1032
62/7
Kgsb. den 19
Novbr.
86
Dom. XXIII.

8
Herzlich geliebter Herr Landsmann, Gevatter und Freund

9
Daß Sie sich noch meiner erinnern, davon habe ich den 21
pr.
noch einen

10
Beweis erhalten, der mir sehr angenehm gewesen, weil ich mich eben von

11
einem verwahrloseten Flußfieber zu erholen anfieng, das mich außerordentlich

12
entkräftet hat. Ich bin bisher noch nicht im stande gewesen die neue Wohnung

13
unsers guten
Dorow
zu erreichen, und erst vorgestern mit genauer Noth zum

14
ersten mal bey dem Geheimen Rath Hippel gewesen. Auch Sie hat eine

15
Krankheit unterwegs befallen – Sie reisen,
s
Sie schreiben,
s
Sie denken

16
an Ihre Freunde, Sie geben Zeichen Ihrer Thätigkeit; mir vergeht beynahe

17
die Lust zu allem. Meine
molimina
einen Urlaub zu erhalten gehen nunmehr

18
ins dritte Jahr, und nun kommen selbige mit dem neuen
Reductions-Etat
in

19
Collision,
der, wie man sagt, in der Mache seyn soll.

20
Mit dem Anfange des bevorstehenden neuen Jahres sind es 10 runde, daß

21
ich, wie Sie am besten wißen, mit Gottes und Ihrer Hülfe Packhofverwalter

22
bin, nachdem ich eben so viel Jahre Uebersetzer und Copist gewesen. Machen

23
zusammen 20 Jahre. Wie nahrhaft selbige für meine Hypochondrie gewesen,

24
läßt sich leicht ermeßen. Mein seel. Vater starb in eben dem Jahre, wie die

25
Regie
ins Land kam. Ich hatte mich um kein Brodt
studium
bekümmert,

26
mich der blinden Leidenschaft einer gelehrten wüsten Neugierde überlaßen;

27
weil meine stotternde Zunge, und noch mehr mein Hang zur Ruhe
in angello

28
cum libello
mich von Gesellschaft u öffentl. Geschäften auszuschließen schien.

29
Die Rechnung auf meinen jüngeren Bruder wurde auch durch seine

30
unheilbare Gemüthskrankheit vereitelt und ich war genöthigt das für ihn zu thun,

31
was ich von ihm erwartet hatte. Mein äußerer Beruf war also

32
Nothwendigkeit und Pflicht. Mein innerer beruhte auf 2 Umstände, die sehr zufällig

33
waren. Die französische Sprache war die einzige, in der ich mich zum Schreiben

S. 63
aus Lust geübt hatte, und wozu ich durch meinen Freund Berens in Riga

2
aufgemuntert wurde, welcher zugl. die neuste Schriften über Handel u

3
Politik von Paris mitbrachte, und diese Modenseuche mir
inoculi
rte. Es

4
nahm mich also Wunder, daß kein Deutscher würdig erfunden worden war

5
die Finanzen des großen Monarchen und Philosophen zu verwalten, und daß

6
durch die
Declaration
vom April alle Kinder des Reichs für unmündig und

7
unfähig
dazu erkannt werden müsten. Ich hielt mich also die ersten Jahre

8
ziemlich wacker in dieser
neuen Schule
, welche mir die Vorsehung

9
eröffnet hatte – aber leider! Bübereyen und Eulenspiegelstreiche und Infamien,

10
und alles was die
Sitten eines Volks
verderben kann. Wie mir unter

11
dieser
Bande
de brigands etrangers
zu Muthe gewesen! Ich hatte für

12
meinen Geschmack an der Sprache einer
Nation
gebüßt, die durch ihr
point

13
d’honneur
und ihre
galanterie
zwey der göttlichsten und zugl. menschlichsten

14
Gebote untergegraben, auf denen häusliche und öffentliche Sicherheit u

15
Glückseeligkeit beruht. Wie die Arbeiten der letzten Jahre in meinem Charondienst

16
erleichtert wurden, nahmen meine Sorgen zu, einen so
unsicheren
precair
en

17
neugebackenen Posten zu verlieren und ich bewarb mich dringend um einen

18
festeren oder wie man es damals nannte,
alten
Dienst, bey deßen Antritt

19
mir das Leben sauer gemacht wurde durch die Forderungen der Erben meines

20
Vorgängers, und die Unzufriedenheit meiner beyden Nachbarn und

21
Vorgesetzten. Ich entdeckte mich darüber in einem Privatbriefe gegen den
Mr. de

22
Morinval,
worauf die Untersuchung meiner Klagen denenjenigen

23
aufgetragen wurde, gegen deren Betragen ich meinen Verdacht geäußert hatte. Ich

