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den 11.
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Liebster Herr Doctor, Landsmann, Reisegefährte und Freund.
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Meine Füße verdienen das große
Compliment
nicht. Bey meiner Ankunft
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machten sie eine gute Miene, aber seitdem sind sie ärger geworden. Sonntags
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Abends machte mir die Fr
D. Coerman
einen warmen Umschlag von
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Kley, Saltz u Hoppen in eine
Serviette;
sie waren des Morgens ziemlich
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geschlungen, aber des Abends eben so arg wie vorher. Diesen Morgen geht es
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ebenso, und ich werde die Nacht abwarten. Meine Flechte wird auch eiternder,
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und das Liegen und Sitzen wird mir ebenso schmerzhaft, als die Hülfe mit
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dem rechten Arm wegen des Schmerzens in der Achsel.
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Wir haben nur Freytags und gestern Wetter gehabt, das zum Ausgehen
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und Luft zu schöpfen erträgl. gewesen. Ich vermuthe daß wegen der dünnen
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Schuhe die Kälte den Füßen nachtheilig ist. Der linke fieng auch an dick zu
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werden; hat sich aber erholt, und ist beynahe in
Statu quo.
Die Wärme und
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Röthe hat sich beynahe gänzl. verloren. Mit dem Gebrauch der Pillen fahre
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ich
ordentlich
fort. Meine
Diät
ist hier einfacher. Zum Glase Wein habe ich fast
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keinen
Appetit;
sondern ich halte mich ans Bier, das mir gut thut und den
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offenen Leib befördert. Ich habe gestern abend aber nichts als Waßer
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getrunken u keine Gesellschaft dem
D. Coerman
gemacht zur dritten Pfeife.
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Heute sind es 8 Tage, daß ich hier bin, ohne das geringste noch zu meinen
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Absichten anfangen zu können. An Patienten fehlt es hier nicht an
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incurablen
u
melioris spei.
Zu welchen ich gehöre, weiß ich selbst nicht. Die gute Fr.
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D. Coermann
hat einen starken Husten und
verdient Mitleiden
. Sie
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hat vor ihrer Entbindung viel Kopfschmerzen gelitten, und ist davon
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erleichtert. Auch ihr
Appetit
hat seitdem zugenommen. Ich glaube daß der Husten
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blos Erkältung zum Grunde hat. Sonnabends und Sontags war Meße,
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und vorgestern kam sie mit naßen Füßen zu Hause, wodurch das Uebel
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vermehrt wurde. Gestern Abend hat sie ein wenig rothen Wein mit
6
Candis
zucker eingenommen. Ob hitzige Sachen bey einem so trocknen Husten gut
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sind, werden Sie beßer einsehen. Sie hat diese Nacht beßer geschlafen und der
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pfeifende Ton hat sich auch ein wenig gelegt. Die arme Frau hat nicht nur
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mit der Haushaltung und einem halbjährigen Kinde volle Arbeit, sondern
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auch mit ihrem lieben philosophischen Mann, der ein
Pendant
des Gastes
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ist. Was wir hier beyde für eine Rolle spielen, übertrifft alle komische
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Carricatur. Ach lieber Artzt, bilden Sie doch meinen Hans Michel ein wenig nach
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sich, daß er ein wenig von mir ausartet. Schlafen Sie in meiner Stube; so
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halten Sie ihn doch zur Ordnung an, und zu einer strengen Aufmerksamkeit
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auf sich selbst, was er unter Händen hat und um ihn vorgeht, damit er kein
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Mann im Mond, sondern ein vernünftiger Weltbürger wird, nicht blos lesen
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und zur Noth schreiben, sondern auch handeln und leben lernt. Sie werden
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sich dadurch nicht nur um den jungen Menschen, sondern auch seinen kranken
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alten
Vater und Ihren alten Freund verdient machen, und Gott wird Sie
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dafür belohnen.
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Ich habe mich herzl. gefreut über das kleine Sinngedicht, das Hans so gut
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gewesen ist mir mitzutheilen. Wenn es mir mögl. ist, will ich der Fürstin auf
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Ihre höchst gnädige Zuschrift antworten. Wenn Sie
können;
so geben Sie
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derselben so gut Sie können zu verstehen, wie ungeschickt ich noch zum
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Schreiben bin. An eine Antwort nach W. u O. läßt sich noch
garnicht
denken. Ich
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hoffe aber, daß ich bald dahin kommen werde meinen Ballast im Kopf
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aufzuräumen, und mit leichterm Herzen Münster wider zu sehen. Ich habe hier
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Zerstreuung und Arbeit gefunden, an die ich gar nicht gedacht habe, und mit
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der ich auch bald fertig zu werden denke, und dann auf mich selbst
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zurückkommen und auf das Ziel meiner kleinen Ausflucht. Keine lange Weile ist für
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mich hier abzusehen. Mein Vorrath an Pillen reicht noch auf ein paar Tage.
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Wenn ich damit fortfahren soll; so bitte mir ein neues Schächtelchen aus.
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Finden Sie andere Mittel für nöthig; so überlaße es gleichfalls Ihrem
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Gutbefinden. Ich bin mit meiner gewählten Stube recht sehr zufrieden. Sie ist
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die beqvemste für mich im ganzen Hause; und in Ansehung des Äußerl. fehlt
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mir hier nicht das Allergeringste –
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Gott seegne Ihre Cur an unserer lieben Marianne. Mit ihrer kranken
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Zehe wird es doch wohl so bald wie mit dem Finger abgemacht seyn. Auch
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das Engl. werden Sie nicht vergeßen. Ich wünschte hier auch allen
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philosophischen u oekonomischen Fragen und Antworten beßer gewachsen zu seyn;
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vielleicht ist meine Krankheit daran Schuld, daß ich nicht so gleichgültig seyn
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kann immer Einerley zu hören und Einerley zu sagen wie einer, der auf
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Einer Saite herumirrt, ohne von der Stelle kommen zu können, weder mit
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dem
Vtile
noch
Dulce.
Stellen Sie sich ein paar Kranke vor von sehr
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gesunden Appetit u Schlafe, von sehr ähnlicher Waßerscheue, sich den Finger naß
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zu machen, von gleich
gutem Willen
gesund zu werden, durch
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widersprechende Wunder, ohne den Gebrauch der reinen Vernunft und ohne die
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kleinsten Hausmittel der tägl. Erfahrung – und denen es alle Augenblicke wie
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jenen zwey alten Weibern geht, die sich für Geschöpfe einer unsichtbaren Welt
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ansehen wegen ihrer blöden und von Vorurtheilen begeisterten Augen.
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Wir haben mehr als einen Artzt nöthig, die Medicinader – die
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Medicinader uns öffnen zu laßen. Folgen Sie dem guten Ruffe der Witterung, uns
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nach dem Puls zu fühlen. Sie werden uns allen willkommen seyn und hier
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volle Nahrung und Weide für Ihre Neugierde und Beobachtungsgeist finden.
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Leben Sie recht wohl und vergeßen Sie nicht die mitleidende Hustende, die
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gutherzige Wirthin Ihres alten Freundes, Reisegefährten und Landsmanns.
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Bitte Ihre Hälfte von Michels seiner abzureißen.
Vale et faue
Tuo H.
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 4.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 401 f.
ZH VII 378–380, Nr. 1125.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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378/14 |
D. Coerman |
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: D. Coermann |
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378/25 |
ordentlich ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: ordentl. |
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378/28 |
D. Coerman |
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: D. Coermann |
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379/23 |
können; ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: können, |
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379/25 |
garnicht ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: gar nicht |