1051
130/15
Düßeldorf den 27
ten
März 1787.


16
Vermerk von Hamann mit roter Tinte:

17
erh. den 7
Apr.

18
geantw den 8. 9. –
No
61


19
Bester Herzens Vater!

20
Du glaubst nicht welche Freude Dein liebevoller Brief v 10 u 12
ten
mir

21
gemacht hat, u wie ich mich gegrämt habe, da es mir unmöglich wurde, der

22
Post des folgenden Tages auch nur einige Zeilen an Dich mitzugeben. Nun

23
kam Sonntag Dein zweyter Brief. Dank für alles, Du unaussprechlich

24
lieber! – O daß ich einmahl bey Dir wäre! Die Beylagen habe ich gelesen,

25
kann Dir aber heute
weiter
nichts darüber sagen, als daß mir beym Lesen

26
trefflich wohl gewesen ist, u es mir eine wahre Lust ist, Dich wieder im Gange

27
zu sehen. Du mußt noch 8 Tage Geduld mit mir haben. Heute bin ich ganz

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krank. Drey Mahl habe ich angesetzt um diese paar Zeilen zu schreiben, u

29
mich immer wieder legen müßen. An Loewens Commißionär, den

30
Buchhändler Schneider zu Leipzig ist geschrieben daß er sogleich folgende Bücher

31
Dir schicken soll. – Lavater über Philemon. Nathanael für Nathanaele.

32
DeMarées
2
tes
Heft. Lavaters Rechenschaft 2
tes
Blatt. Sailers einziges

33
Mährchen in seiner Art. Die Göttliche Entwickelung des Satans. Museum

S. 131
Jan. u Febr. – Im Februar des Museums steht Witzenmanns Schreiben

2
über das Orientieren. Er entschloß sich, Ende December, es drucken zu laßen.

3
Verzeih daß ich nicht sorgte daß Du gleich dies Stück bekamst! Ich habe

4
mich einer Menge Nachlaßigkeiten gegen Dich schuldig gemacht, welches mir

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leid ist, ohne daß ich mir Vorwürfe darüber machen kann. Die Predigten

6
meines Bruders schicke ich mit meiner neuen Schrift, so bald sie gedruckt ist.

7
Auch Herdern will ich eins schicken u an ihn schreiben. Ich
war schon dazu

8
entschloßen vor Deiner Ermahnung. Wenn ich zum Gegentheil wäre entschloßen

9
gewesen, hätte ich zuverläßig auf Dein Wort
v
Sinn geändert. – Aber sage

10
mir was das ist mit Deinen geschwollenen Füßen? Es ist doch kein Waßer? –

11
Witzenmans
Mattheus will ich Dir schicken. – In meiner
Direction for

12
managing Argand’s Patent Lamps
steht nichts v
Grove.
Ihr müßt dort

13
eine andre Ausgabe haben. Vielleicht ists ein Druck- oder Schreibfehler, u

14
soll heißen
Groove,
eine Aushöhlung, französisch
rainure.
Ich habe selbst

15
zwey solche Lampen, u für andre jüngst ein ganzes Dutzend kommen laßen.

16
Hättest Du mir
d
en
den
Zusamenhang
geschrieben worin
grove
steht, so

17
könnte ich Dir wahrscheinlich Auskunft geben. – Schenk ist vor wie nach bey

18
mir, u es liegt ihm wenig daran Sindikus zu werden. Er schreibt jetzt eine

19
Dißertation
de autonomia.
Auf seinen Beystand darfst Du zählen. Lene freut

20
sich mit mir Deiner Grüße. Alles wünscht nur das Du kommen möchtest.

21
Niemand aber bedarf wohl Deines Kommens mehr als Buchholtz. –

22
Einliegend Abschrift eines Briefes v Stark an den Herzog v Meckelnburg. Ich

23
erhielt sie heute v Kleucker. Starkens Klagschrift hast Du doch gesehen? Ich

24
könte sie Dir sonst mittheilen. Die Abschrift des Briefes behältst Du. –

25
Nimm für heute für lieb, Du Guter. Uber 8 Tage mehr. – Von ganzem

26
Herzen
Dein Fritz Jonathan.

Johann August Starck an den Herzog von Mecklenburg; Abschrift von Schenks Hand; Provenienz: Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Durchlauchtigster Herzog
5/6
Gnädigster Fürst und Herr.

7
Ew. Herzogl. Durchlaucht haben die Gnade gehabt, Sich durch

8
Mettaye
nach meinen gegenwärtigen Zustande erkundigen zu

9
laßen, und für dieses gnädige, mir unendlich theure Andenken

10
lege ich Ihnen, gnädigster Herr, hiemit meinen unterthänigsten

11
Dank zu Füßen.

12
Wegen meines langen Stillschweigens verlaße ich mich allein auf

13
Ew. Durchlaucht mir bekannte gnädige Nachsicht gegen mich; der

14
ich, da ich kaum von dem schweren Krankenlager aufgestanden

15
war, mich schon in einem solchen Wirbel von allerley Arbeiten

16
herumgetrieben sahe, daß ich an nichts weiter zu denken fähig

17
war. Da ich weiß, welchen gnädigen antheil Ew. Durchlaucht

18
an meinem
Schiksal
nehmen, so lege ich hiemit, in einer etwas

19
freyen Stunde meine Rechnung ab.

