1058
154/2
Kgsb den 22 Apr.
Miseric Dom.
87.
3
Herzenslieber Jonathan! Kein Urtheil – sondern die Nachricht Dein
4
Päckchen erhalten zu haben und den dafür schuldigen herzlichen Dank.
5
Freytags den 20 kam mein Sohn damit geeilt. Ich hatte einen fürchterl. Tag
6
gehabt, voller Angst und Unruhe, über das an Dir abgelaßene. Miltz besuchte
7
mich, der den Tag vorher in meiner Lage gewesen; ich war damals in seiner.
8
Vielleicht war alles ein Druck der plötzlich veränderten Witterung und
9
empfindlichen Hitze. Es war 4 Uhr nachmittags, und ich hörte nicht auf zu lesen,
10
als bis ich zu Ende war. Um 6 des Abends kam
K
Crispus
voller Triumph,
11
bey so einem Wetter sich zu einem Besuch und Spatzierwege entschloßen zu
12
haben; der mir freylich sehr unerwartet, angenehm und höchst nöthig war.
13
Er fiel gleich über Dein Büchlein her mit einer Begierde, die ihm eben nicht
14
gewöhnlich ist, und drang eben so inständig darauf es mit zu nehmen. Ich
15
glaube, daß der Titel mit daran schuld war, der mir ebensowenig recht
16
gefällt, wie Dir selbst, ohngeachtet er ciceronianisch ist.
Er kann den Hume
17
beynahe auswendig, und dankte mir den Abend noch ihn sein
erstes
Werk
18
über die menschl. Natur kennen gelehrt zu haben
, welches in 3 Theilen
19
ausgekommen und wenig Eindruck gemacht hat. Ich erinnerte ihn an sein
20
Versprechen wegen Wz. und er machte mir Hofnung nicht nur daßelbe zu
21
erfüllen, sondern auch Anmerkungen über Dein Buch mitzutheilen, woran Dir
22
vielleicht mehr gelegen seyn wird – weil ich noch nicht mit mir selbst einig bin,
23
ob ich wirklich zu
urtheilen
im stande bin. Das eine scheint mir jetzt so
24
versagt zu seyn, als das andere, ich meine das
Schreiben
. Du bist in Dein
25
altes Element hereingerathen, in Deinen alten Wirbel, in den ich mich nicht
26
getraue, und ich kann aus dem meinigen nicht herauskommen. Es geht mir
27
mit Deinem technischen Wortkram, wie mir mit meinem Bilderkram. Ich
28
gieng
vorgestern
Abend so verzagt und trostlos zu Bette über alle meine
29
verlorne Arbeit, wuste weder Anfang noch Ende, konnte keinen Ausweg, keine
30
Hinterthür finden. Gestern früh wachte ich muthiger auf, fand eine so leichte
31
Auflösung des Knotens, daß ich mich wider erleichtert und beruhigt fand,
32
gieng an meine Arbeit, konnte des
Isocratis Panegyric.
mit neuen
33
Vergnügen lesen, überraschte meinen Michael über Deinen Woldemar, nahm
34
ihm das Buch fort um es selbst zu lesen, erhielt einen Gruß von Hartknoch,
35
der Mittags angekommen war und heute um 11 Uhr zu mir kommen
wolte
,
36
bekam einen Besuch von dem guten
Hasse
–
37
Ich war willens heute nicht auszugehen, und Hartknoch abzuwarten um
S. 155
die bestimmte Stunde, der auch wegen eines schlimmen Fußes Miltz bey mir
2
zu sehen wünschte. Der Schein vom guten Wetter verführte mich zum
3
Ausgehen. Ich besuchte Hartknoch in seinem Reisepe
tz
ltze und Reisestiefeln,
4
um ihn zu überführen, daß er im eigentl. Sinne
Vorsorge
für mich
5
gehabt. Der
Friseur
kam und ich eilte, weil ich ihn in Anfertigung seiner
6
Meßarbeiten unterbrochen hatte, weil ich ihm sagte, daß ich noch wenigstens
7
ein Vaterunser im Vorbeygehen der Altstädtschen Kirche beten und bald zu
8
Hause seyn wollte. Er schrieb
mir die Dohmkirche vor, als die nächste. Ich
9
lachte, wie ich auf die Straße kam, über das Misverständnis der
nächsten
10
Kirche
, und ärgerte mich über meinen Aberglauben, ihm zu Gefallen einen
11
kleinen Umweg zu thun
. Kaum habe ich meine Neugierde den Prediger
D.
