1035
73/14
Kgsb. den 3
Xbr. I Adv.
86
15
Nun lieber Fritz-Jonathan! Ich bin Dir auf
No
55. 56. 57 vom 7, 14, 20
16
pr.
Antwort schuldig und will in der alten beliebten Form eines Tagebuchs
17
fortfahren. – Zwar gieng ich den 9 zum ersten mal auf den Packhof, die
18
Kälte wurde aber so strenge, daß ich mich nicht oft noch weit auswagen
19
konnte. Den 16 sah es gantz gelinde aus, und weil Hippel Freytags den
20
Vormittag zu Hause bleibt, die übrigen Tage aber meist mit 8 Uhr ausgeht: so
21
nahm ich mir den Abend vor ihn zu besuchen, ohne zu wißen, daß die Nacht
22
einen neuen strengen Winter mitgebracht hatte. Weil ich einmal unterwegs
23
war und mein Sohn, der zu Kant in Stunden gieng mich begleitete, so
24
erreichte ich Hippels
Hotel
(denn das ist sein Haus im eigentlichsten
Verstande
)
25
und bekam zum freundl. Willkomm Schelte, daß ich mich bey so einer Kälte
26
ausgemacht hatte. Die
wahre
Ursache war wohl, daß er auch sehr
27
beschäftigt war. Ich mußte mich
nolens volens
ein wenig setzen und ausruhen
28
und ich klagte ihm meine überstandene äußere u fortwährende innere Noth,
29
daß ich
nisus
zum Schreiben hatte, drey Briefe
in petto
mit mir herumtrüge,
30
aus allem aber nichts herauskäme. So bald ich die Feder ansetzte, träten alle
31
Lebensgeister aus den kalten Fingerspitzen in die innersten Falten des Gehirns
32
u Herzens –
Schreiben Sie an Reichardt
, war sein
Consilium
33
fidele,
das er mir mit einer so entscheidenden Stimme eines dirigirenden
S. 74
Oberbürgermeisters und Criminalrichters ertheilte, daß ich auf der Stelle anderes
2
Sinnes wurde und seinem Rath zu folgen versprach.
Hat Er mir den
3
Dienst gegeben, so mag Er auch
die übrige dazu gehörigen
4
Appartinenti
en ins reine und klare bringen. Mit diesem verwandelten Sinne und
5
festen Entschluß zu dem
Anbiß eines sauern Apfels
kroch ich meine
6
Straße zu Hause, und wunderte mich, daß mir ein so
plausibl
er Einfall
7
bisher wie die gröste
Impertinenz
von meiner Seite vorgekommen war, als
8
wenn ich nur an meinen Landsmann Gevatter u Freund denn schreiben
9
könnte u mich seiner erinnerte, wenn Noth am Mann wäre.
10
Den 18 gieng meine jüngste Marianne Sophia ins 9te Jahr, der Junge
11
mit Hill u Raphael auf seiner Freunde der beyden
Nicolovius
Landgut
12
Sperling zu Fuß. Es fiel ein gewaltiger Schnee, und ein noch größerer Hagel
13
in meine Haushaltung.
14
Den 19
Dom. XXIII
war meiner
Lisette
Reinette
Namenstag, sie
15
besuchte uns, und der Bruder kam mit seinen Freunden noch vor dem
16
Thorschluß zu Hause, und erzählte Wunder von seiner Wallfahrt. Ich war kaum
17
im stande den
Brief
anzufangen mit ein paar Zeilen, nahm wider
eine
18
Abführung ein, um den Montag drauf nicht ausgehen und das Schreiben
19
desto sicherer fortsetzen zu können.
20
Kaum setz ich mich Montags den 20 an meinen Schreibtisch, wie mir ein
21
Brief abgegeben wird nebst einer Einladung zu Mittag unter
zehn
22
Misverständnißen, die in einem Augenblick unter einander liefen, und von denen
23
ich mich in einer ganzen Stunde nicht erholen konnte. Die Sache lief darauf
24
hinaus. Scheffners Schwager, den ich wegen einer verdrüßl. Angelegenheit
25
zu sprechen hatte, ist zugl. ein Schwager von dem Hofrath Lindner in Mitau,
26
deßen Sohn ich
3
/
4
Jahr in
Pension
gehabt und seinem würdigen Bruder
27
dem
D.
der sich lange in Jena aufgehalten, ohne an eine Seele geschrieben zu
28
haben, für den Hartknoch Bürgschaft geleistet, und mich deshalb ein paar
29
mal
question
irt. Ein junger schöner Geist kam von der Akademie gieng nach
30
Curl. heim u hatte die Einl. vom
D.
aus Halle mitgebracht. Dieser theilte mir
31
die unangenehmsten Nachrichten von seinem Neffen meinem gewesenen
32
Pensionair
mit und
pp
und die empfangene Einladung hatte keine Beziehung
33
weder auf Lindnersche noch Scheffnersche Angelegenheiten, die mir auf dem
34
Herzen gelegen hatten, sondern war bloß eine Höflichkeit eines durchreisenden
35
Fremden willen, der mich nichts angieng. Ich sahe die Einladung aus
36
meinem Gesichtspunct an, muste wegen der Arzney im Leibe u noch mehr wegen
37
des Briefs nach Berl. mich auf den Mittag entschuldigen, und bat mich ohn
S. 75
Umstände auf den morgenden Mittag zu Gaste, doch mit der
Reservation,
2
daß der Bediente mir absagen möchte, wenn HE Stadtrath Wirth, so heißt
3
Scheffners Schwager versagt wäre oder andere Gesellschaft hätte. Kaum
4
war der Bediente fort, so verdroß mich meine treuherzige Uebereilung –
5
Wirths Bedienter hat mir ein Buch verschleudert daß ich dem Scheffner
6
geliehen hatte, und unsere Verbindung hat seit einem Jahr aufgehört. Die
7
Debatt
en wegen
d
Ersetzung
des Buchs hatten lange gewährt u ich hatte mich
8
um nichts als biß zum Ausgange der Sache bekümmert. Es war
Des marees
9
I
Theil seiner
Theodicée
, die ich mir aus Berl. verschrieben u kaum
10
durchgelesen hatte. Keiner von uns hatte schuld, sondern der Bediente. Jeder von den
11
Interessent
en affectirt ein wenig pünctl. Ordnung; und es war halb
Ernst
12
halb Scherz, oder auch eine Neckerey die ich für Hippel angelegt hatte, der
13
immer von Scheffner der grösten Unordnung beschuldigt wird.
