1011
529/2
Mittwochs am Tage Zachäi den 23
Aug
86.


3
Kein David ist mehr hier,

4
Kein Jonathan ist blieben!


5
Mir fallen diese zwey Verse aus meiner frühen Kindheit
ein
, wo ich sie

6
mit unermüdetem Vergnügen mir vordudelte. Das Lied weiß ich nicht mehr,

7
aber die Weise war ein bekannter Gaßenhauer zu jener Zeit.

8
Unser vertrauliches Du hat lange geschlafen, mein lieber Fritz! und es ist die

9
höchste Zeit, daß ich es aufwecke. Ein mittelbares und indirectes widerstand

10
meinem Geschmack und Eigensinn. Nun laß mich wider plaudern unter vier

11
Augen vom 100 ins 1000ste, einholen was ich versäumt habe und abmachen,

12
was theils rückständig, theils für die Zukunft übrig ist. Zuförderst wünsch

13
ich Dir mit einem Bewilligungskuß zur überstandnen Wallfahrt und neuen

14
Genuß der häuslichen und einheimischen Freude und Ruhe in P. wo Du

15
alles wohl behalten und gedeylicher widergefunden haben mögest. Dein

16
Johann Georg und sein
Pendant
sind krank gewesen. Bleibe des einen

17
liebreicher Vater und des andern großmüthiger Freund, und laß den Himmel für

18
beyde sorgen und walten.

19
Die Freude in M. ist bald verwelkt. Alles Fleisch ist wie Gras, alle Güte

20
und Herrlichkeit der Menschen, wie des Grases Blumen – aber Eins bleibt

21
in Ewigkeit. – Ich hatte mir beynahe vorgenommen, nicht mehr in

22
Sprüchen zu reden. Der Parder kann aber seine Flecken nicht wandeln. Diesen

23
Sonntag trete ich in mein 57stes Jahr und den vorigen habe meine Andacht

24
gehabt. Ich gehe nur Einmal des Jahrs; bey meiner bisherigen Unruhe hat

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es länger gewährt. Nach verrichtetem Gottesdienst fieng ich einen Brief an

26
Dich an. Kaum hatte ich mich hingesetzt, so kam mein Sohn mit der

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Nachricht zu Hause, daß Kraus eben mit der Post angekommen wäre, und sich

28
noch ein wenig ausputzen wollte, um bey mir zu seyn. Er hat sich 5 Wochen

29
im Oberlande umgetrieben. Mit dem Schreiben gieng es nicht mehr fort

30
und ich nahm mir vor die ganze Woche nicht auszugehen. Den Morgen drauf

31
entschloß ich mich wenigstens das Montagsgebet abzuwarten. Eben da ich

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aus dem Hause gehen wollte kamen 2 Boten mir zu melden, daß die Thore

33
geschloßen wären und die Regimenter noch denselben Morgen schwören

34
würden dem neuen Könige. Eine Art von Wehmuth und Schauder überfiel

35
mich doch. Alles lief nach Königsgarten, und ich gieng aus der Kirche zu

36
meinem Freunde Hennings, der sich Gottlob! beßert und sich zusehends

S. 530
erholt, aber wo nicht eine Lähmung doch Schwäche der rechten Seite wohl

2
behalten wird, nahm daher auf die ganze Woche
eventuell
en Abschied, und

3
eilte vom Packhofe so bald ich konnte zu Hause. Mein Kopf war so voll, daß

4
es mit dem Schreiben nicht fort wollte. Gegen Abend brachte Kraus seinen

5
Freund Sommer zu mir. Wir sitzen im Garten wie der Postbothe mir eine

6
Addresse
zu einem Päckchen brachte; es war zu spät darnach zu schicken,

7
und ich qvälte mich den ganzen Abend mit dem Innhalt
und
zu errathen wo

8
es herkäme. Gestern ließ ich meine Abwesenheit auf die ganze Woche melden.

