1039
92/28
Kgsb. den 3 Jänner 87.

29
Alter lieber Freund

30
Diesen Morgen vor einer Stunde erhalt ich einen Brief von meinem

31
Jonathan aus D.
d d
22
Xbr p.
deßen Correspondentz ich beynahe schon

32
aufgege
be
n hatte oder an der Möglichkeit ihrer Fortsetzung verzweifelte.

33
Aber seine Freundschaft ist mir eine Ceder Gottes. Er klagt darinn über seine

S. 93
Gesundheit und die Unordnung der Posten. Eine abschriftl. Beyl. die Ihren

2
Auftrag betrifft ist die einzige Wichtigkeit, und ich verzehrte vor Freuden mit

3
meinen Kindern den Rest ihres Caviars, der einen Tag früher als Ihr Brief

4
den 30
Xbr.
ankam. Meinen herzl. Dank für Ihr freundschaftliches

5
Andenken. Gott seegne Sie und Ihr ganzes Haus zu diesem neuen Jahr! Daß mir

6
dieser Wunsch von Herzen geht, können Sie leicht denken, weil Sie mir so

7
reichlichen Antheil nehmen laßen. Gott selbst wird den Mangel meiner

8
Widervergeltung, denn an gutem Willen fehlt es mir nicht, ersetzen. Den 14

9
Xbr.
erfuhr die Nachricht von unsers gemeinschaftl. Freundes, meines lieben

10
Namensbruder Georg,
Hochzeit
und zufälligerweise gab denselben Abend

11
mein Joh. Mich. einen Schmauß seinen Spießgesellen und Lieblingen

12
Nicolovius,
Hill und Raphael. Lachen Sie nicht über den alten Knaben mit

13
grauen Haaren, und laßen Sie ihn guter Dinge seyn im HErren, denn wer

14
eine Ehfrau findet, hat einen guten Fund gethan.
Prov. XVIII.
22.

15
Daß ich das letzte mal sehr unleserlich geschrieben. Was ich Ihnen von

16
Ungern Sternberg gemeldet, verstehe ich selbst nicht, vielleicht ist es auch eine

17
falsche Leseart. Ich habe diese Feyertage zu Hause zugebracht u bin in diesem

18
Jahr auch noch nicht über der Schwelle gewesen. Ich soll nach Berl. schreiben

19
und
kann nicht
, wenn es mir auch ich weiß nicht was kosten sollte. Habe

20
mich wieder über meine unterbrochene Arbeit gemacht und kann auch nicht

21
vom Fleck, daß ich beynahe wenigstens für das Leben meines alten

22
schwindlichen Kopfs zittere. Sie können sich die Leiden eines solchen Zustandes als der

23
meinige ist, nicht vorstellen. Es geht mir gleich als wenn die Kinder bis zur

24
Geburt kommen und ist keine Kraft da zu gebären. So lavire ich und liege vor

25
Anker 2 Jahr mit meinem Urlaub und meinem fliegenden Briefe ohne Wind

26
noch Licht, kann weder den Knoten auflösen noch zerhauen. Es ist keine

27
schwerere Arbeit als das
abstine
und
sustine!

28
Den 19
Xbr.
komt ein gantz zerlumpter Bettler zu mir mit einem offenen

29
Briefe von Lavater, deßen Abschrift ich auch beylegen werde. Er klagte alle

30
seine Sachen und besonders seine Kundschaft verloren zu haben welche er

31
durch eine fremde auf den Namen
Müller
ersetzt. Seine Aufrichtigkeit dieses

32
aus Noth begangene
falsum
zu gestehen nicht nur mir sondern auch seine

33
Gewerke unterdrückte meinen Argwohn. Ich wies und empfahl ihn unserm

34
Geh. Rath Hippel, der ihm eine neue Kundschaft unter seinem rechten Namen

35
Hottinger ausgewürkt und ein
Viaticum
gegeben; wie ich von meiner Seite

36
theils aus Mitleiden theils aus Achtung für Lavater that und meine Freunde

37
dazu misbrauchte, unserm
Jacobi
eine Weste wegnahm und den ältesten

S. 94
Nicolovius
auch zur Wohlthätigkeit in Wäsche bewegte. Den 27 habe ich den

2
Menschen zum letzten mal gesehen, vermuthe aber daß es ein Betrüger

3
gewesen, der Lavaters Zeugnis einem andern abgenommen. Bey seinem Abschiede

4
sagte er daß er nach Danzig gienge. Die falsche Kundschaft war zu Anspach

5
ausgestellt, und die Aussprache war einem Schweitzer gar nicht ähnlich.

