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111/28
Kgsb. den 17 Febr. 87.

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Geliebtester Freund

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Vorgestern habe Einl. erhalten mit dem Auftrage selbige
aufs baldigste

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zu besorgen, welches um so mehr thun muß, da es heute eben ein ganzer

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Monath ist, daß ich Antwort u Dank für das empfangene schuldig bin in

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meiner Hausgenoßen, meiner Freunde und meinem eigenen Namen. Den 25

S. 112
pr.
schickte mir
Me Courtan
Ihr reiches und lüsternes Geschenk. Den
IV

2
Sont. nach Epiphanias wurde ein großer Schmaus gehalten in meinem

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Hause, wo Pr. Kraus und Haße, Regim. Feldsch. Miltz mit seiner Tochter

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und meine
Lisette Reinette
die erwünschten Gäste waren. Drey Stück

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brachte ich selbst meinem lieben Beichtvater, der mich dafür mit einem
Atlas

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für meine Kinder beschenkte, den ich denselben Tag bey Kanter hatte kaufen

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wollen, der Preis aber mir zu theuer war. Zwey Paar gab ich der

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Wohlthäterin meiner Töchter, ab; und ein gebratenes schickte ich meinem alten

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kranken Freunde Kr. Hennings, der mit einer Rehkeule dafür dankte. Den

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5ten dieses, es war ein blauer Montag habe ich die letzten vier auf meine

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eigene Hand verzehrt; denn leider! mein Magen ist so wacker und scharf, als

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mein Kopf stumpf und schläfrig ist. Unser Freund wird eben meinen Brief

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erhalten haben, da der seinige unterwegs gewesen, den er
sine die et consule

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geschrieben. Ich habe eine Einl. von Haße abgewartet, um aus
Pflicht

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schreiben zu
müßen
, und aus der Noth Tugend
ge
zu mach
t
en. Endlich

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brachte er sie mir zum Schmause, schenkte mir seine Uebersetzung des Buchs

17
der Makk. und seine 2
Disp.
über
Ψ
.
II. Crispus
aber gab 2
Bouteill
en alten

18
Frantzwein mit – Mit solchem Wucher habe ich Ihre Gaben genoßen – Gott

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vergelte es Ihnen, lieber Hartknoch! und erqvicke Sie und die Ihrigen mit

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seinem reichen Seegen, zu dem ich nichts als Wünsche beytragen kann.
Jacobi

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schickte mir 2 Exempl. der Ukase zu, welche er von
Podbielski
u dieser

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vermuthl. durch Sie erhalten. Ich habe das zufällige Vergnügen gehabt die

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Petersb. Uebersetzung unsers Landsmanns mit der Rigischen zu vergleichen

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und mich über den Unterscheid zum Vortheil der ersteren gefreut. Danken Sie

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doch dem lieben Arndt für sein Andenken und daß ich den Werth deßelben

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erkenne und fühle – Bey der Gelegenheit fällt mir eine Anfrage ein, die ich

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schon lange und oft im Sinne gehabt. Ich habe den
ersten Theil
der

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Polizeyordnung 82. erhalten und immer auf die Fortsetzung gewartet. Ist

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selbige nicht herausgekommen, oder vergeßen worden – In beyden Fällen

30
wird
er
mir diese Erinnerung
dies
eines
Defects
nicht verargt werden,

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weil ich das Ganze liebe. Weder mit meinen
Moliminibus
zur Reise, noch mit

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meinem fliegenden Briefe geht es von der Stelle. Die neue Einrichtungen

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und meine künftige Lage werden mit dem Märtz, wie man sagt, schon

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entschieden werden. Vielleicht giebt mir dies einen Gnadenstoß, und bringt meine

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Faust oder Füße in Thätigkeit. Um doch nicht gantz müßig zu seyn, habe ich

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mit Hans den
Quintilian
durchgepeitscht vom 21
Xbr.
bis zum 15
h.
mit ihm