24
erhielt also eine so harte und unbillige
Resolution,
daß ich mir fest entschloß

25
niemals die Feder mehr in meinen Angelegenheiten an sie zu brauchen. Hiemit

26
schloß sich das erste Jahr meines jetzigen Dienstes 777.

27
Im Nov. 82 geschah die schreyende Ungerechtigkeit mit der Einziehung

28
unserer
Fooi
gelder, welche uns als ein Theil unsers Gehaltes durch so viel

29
Rescripte stipuli
rt worden war, und zufällig ist in diesen Jahren die gröste

30
Schiffahrt gewesen, welche Preußen genoßen hat. Gott sorgte damals in

31
meiner größten Noth durch einen außerordentl.
Pensionair
für mich, den jungen

32
Lindner aus Curland, von dem ich auch zu rechter Zeit
erlöset
wurde – –


33
den 20 –

34
Diesen Morgen erhalte eben einen Brief von seinem würdigen
Oncle,
dem

35
D.
Lindner aus Halle, der vielleicht schon in Berlin seyn wird und in deßen

36
Gesellschaft Sie sich auch vielleicht meiner erinnern werden. Dieser Zufluß

S. 64
war auch beynahe erschöpft, als Gott mir einen gantz unbekannten

2
Wohlthäter in M. erweckte, nach deßen Umarmungen ich schmachte. Dieser

3
grosmüthige junge Mann oder Engel erbot sich 85 mir bis nach Frkf. an der

4
Oder entgegenzukommen, und ich wurde dadurch einer außerordentl.

5
Dispensation
überhoben. Ich bat
daher
den 1
Juny
85. bey der
Direction,
mir

6
einen Urlaub von der
Gen. Adm.
auszuwirken, wegen meiner

7
Gesundheit
und
Familienangelegenheiten
. Auf den letzten Umstand wurde

8
weder von
Mr de la Haye de Launoy
noch
Grottard
im geringsten Rücksicht

9
genommen ohngeachtet ihres
nepotismi;
und auf den ersten geantwortet, daß

10
es in einer so großen Stadt wie Königsberg an erfahrnen A
e
rtzten nicht

11
fehlen könnte. Ich wollte eben damals meinen Freund Lindner in Halle

12
überraschen, der mich so glücklich von der Gicht geheilt, daß ich nach dem von ihm

13
vorgeschriebenen Gebrauch der
Dulcamara
nicht die geringste Anwandelung

14
mehr gehabt. Das Verdienst des Artztes hängt vom Vertrauen des Kranken

15
ab; wie diese
maltotiers
ihr Glück gewiß nicht ihre
m
r
Verdienst

16
Würdigkeit zu verdanken hatten sondern der guten Meinung des
Salomon du

17
Nord.
Zum Glück konnte mein Wohlthäter die Reise nicht übernehmen, und

18
mein freundschaftl. Artzt meldete mir zu gl. Zeit nach
Halle
Jena gezogen

19
zu seyn. Ein HE von
Losch, SousControleur
erhielte kurze Zeit darauf ohne

20
die geringste Schwierigkeit den gesuchten Urlaub.