14
Ich schrieb unterdeßen mit kalter Hand fort an meinem Briefe, dachte zugl.
15
an meine
quid pro quo’s
und hatte eben den Entschluß gefaßt, Dienstags
16
in aller Frühe nach dem andern Ende der Stadt zu gehen und mich wegen
17
meiner Einladung zu entschuldigen, als ein Bedienter mit einem Schlitten
18
kam, den er den Pferden nicht überlaßen konnte und mich noch einmal einlud.
19
Die Magd hatte das Gewerbe angenommen und ich hatte nicht selbst mit dem
20
Bedienten reden können.
21
Mit genauer Noth wurde ich mit einem klägl. Briefe an R. fertig, und
22
hatte beynahe selbigen wider entzwey gerißen, wenn ein guter Engel nicht
23
meiner Thorheit Einhalt gethan.
24
Der Mittag war Dienstags recht vergnügt für mich, Wirth u Gast waren
25
so mit einander zufrieden, daß er mich Donnerstags wider bat, und mir zu
26
verstehen gab, daß es noch höher zugehen sollte, weil Hippel, Kant,
27
Criminalräthe Lilienthal und Jenisch, Münzmeister Göschen, den ich Jahrlang
28
nicht gesehen u wo ich sonst alle Donnerstage speiste und lauter
Dii maiorum
29
gentium
von meiner Bekantschaft da seyn würden, welche ich alle in dem
30
Augenblicke zu sehen wünschte, da ich mich am
Dessert
übernaschte. Der
31
Fremde aus Curland hieß
Urban,
wußte von Herder und noch mehr von
32
einem mir bisher unbekannt gebliebnen Landsmann
Mnioch
mir viel zu
33
erzählen, das mich aufmerksam machte, ohne daß ich eben an dem Erzähler
34
viel Geschmack finden konnte, und wir uns einander gleichgiltig, u vielleicht
35
etwas mehr blieben.
36
Den 22 Mittwochs qvälten die Mädchen ihre Mutter bey Brahl zu gehen,
37
wo sie längst einen Besuch schuldig waren. Wir blieben zu Abend und ich ließ
S. 76
mir wider gelüsten mit meinem gewöhnl.
Appetit
u wider meine Gewohnheit
2
ein Abendbrodt.
Unter
Durch einen tiefen Schnee kamen wir endl. zu
3
Hause. Darüber war mir der Küzel vergangen Donnerstags auch zu Gast
4
zu gehen. Desto stärker aß ich
eine
von einer Qvappe – die ein
Punctum
5
machte der drey Tage nach einander genoßenen Lüsternheit. Freytags eilte
6
ich vormittags mit Bauchgrimmen zu Hause, und muste mich gleich
7
niederlegen. Mein äsculapischer Nachbar Miltz wurde zu Hülfe geruffen. Die
8
Lavements
wirkten nicht; es war alles mausestille in meinem Unterleibe. Alle
9
Windbeuteleyen, zu denen meine Natur sehr aufgelegt ist, hatten aufgehört
10
und ich qvälte mich den Sonnabend, konnte nicht liegen, nicht aufbleiben,
11
wuste vor Angst nicht – Sonntags hörte diese ein wenig auf, aber keine
12
Oeffnung. Montags
dito.
Nichts verschlug von oben und unten. Die
13
Lavements
blieben sogar. Miltz sitzt neben meinem Bette mit einem Pfeifchen,
14
und ich versuche es ein wenig aufzustehen, wie eben ein Fremder mit einem
15
Gruß von
Claudius
u Grafen Stollberg mich besucht. Ein
D.
Stein aus
16
Rheinberg,
der die Wolkin nach Rußl. begleitet. Die beyden Namen
17
entführten meine Gedanken daß ich keine übrig behielt den fremden Mann
18
anzusehen. So bald er fort ist, stürz ich ins Bette. Alles bleibt versiegelt. Den 28
19
des Morgens schickt Gott einen Freund ins Haus mit einem Pack Bücher,
20
die Allg. Deutsche Bibl. vom 68/2 – 70/1 Theil, den
goldenen Adler
, das
21
Neuste vom Museo, Mercur u dem grauen Ungeheuer. Die
22
Sonnabendsunruhe u Unstätigkeit hatte zwar aufgehört, auch der Schlaf war leidlich und
23
die Nächte. Die Lavements waren
verstarkt
, aber meine Natur blieb
24
verstockt, bis ich Mittwochs des Morgens einer kleinen Ladung von Steinen,
25
(
étrons,
Strunt genannt) entledigt wurde. Wer war froher wie ich und mein
26
Miltz, der bald darauf zu mir kam. Nun hieß es: was ich heute eßen würde?
