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89/20
Kgsberg den 16
Xbr.
86 um 4 Uhr Nachmittags.
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Lieber Gevatter und Freund,
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Diesen Augenblick erhalte ich die gute Nachricht, auf die ich lange gewartet,
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aber nicht von Euch selbst zu erhalten gehofft. Jacobi hat mich mit Furcht
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und Besorgnis auf diese Freude vorbereitet. Nun Gott stärke Eure liebe
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Rebecca nach wohl verrichteter Arbeit, und gebe Seegen zur Erziehung des
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glücklich angekommenen Erben. Die zu lebhafte Bewegung und Fröhlichkeit
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macht mich besorgt; weil ich alter Mann durch dergl. Aufwallungen bald
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erschöpft werde, und dafür büßen muß.
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Ich hatte eben die Nachricht von unserm Freunde aus P. erhalten als ein
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paar Tage drauf den 27
pr
ein gewißer
D.
Stein aus Rheinberg mich
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besuchte mit einem Gruß von Euch und dem Grafen Stollberg, da ich eben
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mit meinen Gedanken oft in Eurem Wandsbeck herumirrte. Ich war eben
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bettlägerich an einer Verstopfung, und einen Augenblick aufgestanden, der
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durch den dazwischenkommenden Besuch so lang währte, daß ich bald drüber
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ohnmächtig geworden war. Zwey Tage drauf besuchte er mich wieder und
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nahm Abschied. Er ist in
Me
Wolke aus Deßau Gesellschaft angekommen.
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Ich gieng wider alles Vermuthen den
1.
dieses aus und hoffte den Mann noch
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zu sehen, dem ich einen offenen Brief an Hartknoch mitgeben wollte. Er war
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aber bereits abgereiset – Ich wollte die widrigen Eindrücke, die ich besorgte
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durch meine Unpäßlichkeit auf ihn gemacht zu haben, ihm wo mögl.
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benehmen und erfuhr, daß es ihm bey andern noch ärger gegangen
war
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In meinem Hause ist Gottlob! alles wohl. Ich kann leider! nichts als eßen,
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und alle meine Lebensgeister scheinen in meinem Unterleib
concentri
rt zu
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seyn. Hypochondrie und Witterung machen mich zu allem unthätig. Morgen
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ist es ein rundes Jahr, das ich anfieng an meiner letzten Schrift zu arbeiten.
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Gestern hatte ich nach langer Zeit wider einmal so viel Hertz sie anzusehen.
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Nach Berlin bin ich nicht im stande zu schreiben, wenn es mir auch alles kosten
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sollte. Der ehrl. Reichardt hat alles dort für mich gethan, was in seinen
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Kräften gewesen. Ich komme aber nicht von der
Stelle
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Heut vor 8 Tagen war ich halb außer mir über der Nachricht, daß unser
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Herder nach Berlin einen Ruff erhalten hätte. Ich wollte den Tag drauf gl.
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an ihn schreiben, das ich so lange Zeit her ihm schuldig bin. J. ist der einzige
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gewesen, den ich mit meinen Briefen heimgesucht. Er wird des Dings auch
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überdrüßig seyn, wie ich meines todten unfruchtbaren Zustandes.
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Kant ist Mitgl. der Akademie in Berl. geworden – Daß Herder was
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beßeres würde, mich mit B. auszusöhnen! Ich wünschte ihn noch in W. zu sehen.
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Laß immerhin, lieber
Claudius,
alle Menschen Lügner
seyn,
wenn der nur
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treu ist, von dem unser Schicksal abhängt, und auf Seine Treue beruht meine
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einzige Hoffnung Euch, meine würdige Frau Gevatterin Rebecca und Euren
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ganzen Familien Namen zu sehen, den ich Gottes Pflege und Obhut tägl.
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empfehle, wie mich selbst und die meinigen.
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Lisette Reinette
hat noch ein Jahr übrig bis auf den
Termin
ihrer
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Pension,
wo ich sie so zurück zu erhalten hoffe, daß sie ihre beyde jüngern
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Schwestern zu erziehen im stande seyn wird, die sich heute bey einer Nachbarinn
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was zu gut thun. Johann Michel ist allein bey mir, und liest Campens Reise
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nach der Schweitz. Herder
n
hat unsere Akademie einen wackern jungen
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Mann an Prof. Haße zu verdanken, bey dem er das Syrische treibt, und das
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Arabische nach zurückgelegter Wallfahrt anfangen wird. Ihr seht, daß in
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allen unsern Entwürfen auf meine Reisecur Rücksicht genommen wird. Mehr
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wie denken an meine Freunde kann ich nicht. Gott gebe daß wir uns im
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bevorstehenden Jahr einander sehen, und mündlich alles ersetzen mögen, was sich
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mit Dinte und Feder nicht thun läßt. Behaltet im guten Andenken Euren an
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allem dem Eurigen herzlich Theil nehmenden Gevatter und Freund, der unter
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Küßen und Seufzern zu allen guten Wünschen Amen! sagt. Lebt alle wohl,
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gesund und zufrieden, und vergeßt mir nicht den
Namen
, daß ich ihn
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gehörig
inscribi
ren kann. Außer Pathin Maria Auguste, bitte alle guten
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Freunde, getreue Nachbaren und würdige
Comperes
zu grüßen. Fröhliche
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Weynachten und
Neujahr
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Sammlung Warda.
Bisherige Drucke
Wolfgang Stammler, Matthias Claudius, der Wandbecker Bote. Ein Beitrag zur deutschen Literatur- und Geistesgeschichte. Halle an der Saale 1915, 254 f.
ZH VII 89–91, Nr. 1037.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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90/4 |
1. ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: 1 |
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90/8 |
war ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: war. |
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90/16 |
Stelle ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: Stelle. |
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90/24 |
seyn, ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: seyn |
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91/8 |
Neujahr ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: Neujahr. |