12
Gräff zu hören befriedigt, bekomm ich einen physischen Anlaß bey Deinem
13
Namensvetter anzusprechen – ich hatte an nichts weniger gedacht – als
den
14
heute noch zu besuchen,
exped
irte mich aufs geschwindeste, mit einem
15
Zöllnerseufzer durch die Altstädtsche Kirche, um mich auskleiden und von dem sauren
16
Gange widererholen zu können. Hartknoch hatte mir einige Briefe
17
mitgegeben, die ich vornahm, kam Miltz, und versprach morgen länger sich zu
18
verweilen. Hierauf Hartknoch – So ist der Morgen verstrichen, und ich
19
erinnere
mich nichts mehr von Deinem Buche, als selbiges vorgestern im
20
grösten Drucke der Lebensgeister gelesen zu haben. So viel weiß ich, daß es
21
mir eben so ergangen wie unserm seel. Freunde, und wir uns beynahe mehr
22
zu entfernen, als einander zu nähern
scheinen:
Mit dem Wz. bin ich noch vor
23
der Hand
gantz eins
, bis
Crispus
V
das Verständnis öffnen wird.
24
Bey ein paar Stellen schien es mir, daß ich Dich im stande wäre einer
25
Uebereilung zu überführen; aber wenn ich sterben sollte, wäre es mir nicht
26
mögl. derselben
mich
wider zu erinnern – und das Buch fehlt mir. Du
27
must also
Crispus
abwarten. Er ist
φφ
us ex professo
und kann den
Hume
28
auswendig.
Ich habe ihn studiert, ehe ich noch die Sokr. Denkw. schrieb, und
29
meine Lehre vom
Glauben
eben derselben Qvelle zu verdanken
.
30
C’est
assez que d’être,
sagte
Me dela Fayette,
wie ich nur vorige Woche in
31
einer magern
Comp
te
ilatio
von 4 Theilen gelesen habe, die den Titel führt
32
Tableau historique de l’esprit et du caractere des Litterateurs Français –
33
Ich schrieb mir das Sprüchelchen auf, indem ich mich Deiner dabey erinnerte.
34
Ich lese jetzt wie ein Müller, der Waßer auf seine Mühle sucht, weil es
35
ihm daran fehlt; und da scheint es mir in dem Fragment mehr zur Sache
36
als in Deinem Gespräch gefunden zu haben. Aber die kleine Freude wird mir
37
auch streitig gemacht. Ich weiß also nicht, woran ich bin.
S. 156
Verschlungen hab ich Dein Buch, aber noch nicht gelesen; also kann ich
2
noch nicht urtheilen. Was ich also von meinem Ich sage, geht Deine
Er
nicht
3
im geringsten an.
4
den 23.
5
Abscheuliches Wetter! daß ich zu Hause bleiben muß. Mit grimmigen
6
Appetit
gestern ein Stück Sauerfleisch verzehrt. Nach dem eßen kamen die
7
3
Nicolouii,
den mittelsten hat Hartknoch mitgebracht und nimmt ihn auf
8
dem Rückwege wieder mit. Die Zufriedenheit des
Patrons
mit
seinen
9
Lehrburschen und
reciproce
hat mir eine seltene Freude gemacht; desto mehr
10
Sorge Hill – Der Graf Kayserlingk brachte mir einen Graf Reuß von
11
Plauen zu, der Regierungsrath ist. Ich konnte den Namen nicht recht
12
vernehmen, weil ich wirkl. etwas harthörig bin, und nennte ihn immer bey
13
seinem letzten Character.
Crispus
blieb aus und fängt heute seine
Collegia
an.
14
Ich kann Dir also Herzenlieber Jonathan
ohne Dein
Buch von
15
demselben nichts weiter sagen, als in Verhältnis Deiner beyden Gegenstände
16
einer
Autorschaft zu den
meinigen.
Idealismus und Realismus –
17
Christentum und Luthertum. Jene beyde sind in meinen Augen ideal – letztere real.
18
Zwischen Deinen beyden
Extre
men fehlt ein
Medium,
das ich
19
Verbalismus
nennen möchte. Meine Zwillinge sind nicht
extrema,
sondern
20
Bundesgenoßen und nahe verwandt. Ich will aber den
berlinschen
Idealismum
21
des Christentums und Luthertums widerlegen durch einen historischen u
22
physischen Realismum.
Erfahrung
der
reinen Vernunft
23
entgegensetzen. Diese Verwickelungen ins reine zu bringen, ist eben die herkulische
24
Arbeit, die mir im Sinn liegt, weil ich nicht weiß, wo ich das Ding am
25
rechten Ende angreifen soll. Wie Du selbst sagst, das
Reelle bleibt
, das
26
Ideale hängt mehr von
uns ab, und wandelbar durch den
27
Verbalismum
Nominalismum.
Unsere Begriffe von Dingen sind wandelbar
28
durch eine neue Sprache, durch neue Zeichen, die neue Verhältniße uns
29
gegenwärtig machen oder vielmehr die ältesten ursprünglichen, wahren
30
widerherstellen.