27
Ich antwortete mit aller Bescheidenheit eines widergenesenen Sünders:
28
Nichts, höchstens ein wenig Haberschleim mit einem Semmel. Endlich besann
29
ich mich auf einen halben übergebliebenen holl. Heering. Nein versetzte mein
30
Arzt, sie müßen eßen, nur nicht Fleisch. Alles was sie wollen u haben vom
31
Geköch. Graue Erbsen. Wir wollen die Mutter fragen: Weiße Erbsen.
32
Daran hatte ich gar nicht gedacht, noch dies Leibgericht vermuthet. Recht gut,
33
sagte Miltz. Ach! wenn Du Erbsen hast, so mußt Du auch einen Bratheering
34
schaffen, wenn es der Herr
Doctor
erlaubt. Warum nicht? Es wurde bis
35
nach der Stadt
geschickt – –
Der Leckerbißen wurde im Schweiß der Nase
36
verzehrt; aber mir war doch nicht wohl zu Muthe dabey. Ich rauchte eben mein
37
Pfeifchen zum
Caffe
und wollte auf meine Bücher – als
D.
Stein wider
S. 77
erschien, deßen Perücke mich aufmerksam machte, ohne daß ich in meiner
2
Untersuchung des Manns und seiner Bildung fortfuhr. Er schien unruhig zu
3
werden, und ich wurde es auch über mich selbst, den ich als die Ursache der
4
seinigen ansahe. Ich habe bisweilen weinerliche Launen, die eben nicht
5
heraklitisch sind. In eine solche hatte ich mich auch vertieft. Das große Werk
6
der Verdauung, in dem ich eben begriffen war, verstimmte mich vollends.
7
Der Mann nahm seinen Abschied, und ich war besorgt, daß er mich für ein
8
unglückl. Geschöpf
ansehen würde, das beynahe hysterisch, u nicht blos
9
hypochondrisch wäre. Ueber meinen Büchern vergieng mir auch dieser
10
schwarze Gedanke. Das Lesen hatte mich so angegriffen, daß ich eine schlaflose Nacht
11
hatte. Donnerstag des Morgens beruhigte mich das
Beneficium naturae
12
eines gesunden natürlichen Stuhlganges, an dem ich beynahe verzweifelt
13
hatte. Miltz hatte keine weitere Mühe, als sich abermahl um meinen
14
Küchenzedel zu bekümmern, der auch nach meinem Geschmack ausfiel, bat mein
15
ganzes Haus auf Gestern zu Gaste seinen, seiner Tochter und
meiner
16
Lehne Käthe Geburtstag bey ihm zu feyern. Die Nacht war wider schlecht,
17
aber das Pack mit Büchern sollte den Morgen drauf abgeliefert werden, und
18
der November endigte sich mit einer Antwort von Reichardt, die mich auf der
19
Stelle gesund machte, daß ich mich auf der Stelle entschloß den Morgen
20
drauf auszugehen, den monathl. Abschluß selbst zu machen.
21
Reichardts
Charta magna
lautet von Wort zu Wort wie folget.
22
Berl. den 25
Nov.
23
Nur wenige Minuten vor dem Abgange der heutigen pr. Post erhalt ich
24
Ihren lieben Brief und obendrein nur 12 Stunden vor meiner Abreise; denn
25
morgen früh wollt ich fort. Ich werde aber morgen noch hier bleiben, werde
26
was sie mir geschrieben in die rechten Hände liefern u Ihnen mit der nächsten
27
reitenden Post gute Nachricht darüber ertheilen. Ich habe alle Ursache zu
28
hoffen daß sich ihre Beschwerden jetzt werden heben laßen. Die Männer so in
29
dem Fach nun wirken u regieren sind meine Freunde Adieu so lange, lieber
30
bester Mann niemanden auch davon nicht von diesem Briefe, ich habe heute
31
keinen Augenblick finden können ihm zu schreiben. Ihnen wollt ich dieses nur
32
sagen damit sie nicht 3 Tage länger in der Ungewißheit bleiben –
33
Ihr Reichardt.
34
Abermal kein Schlaf. Mit dem ersten Dec. vorgestern gieng auf mein
35
Telonium,
eilte nach der Stadt voller Plane u Sorgen den beyden Mädchen
S. 78
eine Kleinigkeit einzukaufen; fand wider Vermuthen und gantz zufällig was
2
ich weder gesucht noch erwartet hatte, besuchte meinen kranken Freund
3
Hennings, hoffte bey
Me Courtan
den
D.
Stein zu finden um den Verdacht
4
auszulöschen. Er war schon abgereist mit einem noch größeren, an den ich nicht
5
gedacht hatte. Erfuhr zu meinem Leidwesen, daß ihr ältester Sohn ein schiefes
6
Maul sich zugezogen, wie ich vor einem Jahre, geh voller Grillen und
7
Gedanken zu Deinem Nahmensvetter, liebster Jonathan, wo ich holl. Heeringe
8
finde nebst einer
Privat
Schüßel für mich allein die aus Sauerkraut bestand,
9
wozu ich ein paar Gläser Bier trank. Wie ich aus dem Hause gehen will,
10
komt mir
Crispus
entgegen, der mir die bittersten Vorwürfe macht, daß er
11
mit dem Idiognosten Davids den Abend vorher eine halbe Stunde vor meiner
12
Thür
geklopft, gehustet, geruffen und wer weiß mehr gethan hat, ohne Gehör
13
gefunden zu haben. Ich ihm aufs Dach, daß er nicht einmal die rechte Schelle
14
zum Eingang bey mir wüste, und laufe spornstreichs zu unserm jungen Pr.
