1053
132/20
Pempelfort den 6
ten
April 1787.
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Vermerk von Hamann (Erhalten-Vermerk und Nummerierung mit roter Tinte):
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den 18 – Geantw
eod.
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nebst dem
V.
Blatt
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meiner Fortsetzung in 8
o
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u der Abschrift des Briefes nach Berlin. d 20 abgegangen.
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Sieh,
Du Guter, da bin ich schon in meinem guten Pempelfort. Wir
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haben uns Hals über Kopf heraus gemacht, als wenns auch auf die Meße
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wäre. In der That doch auch ein beßeres
Jubilate
als das Leipziger! In
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der vorigen Woche wurd’ es unversehens beschloßen. Zu dem
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außerordentlich schönen Wetter, u dem mit Gewalt heraus brechenden Laube, kam noch
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der Umstand, daß wir einen Besuch von Reventlows, auf ihrer Reise v
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London nach Holstein sogleich zu erwarten haben, u sie hier bequemer als in der
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Stadt beherbergen können, weil wir hier nur Baracken, in der Stadt aber ein
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ordentliches u schönes Haus haben. Wir überlegten, u fanden, es würde zur
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Noth sich zwingen laßen, daß wir als gestern hier einziehen könnten. Da
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kommt unversehens Dienstag früh ein Brief v Dohm, der uns seinen Besuch
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auf den folgenden Tag, mit seinem
Gesandschafts
Secretär, u vielleicht mit
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seiner Frau, auf den folgenden Tag ankündigt. Nun war unser ganzer
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Anschlag zernichtet, wenn es sich nicht vollends auch noch zwingen ließe, daß wir
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schon den Mitwochen heraus zögen. Und es ließ sich zwingen. Da sind wir
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nun, u ich kann Dir nicht sagen wie herzlich wir uns freuen u darob nicht
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müde werden, daß wir es sind. – Dohm ist ohne seine Frau gekommen, weil
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es sich mit einer sehr argen Verkältung womit sie behaftet ist gar nicht hatte
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geben wollen. Er ist hier um die nöthigen Verabredungen wegen des Kriegs
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gegen Heßen Caßel zu nehmen. Heute Mittag speist er bey dem Pfälzischen
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Kreisgesandten HE v Grein, u morgen reist er nach Coelln zurück.
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Du bist nun wohl schon ganz darin gefaßt, daß ich Dir am vergangenen
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Dienstag des Verziehens wegen nicht Wort gehalten habe. Aber wahrlich,
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wenn ich hätte verziehen können, hätte ich Dir auch geschrieben. Ich war
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krank, u das einzige was ich vermochte, war, gegen Mittag einige Zeilen
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an meinen ältesten Sohn zu Stande zu bringen, der Tages zuvor sich mit der
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Tochter meines Schwagers, Luise v Clermont, feyerlich verlobt hatte. Den
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2
ten
Juli wird die Hochzeit seyn.
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Deine zwey Brieflein, das v 22
ten
u das v 26
ten
März, mit den Beylagen
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habe ich richtig erhalten, u weiß Dir nicht genug zu sagen, wie sehr ich über
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diese Beylagen mich gefreut habe. – Ueber die erste Beylage habe ich Dir
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Sonntag Abend schon ein Wort geschrieben; denn
Sontag
Abend gab ich ein
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Exempl meines Gesprächs für Dich auf den Postwagen, u hoffe es soll
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ohngefähr zugleich mit diesem Briefe überkommen. Aber Montag habe ich
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die Beylage erst recht genoßen, u noch einmahl, ich kann Dir nicht sagen, in
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welchem Grade sie mich entzückt hat. Nicht weniger Gutes kann ich v der
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gestern eingelaufenen bezeugen, nur daß sie mir noch nicht so geläutert scheint
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wie die vorige. Bey den Worten gleich im Anfange. „Es ist demnach Zeit
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die Acten einmahl zu schließen, mit einem lauen,
scheuen:
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„All Fehd hat nun ein Ende!“
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bin ich Dir um den Hals gefallen. – Die Abschrift soll mit Lust u Freude
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besorgt werden. Gott gebe daß Du nicht wieder unterbrochen werdest.
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Wie sehr mich nun auch verlangt zu hören daß mein neues Büchlein in
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Deinen Händen sey, u was für eine Aufnahme Du ihm hast gewähren
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können, möge mein Genius Dir zuflüstern, u Dein eigner Dir bedeuten. Herdern
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habe ich am Mittwoch ein Exempl geschickt u ihm dabey geschrieben. –
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Mehrere Exempl für Dich gehen künftige Woche ab.
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Du schriebst neulich, es nähme Dich Wunder, daß die Arzte nicht
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neugierig gewesen wären Witzenmann zu öffnen. Die Ärzte waren nicht
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neugierig, weil sie wegen seiner Krankheit keine Zweifel hatten; nur er selbst war
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einer andern Meynung. Er ist aber doch geöffnet worden. Die Lunge war
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ganz u gar aufgerieben u an der
pleura
angewachsen. Alles übrige
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vollkommen gesund. – In einem Buche worin er seine Gedanken aufzeichnete finde
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ich folgende Stelle über Dich. 1–10 Jann 86. „dies ist der Mann, deßen
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Patriarchalisches Herz, deßen bildervoller
Kopf
stupender Kopf, deßen
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ungeheure Gelehrsamkeit, deßen feiner schwerdtscharfer Geist, meines
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Erachtens seines Gleichen nicht hat. Ich beuge mich tief vor seinem Genius. –
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Jacobi hat viele gute Eindrücke ihm zu verdanken.“ –
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Meine Schwester sagt, ich müßte schließen u siegeln. – Ist es doch ein
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Elend
daß ich gar nicht dazu kommen kann, einmahl ruhig u nach Genüge
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Dir zu schreiben! – Daß der Stadthalter v Dahlberg am 1sten April
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Coadjutor zu Mainz geworden ist, wird vor Ankunft dieses Briefes schon
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bey Euch erschollen seyn. – Ach, daß Du so weit, so weit v mir ab wohnst! –
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Lebe wohl, Du lieber Lieber! – Gott befohlen! – Bald, bald schreibe ich
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wieder –
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Dein Fritz Jonathan.
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 334.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 469 f.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 6: Januar bis November 1787. Hg. von Jürgen Weyenschops, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012, 60–62.
ZH VII 132–134, Nr. 1053.
Zusätze fremder Hand
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132/22 –25
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Johann Georg Hamann |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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132/26 |
Sieh, ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Sieh |
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133/3 |
Gesandschafts ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Gesandtschafts |
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133/23 |
Sontag ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Sonntag |
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133/30 |
scheuen: ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: scheuen |
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134/15 |
Elend ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Elend, |