1013
536/21
Dominica Pharisaei et Publicani
27
Aug.
1786.
22
Liebster Fritz,
23
Ich erhielt im
Aug
83 Deinen
ersten
Brief und gestern Morgen statt
24
des
neunten
den mir
Tiro
den 4 dieses versprach den nächsten Dienstag zu
25
schreiben den 49sten von Deiner Hand, die ich sogleich erkannte und als über
26
eine Erscheinung erschrack, weil ich selbige für eine Antwort auf mein
27
Willkommen ansahe, das ich Dir vorigen Donnerstag geschrieben hatte.
Weil
28
i
Ich traute meinen Augen nicht
traute
,
so
und sah
ich
vorher nach
29
dem Siegel, auf dem mir ein Rad in die Augen fiel, und weil ich es verkehrt
30
hielte so schien mir die jungfräuliche Sphinx der leibhafte Ixion zu seyn.
31
Es hatte mit dem Rätzel folgende Bewandnis. Ich war die ganze vorige
32
Woche zu Hause geblieben, und da fiel es mir vorgestern ein, auch Deinen
33
ganzen Briefwechsel in Ordnung zu bringen. Diese Beschäftigung wirkte auf
S. 537
mich wie die
Dulcamara,
und brachte mich in einen außerordentlichen
2
Schweiß und Wallung. Mitten in dieser Arbeit erhielt ich Deinen jüngsten
3
Brief, und weil ich die ganze Folge mit rother Dinte
numeri
rt habe bis auf
4
das kleinste Zedelchen u Blättchen von Deiner Hand mit Bleystift
5
geschrieben: so war der süße Wein, an dem ich beynahe 3 Jahre gesippt hatte, auf
6
einem Zuge in mein Gehirn gestiegen, und Du kanst Dir das abentheuerl.
7
Spiel meiner Phantasie leicht erklären.
8
Nun ich freue mich abermal daß Du
und
mit Deinem
alter Ego
und
9
begleitenden Reiseengel nach Wunsch und Herzenslust alles in Aachen und
10
Pemp. wider gefunden hast bis auf den armen
Aumonier,
mit deßen Sinn
11
u Schicksal ich leider nur zu sehr sympathisire. Ich habe Dir Unrecht gethan,
12
als wenn Du gar nicht an diesen Genoßen Deiner
φφ
ie gedacht hättest.
13
Zweymal hab ich ihn als Magister im Vorbeygehen angeführt gefunden,
14
und der ist
dem
Wzm
um deßen Fragment über Matthäum Dich unser Alc.
15
einmal mahnte. Aus
Discretion
mich näher zu erkundigen, vergaß ich meiner
16
Neugierde mich nach dem Namen und dem Logogryph deßelben zu
17
erkundigen;
weil mich beyde stutzig gemacht hatten.
18
Ich schließe, daß mein kleiner Bruder Georg wider hergestellt, und
sich
19
wider
wie ein genesener Kranke, sich doppelt beßer befindt. In der
20
Silhouette,
die Meister
Tiro
von ihm gemacht hat, fand ich so viel
homogenes
21
mit meiner Physiognomie, daß ich seit länger als 8 Tagen auch anfange
22
corpulent
zu werden, und
mir
Dir meinen Jungen mit seinen
23
Storchbeinen zum
C
Tausch überlaßen möchte. Wir katzbalgen uns alle Tage
in
24
puncto
der Cardinaltugend, von der ich ein mehr als platonischer Liebhaber
25
in abstracto
bin, die mir aber
in concreto
das zweydeutigste
entre chien et
26
loup
ist – und denn wetteifern die beyden
Virtuosen
in einem
Duetto
von
27
stotternden und stammelnden Trillern, die ihm nachtheiliger als mir sind – –
28
Braucht Dein jüngster Sohn noch die Kämpfsche Mittel, und mit welchem
29
Erfolge? Würden Sie nicht auch dem Autor, der mir selbst seine Noth
30
gebeichtet, zuträglich seyn? Mit dem 12
Lavement
machte ich den Versuch sie
31
kalt einzunehmen, welches dem Gefühl nach wohlthätiger für mich ist. Mir
32
hat das Resultat geahnt, was Dein Prometheus nicht voraussehen können.