21
Ihrem Rath zufolge entschloß ich mich, Geliebtester Freund den 27
April

22
a. c.
bey der
Gen. Adm.
selbst anzuhalten und bat um einen Urlaub von 4

23
Monathen. Den 19
Jun. c
erhielt ich endl. einen Urlaub auf einen einzigen

24
Monath mit der gantz ungewöhnl.
Clausul – si contre notre attente il

25
outrepassoit ce tems, vous ferez faire ses fonctions par un Surnumeraire

26
à ses depens, de quoi vous nous rendrez compte si le cas avoit lieu.
Mit

27
diesem Urlaub wollte man mich vermuthlich zum Besten haben. Ich muste

28
auch dies Leid in mich freßen, und machte mich gefaßt, das
äußerste

29
Mittel
zu ergreifen, mehr aus
Verzweifelung
als
Ueberlegung
.

30
Den 16
Sept.
den Tag vor der Ankunft oder Einzug unsers neuen

31
Monarchen meldete mir unser gemeinschaftl. Freund, der Philosoph zu Pempelfort,

32
daß die Fürstin von Galliczin an die Princeßin von Oranien an den damaligen

33
Kronprinzen geschrieben hätte, und mir durch dies Wunder und Zeichen

34
gleichsam der Weg gebahnt wäre. Ich wurde dadurch zwar aufgeweckt theils

35
bey des Königs Maj. unmittelbar, theils bey dem Minister und der neuen

36
Gen. Adm.
mich
mein Anliegen zu erneuern. Ich bin aber nicht im stande

37
Hand ans Werk zu legen vor Hypochondrie und Muthlosigkeit, und

S. 65
Mistrauen gegen mich selbst. Daß ich Grund dazu habe, zeigt dieses
Specimen

2
eines vertraul. Briefs, vor dem ich mich schämen muß. H. hat mich überredet,

3
Ihnen, liebster Freund, mein ganzes Herz auszuschütten und die wahre Lage

4
meiner Umstände Ihnen anzuvertrauen.

5
Man spricht hier von des Minister von Werder Exc. Anherokunft um

6
Preußen selbst in Augenschein zu nehmen. Auch hieß es, daß ein neuer

7
Minister unser
Departement
erhalten würde; daß alle Beurlaubte als

8
Ueberflüßige und Entbehrliche Geschöpfe von dem neuen
Reductions-Etat

9
ausgestrichen zu werden Gefahr liefen.

10
Ich zweifele, daß man in Berlin wegen meines Postens die nöthige

11
Auskunft finden wird. Nach der alten Einrichtung haben Packhof und
Licent,

12
ihrer Natur nach, unter eines
einigen
Aufsicht gestanden. Die
Regie
hat 2

13
Stellen daraus gemacht, meinem Vorgänger mit seinem alten Gehalt von

14
25 rth monathlich den Packhof überlaßen, und aus dem
Licent
einen
poste

15
de confiance
mit einem doppelten Gehalt
crei
rt. Der zweyte der diesen
Poste

16
de confiance
erhielt, war ein gewißer
Valtier,
der meines Wißens zum

17
zweitenmal
cassi
rt wurde.

18
2. Von der freyen Wohnung, die ich mit dem Licenteinnehmer auf die

19
Hälfte haben sollte, sind uns beyden wegen der
arrangemens
eines gewißen

20
General Inspecteur Depuy,
der es
aux petites maisons
zu seyn verdient

21
hätte
jedem von uns 2 Stuben mit Gewalt genommen worden zu Anlegung

22
eines
Magazins,
der Buchhalterey und der
Formule.
Da der jetzige
Licent

23
Inspector Mr Marvilliers
die Wohnung des Einnehmers
usurpi
rt durch eine

24
gütliche Verabredung mit demselben, so hat ersterer die zum
Magazin

25
bestimmte beyde Stuben
recuperi
rt und wieder in Besitz bekommen, unterdeßen

26
ich der meinigen entbehren muß, wo zum Unglück die Buchhalterey u
Formule

27
angelegt worden, nebst einem Theil des noch übrigen
Magazins.
Ich muß

28
mich daher kümmerlich den Winter über mit zwey Stuben behelfen, von denen

29
die eine mit meinen Büchern bekleidet ist und mit meinem Sohn darinn

30
schlafen muß. In der zweiten müßen sich meine 3 Töchter mit der Mutter

31
noch kümmerlich
er
behelfen. Die Sommerstube kann wegen der Nähe der

32
Buchhalterey gar nicht geheitzt werden.

33
3. Als Königl. Freywohner sollte ich vorzüglich Antheil an dem Genuß der

34
Thorkläfter haben, von dem ich
durch
neusten Holtz
Etat,
ich kann noch gar

35
nicht begreifen, wie? und warum? ich gänzlich ausgeschloßen bin. Ehmals hat

36
die
Direction
das an den Thoren abgeworfene KlobenHoltz allein verzehrt;

