem jungen Menschen, der
32
noch ein zu wildes Feuer hat. Kant hat einige Probebogen im
Mst
von
M.
33
Jakob erhalten, und die Abhandl. statt einer Vorrede und
hedera
hält einige
34
Bemerkungen über 2 Maximen in den Vorlesungen. Diese beyde Maximen
35
nennt Kant ein paar Kunststücke, deren sich auch beqveme Richter zu bedienen
36
pflegen, wenn sie nemlich den Streit entweder gütlich
beyzulegen
, oder
S. 45
ihn als für gar keinen Gerichtshof gehörig
abzuweisen
suchen. Er verweist
2
auf S. 214 u 116 der Morgenstunden nach der alten Ausgabe. Es ist ein
3
ewiges
αυτος εφα
. Man muß die Leute nur fortreden
lassen
, sie werden
4
sich schon selbst widerlegen. Dem Vorwurf der logomachie setzt der Kritiker
5
Logodädalie entgegen und verräth seine eigene Blöße und die ganze Schwäche
6
seines Systems.
7
Gestern bekam eine andere Neuigkeit, die
Dich
und Deinen
8
Freywilligen
, wie man ihn nennt, ein wenig näher angeht. Der Titel heist:
9
Vorläufige Darstellung des heutigen Jesuitismus, der Rosenkreuzerey,
10
Proselytenmacherey und Religionsvereinigung. Deutschl. als der Druckort. Es läßt
11
sich gut gnug lesen, ist aber im Grunde eine bloße Rhapsodie, wie sie der Verf.
12
selbst nennt, der ein ganzer Berliner und Nicolaite ist. Der weitläuftige
13
Vorbericht geht
auf
das vortrefl. Buch, deßen letzte Hälfte ich Dir schon
14
empfohlen habe und nochmals daran erinnere. Ich meyne die
Enthüllung
15
des Weltbürgersystems
, deßen Ueberlegenheit der Rhapsodist selbst
16
erkennt. Letzterer redt von der Stimmung unsers Jahrhunderts zu den
17
Erscheinungen auf dem Titel seines Buchs. Da heißt es nun S. 173. – statt
18
sich mit nützlicheren und mehr im menschl. Gesichtskreise liegenden Wahrheiten
19
und Gegenständen zu beschäftigen empfiehlt man vielmehr einen
20
unbedingten, blinden Glauben
(bey diesem Worte wird in einer kleinen
21
Note an den Streit des HE Jacobi mit dem unsterbl. Mendelssohn erinnert)
22
verzweifelt an aller Wahrheit und entreißt dem Protestantismus seine gröste
23
Stütze, neml.
die
den uneingeschränkten Forschungsgeist und
24
Vernunftbrauch, unterwirft also die Rechte der Vernunft und der Religion dem
25
Ausspruch einer menschl. Autorität. Zu der kleinen Note komt aber unter den
26
Verbeßerungen
u
Zusätzen
hinter dem Vorbericht eine weit längere
27
von S.
XXX–XXXII.
Aus dieser jesuitischen Verdrehung Deiner
28
Meinung ist offenbar zu sehen, daß sich mit solchen verkehrten Leuten weder deutsch
29
reden noch deutsch schreiben läßt, und daß man eine andere Sprache zu Hülfe
30
nehmen muß, um sich ihnen verständlich zu machen oder vielmehr ihren
31
Unverstand in die Enge zu treiben.
32
Mein Hans Michel kommt leider! leer zurück – wenn Du nur gesund bist,
33
will ich gerne warten. Du hast vielleicht mehr Geschäfte, als ich
34
Zerstreuungen habe. Ohngeachtet ich
ab intra
auch nicht faul bin, so bin ich desto
35
unthätiger
ab extra,
und es geht mir wie den Schriftgelehrten, die nicht mit
36
einem einzigen ihrer Finger anrührten, und andere für sich lieber tragen
37
ließen. In einer anderen Rücksicht bekümmere ich mich mehr um anderer
S. 46
Weinberge, als um meine eigenen. Ich tröste mich wenigstens damit, daß
2
Faulheit u. Feigheit nicht allein schuld sind, sondern vielleicht
meine
3
Stunde noch nicht gekommen
ist
4
Vorgestern besuchte mich Brahl, der auf seine Vorstellung vom 19
pr.
den
5
28
ej.
eine
promte
u günstige
Resolution
vom Minister sowohl als der
Gen.
6
Adm.
erhalten, welche blos von G. R. Köpken unterschrieben war. Bey
7
Verfertigung des neuen
Etats
der mit dem 25 May als dem Anfange des
8
neuen Jahrs wahrscheinl. eingeführt werden wird. Vom Grafen von
9
Mirabeau
hat er mir auch das
Original
seines Briefes an ihn vom 1
Sept.