33
Ich fürchte mich daher desto mehr angesteckt zu werden durch meine
34
bisweilen zu empfängliche Einbildungskraft. Ich traue dem Eisen nicht so bald,
35
wenn es einmal roth geworden ist. Der Titul war mir schon verdächtig und
36
Deine Ankündigung auch ein viel zu heißer Brey für das parteyische
37
Publicum. Hierinn scheint mir eine kleine Uebereilung von beyden Theilen
S. 538
geschehen zu seyn wegen der nahen Verbindung, die dem Publico kein
2
Geheimnis bleiben kann. Von mir hat keine Seele den Namen des Verfaßers
3
erfahren. Außer dem ersten flüchtigen Ueberblick hab ich noch einmal das Buch
4
gelesen. Die ersten 100 Seiten kamen mir eben so unverständlich vor, wie das
5
erste mal. Daß
s
die Resultate von keinem bloßen Candidaten sondern
6
einem Mann herkamen, der schon eine Art von Meisterrecht erhalten zu haben
7
schien; hierinn waren beyde mal meine Eindrücke sich ähnlich. Meine Freunde
8
glaubten gegen das Ende mehr Erinnerungen und Schwierigkeiten gefunden
9
u nothig gehabt zu haben.
Tot capita, tot sensus.
Ich war das zweitemal,
10
wie ich es las, in Ernst krank, und es fehlt mir noch an allem um mitreden
11
zu können. Ich verstehe noch zu wenig von
Spinoza,
noch weniger von
12
Hemsterhuis
und eben so wenig Deinen Brief an den letzten über den ersten.
13
Nicolovius
hat sich die
Lettre sur la Sculpture
verschrieben, die ihm 2½ rth
14
kostet. Dies erste Werk im
Original
wird mir vielleicht einmal Dienste thun –
15
da ich es so lange behalten kann, als ich will, die
Manier
dieses
16
außerordentl. Mannes zu faßen, den ich mehr bewundern als schmecken oder
17
vielmehr genießen kann; denn seine ganze
φφ
ie scheint mir mehr Manier und
18
Schönheit als Wahrheit und Natur zu seyn.
19
den 23
Septbr.
20
Ich habe drey Briefe und eben so viel an unsern B. angefangen, war so
21
unverschämt diesen Morgen den vierten von Dir, Herzenslieber Jonathan,
22
zu erwarten und mich drauf zu erfreuen, aber zugleich entschloßen
23
wenigstens die schuldig gebliebene Antworten mit dieser Post abzumachen. Nun ist
24
die Unruh einmal hier überstanden, und der König gestern früh
25
widerabgereiset, ohne ihn gesehen, noch mich um das geringste bekümmert zu haben.
26
Dein 50ster Brief kam den 6
huj.
und No 51 den
Tag vor dem König
27
an den 16. Da war Feuer im Dach, zum Glück aber selbiges mit Stroh
28
bedeckt und die Glut hörte bald auf. Gott weiß am besten, was diese ganze
29
Woche über in meinem Gemüth vorgegangen ist. Ueber die Standhaftigkeit
30
Deiner Freundschaft und über ihre unverwandelbare Zärtlichkeit muß ich
31
schweigen. An keine Winterreise ist zu denken. Mit diesem Jahr geht das
32
zweyte
Decennium
meines öffentl. Lebens zu Ende. 67 wurde ich welscher
33
Charon 77 Packhofverwalter 87 halte ich zum dritten mal um Erlaubnis
34
zur Reise
an
35
Dein erster Brief
No
49 kam eben den Tag
vorher
drauf an, als mein
36
letzter abgegangen war. Ich dankte Gott für diesen
kleinen Umstand
S. 539
der mich in meinem ganzen
Concept
irre gemacht hätte. Ich hatte schon 2
2
cassi
rt und setzte diesen auf den Anfang des
dritten
fort. Du hast Recht,
3
daß ich bey der
Revision
Deiner Briefe unsern
Mag. Prometheus
zweimal
4
genannt gefunden habe. Der Name ist mir immer wie ein
Deus ex machina
5
aufgefallen. Ich wollte bey Gelegenheit mich nach ihm erkundigen – das
6
kann ich mich noch ziemlich klar erinnern,
es
hab
es aber vergeßen. Ich hab es
7
mir nicht wollen merken laßen, wie sehr ich mit ihm sympathisire, und halte
8
mich jetzt für so verstimmt und erschlafft, daß ich jeden feineren und stärkeren
9
Geschmack durch meinen Beyfall zu beleidigen befürchte. Die Kämpfsche
10
Mittel hat Dein jüngster Sohn gebraucht, mit
welchen
Erfolge? Sollten
11
sie dem kranken Freywilligen nicht auch gut thun. Ich bin jetzt über 80. und
12
denke mit dem Ende dieser
Portion
über 100 zu kommen – Hätte ich
13
Bewegung, und könnte meinen Hunger ein wenig
mäßigen:
so würde alles
14
beßer gehen. Weil ich aber nicht arbeiten kann: so muß ich wenigstens eßen
15
und schlafen, wenn ich nicht aus der Haut fahren soll –
quod DEVS auertat!