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den
Telemaque
zum ersten mal durchgelesen mit der grösten Zufriedenheit für

S. 113
uns beyde. In meiner ersten Jugend wurde mir das Buch verekelt, weil ich

2
nicht den Vortheil hatte wie er jetzt, die Qvellen des Homers u Sophokles

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zu kennen, in so frischem Andenken, wie seines ist. Mit desto mehr Verdruß

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gähnen wir jetzt über
Florians Numa Pompilius,
das eine elende Misgeburt

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gegen jenes Meisterstück ist.
H. dankt Gott, daß seine Gegner für

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ihn so heilsam gewirkt haben. Haße
meynt
, daß er bereits

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in petto
Abt
ist in Braunschw. Diese Stelle war ihm lieber

8
zu wünschen, und anständiger. Ein epidemischer

9
Keuchhusten hat sein Haus diesen Winter heimgesucht
. Die
ihm

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K. u D. dedicirte Blicke sind von Jung. Kant schenkte mir s. Exempl. das

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ich eben so wenig habe ausstehen und lesen können: so sehr ich mich über dies

12
Geschenk auch gefreut habe.

13
Ich habe Ihre Antwort gl. mit dem Anfange dieses Monats meinem
J.
in

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Düßeldorf mitgetheilt, um sich darnach richten zu können in Ansehung des

15
Sw.
und der
zweyten
Commission
, die ich ihm desto dringender

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empfohlen, da Sie die erstere dem Laufe der Umstände überlaßen. Theilen Sie

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mir liebster H. auf allen
Fall eines günstigen Windes
etwas von

18
Ihrem Plan zur Reise mit – Was für ein Vortheil um meinen
nouitium
ein

19
wenig
initii
ren zu können.

20
Alles ist für mich in einem solchen dicken Nebel, daß ich nichts abzusehen im

21
stande bin. Gott mache mich zu allem fertig und gefaßt – Aus dem
Cunctator

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einen eben so guten Ueberrumpler! Sie können nicht glauben, was es für ein

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Druck ist, so lange
in suspenso
zu leben, und wie sehr meine ganze Natur und

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ihre Oeconomie (äußere und innere) dabey leidt und fast darunter vergeht.

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Fiat VOLUNTAS TVA!
Wie schwer ist es unserm Eigenwillen, den

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höchsten
für den
Einzigen
und
Besten
zu erkennen.
Vis inertiae
schreibt

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mir Herder, ist die Hauptkraft der Welt, vielleicht das Symbol
göttlicher

28
Ruhe
, von der alle Thätigkeit u Bewegung der Natur abhängt. Ich

29
umarme Sie mit dankbarem vollem Herzen. Auch die Meinigen nehmen an

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diesen Gesinnungen für ihren Wohlthäter Theil. Gott seegne Sie und Ihr

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ganzes Haus in der Nähe und Ferne. Ich ersterbe Ihr alter Freund. Wenn

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Sie antworten müßen nach W. wünschte ich einen Einschluß um auch zur

33
Antwort ermuntert und
genöthigt
zu werden. Leben Sie recht wohl und

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haben Sie Gedult mit Ihrem gebundenen hängenden

35
Joh
Ge
H.


36
Adresse mit rotem Lacksiegelrest:

37
HErrn / HErrn Hartknoch / Buchhändler / in /
Riga
fr.
Memel
.


S. 114
Vermerk von Hartknoch:

2
HE Hamann in Königsberg

3
Empf
d.
9
Febr
1787

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 351–353.

ZH VII 111–114, Nr. 1044.

Zusätze fremder Hand

114/2
–3
Johann Friedrich Hartknoch

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
112/17
Ψ
.
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: ZH:
Ψ
113/6
meynt
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
meint
113/9
ihm
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
unseren
113/35
Ge
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Ge.
113/37
fr.
Memel
.
]
Hinzugefügt nach der Abschrift Wardas.