10
mitgetheilt, der sein Buch betrifft und ein Beytrag der Uebersetzung ist. Er theilt
11
ihm zugl. eine
Acte de la Republique de Virginie,
mit d
ie
as freye
12
Exercice
der
Religion
betreffend. Der Brief ist sehr artig geschrieben und ein
13
brouillon
seiner eigenen
Hand
.
Er erklärt nunmehr selbst den gantzen
14
Cincinnatus
orden für ein
projet entierement françois, une institution
15
purement Françoise, c’est à dire, une petite decoration, un petit embleme,
16
une petite invention de vanité, une gentillesse en un mot, que j’ai craint
17
à la fin le ridicule d’y mettre trop d’importance et surtout le malheur
18
d’inspirer contre un citoyen aussi vraiment respectable que Washington
19
des preventions assez dementies, il est vrai, par la noble et généreuse
20
uniformité de sa conduite entiere, mais que l’activité des passions
21
republicaines pourroit exalter et envenimer.
22
Unterdeßen ist es ihm gleichwol angenehm sein Urtheil öffentlich bekannt
23
gemacht und ausführlich seine Gründe entwickelt zu haben, weil sein Buch
24
nicht nur in Amerika, sondern auch so gar zu London übersetzt worden, auch
25
einen Einfluß auf die Meinung des Publici gehabt.
26
Ich will noch ein paar Stellen abschreiben:
Helas Mr. quand on
27
resoudra-t-on ce grand probleme, s’il ne seroit donc pas possible que l’on
28
constituât un pays de façon que toutes les affaires se fissent sur les lieux
29
où elles naissent et que la justice et l’interet commun fussent respectés
30
partout, sans qu’il fallut pour eviter de se battre, se soumettre au
31
commandement d’un
imbecille
que son rang et son éducation rendroient tel,
32
quand même la nature l’auroit constitué pour être autrement…Le
33
genre humain fait cette grande question aux Etats unis d’Amerique et
34
si par hazard ils repondroient mal, il faudroit le demander encore à
35
la raison.
36
Von der beyl.
Acte
sagt er:
Tel est un des premiers pas que les Etats
37
unis ont fait vers le perfectionnement de leurs Loix dont ils sont
S. 47
incessament occupés depuis la paix. Ah! si nos vieux gouvernemens
2
promulguoient de tels actes Legislatifs, comme toutes les trompettes de la
3
renommée retentiroient pour eux! Et ce qui seroit plus utile, quel essor
4
l’esprit humain prendroit dans l’Europe regenerée…
Oh
! c’est ainsi,
5
et non par un absurde persifflage et de pitoyables declamations qu’on
6
peut lutter contre la concurrence du nouveau monde, qui, du moins il
7
faut l’esperer, nous prendra bientôt nos hommes, si nous ne lui prenons
8
pas bientôt sa sagesse.
9
Brahl hat mir auch heute sein
Memorial
zugeschickt; ich habe es aber
10
noch nicht Zeit gehabt anzusehen. Die
Adm.
führt in ihrer Antwort an, daß
11
der König selbst den
Etat revidi
rt und nach Gutdünken gestrichen hätte. Er ist
12
Accise
Einnehmer der
Victualiencasse,
deren Ertrag der kleinste ist, aber die
13
Arbeit dabey die schwerste, weil sie in lauter kleinen Posten gröstenteils
14
geschieht.
15
Crispus
ist
Decanus
der philos. Facultät und hat auch seine liebe Noth.
16
He
Ein Herr von Baczko, der blind u lahm ist aber einen thätigen
17
unruhigen Kopf hat,
hat
eine Geschichte von Preußen geschrieben will Magister
18
werden und ist ein römischKatholischer, welcher den
Statuten
zufolge nicht
19
angenommen werden kann. Dieser Mensch poltert u pocht, droht gar den
20
Minister von
Z.
eine öffentl. Beschimpfung, weil er ihn auf seine widerholten
21
Briefe worunter wo ich nicht irre gar eine
Dedication
seiner Geschichte
22
keiner Antwort gewürdigt; und hat Kraus in Verdacht einer Furchtsamkeit,
23
weil er Briefe au
f
s Berlin gelesen in denen man sich nach Kr.