16
den 24 –
17
Ich habe mich den ganzen Tag vom Morgen bis zum Abend
18
herumgetrieben, und komme müde und matt nach Hause. Den Anfang machte
ich
wider
19
alles Vermuthen bey unserm Geheimen Rath und StadtPräsidenten
20
Hippel, bey dem Kr. Deutsch mit seiner Frau
logi
rt, denen ich gantz fremde
21
geworden bin, wie Scheffner, der aber nicht nach der Stadt gekommen. Es ist
22
mir
doch recht lieb dies Schaarwerk abgemacht zu haben, und recht
23
traurig, das aus Wohlstand thun zu müßen, was man aus Freundschaft nicht
24
füglich und mit ganzem Herzen leisten kann. Mein letzter Gang war bey der
25
Baroneße, der ich mein achtes Vierteljahr für meine Tochter
praenumeri
rt,
26
das in dieser Woche zu Ende geht. Meine Absicht war zugleich etwas
27
zuverläßigeres von unserer Veränderung zu erfahren, weil ich mich die ganze
28
vorige Woche blos mit dem öffentlichen Gerüchte hatte behelfen müßen, und
29
mich um nichts selbst bekümmert hatte. Der Herr ist beynahe von
30
Bittschriften
unterdrückt und erstickt worden. Jedermann spricht von großen
31
Veränderungen, in unserm Fach. Ich glaube also nicht übel gethan zu
32
haben, daß ich abgehalten worden bin, mich in dies Gewühl zu wagen, und
33
diese uns bevorstehende
Revolution
abwarten muß. Nicht meinem Urtheil,
34
sondern meiner Unvermögenheit habe ich die Klugheit meines Entschlußes
35
zu verdanken. Unser Kant ist außerordentlich von Minister Herzberg
36
unterschieden worden, und man spricht daß er eine Stelle bey der Akademie der
37
Wißenschaften erhalten wird.
S. 540
An eben dem Tage, da ich Ihren letzten Brief erhielt, bekam ich gegen
2
Abend den Sept. der Berl. Monatsschrift zu lesen, die mir eine schlechte
3
Nacht zuzog. Was dem Publico für blauer Dunst gemacht wird! Der
Octobr
4
wird das erwartete liefern, welches sich auf das Geniewesen beziehen soll.
5
Das Kayserlingsche Haus hat ein Anlehn von
130 / m oder
150 / m Thlr.
6
bekommen auf 30 Jahr ohne Intereßen.
7
Crispum
habe ich heute besucht, weil ich ihn die ganze vorige Woche nicht
8
gesehn
, ohngeachtet er sich vorgestern anmelden ließ, und begegnete ihn
9
heute. Er hat diese Woche an mich gedacht, und sich meine Ruhe gewünscht –
10
Wie unsere Wünsche auf unsere Unwißenheit beruhen. Brahl ist schon über
11
10 Tage hier, habe ihn aber nur im Vorbeygehen gesehen. Er hat sich
12
vorzügl. in Engels Bekanntschaft gefallen, von deßen Launen
ihn
Biester
13
keinen guten Begriff gemacht hatte. In Berlin geht das Gerüchte, daß Du,
14
lieber Jonathan! an Garve geschrieben und ihm Anekdoten gegen
15
Ni
k
colai und die Berlinsche Synagoge angeboten hättest; Seiler hätte ein gleiches
16
gethan.
