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535/30
Kgsberg den 24
Aug.
86.
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Liebwerthester Herr und Freund
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Ihre gütige Zuschrift vom 4 d. habe den 16 erhalten. In der Voraussetzung
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daß der Hausvater bereits daheim ist, in Gesundheit und ruhiger Zufriedenheit,
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wollte ich erst die Sonnabendspost abwarten, mag aber meinen herzlichen
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Dank und Abschied nicht länger aussetzen. Sie haben viel Mühe und Arbeit
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meinethaben gehabt, die ich weder schriftlich geschweige thätlich zu erwiedern
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imstande bin. Ihre Treue in Besorgung meiner Angelegenheiten,
i
Ihre Frömmigkeit
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meine Anfechtungen, die ich als Schriftsteller und Mensch leide, nicht zu
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verachten noch zu verschmähen
Gal.
IV
14, 15.
, und sich lieber Ihren Augen Weh anzutun,
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als meinem verwöhnten Geschmack, machen mir Hofnung, daß Sie mir die
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Beantwortung einiger Fragen nicht versagen werden, mit denen ich meinen
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Jonathan nicht belästigen mag und die sein kollernder David am bequemsten
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und sichersten von Ihnen einziehen kann.
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Ich wünschte zu wißen, wie viel Exemplaren von den 4 Bogen abgedruckt sind?
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und wie viel die Kosten des Drucks genau betragen?
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Es geht meiner armen Muse, wie der außätzigen Schwester des jüdischen Propheten,
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daß sie ist wie ein Todtes, das von seiner Mutter Leibe kommt; es hat schon
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die Hälfte ihres Fleisches verzehrt. Ach Gott heile sie
Mos. XII.
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Ohnegeachtet ich Vater dieser 4 Bogen bin: so ist es mir doch nicht möglich
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sie anzusehen, ohne ihnen ins Angesicht zu – –
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Der Hausvater wird für baare Bezahlung der Kosten sorgen; wie sein treuer
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Eleasar-
Tiro-Ariel
für gewißenhafte Auslieferung der Wechselbälge aus der
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Preße in gefängliche Verwahrung, zu den bevorstehenden Winterlustbarkeiten,
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für die man schon im August, als ein guter Wirth bedacht seyn muß, besonders
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wenn man hyperboreische Besuche vermuthend ist.
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Ich wollte nicht gern, daß es meiner Menschheit mit der Schriftstellerey
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gehen sollte, wie einem Mädchen mit ihrer
Toilette,
das
kleinste Theil
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meines Selbst
zu werden
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Beym Empfang des Gegenwärtigen wird sich die Einnahme meiner
Visceral-
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Lavements
auf fünfzig belaufen, und hoffe dadurch
sowohl
nunmehr zum Reise
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oder Sitzleder
Qualificierten
zu werden. Sie sehen, liebwerthester Freund
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aus dem
calculo
meiner Einnahme, daß ich ein wenig mehr Lust zum
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Leben und Lachen als Schreiben habe. Bitte mir daher von Ihrer Freundschaft
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eine ebenso treuherzige Anzeige der Ausgaben zum
Notabene
aus und überlaße
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alles übrige Ihrer Klugheit und Rechtschaffenheit
.
, die mich aller Sorgen
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und Scrupel überhebt. Einl. bitte
einzuhändigen
und Ihrem Nachbar
W.
was
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mir selbst fehlt, zu wünschen. Ich umarme Sie mit allen den Gesinnungen,
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die Ihren edeln Handlungen
correspondi
ren, und unterschreibe mich
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mit Hand und Herz zu
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Ihrem
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ergebenen und verbundensten
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Johann Georg Hamann.
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Adresse mit Siegelrest:
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HErrn / HErrn Geheimen Rath
Jacobi
/ zu /
Düßeldorf
. /
Frc. Wesel
/
Einschl.
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Mit Bleistift vermerkt:
(Für dessen Secretär, Heinrich
Schenk
)
Provenienz
Goethe-Museum Düsseldorf, Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, NW 1720–1980 (ZH druckt einen Auszug des Briefes nach Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 264 f.; Änderungen werden nicht annotiert).
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 264 f.
ZH VI 535–536, Nr. 1012.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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535/39 |
Gal. IV 14, 15. |
Am Rand nachträglich von Hamann ergänzt. |