9
Gleich darauf erschien das Päckel. Es waren 5 Bücher von B. und das

10
Fragment eines alten Briefes. Ich laß diesen ohne eine Sylbe unter dem
Dato
der

11
Absendung zu finden, und versparte das übrige zu meinem

12
Geburtstagschmause. Meine Unenthaltsamkeit ließ mir keine Ruhe – ich
anticipir
te alles

13
und habe noch alles zu einem neuen Schmause verspart. Diese halbe Woche ist

14
also wider vorbey und ich weiß nicht wo sie geblieben – Den Bienenschwarm

15
in meinem Gehirn ohne eine Königin kannst Du Dir leicht vorstellen. Ein

16
Wald rauscht in meinen Ohren, daß ich mein eigen Wort nicht hören kann.

17
Aus Beyl. wirst Du lieber Fritz ersehen, daß ich den Willen gehabt nach

18
London zu schreiben. Ich habe Dir so bereits
Porto
gnug gekostet, und ich

19
wollte Dich dort nicht stören mit meinen unfruchtbaren Grillen, die ich daher

20
lieber zurück behalten.

21
Die Sterblichkeit meiner Schriftstellerey wird Dir auch schon geahnt

22
haben. Ich muß Dich also mit dem Leichenbegängnis meiner unzeitigen Geburt

23
beschweren und Deinem ehrlichen
Tiro
die Mühe und Sorge deshalb

24
überlaßen. Ich habe schon seit 2 Posttagen seinen letzten Brief erwartet, der

25
diesen Sonnabend vielleicht ankommen wird, um auch von ihm Abschied

26
nehmen zu können, und das Nöthige darüber zu schreiben.

27
Mens sana in corpore sano
muß jetzt meine vornehmste Sorge seyn. Vor

28
14 Tagen wurde unser
ProvincialRendant
der
Accise
und Zoll
Casse
aus

29
dem Stegreif verrückt, und ich kann Gott nicht gnug danken, daß ich noch

30
Ueberlegung gnug
besitze
meine Narrheit zu fühlen und einzusehen. Sich

31
schämen und ärgern macht die Sache nicht beßer. Bileams Künste und

32
Beschwörungen helfen auch nicht. Gedult ist uns noth, alles zu überwinden und

33
endlich den Sieg zu behalten.

34
Da meine Entkleidung und Verklärung einen so lächerlichen Riß, wie

35
Scarrons Wams am Ellbogen bekommen, wird die Hitze mich zu sehen doch

36
lieber Fritz! etwas kühler geworden seyn, und mit dieser Kühlung ist mir sehr

37
gedient; aber um das Lehrgeld was es kostet thut es mir leid.

S. 531
Seit dem
8 d. geht es mit
den
Visceral-Lavements
beßer, und ich habe

2
schon gegen 30 derselben
comme il faut
durch den rechten Weg

3
eingenommen. Wenn ich nur meinen unbändigen Hunger oder vielmehr
Appetit
etwas

4
mehr einschränken
könnte
. Noch eine Erscheinung ist wichtiger oder gehört

5
zu meiner Cur wenigstens. Den 12 d. besucht mich der junge Nicolai des alten

6
Vetters Sohn, der auf dem
Domnic
zu Danzig seines Vaters Laden

7
revidi
rt und sich eine Lustreise gemacht hatte. Ich entschuldigte mich wohl in

8
Ansehung eines Gegenbesuchs, sprach aber doch den Morgen drauf bey ihm an,

9
speiste den 14 Mittags bei Deinem Namensvetter der ein wirkl.