24
Schwärmerey und
Katholicismo
erkundigt hatte. Dieser letzte Verdacht beruht
25
vermuthl. darauf, daß er sich einiger armen Ermländer, hier angenommen
26
und für ihren Unterhalt gesorgt durch Vorbitte bey dem Bischof von Culm
27
u dergl. unschuldige Handlungen die ihn beliebt, ihm Ehre machen aber auch
28
den Eigennutz u Neid anderer reitzen.
29
Unsere Akademie bekommt wider 3 Ausländer zu Lehrern; einen Pr.
30
Juris
König aus Halle, einen Haße der morgenl. Sprachen aus Jena, deßen
31
Idiognomik Davids mich eben nicht sehr neugierig macht seine Uebersetzung
32
des Buchs der Weisheit zu lesen und einen
M
Wald
aus Leipzig, der 84 den
33
Versuch einer Einl. in die Geschichte der Kenntniße, Wißenschaften und
34
schönen Künste zu akademischen Vorlesungen herausgegeben, die ich eben
35
durchgelaufen und wo ich auch Deinen Namen in den Zusätzen u Verbeßerungen
36
S. 446 nachgeholt gefunden habe. In diesem Jahr ist wider ein Bändchen
37
von Zusätzen u Verbeßerungen ausgekommen, und es wird an Fortsetzungen
S. 48
dieses Misthaufens nicht fehlen. Er wird
Prof.
der gr. Sprache. Das
2
betrübteste ist, daß es hier gantz an Zuwachs junger u tüchtiger Köpfe fehlt.
3
Eben jetzt erhalte einen Brief von einem jungen Maler
Sennwald
aus
4
Berl. mit den
Silhouetten
der Baroneße Bondeli und ihrer Pflegtochter,
5
meiner
Lisette Reinette.
Der liebe gute Mann verschwand hier auf einmal,
6
ich glaubte daß er im Oberlande noch wäre, wo er sich die meiste Zeit
7
aufgehalten hat. Meine Mädchen hatte ich damals bestellt zu meiner Reise bereits
8
im Sommer, um meine ganze Familie mitzuführen. Er ist der bescheidenste,
9
gutmüthigste Mensch, den ich recht geschätzt habe, in dem auch keine Berl.
10
Ader war. Wenn ihm die Schwindsucht nicht gefährl. wird, so geht er mit
11
einer Reise nach Rom schwanger, und meldt sich in Düßeldorf. Vielleicht steht
12
sein Name auf meiner
Silhouette,
wo nicht bitte ich ihn hinten
in memoriam
13
seines unumgängl. Einspruchs in Deinem Hause zu
noti
ren.
14
Ein Freund brachte mir zu Ende des
Julii
die Aussichten der Seele u das
15
Vereingungsbuch
des Agenten
M
Masius, mit Bitte diese Schriften zu lesen.
16
Seit 14 Tagen wurde ich geqvält wenigstens den Empfang dieser Bücher
17
zu bescheinigen. Ich finde diesen Mann
allenthalben
von einer so
18
schwarzen u schwachen Seite durch seine eigene Documente dargestellt, als
19
ich noch heute in seinen neuesten Beyträgen zur Predigerbibliothek lesen
20
müßen
, daß ich mich recht gescheut – und froh bin mit vieler Mühe ein
21
paar Zeilen zusammengebracht zu haben, die er kaum verstehen und schwerl.
22
misbrauchen kann.
23
Es hat mich aufmerksam gemacht, daß die beyden Kantianer, Schmidt u
24
Jakobi, sich auf Crusius Philosophie
beruffen
.
Wie Kant 763 seinen einzigen
25
mögl. Beweis vom Daseyn Gottes schrieb, gab ein hiesiger Crusianer
M.
26
Weymann
Bedenklichkeiten darüber heraus. Weil aber durch ein
Edict
27
verboten wurde über die Crusianische Philosophie zu lesen: so ist dieses
28
Mannes Ruff und Kopf so verloschen, daß er zur öffentl. Schande als
29
Rector
einer hiesigen Stadtschule lebt. Ich wurde damals von einem Freunde
30
ungemein aufgemuntert die Crusianische Philosophie ein wenig näher kennen
31
zu
lernen;
aber es blieb, wie bey soviel andern Vorsätzen – und ich habe
32
seitdem weder Zeit noch Gelegenheit gehabt mich um den Crusius zu bekümmern,
33
deßen Sittenlehre ich mich blos erinnere gelesen zu haben.
