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Vlubris, vulgo
Welbergen den 19 Febr. 11 Uhr
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Gottlob! außer dem Bette.
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Herzenslieber Franz, Gott gebe, daß Sie mit Ihrer lieben Marianne und
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der kleinen Gertrud recht gesund, vergnügt und zufrieden dort leben mögen.
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Unser liebe
Dr. Raphael
hatte vorgestern einen blutigen Auswurf, und
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leidet seit dem an seinem BrustSchmerz und den damit widrigen Symtoms,
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aber in guter Hoffnung wider davon erleichtert zu werden. Dr. Arnold hat
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heute ein
Vomitif
einnehmen müßen, seines Schleims wegen unter der Glatze
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und auf der Brust; muste heute ein wenig genöthigt werden, ist aber jetzt sehr
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mit der glücklichen Ausführung nach geschehener That vergnügt. Ich bin
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gestern zum
erstenmal
2 Stunden und drüber von 11 bis 1 außer meinem
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Lager gewesen, und habe wider in Gesellschaft miteßen können, werde mich
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aber noch diese Woche vom Fleisch enthalten. Vorgestern habe auf der lieben
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guten Fürstin Gesundheit Mohn-Klöße geeßen und
die
der ganzen
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Gesellschaft zu kosten gegeben mit beynahe allgemeinen Beyfall – heute wird die
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lezte Hälfte verzehrt werden, mit dem herzlichsten Dank und lebhaftesten
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Reminiscere
der durchlauchtigen Geberin, welche anbey auch Ihre 3 Bücher
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zurück erhält, an denen ich mich auch geweidet. Den Nachmittag Ihrer
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Abreise bekam ich Witterung von 2
Mst.
in Ihrer Stube, die schon so lange hier
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gelegen haben, ohne daß ich den geringsten Laut davon gehört. Wie habe ich
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an dem
Noli me nolle
mit Kopf und Herz geschmaust, und genieße noch den
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Nachschmack davon. Was für ein strebender Mensch und ausstechender Vater
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ist unser ehrliche, redliche es mit Gott und Menschen gut meinende
Caspar!
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Gott laße ihn reichlich Freude und Wonne lecken. Was für ein Dornbusch
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vom Vater bin ich gegen jene Ceder im Garten Gottes; der aber sich auch dem
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Mose in jenem offenbarte – Also können wir ohne Neid und Eifersucht der
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Gaben anderer genüßen, und Gott danken, daß
solche
Menschen von
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solchem Schlage unsere
Freunde
sind. Man will decken, und mein
Appetit
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ist nicht krank gewesen; wie mein Schlaf, der sich auch diese Nacht Gottlob!
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gebeß
ert
hat seit eilf Wochen. Gott seegne Sie und die
lieben Ihrigen
,
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ist hier unser gemeinschaftlicher Wunsch und das einstimm
ig
e Echo. Ich
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umarme Sie mit dem zärtlichsten dankba
rsten
Herzen und bin, so lang ich
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bin und seyn werde Ihr alter
Johann Georg. Amen!
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Adresse von fremder Hand:
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An / Herrn Franz Bucholz / Erbherrn von Welbergen. /
zu
/ Münster.
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Nebst einem Päckchen / Bücher, gezeichnet / H.F.B /
Münster.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Lessing-Sammlung Nr. 1841 ff.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 406 f.
Ludwig Schmitz-Kallenberg (Hg.): Aus dem Briefwechsel des Magus im Norden. Johann Georg Hamann an Franz Kaspar Bucholtz 1784–1788. Münster 1917, 149 f.
ZH VII 392 f., Nr. 1135.
Zusätze fremder Hand
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Unbekannt |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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erstenmal ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: ersten mal |