6
Hippel u Scheffner besuchten mich am Neujahr und ersterer versprach den

7
Betrüger nicht in Danzig Ruhe zu laßen, damit ihm wenigstens der Zedel vom

8
Lavater abgenommen werde. Ich melde dies Ihnen um sich darnach zu

9
richten, wenn er nach Riga kommen sollte, und sich dann dieses Papiers zu

10
bemächtigen. Werde auch vielleicht aus der Schweitz nähere Nachrichten

11
währender Zeit erhalten.

12
Kaum war ich diesen Buben los, erschien mir Elkana, der gestörte

13
Kantianer, als Christ und mit einem Gruß von Pleßing
.
Er ist in Engl. gewesen

14
u hat
Pristley
kennen gelernt. Nach der Zeit hab ich den unglückl. Menschen

15
nicht weiter gesehen noch sonst erfahren. Seine Tollheit scheint nur auf

16
Project
e der Navigation und das Meerwaßer süß zu machen gefallen zu

17
seyn.


18
Es folgt die Abschrift eines Auszugs des Briefes Schönborns an Jacobi, den

19
dieser seinem Brief vom 22. Dezember 1786 in der Abschrift Schenks beigelegt hatte.

20
Vgl. Nachweise zu Brief Nr. 1038.


21
Sie sehen wenigstens hieraus, daß die Leute es ehrl. mit Ihnen meynen,

22
und woher der theure Preis komt, den ich mir nicht erklären konnte: so wenig

23
wie ein vernünftiger Mensch von 5 gesunden Sinnen, er mag in Deutschl.

24
oder Großbr. zur Welt gekommen seyn, die
arcana coelestia
ohne Eckel lesen

25
kann. Dafür lieber 18
Guin.
an
Dio Cassius
und den pollnischen Uebersetzer

26
verschwendet. Der deutsche
Strabo
wird noch immer selbst von großen

27
Gelehrten angeführt. Ich habe den Anfang des
Cassius
durchgelaufen. Es

28
ist derselbe außerordentliche,
paradoxe,
an Grillen, Launen und Schlacken

29
und Ideen von beßerem Gehalt reiche u fruchtbare Kopf. Aber auf Ihrer

30
Hut müßen Sie seyn. Ohngeachtet der Verf. des
Mnemonium
auf das

31
Königl. Handschreiben sich etwas einbilden mag und ich dies große Werk

32
noch nicht gesehen habe, hat mich eine Abhandl. über den Aristoteles in

33
Cäsars Denkwürdigkeiten beynahe alle Lust benommen mich darum zu

34
bekümmern, weil er es beynahe auf jeder Seite anführt. Nein gegen einen

35
solchen seichten Schwätzer ist mein weiland Freund Penz.
el
ein güldner Mann,

36
den es mir nicht leid thut zum Freunde
gehabt zu haben
. Dem andern

S. 95
P. fehlt es gantz an Beruff Autor und darauf eitel zu seyn. Des erstern

2
Stoltz ist wenigstens mehr nach meinem Geschmack, als des andern Eitelkeit.

3
Ueber jenen kann ich wenigstens lachen. Dieser macht mir die unangenehme

4
Empfindung des Mitleidens und des Unwillens
.


5
Es folgt die Abschrift eines Empfehlungsschreibens, das Lavater für Kaspar

6
Hottinger verfaßt hatte. Vgl. Nachweise.


7
Bemächt
ig
en Sie sich ja des Originals, wenn es Ihnen in die Hände

8
fallen sollte; denn ich möchte beynahe schwören, daß der Bube es einem

9
entwandt hat, denn Lav. Name wird gnug gemisbraucht. Es heißt hier, daß

10
er ganz gewiß in Berl. erwartet wird, wie man auch den Uebergang der

11
Princeßin u ihre Reise nach Rom auf seine Rechnung schreibt.

12
HE Pr. Haße habe seitdem nicht mehr gesehen. Er meldte mir daß

13
Herder ihm einen Brief mitgeben wollen aber aus Mangel an Zeit mit der Post

14
zu schreiben versprochen. Die Nachricht von seiner Beruffung nach Berl.

15
machte mich
daß
gebärden wie Bräutigam George. Ich war willens den

16
Sontag drauf zu schreiben, warte noch immer auf eine versprochene Einl. von

17
Haße um schreiben zu
müßen
. Sobald es mir mögl seyn wird zu schreiben,

18
werde ich gewiß daran denken, ihn zur Fortsetzung und Vollendung

19
aufzumuntern. Wenn Sie den Verf. des goldnen Hahns erfahren können, wünschte

20
ich selbigen zu wißen. Wo ist die Republick der Weltbürger gedruckt, und ist

21
es nicht mögl. auch diesen Verf. zu wißen. Beyde Bücher haben einen

22
außerordentl. Eindruck auf mich gemacht, und keines Menschen Urtheil mit dem

23
meinigen gleichstimmig.