31
Verzeih es meiner Eitelkeit, wenn ich Dir aufrichtig gestehe, daß mir meine
32
eigene Autorschaft auch näher liegt, als Deine, und mir selbst auch der
33
Absicht und dem Innhalte nach wichtiger und nützlicher zu seyn scheint.
34
Idealismus u Realismus sind nichts als
entia rationis,
wächserne Nasen –
35
Christenthum u Lutherthum sind
res facti,
lebendige Organe und Werkzeuge der
36
Gottheit u Menschheit.
37
Crispi
Schulphilosophie ist mir eben so unentbehrlich, als Wz. Testament.
S. 157
Ich komme zeitig genug nach ihrer Arbeit das zu erndten was sie gesäet
2
haben. In Deinen Augen mag auch mein ganzer Plan
Idealismus
seyn.
3
Laß mir die Zufriedenheit etwas mehr
Realismum
drinnen zu finden, bis ich
4
des Gegentheils überführt werde. Sobald ich unterliege, will ich gern mein
5
Gewehr strecken: so lange ich Hofnung habe – will ich alles
mögliche
daran
6
setzen, den Plunder meiner
individuellen
Vernunft.
Voluisse sat est,
7
nicht wie Kant es meynt und
c’est assez que d’être.
8
Indem die Berliner
ideelle
Jesuiten verfolgen, sollen sie für die
reelle
9
erkannt werden. Je mehr sie
fripons
spielen, desto ärgere
dupes
sollen und
10
müßen sie erscheinen. Wenn ich das nicht erreichen kann, so ist mir an den
11
übrigen Kleinigkeiten wenig
gelegen
.
12
Ist es nichts als Eitelkeit, was mich blendt; so muß ich mich freylich auch
13
den Strafen dieses Plageteufels unterwerfen. Ist es ein beßerer Geist, der
14
mich treibt: so wird die Wahrheit gewinnen durch Einfalt gegen Lüge und
15
Schalkheit.
16
Mehr läßt sich darüber nicht sagen, weil ich selbst nichts mehr davon weiß.
17
Thu mir aber die Liebe und übermache mir Starkes Schutzschrift; ich muß
18
data
haben, und schlechterdings darnach meine
Hypothese
bilden, um
19
wenigstens
wahrscheinlich
denken und handeln zu können, wo mir die
20
Wahrheit zu hoch oder zu tief liegt.
21
Mein grimmiger
Appetit
wird wohl durch nichts als die Reise gebrochen
22
werden. Wenn von dort etwas dazu beygetragen werden kann, so wirst Du
23
Deine Freundschaft auch in diesem Stück eher
übertreiben
, als
24
verleugnen
.
25
Hat unser Freund
Tiro
Muße zum Abschreiben; so sey so gut die Arbeit
26
ihm dadurch zu erleichtern, daß Du allen offenbaren unnützen Ueberfluß und
27
Unsinn ausstreichst. Je kürzer, desto beßer – damit ich nur einen Faden
28
meines Gedankenganges vor mir habe, den ich hier selbst nicht mir
29
widerherzustellen im Gange bin. Also ohne Barmherzigkeit gestrichen alle üppige,
30
ungesunde Zweige –
31
Unserm Oberhofprediger zu gefallen las ich gestern früh im Bette die
32
hierophantischen Briefe, die am schändlichsten unter allen meinen Schriften
33
abgedruckt sind; vorige Woche eben so zufällig die Einfälle und Zweifel –
34
Ich verstehe mich selbst nicht und begreife nicht, wie es mögl. ist diese
35
Misthaufen – Aber den Saamen von allem, was ich im
Sinn
habe, finde ich
36
allenthalben – Mein fester Vorsatz und Wunsch ist, anders zu schreiben,
37
ruhiger und deutlicher. Aber die
altera natura
läßt sich auch mit keiner
S. 158
furca
austreiben; und Dir geht es nicht beßer mit Deinem
Seyn
,
2
Idealismo u
Realismo,
im Grunde nichts als Bilderkram. Abstracter oder
3
concreter, läuft auf Eins hinaus.
Verbalismus
oder
Figurismus!
Dieselbe
4
Uebertragung und
communicatio idiomatum
des Geistigen und Materiellen,
5
der Ausdehnung und des Sinns, des Körpers und Gedankens. Allen
6
Sprachen liegt eine allgemeine zum Grunde, Natur, deren Herr, Stifter und
7
Urheber ein Geist ist, der allenthalben und nirgends ist, deßen Sausen man
8
hört, ohn zu wißen den
terminum a quo
und
ad quem,
weil er frey ist von
9
allen materiellen Verhältnissen und Eigenschaften, im
Bilde
, im
Worte
10
aber innerlich.
11
Ist die Rede von einem
jungen
Most, so verseht euch mit
neuen
12
Schläuchen. Ist die Rede von einer bloßen Einkleidung
alter
Wahrheiten;
13
so braucht keine
neue
Lappen, durch die der Riß des Alten ärger wird.