10
Anverwandter von der Magenseite ist. Vorigen Freytag wurde eine Abreise nach der

11
Kanterschen Papiermühle in
Trutenau
verabredet; ich tratt meinem Sohn

12
meine Stelle in der Kutsche ab, und nach dem Mittagseßen fällt es mir ein

13
1½ Meilen zu Fuß zu gehen. Ich der ich in der Stadt ermüde von einem nur

14
etwas entfernten Besuch, hielt es kaum für mögl. dies
Pensum
zu
absolvi
ren

15
und hatte schon meine
Maasreguln
genommen unterwegs im Fall der Noth

16
liegen zu bleiben und meinen Gefährten
Raphael
weiter zu
expedi
ren. Um 2

17
gieng ich aus um 5 bin ich da zum Wunder der ganzen Gesellschaft, wurde

18
gezwungen meines Sohns Stelle in der Kutsche auszufüllen, und fühlte

19
mich stark gnug auch den Rückweg zu Fuße gethan zu haben, begleitete den

20
jungen Vetter mit seinem Gefährten Fellner aus Fr. am Mayn nach einem

21
öffentl. Garten, wo
Concert
gehalten wird, und kroch im Finstern zu noch

22
größerem Ebentheuer ohne meinen Stock, den ich meinem Sohn gegeben

23
hatte, nach Hause; gieng den Tag drauf zur Beichte und hätte vor Freuden

24
weinen mögen über den Vorrath von Kräften, den ich mir nicht zugetraut.

25
Es glimmt also noch Feuer unter der Asche. Der junge Mensch hat hier viel

26
Beyfall gefunden, eben so aufmerksam als zurückhaltend, ein würdiger

27
Successor
seines Vaters. Vorgestern hat Hippel einen Schmaus ihm zu

28
Ehren gegeben, und wie ich höre, ist er bereits abgereiset. Es thut mir leid

29
daß Kraus ihn nicht gesehen, bey dem er einer Vorlesung über den Homer

30
beywohnen wollte, wie er gestern auch bey Kant gethan. Auch diese

31
Erscheinung ist nicht überflüßig gewesen, mich in Ansehung meiner Autorschaft zu

32
orienti
ren.


33
Bartholomäi.
24. August 1786

34
Kraus kam noch gestern wider meine Erwartung, um mir und sich eine

35
Diversion
zu machen. Er bot mir eine
Recension
der Resultate an, die ich

36
für meine ausgeben sollte, wozu ich auch willig war. Die Schwierigkeit sah

37
er selbst ein, diesen Betrug wahrscheinlich zu machen. Ich übernahm alles

S. 532
auf meine Gefahr, und hätte diese Arbeit gern von ihm gesehen, weil wir

2
alle dabey gewonnen haben würden. Die lateinsche Zeitung verdarb dies

3
ganze Spiel. Er dachte auf dem Lande über das ganze Problem zu arbeiten;

4
hat aber dort so viel zu beobachten gefunden, daß er an kein Studiren hat

5
denken mögen, und kaum in seinem Homer etwas hat lesen können. In der

6
Gegend ist auch eine kleine Loge von dem System, das zu Berlin so

7
gebrandmarkt wird. Er ist selbst Freymäurer, hat sich aber abgesondert. Ich habe

8
vielleicht zum werden und aufhören Anlaß gegeben. So sehr ich ihn auch als

9
einen feinen, klugen, ehrlichen Mann liebe: so ist etwas
heterogenes
in
unsere

10
Natur, daß wir uns einander nicht recht trauen. Als
Professor
und
Senator

11
der Akademie ist er ein eben so verdienstvoller als geplagter Mann von

12
seiner Hypochondrie zugleich bey seinen Arbeiten und Dienstfertigkeit, daß

13
seine Launen Nachsicht fordern.

14
Wie ist es möglich, Herzens Fritz! daß Du niemals an Deinen

15
liebenswürdigen Hausgenoßen, den Resultatenschmidt gedacht hast. Ich habe dem

16
Tiro
den Empfang der 6
Exempl.
bescheinigt die den 7
Jul.
noch viel zu früh

17
zwar für mich aber nicht für meine Freunde, Hippel, Scheffner, Kraus,

18
Nicolovius und Brahl ankamen. Letzterer ist vorige Woche
incognito
nach

19
Berlin gereist, ohne Urlaub und Umstände um
des
selbst die Zusätze

20
des Gr
Mirabeau
zur Uebersetzung des Cincinnatus Ordens abzuholen.