15
Haße. Dieser liebe Mann hatte mich den 14
pr.
den Tag nach seiner Ankunft
16
besucht. Er ist aus Weimar gebürtig, ein Vorleser und Zügling unsers
17
Herders. Die Nachricht, daß er sich gantz an die
Ausländer
unserer Akademie,
18
Mangelsdorf
, Holtzhauer u Hofr. Metzger anschloß, hatte mich ein
19
wenig bedenklich gemacht, nebst seinem jugendl. Feuer mich mit ihm
20
einzulaßen. Ich war ihm also den ersten GegenBesuch schuldig geblieben.
Crispus
21
hatte mir viel Gutes gesagt, mein Sohn u seine Freunde waren von seinen
22
Vorlesungen die er mit großem Eifer u Fleiß angefangen hatte eingenommen.
23
Die Krankheit war dazwischen gekommen. Ich eilte also diesen Besuch den
24
1 d. im Fluge abzumachen. Er zwang mich zum
Caffé,
erwartete in einer
25
Stunde den Kraus um in die Synagoge zu gehen, und die Gewalt, die er mir
26
anthat, gefiel mir recht sehr. Seine Bücher waren eben ins
Licent
27
angekommen u ich konnte diese Besorgung auch für ihn übernehmen. Kraus kam endl.
28
hatte
Acten
von Jacobi mitgenommen in Handlungssachen und wenig Lust
29
in die Synagoge zu gehen. Ich nahm also Haße also bey mir zu Hause, wir
30
aßen Butterbrodt und hatten einen sehr vertraul. vergnügten Abend. Ich
31
kannte nur seine Idiognomik Davids – Er hat
Aussichten zu
32
künftigen Aufklärungen
über das A. T. in Briefen geschrieben, das
Buch
33
der Weisheit
u 2
Buch der Makkabäer
übersetzt und eine
hebr
.
34
Grammatik
herausgegeben, davon die erste Hälfte nur herausgekommen
35
und die sich überhaupt auf die übrigen morgenl. Sprachen erstrecken
wird
36
auch eine lateinsche
Rhetoric
die Kraus der Schellerschen vorzieht
. Also ein
37
Hofnungsvoller, thätiger, und dabey bescheidner Mann.
S. 79
Gestern früh gieng ich selbst zu unserm Fischer, und wurde zur Freude des
2
3 fachen Geburtstages mit dem Empfang Deines zu zärtlichen Briefes
3
eingeweyht. Hill lief auf die Post, und kam leer zurück. Ich eilte früh zu Hause
4
und wollte mich gleich niederlegen mich wegen der vorigen schlaflosen Nächte
5
zu erholen. Da fand ich einen Brief aus Berlin der den festl. Tag krönte,
6
ohne die darauf folgende Nacht zu verderben.
7
Diesen Morgen stand mit neuen Kräften, das Neue Kirchenjahr froh zu
8
begehen. Mein erster Gang war zu Hippel, der sich herzlich freute, daß sein
9
Rath so gut gelungen war, von da an das Ende der Stadt zu Reichardts
10
Schwager Dorow, wo ich herzlich vergnügt war, sprach bey
Hasse
an ihn
11
bey Hippel zu bestellen, dem ich ihn als den ersten
Herderianer
12
empfohlen hatte, den ich ausstehen könnte und vielleicht lieben würde, horte das
13
Ende einer Predigt und das öffentl. Kirchengebet mit an, besuchte die arme
14
geplagte
Courtan
und ihren kranken Sohn, hielte einen sehr lustigen Mittag
15
bey Deinem Namensvetter und meinem
Banquier
Jacobi, wo wir Deine
16
Gesundheit in einem Glase Rheinwein trunken und namen Abrede
17
Dienstags
es noch feyerlicher zu thun. Hill begleitete mich nach Hause; ich gab die
18
Einl. an meinen Nachbar den
Dir
Stockmar ab, die ich bey
Dorow
zugesiegelt
19
hatte. Jacobi war mir bey dem
Dir.
zuvorgekommen, und ich bekam ihn also
20
nicht einmal zu sehen, welches mir sehr lieb war.
21
Copia
Berl. den 26
Nov.
22
Ich habe nicht umsonst gehofft, mein lieber Herzensfreund daß ihre Sache
23
jetzt beßer zu treiben seyn würde. ich komme eben recht froh vom G. Finantzr.
24
von Köpcken der itzt das Pr.