37
vor wenig Jahren wurde von der
Gen. Adm.
eine fast allgemeine

S. 66
Vertheilung gemacht, wo ich gänzlich ausgeschloßen bin, ohngeachtet eine freye

2
königl. Wohnung auch den
freyen
nothwendigen Bedarf dieses kostbaren

3
Articuls schon in sich zu schließen vermuthen ließe.

4
4. Mein Vorgänger hat auch ein
Emolument
von den Lootsen gehabt, die

5
von der
Admiralität
abhängen und aus dem man mir immer ein Geheimnis

6
gemacht, um das ich mich nicht bekümmert, weil ich nicht mit einem

7
zweyköpfigen Adler etwas zu schaffen haben wollte. Bey der bevorstehenden

8
Veränderung würde diese Ursache auch aufhören, warum ich diesem
Emolument

9
bisher entsagt.

10
5. Ein Gräuel der Verwüstung, der bey allen königl. Bauten herrscht,

11
liegt mir alle Tage vor der Nase. Vor einigen Jahren wurde dem
Director

12
ein neuer Holtzstall, statt des höltzernen, von Fachwerk aufgeführt. Dieser

13
Holtzstall steht auf meinem Gehöfte. Das Jahr drauf fiel schon ein ganzes

14
Fachwerk ein, und gegenwärtig muß selbiger schon gestützt werden, und droht

15
den gänzl. Einfall. Mein und meines Nachbars des
Licent
Einnehmers oder

16
jetzigen
Inspector
s Holtzstall hat schon Jahre lang gebaut werden
sollen
.

17
Die Cammer und
General-Administration
streiten sich immer über den

18
Fonds
zu den Kosten, und wer denselben hergeben soll, unterdeßen unser Holtz

19
dem Regen und Dieben offen steht, und alles darüber zu Grunde geht.

20
Außer der freyen halben Wohnung, den
gratification
en, (auf die ich

21
niemals viel Rechnung gemacht und von denen auch die
Administration
uns

22
die Hälfte nach Willkühr auszahlen laßen, und die gänzlich aufhören sollen

23
auch von selbst aufgehört haben würden, weil auf das erzwungene Plus ein

24
verhältnismäßiges
Minus
die natürliche und unvermeidl. Folge seyn muß,)

25
und
meinen
alten Gehalt von 25 rth des Monaths, die ihren halben Werth

26
in Vergleichung der Zeiten, wo selbiger
fixirt
worden ist, verloren haben,

27
ziehe ich keinen Heller mehr als 2 : 45 : – Schreibgebühr, die ich seit dem

28
Anfang der
Regie
mit dem neben mir arbeitenden Buchhalter theilen müßen, seit

29
einigen Jahren her aber mit einem dritten getheilt werden müßen, wodurch

30
uns eben kein Abbruch geschieht, weil selbiger auch
pro rata
zu den Ausgaben

31
Intelligenz
blättern p beytragen muß.

32
Die
Fooi
gelder waren daher ein unentbehrl.
Supplement
meines Gehalts

33
und meiner Nothdurft, vornemlich zu Holtz Kleidung –– Für die Erziehung

34
meiner Kinder und besonders der 3 Töchter hat Gott durch die Grosmuth

35
meines Wohlthäters gesorgt, und weiß die Zinsen nicht beßer anzuwenden;

36
denn der Hauptstock ist ein heiliges
Depot
bis zu unserer persönl.

37
Bekanntschaft und mündlichen Verabredung. Was ich an
Pension
für meine älteste

S. 67
Tochter zahle bey meiner verehrungswürdigen Baroneße, die in Ansehung

2
der übrigen Ausgaben grosmüthig mich behandelt, kann ich als keine

3
Verschwendung ansehen, da ich in Zeit von einem Jahre selbige als die

4
Lehrmeisterin ihrer jüngeren Schwestern widerzuerhalten Hoffnung
habe

5
Verantwortung u Arbeit hab ich bey meiner jetzigen Lage nicht gehabt.

6
Die Schlüßel des
Licent
s u Packhofes werden in meinem Hause abgelegt

7
und abgeholt. Die Einnahme des Lagergeldes für alles was hier bleibt und

8
über zehn Tage oder beym Durchgange über 14 Tage liegen bleibt, bezahlt

9
pro
100 ℔ die Sommerwochen 6 gl. u die Winterwochen 4 gl. pr. Diese

10
Abgabe nimmt immer mehr ab, weil der Kaufmann sich von selbst fördert,

11
und im Fall der Noth vom
Dir.
u
Insp.
nur ⅙ eingehoben wird 1 gl. pr.