34
den 9
35
Ich habe Brahls
Deduction
gelesen, die ungemein ausgearbeitet, die
36
Gründe so deutlich aus einander gesetzt und mit einem so genauen
calculo
37
von allen Seiten belegt sind, daß dieser Beweis von der Unwißenheit, dem
S. 49
Willkührlichen und dem Unrecht, womit man in Berlin zu Werk geht und
2
wovon das Cabinet immer das Muster gegeben, unwiderstehlich ist. Ich
3
verzweifele sehr, daß ich im stande seyn werde, meine Lage in ein solch evidentes
4
Licht zu setzen. Das Gantze ist mannigfaltiger, verwickelter, beruht mehr auf
5
Gesinnungen als Zahlen. Ich bin daher beynahe willens nicht nur ins Cabinet
6
zu gehen, weil den Gesetzen gemäß mein Urlaub da gesucht werden muß, und
7
dem Minister mich zu entdecken sondern auch an die
Gen. Adm.
zu schreiben
8
und das Verfahren in Ansehung meines zweyjährigen Gesuchs in diesem
9
Briefe zu
detailli
ren, damit ich sie theils nicht vorbey gehe, theils meine
10
Materie theilen und kürzer behandeln kann, indem diese 3 Schreiben ein Ganzes
11
ausmachen.
Disposition
ist
Oeconomie,
und das
Compendium
aller Mittel.
12
Habe ich erst diesen Wust aus dem Kopf; so bekümmere ich mich weiter nicht
13
um den Ausgang und werde mit destomehr Lust und Hunger an das Ende
14
meiner Autorschaft, wenigstens der apokryphischen denken, und an das kleine
15
Opus
rudimentorum
meorum,
wofür ich alles ansehe, was ich von den
16
Sokr. Denkw. bis auf den Scheblimini geschmiert. Erhalte ich wenigstens
17
meinen Urlaub zur Reise, so werden selbige in meine Autorschaft einen gantz
18
andern Einfluß haben, als wenn ich gezwungen seyn sollte wie Anfangs
19
meine Absicht war zu schreiben, dies Mittel zu Erhaltung meines Urlaubes
20
oder der Himmel weiß was mehr? zum äußersten zu machen. Bey einer so
21
schwebenden und wankenden Ungewißheit kann die Seele keinen sichern
22
Schritt thun, sondern hängt
in suspenso,
liegt auf der Folter und ist ihrer
23
selbst nicht mächtig. In einem solchen Zustande, der ins 3te Jahr beynahe
24
geht, hat man wenig Lust bey sich selbst daheim zu seyn. Das
Tecum habita
25
wird eben so schwer als das
nosce te ipsum
bey einem bösen Gewißen.
Hinc
26
illae lacrumae
– Ach lieber Fritz Jonathan. Der Kosmopolitismus u
27
Jesuitismus ist ein Geschwür, das in jedem menschl. Busen liegt, und die Berl.
28
Schule schwatzt wie ein Kind davon, wie die Kritik der reinen Vernunft aus
29
Unkunde der
menschl
. mit der man anfangen muß und sehr bekannt seyn
30
muß, ehe man es wagt, nach jener Perle unterzutauchen und sie zu fischen.
31
Sonst geht es uns wie dem Hunde in der bekannten Fabel, über dem Schatten
32
verlieren wir den Bißen, über das Ideal das
Reelle,
und über das
33
Epitheton
der
S
Reinigkeit die Sache selbst und ihre Substantz.
Sprache
ist
34
wie
Young
sagt, das
Organon
und
Criterion;
daher die Nothwendigkeit
35
einer neuen Zunge und neuer Zeichen und Wunder, die unser Jahrhundert
36
nöthig hat, das den spottenden Zuschauern, Hohenpriestern und
37
Schriftgelehrten so ähnlich ist, von denen ich noch gestern Abend
las
Marc
XV.
31. 32.
S. 50
die
sehen
und
glauben
wollen, wenn – unter Bedingungen, die nicht nur
2
unvernünftig und widersprechend sondern auch unverschämt sind. Unterdeßen
3
der große Haufe seiner architectonischen Eitelkeit sich überläßt auf lockerm
4
Sande; so wird es dem kleinen Häuflein seiner Jünger nicht an Simone
5
fehlen, die des Beynamens eines
Felsens
würdig sind, weil sie auf einen
6
solchen ihr System u Gebäu gründen. – Diesen Augenblick schickt mir
Crispus
7
im Namen Kants 3 Schriften gegen ihn, die er nicht des Lesens würdigt
8
und ausdrückl. an den
neugierigen
alten Mann gewiesen hat. Sie sind
9
zu Marburg herausgekommen wo seine Philosophie
Contrebande
ist wie
10
einst die Crusianische hier wurde. Ich will Dir die Titel abschreiben: Waldins
11
Untersuchung der Weltreihen u des darauf gegründeten Beweises von der
12
Existenz Gottes 85. 3 Bogen in 8
o
.