Departement
hat. Er kannte sie schon als
25
meinen u
Asmus
Freund (wie er sich selbst ausdrückte) Ihre dortige Lage schien
26
ihm aber nicht bekannt zu seyn. ich hatte mir zur Vorsicht alles was in ihrem
27
Briefe ihre Stelle u Lage betraf aufgeschrieben u gab ihm das. Das
28
historische von der ersten Einrichtung ihrer getheilten Stelle war ihm neu u
29
intereßant; ich muste ihm den Bogen da laßen um das alles näher erwägen
30
und zu seiner Zeit benutzen zu können. Ueber den gewünschten Urlaub sollt
31
ich Ihnen nur sagen, daß da der Minister Werder itzt
ad interim
das
32
Departement
hätte u auch wohl in der Folge behalten würde, so sollten sie
33
deshalb nur bey dem
E
einkommen, zugl. aber auch ihm dem GF.r. von
34
Köpcken davon schreiben, in so weit es auf ihn ankäme (und das ist denn
35
wohl alles) hätten sie zum voraus die bereitwilligste Einwilligung. Damit
36
aber ihr Gesuch von keiner Seite Hindernis fände, so möchten sie doch im
S. 80
voraus mit dem Dir. Stockmar es besprechen, wie ihr Amt während ihrer
2
Abwesenheit am besten verwaltet werden könnte, nicht als wollte er auch nur
3
daran denken, daß die Verwaltung auf irgend eine Weise zu ihrer Last u
4
Nachtheil während der Zeit besorgt werden sollte. Es würde dies aber doch
5
natürl. des Ministers erster Gedanke seyn und dann wäre es gut, wenn sie mit
6
dem Dir. Stockmar, den er als einen braven Mann zu kennen glaubt,
7
darüber schon Abrede genommen hätten. Für den Winter meynte er würden sie
8
eine solche Reise doch wohl nicht unternehmen u auch ich, lieber Mann glaube,
9
daß sie es im Winter nicht thun müsten. Es ist gar zu
beschwerlich
für einen
10
der das Reisen nicht gewohnt ist u es nicht studiert hat. Sollten sie indes
11
ernstlich darauf bestehen, so schreiben s
ie
an Köpken, lieber, einen Posttag früher
12
als
am
Werder darum; oder legen auch allenfalls den Brief an den Minister
13
bey ihm ein. ich glaube daß sie sich mit
Vertrauen
an den GFr. von
14
Köpken wenden können. Am besten dünkt mich würde es seyn, wenn s
ie
15
sich itzt nur des Urlaubs fürs nächste Frühjahr versicherten u denn im May
16
über Berl. kämen und wir denn hier gemeinschaftl. die Verbeßerung ihrer
17
Lage betrieben. Sonst bliebe dies bis zu ihrer Rückkunft. Mir fällt auch eben
18
ein daß ich den Dir. Stockmar in Kgsb. u auch hier gut gekannt habe, ich
19
will ihnen auf allen Fall, daß sie selbst nicht gern mit ihm davon
anfiengen
20
einen Brief für ihn beylegen: es sey ihrem Urtheil gantz überlaßen ob s
ie
es
21
zweckmäßig finden ihm den Brief zu geben. Sie versiegeln ihn denn wohl
22
vorher.
23
ich reise nun nach London mit einem kleinen Umwege, denn ich fahre zuerst
24
11 Meilen ihrer Gegend zu. Der Markgraf v Schwed hat mich eingeladen.
25
Von London gehe ich nach Paris, vielleicht aber auch noch umgekehrt. In
26
Düßeldorf soll das erst nach engl. u franz. Briefen die ich dort finden werde,
27
entschieden werden. Im May hoffe ich s
ie
auf alle Fälle hier zu sehen, mein
28
Lieber: seys auf dem Hin- oder Rück
reise
wege, denn steigen s
ie
mit ihrem
29
lieben Sohne bey mir auf dem Dehnhofschen Platze in Geh.R. Panslebens
30
Hause ab. Sie thun für alle ihre Freunde wohl wenn s
ie
mit ihrem lieben
31
Sohne allein reisen: wenigstens wünschte ich keinen uns
erer
braven
32
Landsleute der in den Kreisen nicht störend werden könnte. Wir umarmen s
ie
u
33
alle ihre
lieben
aufs herzlichste.
Ihr R.
34
N. S. Wollen s
ie
mir die Freude machen mir bald über sich u ihre Lage
35
etwas weiteres zu schreiben so schicken s
ie
den Brief nur gerade hieher:
36
mein liebes Weib besorgt ihn mir nach. Bis gegen
Ende
Ende
Xbr.
trift
37
mich auch ein Brief von Ihnen in Düßeldorf. Adieu mein lieber
S. 81
Herzensfreund. Gott erhalte s
ie
u die lieben Ihrigen gesund. Bey mir gedeyt alles
2
gar herrlich.
3
Einl. an Dir. Stockmar
.
4
B. den 26
5
Erlauben Ew. W. Ihnen meinen Namen ins Gedächtnis zu bringen u
6
zugl um die Gewogenheit zu bitten meinem theuern Freunde H. in der
7
dortigen Anordnung zu seiner vorhabenden Reise behülflich zu seyn. Der HE
8
GF. R. von Köpken hat mir heute die Versicherung gegeben, daß HE. H.
9
anjetzt von hier aus den gewünschten Urlaub erhalten würde u er sich deshalb
10
nun dort mit Ew. W. den derselbe als einen sehr braven rechtschaffenen
11
Mann kennen wegen der Verwaltung seines
Amts
durch einen andern dort
12
in Dienst stehenden Kgl. Bedienten während seiner Abwesenheit vorher zu
13
besprechen habe, damit der Kgl. Dienst eben so wenig als auch H. selbst
14
durch die Reise etwas verlöre. Ich habe diese Gelegenheit solches Ew. W.
15
selbst zu schreiben desto lieber ergriffen
p
16
den 4 – –
17
Ich habe mich gestern so müde gelaufen und geschrieben, daß ich zwar
18
beßer wie alle vorige Nächte geschlafen; aber ich habe auf die fröhlige Tage
19
einen sehr trübseel. heute gehabt. Heute begegnete mir ein
Secretaire
der
20
Direction
um mir das Empfehlungsschreiben von R. in meiner Sache
21
mitzutheilen und aufzutragen, daß ich schriftlich bey der
Direction
einkommen
22
sollte. Ich sprach auch den
Dir.
selbst – ich bin aber auf einmal ich weiß nicht
23
wodurch so niedergeschlagen, daß ich mich erst besinnen muß, was ich
24
eigentlich thun soll.
