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den 24 Jänner 85.

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Mein gütiger Freund,

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Den 20. d. habe das gebundene und gestern das ungebundene aufgerollte

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erhalten. – Wenn Herr Pf. Kraft den Spittler braucht, so mag er ihn behalten so

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lange er will. Erhalten hab ich ihn noch nicht, und ich erinnere nur um aller

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Verlegenheit deshalb vorzubeugen. Kraus hat das Verzeichnis der für die Bibl.

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erstandenen Bücher verlegt 9 Bände, und noch nichts von Godeau. Wie viel

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Bände enthält der? und aus wie vielen hat der ganze Handel bestanden. Doch

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beßer ist es das Verzeichniß beyzulegen und es mir zurückzuschicken mit Ihrer

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Berichtigung.

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Gestern besuchte mich eben HE Mayer, als ich eine sehr liebreiche Antwort

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von HE
D.
Biester erhielte, wodurch alles zwischen uns beygelegt und

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abgemacht ist. Ich soll ihm blos melden, was mir fehlt. Er beklagt sich einen Brief

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sehr spät erhalten zu haben, ohne daß ich mich besinnen kann, durch weßen

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Einschluß ich ihn habe ergehen laßen.

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In Ansehung Mendelssohns bin ich gleichfalls ruhig, weil er einen andern

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Gegner gefunden, an dem Jedermanns Sirach Schultz, der eine Apologie des

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Atheismus geschrieben, die ich Ihnen nächstens mitzutheilen denke – mit

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Lavaters Herzenserleichterung.

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Die Uebersetzung von Sp. Ethik erhalten Sie hiebey. Sie gehört Kraus. Meine

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2 Theile bin ich nicht füglich im stande in die dritte Hand auszuleihen, da ich

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sie theils selbst brauche, theils sie mir
ex speciali gratia
anvertraut worden.

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Von Pleßing habe erst heute einen alten Brief erhalten, daß Mendelssohn

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ein Buch unter dem Titel:
Spinoza oder über das Daseyn Gottes
unter

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dem Amboß hat. Er hat mir einige
Avertissements
von einem Werk seines

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Vaters mitgetheilt, wovon ich auch eins beylege auf allen Fall.

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Gestern vor 8 Tagen schickte mir mein lieber Gevatter Claudius seine

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Weihnachts Cantilene, (welche mit erster Gelegenheit zurückerwarte) und meldete

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mir die mit Lebensgefahr verknüpfte Entbindung seiner Rebecca vom 7ten

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Kinde, das auch eine Rebecca ist. Den Herrn Kunstrichtern schmeckt die Poesie

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wie das Grummet von der Weide
. Die Freunde des Asmus laßen sich wie

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die Weisen – das Heu und Stroh nicht irren. Auch vom glücklichen Componisten

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habe einen Brief erhalten.

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Den 15ten d. habe 21 Hefte meiner
Opusculorum
abgeliefert. Es fehlen nicht

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mehr als 1. Dangeul, den ich beynahe mich schäme für meine Arbeit zu erkennen.

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2.
Die Hirtenbriefe das Schuldrama betreffend
.

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3.
Die dreyfache Recension der Kreuzzüge
. Sollten Sie die beyden

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letzten besitzen und entbehren können: so würde ich dies Opfer zu ersetzen

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suchen, so gut u bald ich kann. Ein Wink des Herrn Mayers macht mich so

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dreist – Ich glaube aber, daß die durchlauchtige Leserinn nicht eben nach mehr

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Maculatur
lüstern
seyn wird, und wage nur meine Bitte auf den

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unvermutheten Fall einer ausdr. Nachfrage.

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Von Recensionen habe nicht mehr als 9 Stück schaffen können und überhaupt

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von den meisten das letzte Exemplar hingeben müßen – und mir ist alle Lust an

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einer Sammlung meiner ersten Schriften die ich im Sinn gehabt, bey dieser

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Durchsicht verekelt und versaltzen worden.

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Wo ich jetzt ein Exemplar zu den Sokr. Denkw. und einigen andern

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herbekommen soll, weiß ich auch nicht. Ein
Gehülfe
ist mir überhaupt

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unentbehrlich, den ich auch nicht aufzutreiben weiß. Dazu gehört ein Freund, der nicht nur

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Muße sondern auch etwas mehr hat, ich meyne Sympathie und Verleugnung

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publici saporis,
wie mein erster Lieblingsautor Petron sagt, und meinen zweiten

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Lieblingsautor den Persius versteht und zu schmecken im stande ist.

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Mit dem ersten Theil von Gibbons Geschichte des Verfalls und Untergangs

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des römischen Reichs bin ich fertig ohne
bisher
den giftigen Feind des

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Christentums in ihm gefunden zu haben.

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Die komischen Romanen aus den Papieren des braunen Manns und des

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Verf. des Siegfried von Lindenberg, welche die 2 ersten Theile der

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Waldheimer
enthalten, haben mir unaussprechlich Vergnügen gemacht, das ich gern

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mit Ihnen zu theilen wünschte.

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Zwischen ein erbaue mich an
D.
Joh.
Χ
sto. Döderleins Predigten zur

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christl. Belehrung über verschiedene Wahrheiten der Religion

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Halle 777 die auch Ihren Beyfall erhalten würden.

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Vive le Roi!
ruff ich Ihnen, mein gütiger Freund! noch aus der letzten Neige

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meiner kalten Punsch Schaale zu. Das Licht meiner Augen ist beynahe erlöscht.

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Dieser Heilige Abend kommt mir theuer zu stehen. Ein Szostack für meine

23
zweite Tochter
Lehne Käthe
mit der ich heut vor 8 Tagen einen glücklichen

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Anfang im Französischen Lesen gemacht und einen Düttchen für meine

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Marianne Sophie
. Doch das sind böhmische Dörfer für den Erbherrn in

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Sprintlacken! Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemalin, und zucken Sie die

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Schultern, so hoch Sie wollen über Ihren

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empfind- und Punschseligen Freund und Diener J G H.


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Adresse mit schwarzem Siegelrest:

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HErrn Kriegsrath Scheffner / Erbherrn von und / zu /
Sprintlacken
. /

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Nebst einem Buch in /
Wachslein
.

Provenienz

Druck ZH vmtl. nach einer nicht mehr überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas oder einem Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 202–204.

ZH V 340–342, Nr. 803.