1023
29/6
Pempelfort den 13
ten
Oct. 1786.


7
Vermerk von Hamann mit roter Tinte:

8
No
53


9
lieber HerzensVater

10
Erst gestern erhielt ich Deinen lieben Brief vom 26ten, kann Dir aber heute

11
nichts mehr darauf sagen, als daß er mich sehr gefreut hat. Heinse bringt

12
heute den letzten Nachmittag bey mir zu. Er verreist morgen früh, weil Briefe

13
von Neßelrode gekommen sind, die sehr auf seine Abreise dr
a
ingen. Ich

14
habe diese Woche viel mit ihm zu thun gehabt, weil er ganz unglaublich

15
ängstlich u schüchtern ist. Witzenmann wird wahrscheinlich Profeßor der

16
Philosophie in Duisburg. Die Profeßoren haben ihn gewählt, u werden künftige

17
Woche deswegen Ihren Vorschlag nach Berlin thun. Es wird mir entsetzlich

18
nahe gehen, ihn nicht mehr in meinem Hause zu haben. Wahrscheinlich

19
behalte ich ihn doch bis Ostern. Wenn nur Gott ihm Gesundheit geben
wollte
.

20
Ich fürchte sehr, die Schwindsucht wird ihm Meister. Mit mir fängt es an

21
wieder beßer zu gehen. Gestern Abend erhielt ich den Leipziger

22
MeßCatalogus, habe aber noch nicht Zeit gehabt, ihn durchzugehen. Die Berliner

23
MonathsSchrift ist zu meinem großen Verdruß noch nicht erschienen. Ich

24
begreife nicht woran das liegt. Künftigen Sonntag wird sie doch wohl endlich

25
kommen. Daß dieses Stück einen Aufsatz von Kant enthalten werde,
der

26
sich auf die Seite der Berliner neige
, hat mir mein Verleger

27
Goeschen auch schon gemeldet. Dohm glaubte, er würde mehr auf meiner

28
Seite seyn. Aber dergleichen kann sich in 14 Tagen Zeit, mehr als zehnmal

29
ändern. Diese Woche hatte ich den jungen Lavater, der in Göttingen Medizin

30
studiert bey mir. Er hatte die Reise mit einem Cavalier aus der

31
Nachbarschaft gemacht. Dieser junge Mensch hat mir ungemein gefallen. Er hat gute

32
Kenntniße, viel Geist, und eine schöne Stimmung der Seele – Ueber den

S. 30
Magnetismus erfuhr ich
so viel
von ihm, daß ich Lavatern mehr als je

2
bedaure, sich damit befleckt zu haben. Ein kleines Brieflein erhielt ich v ihm am

3
vergangenen Dienstag. Er meldet mir, daß am 2
ten
Bogen seiner

4
Rechtfertigung gedruckt werde, u er mir nächstens mehr schreiben würde. Meiners,

5
Feder u Leß, die seine Handschrift gelesen hätten, behaupteten, Nikolai würde

6
von diesem Schlage sich nicht erholen. – Ob Du mir gleich nicht schreiben

7
willst, so hoffe ich, Du schreibst mir doch, damit ich wenigstens erfahre wie es

8
um Deine Gesundheit steht, u
obe
ob der fliegende Brief guten Wind

9
behält. – Da läutet es 4 Uhr. Ich muß schließen. Noch einmahl Dank für Dein

10
Brieflein u die gute Nachricht die es mir brachte. Gott erhalte Dich.

11
Wahrscheinlich schreibe ich Dir am Dienstag wieder, u melde daß Reichard hier

12
gewesen. Zufolge eines Briefes von Claudius, müßte er schon seit 3 Tagen

13
hier seyn. – Ich herze Dich mit innigster Liebe, u grüße Dein ganzes Haus,

14
nahmentlich den 18 Jährigen Johann Michael –

15
Dein Fritz Jonathan.


16
Adresse:

17
An den Herrn J. G. Hamann / zu / Koenigsberg. /
Fr
co


18
Vermerk von Hamann:

19
den 25 8
br.
86.

20
Geantw den 25, 26 –

21
Wiedergeschrieben den 4–9
Novbr

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 380 f.

ZH VII 29 f., Nr. 1023.

Zusätze fremder Hand

29/8
Johann Georg Hamann
30/19
–21
Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
30/1
so viel
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
soviel
30/17
Fr
co
]
Hinzugefügt nach der Handschrift.