21
Ein guter Freund aus Curl. der dort was zu suchen hat, nahm ihn in

22
seinem leichten Fuhrwerk mit; er hat einen alten Schulfreund an einem

23
Pensionair
des Königs, der sein Leib u Wundartzt ist, wollte in 4 Wochen

24
hier seyn, und bildete dem Director ein, daß er blos nach Westpreußen

25
gehen wollte.

26
Mein schwärmender zwischen
Catholicismo
und
Herrnhutianismo

27
schwankender Freund Mayer, an dem ich sonst gedacht haben werde, kam von

28
seiner geheimen
Expedition
aus Deutschl. zurück, gieng nach Curl. um

29
vermuthl mit Frau u Kind bald wider es zu verlaßen. Er brachte mir von

30
Häfeli 2 prosaische u eben so viel poetische Kleinigkeiten mit vom

31
Oberhofprediger
de Marées,
worunter das stärkste die
Briefe über die neuen

32
Wächter der protestantischen Kirche
– worinn der alte Greis mir in

33
manchem zuvor gekommen. Auch Masius hat mir durch Mayer sein

34
Vereinigungsbuch u Aussichten der Seele zugeschickt mit dem Auftrage es zu lesen,

35
welches ich auch gethan und thun müßen ohne mein Vorurtheil durch diese

36
Gefälligkeit gebeßert zu haben. An einer neuen Ausgabe des ersten wird

37
gearbeitet, das meines Erachtens weder ärger noch beßer werden kann. Was

S. 533
aus der Gährung herauskommen wird, gehört auch zu Gottes Geheimnißen,

2
die man abwarten und anbeten muß.

3
Worinn die neue Epoche sich auszeichnen wird? Der Held starb also wirkl.

4
den
17
den Tag vor meiner wunderlichen Wallfahrt nach Trutenau. Er hat 2

5
Anfälle vom Schlage gehabt. Was für eine Lebenswärme, was für ein

6
Lebensfeuer muß in seiner Natur gewesen seyn. Seinen Orden soll er dem

7
Minister Herzberg vermacht haben. Ein sehr rührender und ihm ganz

8
ähnlicher Zug – Hundestreue mit hündischem Lohn zu
dressi
ren. Er war ein

9
Mensch, ein großer Mensch in der Kunst seinesgl. zu regieren. Er war ein

10
treuer Knecht seines
Herren
und Ichs. Trotz seinem guten Willen eines Anti-

11
wurde er durch ein Schicksal u Misverständnis ein Metamachiavell. Aus

12
der Eichel muste eine Eiche
l
werden; zu welchem Bau diese dienen wird –

13
beruht auf dem Willen des großen Baumeisters, der kein
faber incertus
ist.