12
die Woche von 100 ℔. Endl. hab ich noch eine
Depot
Kammer für die

13
beschlagene Sachen, die ich in Empfang und gegen Qvittung wider abliefern

14
muß. Mehr wie diese leichte Arbeit bin ich auch kaum
imstande
wegen meiner

15
Gemüths und Leibesschwäche zu bestreiten. Da haben Sie wenigstens,

16
liebster Landsmann Gevatter u Freund ein treues Gemälde meiner Lage und

17
meines Elendes, ohne daß ich mit der Wahrheit deßelben ans Licht treten

18
darf. Eine Reise nach einem Bade würde mich vielleicht ein wenig

19
widerherstellen, dies einzige Rettungsmittel hat man mir bisher grausam

20
verweigert. Was bey der bevorstehenden Revolution, Reduction und Reform

21
mein Schicksal seyn wird, weiß ich nicht, noch wie ich mich mit
gutem

22
Gewißen
dabey verhalten soll. Haben Sie noch Lust die Curatel eines alten

23
unmündigen Freundes zu übernehmen: so geben Sie mir wenigstens Ihren

24
guten Rath, wie ich meine Sachen anstellen soll. Ich bin auch schon

25
entschloßen diese Reise im Winter mit meinem Sohn zu unternehmen.

26
Freude und Genuß kann ich für meine unbekannte Freunde kaum

27
versprechen. Claudius schreibt mir nicht mehr, und ich bin auch nicht im stande ihm

28
zu antworten. Unser
Jac.
in D. ist der einzige der von meinen Briefen

29
heimgesucht wird; er hat Sie und mich auch dies Jahr umsonst erwartet. Ich bin

30
auch des
Wartens
fast überdrüßig, und verzehre mein Leben darüber.

31
Wenn es Ihnen sauer wird diesen Brief zu lesen – so vergeben Sie mir,

32
liebster Freund. Ich habe ihn mit
ebenso
peinlichen Empfindungen der

33
Schaam und des Verdrußes und des Eckels geschrieben. Gott gebe, daß ich

34
Sie einmal beßer und angenehmer unterhalten kann. Hier liegt wenigstens

35
der Knoten meines Stillschweigens und meiner Achtsamkeit – Nach 20

36
Jahren bin ich nun wider in eben der Verlegenheit, womit ich anfieng meine

37
traurige Laufbahn.

S. 68
Sind Sie mit Ihrer Familie wider versammelt in Berlin? Gott laße

2
Friede und Freude, Gesundheit und Zufriedenheit mit Ihnen wohnen und walten.

3
Ich muß jetzt von weitem den gelehrten Kriegsläuften zusehen, und kann

4
nichts als durch Wünsche den Ausschlag der guten Sache befördern, an der

5
ich mit meinem armen Kopf nicht mehr Antheil nehmen kann. Beruhigen Sie

6
mich
wenigstens mit der Versicherung, daß Sie meine Unbescheidenheit aus

7
dem rechten Gesichtspuncte, der allein Nachsicht u Mitleiden verdient,

8
angesehen haben, und weisen Sie mich mit eben der Freymüthigkeit zurecht, womit

9
ich Sie belästige. Ich umarme Sie und die lieben Ihrigen in Gedanken, bin

10
samt all den meinigen Ihr ewig     verpflichteter Landsmann Gev. u Fr.

11
Johann Georg Hamann.


12
HE.
Senewald
ein junger liebenswürdiger Maler hat mir viel Freude

13
gemacht, im Fall Sie ihn kennen oder sich einander begegnen sollten. Gott

14
laße es allen ehrl. Leuten
zuletzt
wohl gehen! Amen.

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 1.

Bisherige Drucke

Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 92–99.

ZH VII 62–68, Nr. 1032.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
63/7
unfähig
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
für unfähig
65/12
einigen
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
einzigen
65/16
Valtier,
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Valtièr,
65/21
hätte
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
hätte,
65/34
durch
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
durch den
66/25
meinen
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
meinem
67/4
habe
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
habe.
67/14
imstande
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
im stande
67/32
ebenso
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
eben so