25
Mein treuer Landsmann R. wird wol eher nach Düßeld. kommen als
26
ich im stande seyn werde an ihn zu schreiben und ihm zu danken. Du wirst es
27
also in meinem Namen thun. Auch Hippel ist dafür, daß ich im Winter gehe,
28
und mein Weg ist Berl. vorbey gerade nach Münster.
29
Ich hatte den 1 d. einen glückl. Anfang gemacht die Mendelss. Recensionen
30
zum
zweiten
mal zu lesen, wie ich eben das ganze Pack abgeben mußte. Du
31
hast allerdings Ursache, Herzenslieber Jonathan empfindlich zu seyn, aber
32
noch mehr dieselbe mit Verachtung zu unterdrücken. Wahrscheinlich ist es mir
33
auch, daß Eberhard Verfaßer ist.
34
Auf dem halben Wege bin ich mit dem Merkur fortgekommen; aber
35
zuletzt wurden wir geschiedene Leute. Im Sept. u Octobr. ist keine
36
Fortsetzung dieser lesbaren
Briefe,
wornach ich sehr begierig bin. Unser Meßgut
S. 82
ist alles in Travemünde eingefroren; wir werden hier also theure Zeit haben.
2
Kant hat sich Meiners Psychol. wegen der Vorrede verschrieben, auch
3
vielleicht Abel.
4
Ich fieng Dein Spinozabüchl. an zu lesen, bin aber nicht weit darinn
5
gekommen, habe mich lange über die Vergleichung des Tiefsinns mit dem
6
radio
u des Scharfsinns mit der Senne eines Circuls aufgehalten, ohne damit
7
fertig geworden zu seyn. Meine Seele hat keine Ruhe noch Stätigkeit. Wenn
8
mich nicht ein Engel beim Schopf entführt – – All das Feuer, von dem ich
9
3 Tage geglüht, ist wider erloschen. Alle Materie hat sich in eine Handvoll
10
Asche verwandelt und der ganze Bau wieder Nichts. Ich kann aus der Welt
11
so wenig klug werden, als sie aus mir. Wir wißen beyde nicht was wir von
12
einander haben wollen.
13
Nun schien mir das Eis gebrochen, alles im besten Gange zu seyn, und ich
14
war im Begriff zuzufahren. Auf Einmal befind ich mich noch auf eben dem
15
Fleck, wo ich seit 2 Jahren gewesen bin. Ruhe ist mir nach meinem Sinn; und
16
Arbeit noch weniger.
Que sais-je? que veux-je? –
17
Den Augenblick komt Nicolovius mit
Tellers sehr ernsthaften
18
Beherzigungen
für den alten
de Marées
und eines ungenannten
19
wohlmeynenden Gedanken
zu mehrerer Berichtigung der Wächterbriefe,
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welches ein entsetzl. Mischmasch zu seyn scheint, wo Deine Fehde, Kant und
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der Himmel weiß was nicht alles aufgerührt und zusammengebacken ist, daß
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mir beynahe graut das Ding zu lesen. – Es ist der unsinnigste und
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unwißendste Schwärmer!
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Ich bin gantz aus meinem
Concept
heraus, und muß schließen.
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Ohngeachtet Deiner blinden Nachsicht für meine Briefe getraue ich mir nicht diesen
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abgehen zu laßen, will lieber einen Posttag versäumen.
27
den 5 –
28
Es gieng mir gestern wie den 4
Oct.
ich muste mich niederlegen wegen
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gewaltiger Stiche nach dem Herzen. Dennoch habe ich Gottlob! eine gute sanfte
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ruhige Nacht gehabt vor allen vorigen. Ich weiß nicht ob Verkältung oder
31
Blähungen vielleicht beydes in gl. Maaß daran schuld sind.
32
den 7.
33
Heute ist es ein Jahr, daß ich mit einem schiefen Maule zu Hause kam.
34
Referendarius Courtan
wird kaum so gut davon kommen. Ich habe die 3
35
ersten Tage dieses Monats herrlich und in Freuden gelebt. Die 3 darauf
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folgenden sind desto finsterer und schwärzer für mich gewesen. Das starke
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Thauwetter hat auch vielleicht auf mich gewirkt; wie das heutige
S. 83
Morgenroth. Vorgestern speiste bey Deinem Namensvetter, Herzenslieber Fritz
2
Jonathan, mit einem Kaufmann aus Gießen, der bey Deinem Herrn Vater
3
gedient. Gestern nach einer langen Periode zum ersten mal wider bey Hippel,
4
ich taugte aber zu nichts als zur
Consumtion,
zu keiner
Conversation.
5
An meine Sache kann ich gar nicht denken; bis der Zauber, der mich stätig
6
macht, aufhören wird. Ich kann die unsichtbare Bande, die mich unthätig
7
machen, nicht entzwey reißen, und muß mich einem höheren Schicksal
8
überlaßen, das allein meiner mächtig ist. Auch Deine 3 Briefe bleiben daher
9
unbeantwortet. Desto mehr bin ich begeistert vom Glück unserer Akademie, einen
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Haße hier zu haben; und von dem Vortheil, den mein Joh. Mich. und seine
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Freunde an einem solchen Lehrer haben werden. Auch Herder verdient meinen
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herzl. Dank an der Bildung eines solchen vortrefl. Mannes beygetragen zu
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haben. Beynahe bin ich auch mit Zedlitz ausgesöhnt und Biester. Sein
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Schulbuch
de caussis stili latini
ist beßer als was Kraus mir schon davon zum
15
voraus gesagt. Ich fieng es vorgestern vor langer Weile an und hab es nicht
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eher weglegen können, bis
es
ich es zu Ende hatte. Deinem Georg möcht ich
17
es auch empfehlen, diesen Morgen wurde ich mit seinen
Untersuchungen
18
über das Buch der Weisheit
fertig. Bey der Uebersetzung wurde mir
19
die Zeit lang und zu den Noten hatte ich auch nicht Gedult. Die Kleukersche
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scheint mir in einigen Stellen glücklicher und leichter gerathen zu seyn. Weil
21
Du das Original liebst; mußt Du beyde haben.