14
Beym allgemeinen denkt jeder an sich selbst. Kayserling und der Herzog von

15
Hollstein sollen schon nach Berl. abgereist seyn. Auch ich
d
armer Tropf

16
dachte an meine Reise; besann mich aber, daß ich weder schreiben noch reden

17
kann. Ein mir unbekannter Candidat hielt mir vorgestern das Gebet über

18
1
Petr. V.
7. Am Sonntage wurde ein Lied vom alten Scriver gesungen, das

19
mir beynahe gantz unbekannt geworden war, in dem jede Zeile ein treffender

20
Pfeil für mich war. Es fängt sich an: Jesu meiner Seelen Leben – Der 7

21
Vers schliest sich: Niemals hab ich was begehret,

22
War
es
gut
, ich bins gewähret.

23
Trotz einer Erfahrung von 56 Jahren – denn
Phryges sero sapiunt

24
wäßert mir noch immer der Mund nach der verbotenen Frucht der

25
Erkänntnis deßen, was gut und böse ist. Wenn es gut ist, daß ich verstumme und mein

26
Leid in mich freße, wenn es gut ist, lieber ein pythagorischer Maulaffe als

27
sophistischer Kämpfer zu seyn: warum soll ich ein
qu’en dira-t-on
selbst

28
meiner liebsten Freunde fürchten? Das Senfkorn meines Glaubens und

29
Gewißens ist mir heilig, und Du ehrlicher Fritz! hast mir diesen Knüppel selbst

30
angelegt. Bezahl also für die beyden Wochen die Druckkosten für 2 Bogen

31
und such meinen
B.
der wohl freylich am unschuldigsten sich
g
verhalten

32
hat zu einer gleichen Grosmuth für die 2 übrigen zu bewegen. Der
Domine

33
Politice Crispus
möchte mir auch gern mit seiner flachen Hand etwas zum

34
Denkzedel geben; er hat aber wenigstens Mitleiden mit meiner geballten

35
Faust, die ziemlich gelähmt ist. Wenn die Sache Salamin und Carthago

36
betrifft; so schämt sich
Cato
keines Solöcismi. Ein
Jack with a Lantern
hat

37
mich in einen Morast geführt, aus dem ich mich mit Lebensgefahr

S. 534
herausarbeiten muß. Mein Plan war einfach und gerade; wie ich in den Wirbel und

2
Schwindel gerathen bin, mag
D.
Herz anatomisiren und physiologisiren –

3
Von
curi
ren und nicht
discuri
ren ist die Rede bey mir jetzt. Ohne
praxi
ist

4
alle Theorie eine taube Nuß, und die aufzubeißen, habe ich meine morschen

5
Zähne zu lieb. Aussichten der Seele nennt
Masius
seine Lieder in Prosa.

6
Ich las dieser Tage in einem Buche:
Der Grund aller

7
Ueberspannung ist Leidenschaft, Schwäche
; und abermal:
Instinct von

8
Leidenschaft zu unterscheiden ist das Meisterstück des

9
Verstandes
. Trefflich!

10
Nur Jammerschade, daß die tiefste Erfahrung von einer Erscheinung

11
abhängt und die höchste Vernunft auf ein Wortspiel hinausläuft. Freylich

12
verliert Action und Handlung alle männliche Würde durch weibische und

13
kindische Paßion oder Leidenschaft. Warum ist es aber in den
verschiedensten

14
Fällen
eben so
wahr: Wenn ich schwach bin, so bin ich stark. Verstand und

15
Erfahrung ist im Grunde einerley: wie Verstand und Anwendung einerley

16
sind. Woher komt die Verschiedenheit des Gegensatzes. Beruht das ganze

17
Geheimnis unserer Vernunft, ihrer Antithesen und Analogien in nichts als

18
einer
licentia poetica
zu scheiden, was die Natur zusammengefügt und zu

19
paaren, was sie hat scheiden wollen, zu verstümmeln und wider zu flicken.

20
Der auf dem Stuhl saß, kann allein die wahrhaftige und gewiße Worte

21
sagen
sprechen:
Siehe, ich mache alles neu
! All unser Lallen und

22
Nachahmen ist
Non-sense.

23
Ehe ichs vergeße, muß ich noch, liebster Fritz! um Verzeihung bitten

24
wegen der unverschämten Zumuthung in Engl. Nachfrage zu thun um

25
Swedenborgs Arcana
oder wie das Ding heißt. Eben war damals Hartkn. mir auf

26
dem Dache, und er drang so inständig und war von Deiner Gefälligkeit so

27
überzeugt, daß ich mich auch hierinn übertölpeln ließ. Hast Du wenigstens

28
Erkundigung deshalb eingezogen, oder noch mehr besorgt zur Abmachung,

29
oder hat es Dir an Muße und Gelegenheit gefehlt Dich darum zu

30
bekümmern: so melde mir doch, daß ich ihm Bescheid geben kann. Er hat sich auf