Biester hätte dies so erklärt,
Garve aber
hatte
Nicolai davon
17
Nachricht gegeben. Biester
hatte
dies geleugnet; aber die Sache so erklärt,
18
daß Garve dies an einen Freund in Sachsen gemeldet, der dieses wider wo
19
nicht an Nicolai unmittelbar, doch an einen Berliner verrathen hätte. Ich
20
halte alles für ein Mährchen, doch wünschte ich zu wißen, ob
Du mit
21
Garve in Verbindung stehst
.
22
den 25.
23
Heute ist der Geburtstag des Vielgeliebten. Gott gebe daß dieser Titel
24
nicht
ominös
seyn möge für Preußen, wie
ers
für Fr. gewesen. Was ist
25
alles versprochen, aber unter Bedingungen, welche die Erfüllung unmöglich
26
zu machen scheinen. Das Ideal der vorigen Regierung, welches zu Berlin so
27
lügenhaft blendend ausgestrichen wird, ist von einer Seite so niederschlagend,
28
von der andern so täuschend, daß wohl alles im vorigen Gleise bleiben
d
,
29
wo nicht ärger werden wird. Es geht mit dem guten Willen, wie mit dem
30
Morgenroth nach dem Sprichwort.
31
Aus Riga habe 2 Briefe erhalten, aus denen ich Dir einen Auszug
32
mittheilen muß. Weil der eine mit der Post der andere mit einem Fuhrmann
33
ankam, der jüngste also vor dem ältesten ohne Anzeige des letzteren wurde ich
34
wider irre gemacht. In dem vom 19
Aug. st. v.
heist es, daß wenn Sie schon
35
auf der Rückreise wären, seine Bitte um Schwedenborgs
arcana coelestia
36
wohl zu spät kommen würde. Ihre Antwort sollte entscheiden, ob er
d
och
as
S. 541
Buch noch übersetzen laßen würde. Bekäme er nicht das Original durch
2
Ihre Güte, so würde er es als einen Wink ansehen, daß er es unübersetzt
3
liegen ließe. –
4
Unterm 26
Aug. st. v.
schreibt er, daß Reichs
Correspondent
in London
5
18
Guinées
dafür fordert.
„
Das dünkt mir zu viel, und ich möchte sie gern
6
wohlfeiler haben. Ich weiß, daß die Bücher in London
at second hand
um
7
den halben Preiß verkauft werden. Sehen Sie also, so wohlfeil wie
8
möglich diese
Arcana coelestia
mir zu verschaffen. Wenn indeßen alle Stricke
9
reißen
so bin ich auch zu den 18 ℔ bereit. Das Geld soll durch
Barez
u Sohn
10
von Berlin, wohin es beordert wird, gesandt werden. Sie wißen, daß ich
11
darinn nicht säumig bin. Gesandt wird es an Hertel nach Leipzig, der es an
12
die Behörde
spedi
ren wird und das je eher je lieber, weil ich gern künftige
13
Ostermeße schon etwas davon übersetzt haben möchte. Da in Deutschland
14
überall fahrende Posten gehen, so kann das Buch am besten wohl verpackt
15
an Hertel nach Leipzig mit der fahrenden Post gesandt werden. Eine zweite
16
Freundschaft um die ich s. bitte wäre, daß s. mir da s. eine so gute Gelegenheit
17
dazu haben, auch folgendes aus Engl. schafften
1. The History of Greece
18
by Mitford 2. Richardson’s Dissertation on the Litterature etc of
19
Eastern Nations 3. History of Gr. Britain, written after a new plan by
20
Rob. Henry. 4. Gibbon’s History on the decline of the Roman Empire.