22
Mit desto mehr Eckel habe ich Anfang und Ende des deutschen
23
Agamemnons
angesehn, von dem mir der Uebersetzer auch ein Andenken vorgestern
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einhändigen ließ. Er hatte Umgang in meinem Hause, und übte meinen
25
Michael u seinen Raphael im Griechischen. Er war ein ungemein fleißiger
26
und zugl. fähiger Kopf, aber so brausend und windig, daß man Mühe hatte
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ihn auszustehen. Er gieng nach Berl. bekam da ich weiß nicht wie eine
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Hofmeisterstelle, flog nach Holland und soll jetzt in Braunschweig seyn.
29
Ich bin diesen Nachmittag zu Hause geblieben u
m
diesen Brief nur zu
30
Ende zu bringen. Auf meiner Amtsstube habe den
Oct.
der allg. Litt.-Zeitung
31
durchgelaufen, wo Kant und Tittel zusammen
recen
sirt werden. Der
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Beschluß fehlt noch. Kants guter Wille ist wohl kein anderer als der Göttliche,
33
wie seine reine Vernunft der wahre
Λογος
. Ich habe seine Moral nur
34
Einmal gelesen, und seine Metaph. der Natur noch gar nicht, ohngeachtet ich
35
beyde von ihm selbst zum Geschenk erhalten.
36
Was sein erster Apostel Hofprediger Schultz, nachheriger Gegner macht
37
weiß ich nicht. Jenisch war der
Canal
durch den ich sonst alles erfuhr.
S. 84
Jedermann zerbricht sich hier den Kopf über die neue Brandschatzung,
2
welche in der Mache seyn soll um die Freyheit des Tabacks,
Caffé p
wider
3
einzulösen. Man redt von
6 d
p
rth
für alle liegende Gründe nach der
4
Schätzung im Feuer
Cadastre;
und vom Gehalt
à
12 zu 6
p
rth
per annum.
5
Man kann sich kein rasender Verhältnis vorstellen. Der Bauer 2 rth. Sollte
6
dies wahr seyn, wie wohl es unglaublich u unmögl ist: so hätte Salomon
7
seinen Nachfolger –
in optima forma.
Doch bey allem Mistrauen hab ich
8
noch immer ein Gegengewicht des Vertrauens. Es ist noch ein hoher Hüter
9
über den hohen, und sind noch höher über die beyde.
10
Ich kann nicht an mich selbst denken ohne Grauen und Schaudern.
11
Reichardt hat das Seinige gethan als ein Herkules, der Bauer sollte nun
12
auch die Hand ausstrecken – Aber ich
kann
nicht eher, bis ich
können
13
werde
und
vltra
posse
nemo obligatur.
Mit dem Geschwür zu reisen,
14
wär mir eben so unangenehm, als es unreif und unvorsichtig zu eröfnen. Ich
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muß nichts oder alles sagen. Also lieber Fritz Jonathan! hab mit mir Gedult,
16
und dank in meinem Namen aufs zärtlichste u freundschaftl. meinem lieben
17
Landsmann, an den ich wohl nicht eher werde schreiben bis es überstanden
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ist; und er sich mit mir über meine glückliche Entbindung erfreuen kann.
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Meine Reise muß doch wohl ein gut Werk seyn, weil es mir so schwer
20
gemacht wird, und desto mehr Genuß wenn alle diese Schwierigkeiten
21
überwunden seyn werden. Selbst meine Papiere habe ich nicht seit meiner vorigen
22
Krankheit ansehn können, nicht einen Augenblick Zeit noch einen Funken
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Lust dazu gehabt. Meine Autorschaft steht mit meiner äußerl. Lage in so
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genauer Verbindung, daß jede ein Theil des Ganzen ist. Ich habe Dir es
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schon mehr wie einmal gesagt; aber ich bin noch nicht so weit gekommen,
26
Dich davon überführen zu können. Die Bruchstücke sind dazu nicht hinlängl.
27
die ich zu Papier gebracht – und ich wurde durch einen Strohm reißender
28
Nebenumstände aus meiner Bahn verrückt. Ich habe eben so viel Sehnsucht,
29
wie Du, mündl. zu philosophiren. Das Auge sieht
mehr
als
der M
das
30
Ohr hören und die Feder plappern kann.
31
Ich mag darüber nicht weiter schreiben, um
mich
nicht in Windbeuteleyen
32
zu verlieren. Von meiner Seite ist es mehr als ein
Bedürfnis
und eine
33
Nothdurft
des Lebens meinen Alcibiades,
S
seine u meine Freunde zu
34
sehen und zu sprechen. Von jener Seite ein
Luxus,
an dem ich eben so viel
35
Geschmack finde, wenn ich deßen theilhaftig werden kann.
36
Meld mir doch bald gute Nachrichten aus Wandsbeck und seiner Rebecca.
37
Gott gebe daß ich das alte Jahr ruhig beschließen kann; wie mein alberner
S. 85
verlorner Brief wider alles Vermuthen an den
Salomon du Nord
fertig
2
wurde und den 1 Jänner 83 abgieng. An den Geh Finantzrath werd ich
3
wenigstens schreiben müßen; kann mich aber dieser
dispensi
ren an den
4
Minister u ins
Cabinet
zu gehen, desto beßer. Ohne
Plerophorie
schreibe ich gar
5
nicht
.