31
meine erste abschlägige Antwort noch nicht zufrieden gegeben; sondern seine

32
Anerbietungen erweitert, die mich noch mehr abschrecken. Mein Gemüth ist

33
wenigstens gantz frey in Ansehung dieser Sache – Seine Schwägerin
Me

34
Courtan
ist seit 5 Wochen bey ihrer Schwester in Pillau, und wird in einigen

35
Tagen erst erwartet.

36
Nun heißt es, der neue König hätte seinen eignen Orden dem Min.

37
Herzberg umgehängt. Gegeilt hat er lange darnach.
La vie de M. Turgot
von

S. 535
Condorcet
enthält viel Metaphysik, und hat mir einige vergnügte Stunden

2
gemacht.

3
Die gute Fürstin hat wegen meines Urlaubs
intercedi
ren wollen. Von

4
dem Erfolge weiß ich nichts. Alle die
Crises
zu meiner Reise und Schreiberey

5
sind nöthig gewesen und werden heilsam für mich seyn. Abel ist zu fruchtbar,

6
um Deinem philosophischen
Aumonier
furchtbar zu seyn. Biester hat Kant

7
den Empfang seiner Abhandlung über des M. Orientiren bescheinigt, aber

8
nichts mehr. Ob Z sich erholen wird – und die
Luna eclipsi
ren – wie ihr

9
schon längst geahnt. Von Stark weiß seine Familie hier auch
nichts
.
Sein

10
und mein alter Freund Penzel ist auch mit seinem
Dio Cassius
einmal

11
herausgerückt.

12
Du wirst auch Ruhe zu Deinen Arbeiten nöthig haben, zur neuen

13
Ausgabe des Sp. Büchleins, des
Hemsterhuis
– Gott gebe Dir Friede und

14
Kräfte, und laß Dich nicht vergeblich arbeiten. Ich erwarte doch wenigstens

15
Antwort auf diesen Brief – – Ich muß mich von allem absondern, um mich

16
zu sammeln. Schreibe also blos im Nothfall. Mit dem Gebrauch der Mittel

17
werde so lange ich Hoffnung habe etwas auszurichten, fortfahren müßen,

18
und mich mit dem neuen Jahre zu mehr Bewegung zwingen, die ich eben so

19
sehr als Umgang verabscheue. Nichts als Umstände, von denen ich nicht

20
Meister bin, haben über mich Gewalt; weil es mir an aller Kraft in mir

21
selbst und meinem Willen fehlt – –

22
Ich umarme Dich unter den treusten Wünschen für Dein ganzes Haus,

23
und bitte Gedult zu haben mit Deinem schuldigen Mephiboset Taugenichts

24
God mend him!

25
Um meinen Kopf zu erleichtern hab ich noch heute an
Tiro
geschrieben.

26
Erhalte ich noch etwas worauf zu antworten nöthig ist, so werde es

27
nachholen. Jetzt ist Ruhe mein
Vnum necessarium,
das ich als ein Alter und

28
Patient
nöthig habe. Bey aller meiner Trägheit von außen, ist alles in

29
Bewegung von innen.
DEVS iuuabit Suum et tuum!

Vgl. HKB 1010a

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 267–275.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 379–387.

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 330–337.

ZH VI 529–535, Nr. 1011.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
529/2
Aug
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Aug
530/7
und
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
um
530/30
besitze
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
besitze,
531/1
den
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
dem
531/1
Seit dem
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Seit den
531/15
Maasreguln
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Masreguln
531/33
Bartholomäi.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Bartholomäi
532/9
unsere
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
seiner
533/4
17
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
17,
533/10
Herren
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Herrn
533/22
War
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
war
533/31
B.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
B
535/9
nichts
.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
nichts.