21
5. Hund’s Letters on the Chevalerie 6. An Examination of Dr.
22
Crawford’s Theory of
heath
and combustion by Will. Morgan 7.
23
Observations on the animal
Oeconomy
and on the abuses and cure of diseases by
24
Gardiner (printed for W. Creech) 784. 8. An Essay on the nature and
25
cure of the
phthisis
pulmonalis by Th. Reid (for Cadell in the Arand)
26
785.
Diese letztern Sachen gehen sämtlich entweder
directe
hieher oder
27
wenns dies Jahr an Schiffen in London mangelt, wie es wegen der späten
28
Jahreszeit der Fall seyn könnte, so gehen sie auf Hamburg an Buchb.
B.G.
29
Hoffmann
mit der Instruction für diesen, daß er sie mit erster Gelegenheit
30
über Lübeck unter
Addresse
an
Herrn Herr. Roeck
für mich absende.“
31
Auf diesen Brief den ich den 14 d. erhielt und gleich beantwortete, habe ich
32
ihm geschrieben, daß ich mich wegen des ersten Auftrags bereits viele
33
Vorwürfe gemacht hätte wegen ihres kurzen Aufenthalts in London, und also
34
Ihnen unmögl. mehr zumuthen könnte – Ihre liebreiche Erklärung erlaubt
35
mir wenigstens Ihnen dies alles mitzutheilen, und Ihrem Gutbefinden zu
36
überlaßen. Weil ich diesem um mich verdienten Mann nicht
ex propriis
37
gefällig seyn kann: so würde dies wohl
das letzte mal
seyn
S. 542
Den älteren Brief erhielte den 21 d. und darauf habe ich noch nicht
2
antworten können, werde ihm aber melden, daß ich mich erdreistet mit diesem
3
letzten Auftrage, damit er sich wenigstens darnach richten kann, und Ihre
4
Antwort abwarten, ehe er weiter geht.
5
Ach mein Seelen Jonathan! wie habe ich mich an Lavaters Predigten
6
über Philemon erqvickt! Ich fieng sie mit dem letzten August an, und glaubte
7
daß er über den Jonas das beste was er sagen konnte, gepredigt hatte.
8
Ruth, Jonas und Philemon sind meine Lieblingsbücher im A. und N.T.
9
Den Salomo hab ich und die
Herzenserleichterung
gar 2 mal,
10
selbst gekauft und zum Andenken von ihm. Ich habe eine
Apologie gegen
11
Markard
im Sinn gehabt und mich geirrt, wie es scheint. Die hab ich zu
12
lesen gewünscht. Wenn doch die Ziehensche Predigt drunter wäre. Ein
13
Freund hat mich so inständig drum gebeten, der erste pollnische Lehrmeister
14
meines Joh. Mich. und hab sie ihm versprochen, aber todt vergeßen. Ich
15
muß es aber so machen, daß noch etwas selbst zu plündern übrig bleibt –
16
Freund Schenk ist kein
Tiro
sondern ein
Rupertus expertus
sich die
17
Schwächen einer armen Autorseele zu Nutze zu machen. Der Stab ist
18
einmal gebrochen und kann nicht mehr gantz gemacht werden. Hab ich nicht so
19
viel Zaubereyen wie Bileam angewandt, mich gegen Herder
20
anathematisirt und verflucht, eben deshalb den Druck unüberlegt angefangen um mich
21
selbst zu binden und zu zwingen. Es fehlt mir also nicht an Stacheln im
22
Gemüthe, die mir keine Ruhe laßen. Meine ganze Natur empört sich die
23
gedruckten Bogen anzusehen. Wer Gottes Ehre liebt, dem ist es auch im Ernst
24
um die Ehre seiner Freunde und ihr Wohlgefallen, und um
Friede
zu
25
thun, nicht
Oel ins Feuer zu gießen
, oder mit dem Schwert Ohren
26
und Nasen abzuhauen, wie St. Petrus kurz vor seiner Verleugnung that.