,
oder bitte lieber erst wen mir ein
Petitum
aufzusetzen. Was für
6
traurige Nachwehen, wenn man in seiner Jugend kein
Collegium stili
gehört
7
hat und
quodcunque de quolibet ac quomodo
schwartz auf weis
elabori
ren
8
kann. Mein Michael soll
absolut
den
Hasse
über sein güldnes Buch
de
9
Caussis Stili
lesen hören –
10
Noch eine halbe Seite, die ich mit einer Grille vollmachen will, die ich schon
11
längst im Kopfe gehabt und worinn Du oder
Wzm.
oder Schenk mir
12
behülflich seyn kann. Du weist vermuthl. daß ich den ganzen
Septbr.
dieses
13
Jahrs mir mit dem kleinen
Thomas a Kempis
eine Freude machte. Ich fand
14
in Meusel durch einen einfältig
en
Irrthum einen Abdruck der Ausgabe
15
des bekannten Fabeldichters
Desbillons
angeführt, die zu Mannheim
16
ausgekommen. In meiner kleinen
Castalio-Widdrington
schen
Ausgabe habe
17
ich das
XXVI. Cap.
des
I
Buchs angeführt,
in edit. Nic. Lenglet Dufrenoy
18
1731. Dieses Kapitel hoffe ich gewiß in der neusten Ausgabe zu finden. Auf
19
allen offentl. Bibl. war die Nachfrage umsonst. Im Buchladen erhielt die
20
Antwort daß die
Desbillon
sche Ausgabe sehr prächtig u niemals
21
hergekommen wäre. Den 17
Sept.
eben da der König seinen Einzug gehalten, meldt
22
mir ein Freund im Elbingschen Catalog den Manheimschen Nachdruck für
23
1 rth gefunden zu haben. Ich hole gleich einen her, und gab die
Commission
24
um mir recht was zu Gute zu thun. Erhalte das Buch ohne kaum bisher
25
darinn geblättert zu haben, weil die Hauptsache für mich das übercomplette
26
XXVI.
Kap. des
II
Buchs fehlte. In den dortigen Gegenden kann des
27
Lenglets
Ausgabe keine Seltenheit seyn; ich wünschte so gern eine
28
Abschrift dieses Kap. bey Gelegenheit zu haben. Kannst Du aus Münster oder
29
durch irgend eine andere Art mir dazu behülflich seyn. Vielleicht hat es Zeit,
30
bis ich selbst hinkomme, die Abschrift zu machen. Mein N. T. u der kleine
31
Hämmerlein und Herders
Horatz
, damit ich ihn nicht gantz ausschwitze,
32
sind die einzigen Bücher, die ich Lust habe zum
viatico
mitzuführen.
33
Nun Gott gebe, daß ich nächstens das
Final
schreiben kann, oder grade
34
nach Münster. Doch dahin gehört eigentl. das
Decisum.
Michael studiert
35
den Krebel. Doch aus einem Buch lernt man nichts, am wenigstens – leben,
36
weben und seyn, was man seyn soll. Mir gehts beym Reisen, wenn ich dran
37
denke, wie es in einem alten Liede heißt: Beydes Lachen und auch Zittern.
S. 86
Säß ich nur auf dem Postwagen – Aber erst soll ich
schreiben
– Reden
2
wird mir sauer; geschweige schreiben.
Bona verba, quaeso!
Verzeyh lieber
3
Fritz-Jonathan, wenn Dir das Lesen so sauer wird, als mir das
4
Schreiben zur Sache
, wozu nichts von dem gehört was ich in einem ganzen
5
Bogen geschmiert. Wenn Deine freundschaftl. Nachsicht ausreißen wird; so
6
wird es auch zum Durchbruch kommen mit Deinem kleinen alten Görgel.
7
Gott wird helfen. Amen!
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 315–317.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 432–445.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 418–431.
ZH VII 73–86, Nr. 1035.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
73/24 |
Verstande ) |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Verstande) ; in der Handschrift mit Komma. |
|
74/17 |
eine ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: meine |
|
75/1 |
Reservation, |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Reservation |
|
75/7 |
d Ersetzung ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ersetzung |
|
75/9 |
Theodicée ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Theodicee |
|
75/11 |
Ernst ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ernst, |
|
76/23 |
verstarkt ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: verstärkt |
|
76/35 |
geschickt – – ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: geschickt – |
|
77/15 |
meiner ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: meiner Tochter |
|
78/12 |
Thür ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Tür |
|
78/35 –36
|
wird auch […] vorzieht] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: wird, auch eine lateinsche Rhetoric die Kraus der Schellerschen vorzieht |
|
79/21 |
Copia |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Copia. |
|
80/9 |
beschwerlich ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: beschwerl. |
|
80/12 |
am ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: an |
|
80/19 |
anfiengen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: anfiengen, |
|
80/33 |
lieben ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Lieben |
|
81/11 |
Amts ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Amtes |
|
81/36 |
Briefe, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Briefe; |
|
84/3 |
6 d p rth ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 6 p rth |
|
84/29 |
mehr ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: mehr, |
|
85/5 |
nicht . , ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: nicht, |
|
85/16 |
Castalio-Widdringtonschen […] Castalio-Widdringtonschen] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Castalion-Widdrington schen |
|
85/26 |
II |
Geändert nach der Handschrift; ZH: II. |