20
Mit meiner Krankheit hat es, nach der Abreise Ew. Durchlaucht

21
noch lange gewährt, und wie ich auch schon auf war, war ich

22
doch noch nicht von Schmerzen frey. Mit Gewalt riß ich mich

23
heraus, um nur
n
Neu
Jahr predigen zu können, und dadurch die

24
üblen Gerüchte zu wiederlegen, als sey mir das Predigen

25
verboten, die selbst hier ausgestreuet waren, und auch in Giessen von

26
Ouvrier
dergestalt verbreitet wurden, daß er sogar in seinem

27
Collegio
den Studenten vor Weihnachten verkündiget, ich sey

28
abgesetzt und er käme an meine Stelle. Endlich gieng es denn

29
immer mit meinen
b
Beschwerden
vorwärts, und seit 6 Wochen

30
bin ich nicht nur von Schmerz gänzlich frey, sondern ich habe

31
auch sogar Hoffnung durch den Gebrauch von Arzeneyen, womit

32
ich noch fortfahre, mein altes Uebel los zu werden.

33
Sobald ich aufstand, setzte mich auch schon wieder an die Arbeit,

34
um durch eine gedruckte Schrift meine Gegner vor dem Publico

35
zu widerlegen. Unstreitig erwarten
sie nur von
mir eine

36
Rechtfertigung meiner Person, wogegen sie denn ihr altes Drehwerk

37
anbringen mögten, und ihre Hypothese doch stehen bleiben würde.

S. 529
Aber als Mensch, Theologe und Christ bin ich genöthigt einen

2
ganz andern Weg zu gehen, und das Ganze Grobe von

3
Unwahrheiten, Chimären, Falschheiten, Umwißenheiten und Ränken der

4
Welt aufzudecken,
daß
das
die Berliner Monath-Schriftsteller

5
zusammen gesponnen haben um unter der Larve
Protestantischer

6
Zionswächter den Deismus Triumphiren zu machen. Ich habe zu dem

7
Ende ein weitläuftiges Werk unter Händen über Katholicismus

8
Jesuitismus, geheime Gesellschaften und die mir besonders

9
gemachten
b
Beschuldigungen
, und ich hoffe die Welt wird eben so sehr

10
erstaunen, als meine Gegner unwiederbringlich beschämt werden.

11
Ich sehe auch schon, daß Männer von Gewicht sich sonst dem

12
Unwesen entgegen sezzen, als
de Marées
in Dessau, Schlosser Graf

13
Stollberg, Döderlein und andere mehr. Auf der Ostermeße hoffe

14
ich mein Buch zu liefern.

15
Mein Proceß schleppt sich noch. Am 6
ten
dieses sind die Herren

16
vorgewesen, und mir ist das Protocol zugeschickt, woraus ich aber

17
sehe, daß es schlecht mit ihnen bestellt ist, und daß sie mehr den

18
Gesichts-punct der Klage zu verrucken, und sich zu entschuldigen,

19
als zu beweisen suchen. Ich glaube aber dem beßten Ausgange

20
entgegen sehen zu können.

21
Ich habe die Theilnehmung vieler edlen Menschen erfahren.

22
Außerdem
daß der Prinz
Friederich
von Würtenberg im

23
November aus Perlenburg an mich schrieb, und mich aufzurichten suchte,

24
that dieser Herr es noch am vorigen Donnerstage, wo Er hier

25
durchgieng und drittehalb Stunden bey mir
war.

26
So bin ich auch überzeugt, daß Ew. Durchlt Gnade mir alles

27
Banngeschrey der Welt nicht wird rauben können. Ich werde

28
mich bemühen derselben wehrt zu werden, und werde froh seyn,

29
wenn ich
nun
noch
erst
so weit wieder von allen unangenehmen

30
Geschäften frey bin, daß ich mir selbst mehr angehöre und mein

31
eifriges Bemühen Ew.
Durchlt.
Gnade zuverdienen werkthätig

32
so wohl Ihnen, als unserm vortreflichen Prinz
George,
auch

33
dem ehrlichen guten
Falck
beweisen kann. Wie glüklich werde ich

34
mich schätzen, wenn ich Ew. Durchlaucht persönlich die tiefe

35
jung
innigste
Verehrung an den Tag legen könne, und der ich

36
lebenslang
verharre.
Ew. Herzogl. Durchlaucht

37
unterthänigster

38
Starck.  

S. 530

Darmstadt

2

den 21
ten
February

3

1787
.

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 333.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 469 f.

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 6: Januar bis November 1787. Hg. von Jürgen Weyenschops, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012, 49 f.

ZH VII 130 f., Nr. 1051.

Zusätze fremder Hand

130/17
–18
Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
5/18
Schiksal
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Schicksal
5/23
n
Neu
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Neu
5/29
b
Beschwerden
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Beschwerden
5/35
sie nur von
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sie von
130/17
Apr.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Apr.
130/25
weiter
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
wieder
131/7
war schon dazu
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
war dazu
131/9
v
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
d
131/11
Witzenmans
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Witzenmanns
131/16
d
en
den
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
den
131/16
Zusamenhang
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Zusammenhang
529/4
daß
das
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
das
529/5
Protestantischer
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
protestantischer
529/9
b
Beschuldigungen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Beschuldigungen
529/22
Außerdem
]
In der Abschrift:
Außerdenn
529/22
Friederich
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Friedrich
529/25
war.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
war‥
529/29
nun
noch
erst
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
nun erst
529/31
Durchlt.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Durchlt
529/35
jung
innigste
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
innigste
529/36
verharre.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
verharre