27
Zu meiner Gesundheit und Arbeit, wenn ich nicht blos wie ein Fauler
28
wünschen soll, gehört Ruhe. Wie zu allen meinen Besuchen ein Geschäfte
29
und Beruf zum Grunde liegt, will ich es auch jetzt mit meinen Briefen
30
halten, und nehme, wie ich mit Einl. gethan, von Dir, Herzenslieber
31
Jonathan, Abschied. Gesetzt daß auch aus allem nichts werden noch
32
herauskommen sollte; so wird dieses die schönste Arbeit für mich seyn. Aber Dein Wille
33
geschehe!
34
Hab ich Anlaß zu schreiben; so werde nicht saumseelig seyn. Sollte der
35
Ausbruch der zu erwartenden Veränderungen auch diesen Plan stören: so
36
gebe ich Dir auch Nachricht. Meine Art und Weise ist es nicht,
Wind
zu
37
machen, wie alle meine bisherigen Versprechungen Wind geworden. Gestern
S. 543
Abend verunglückte mir zu meinem großen Herzeleid das 84ste
Lavement.
2
Diesen Morgen ist es dafür ersetzt worden, ohne daß ich eine natürl.
3
Oeffnung erwarten konnte. Also 84
b)
und diesen Abend 85. Lohnt es wohl dergl.
4
elendes
Geschreibsel
zu lesen; aber ich kann nicht anders als was mich
5
beschäftigt
, Gedanken und Sinne. Wie der Kopf, so die Faust oder die
6
3 Schreibefinger – daß mir selbst vor allem eckelt und grauet, und
7
natürlicher weise auch jedem Leser, wie man heuer sagt, unbefangenen Leser. Die
8
Wahrheit wolle uns alle frey und nüchtern machen! Freund Ruprecht und
9
Freund Prometheus, und wenn ich ja der gröste unter Euch seyn soll; so will
10
es auch durch meine Schwachheiten und Thorheiten seyn, ohne Abbruch der
11
Liebe
, der Hoffnung und des Glaubens
of all denominations.
Schreib
12
mir zu meiner Erqvickung
und
Stärkung
in der Wüsten, wo ich
13
lieber Ohr als Stimme zu seyn wünsche, ohne auf Antwort zu warten, als
14
die Bedürfnis und Nothwendigkeit mir zur Pflicht machen nach meinem
15
late
n u stricten Gewißen für Kameele und Mücken. Gott seegne Dich und die
16
Deinigen, wie die meinigen. Mein Joh. Michel geht übermorgen in sein
17
18stes Jahr – Ergänze doch die Mängel der Beyl. durch Deine Hermeneutik.
18
Ich umarme Dich – – – – –
Johann Georg.
19
Vermerk von Jacobi:
20
Koenigsberg den 27
ten
Aug bis 25
ten
Sept. 1786.
21
J. G. Hamann
22
empf den 5
ten
–
23
beantw den
6
ten
–.
Vgl. 1010a
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 278–283.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 387–395.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 338–345.
ZH VI 536–543, Nr. 1013.
Zusätze fremder Hand
|
543/20 –23
|
Friedrich Heinrich Jacobi |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
536/21 |
Aug. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Aug. |
|
536/23 |
Aug |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Aug |
|
536/24 |
neunten ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: neunten, |
|
537/14 |
dem ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: der |
|
537/17 |
erkundigen; ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: erkundigen, |
|
538/34 |
an ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: an. |
|
538/35 |
No |
Geändert nach der Handschrift; ZH: No |
|
539/6 |
es hab ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: hab |
|
539/10 |
welchen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: welchem |
|
539/13 |
mäßigen: ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: mäßigen; |
|
539/30 |
Bittschriften ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Bettelschriften |
|
540/8 |
gesehn ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gesehen |
|
540/12 |
ihn ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ihm |
|
540/16 |
hatte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: hätte |
|
540/17 |
hatte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: hätte |
|
540/24 |
ers ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: er es |
|
540/36 |
d och as ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: doch das |
|
541/9 |
reißen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: reißen, |
|
541/22 |
heath ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: heat |
|
541/23 |
Oeconomy ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Economy |
|
541/25 |
phthisis ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: phtisis |
|
541/37 |
seyn ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: seyn. |
|
543/23 |
6 ten –. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 6 ten – |