D. Coing
zwey
Programmata
in 4. vom
13
vorigen u diesen Jahr. Das erste antwortet
ad obiectiones contra
14
argumenta quaedam pro Dei existentia;
das andere setzt die Lehre von Gott fort
15
aus der Natur u heil. Schrift. Zu gleicher Zeit läßt mir
Crispus
sagen daß
16
es die
höchste Zeit wäre an meinem Briefe nach Berlin zu
17
arbeiten
. Ihm muß diese Nacht was geträumt haben. Unterdeßen ich auf
18
meinen Barbierer warte, will ich lesen. Der Anlaß zu dem Verboth
ist
soll
19
die Vorlesungen seyn welche dem beygel.
Lections Catalogo
zufolge
Pr.
20
Bering
hat über Schulzens Erl. lesen wollen.
Waldin
hat Grundsätze
21
der natürl. Religion nebst ihren neuesten u wichtigsten Streitigkeiten zum
22
Lesebuch herausgegeben. Kant hat diese Sachen ohne Brief erhalten, u das
23
Porto
macht ihn verdrüslich. –
24
Ich bin Gottlob! diesen Nachmittag zum ersten mal auf meinem Packhof
25
gewesen, der außerordentlich voller Waaren ist. Der Dir. war auch sehr
26
gütig gegen mich. Kant hat wohl gethan sich um diese kleinen Scharmüzel
27
nicht zu bekümmern. Waldin wirft ihm Zweydeutigkeit, unbestimmte Begriffe
28
u Abweichung vom Gebrauch zu reden vor.
29
Nun, Herzenslieber Fritz Jonathan, schreib ich nicht eher, bis ich mit den
30
3 Briefen fertig bin, es wäre denn, daß die Allg. d. Bibl. mich zu einer
31
Ausnahme erweckte. Schreib mir wenigstens, daß Du gesund bist mit Deinem
32
ganzen Hause und den Freywilligen deßelben. Und hiemit Gott empfohlen
33
unter den besten Wünschen p im Geist Dein alter treuer Johann Georg.
34
Ich fuhr wie ich zu Hause kam und mich hinsetzte, mit solcher Hitze in mein
35
kleines Dintenfaß, daß die alte Schwanenfeder, mit der ich schreibe, mit einer
36
Sau herauskam. Denk mich mit dem neuen Jahr zu beßern und zu
S. 51
verjüngen, so bald ich näher der Wallfahrt seyn werde. Wenn Du aus meinem
2
Briefe klug worden, so bitte die Resultate nach Münster zu expediren, als
3
commentarius
meines letzten verworrenen Geschmiers.
Crispus plutarchi
sirt
4
und empfiehlt sich herzl.
5
Von Jacobi auf einem eingelegtem Blatt vermerkt:
6
Koenigsberg den
4
ten
8
ten
Nov. 1786.
7
J. G. Hamann
8
empf den 19
ten
–
9
beantw den 21
ten
–
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 296–308.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 408–423.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 390–403.
ZH VII 38–51, Nr. 1026.
Zusätze fremder Hand
|
44/12 |
Friedrich Heinrich Jacobi |
|
51/6 –9
|
Friedrich Heinrich Jacobi |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
38/23 |
wollte |
Textverlust durch ein Loch in der Handschrift. |
|
38/30 |
Erneurung ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Erneuerung |
|
39/20 |
seyn . |
Geändert nach der Handschrift; ZH: seyn. |
|
42/24 |
Leiden ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Leyden |
|
43/10 |
seine ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: seine. |
|
43/12 |
gesehn ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gesehen |
|
43/29 |
kann . |
Geändert nach der Handschrift; ZH: kann. |
|
44/3 |
Pech ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Fett Pech |
|
44/7 |
Mühe ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Mühe, |
|
44/10 |
d morgen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: morgen |
|
46/3 |
ist |
Geändert nach der Handschrift; ZH: ist . |
|
46/9 |
Sept. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sept |
|
46/13 |
Hand . |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Hand. |
|
46/31 |
imbecille |
Geändert nach der Handschrift; ZH: imbecile |
|
47/4 |
Oh ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ah |
|
47/32 |
M ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: M |
|
48/15 |
Vereingungsbuch ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Vereinigungsbuch |
|
48/15 |
M ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: M |
|
48/24 |
beruffen . |
Geändert nach der Handschrift; ZH: beruffen. |
|
48/31 |
lernen; ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: lernen: |
|
49/37 |
las ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: las, |
|
51/6 |
4 ten 8 ten |
Geändert nach der Handschrift; ZH: 4 ten – 8 ten |