24
Sollten Sie nicht wenigstens Bethlehem im Meßkatalog gelesen haben.

25
Viel Glück zur zweiten Auflage der Kritik, sie wird mit einem
Complement

26
der practischen reinen Vernunft jetzt vollendet.

27
Beynahe hätte ich noch einen Auszug aus J. Briefe vom 22 vergeßen:

28
Von meinem Freunde Schönborn ist endl. eine Antwort eingelaufen. Was

29
er mir Sw.
Arc. Coel.
betreffend meldet, laße ich abschreiben.

30
Schlabberndorf war den 10
Xbr.
noch nicht wieder in London, also noch keine Antwort

31
wegen der andern Bücher. Es
verdrüßt mich nicht wenig, daß es

32
mit meinen Besorgungen nicht beßer von statten geht
“ Wir

33
müßen also alle Gedult haben. Lieber Hartknoch. Daß Frau Rebecca den 6

34
Xbr.
von einem Sohn entbunden worden, hab ich meines Wißens schon

35
gemeldt. Heute meldt mir J. daß er Pathe
bey
von dem Knaben ist der

36
Heinrich heist. Der Balsam mit den Tropfen kommt Zeit gnug und wenn

S. 96
selbige gar ausbleiben, wird noch weniger daran gelegen seyn. Aber das

2
Gothaische Clavier macht mir so viel Unruhe, wie Ihnen; desto mehr Freude

3
der Lehnchen – Doch davon mehr mündlich und so Gott will unterwegs – Ich

4
kann nicht einmal an meine Schulden denken, biß meine Reise erst abgethan

5
seyn wird. Gott sey mit Ihnen und den lieben Ihrigen.
Hora ruit.
Ich

6
umarme Sie und ersterbe

7
Ihr

8
alter Landsmann Freund und Schuldner

9
Joh Ge. Hamann.


10
Adresse mit rotem Lacksiegelrest:

11
HErrn / HErrn Hartknoch, / Buchhändler / zu /
Riga
.
/ fr.
Memel
.


12
Vermerk von Hartknoch:

13
HE Hamann in Königsberg

14
Empf
d
29
Dec
786

15
beantw
d.
2
Jan
787

1. Das Empfehlungsschreiben Lavaters für Kaspar Hottinger aus Zürich, Zürich, 14. April 1786:

523/32
II.
Abschrift

33
Mit gegenwärtiger Zeile wird Kaspar Hottinger von Zürch,

34
einer armen redlichen Wittwe wackerer Sohn allen meinen

35
auswärtigen Freunden, wo Er immer hinkommen mag, in allen

36
Vorfallenheiten, die ihm immer begegnen mögen, ehrerbietig und

37
vertrauensvoll empfohlen. Ich habe mehr unbekannte als

S. 524
bekannte Freunde in den nordischen Gegenden, die der liebe Hottinger

2
zu besuchen willens ist. Wer aber, auch ohne daß ich ihn kenne,

3
mich einiger maaßen kennt und liebt, habe die Güte sich dieses

4
Mitbürgers und ehemal. Lehrlings in dem Waysenhause, an dem

5
ich stand, treulichst anzunehmen. In
Riga
kann und wird der

6
redliche Herr
Hartknoch
, in Kgsb. HE J G H. Kgl.

7
Accise
einnehmer in Petersburg allenfalls ihm ein Freund
Rudolf

8
Füßlins
von Zürch, wenn er sich, wie ich glaube, auf Reisen

9
befinden sollte – in Moskau HE Pastor
Brunner
an die Hand

10
gehen können. Die Gnade des HErrn sey mit Ihm.

11
Zürich Charfreytags morgens

12
(LS.)
den 14 Apr. 86

13
Joh. Kasp. Lavater.

2. Ein Auszug aus dem Brief Schönborns an Jacobi, 5. November 1786 (vgl. Apparat zu HKB 1038).

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 347–349.

ZH VII 92–96, Nr. 1039.

Zusätze fremder Hand

96/13
–15
Johann Friedrich Hartknoch

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
96/11
/ fr.
Memel
.
]
Hinzugefügt nach der Abschrift Wardas.
523/32
II.
Abschrift
]
Hinzugefügt nach der Abschrift Wardas.
524/12
(LS.)
]
Hinzugefügt nach der Abschrift Wardas.