14
In meiner Materie und Form ist die Rede von beyden; und die Anwendung
15
verhältnismäßig, hypothetisch, nicht einfach und absolut.
16
Was Gott zusammengefügt hat, kann keine Philosophie scheiden; eben
17
so wenig vereinigen, was die Natur geschieden hat. Ehebruch und
18
Sodomiterey sündigen gegen Natur und
Vernunft
.
,
die Elemente philosophischer
19
Erbsünden, todte Werke der Finsternis, mit den
Organis
unseres innern und
20
äußern
Lebens
.
,
unsers physischen Seyns = Natur und metaphysischen
Seyns
21
= Vernunft.
22
Vielleicht scheint Dir alles was ich ausschütte, eine Folge meines gestern
23
verdorbenen Magens – Seys, ihm hab ich wenigstens den
pruritum
eines
24
beßer
guten Willens mehr zu verschlingen, als sich verdauen läßt, zu
25
verdanken, und meine
Experimen
te zu machen, die ein gesunder nicht im stande
26
ist,
manchen
Kranken nach zuthun. Wenn Krankheit und Arzneykunst auf
27
Einbildung
hinausläuft: so sind sie doch beide nicht umsonst auf der Welt,
28
bereichern die Erfahrung und füllen den Beutel. Gewinn und Verlust sind
29
Loose – im Ganzen bestimmt, in den einzelnen Fällen durch die Natur des
30
Zufalls, aber nicht durch die Einsicht unserer Vernunft zu bestimmen.
31
Auch Irrthümer u Ketzereyen auf die man
bona fide
kommt, sind bisweilen
32
lehrreicher als der alte Sauerteig der
Orthodoxie
und
Ετεροδοξιε
, den man
33
mala fide
mit dem Munde bekennt ohne Antheil des Gewißens. Ich bildete
34
mir ein in meinem
Isocrates
und dem Lob der Helena etwas gefunden zu
35
haben, was zum
Ἑν και παν
. Es thut mir aber selbst nicht Genüge. Gleich
36
im Anfange auf dem ersten Blatt der kl. Ausgabe
Hier. Wolfii
heist es
37
von
Melissus,
ὁς απειρων το πληθος πεφυκοτων των πραγματων, ὡς ΕΝΟΣ
S. 159
οντος του ΠΑΝΤΟΣ επεχειρησεν αποδειξεις ἑυρισκειν
. – Die Idee zu der
2
in Holland geschlagenen Müntze auf den Salomon in Norden:
Nil reliquum
3
erat
steht wie gerufen am Ende des dritten Briefes an Alexanders Vater
4
ουδεν γαρ εσται λοιπον ετι πλην ΘΕΟΝ
γενεθαι
. Der in die Sonne
5
fliegende Adler hat mich an die Grille eines Engländers erinnert, der da den Sitz
6
der Hölle verlegte.
7
Ich habe vielleicht mehr geschrieben, als für uns beide gut ist, weil ich
8
weder im stande bin mich hinlänglich zu erklären, noch Du den
9
Zusammenhang meiner Bruchstücke einzusehen. Was ich von meinem
Crispus
im stande
10
bin auszupreßen, werde ich Dir unverholen mittheilen, und nach ihm auch
11
mein Heil versuchen.
Die Wahrheit muß aus der Erde herausgegraben
12
werden, und nicht aus der Luft geschöpft, aus Kunstwörtern – sondern aus
13
irrdischen und unterirrdischen Gegenständen erst ans Licht gebracht werden
14
durch sinnl. Gleichniße und Parabeln der höchsten Ideen und transcendenten
15
Ahndungen, die keine
directi
sondern blos
reflexi radii
seyn können, wie Du
16
aus Deinem
Baco
anführst. Außer dem
principio cognoscendi
giebt es kein
17
besonderes
principium essendi
für uns.
Cogito, ergo sum,
ist in diesem
18
Verstande wahr.
19
Hartknoch kam Abschied nehmen u fährt diesen Abend an; auch Miltz
20
besuchte mich. Ich habe nichts als Grütze, einen holl. Heering u Butterbrodt
21
geeßen. War aber so müde, daß ich mich nach dem Eßen niederlegen muste,
22
welches ich lange nicht nöthig gehabt, und lange meine Gewohnheit gewesen.
23
Kraus kann ich kaum heute vermuthen, er müßte den
n
wie Freytags eine
24
Ausnahme machen. Bringt er was, so legs ich bey. Seine
Recension
wirst
25
Du eher als ich zu lesen bekommen; Kant hat sie auch nicht angesehen. Ich
26
erwarte also wie Dir
Crispini scrinia
behagen werden.
27
Dem
alten
neuen
Dialogismus
muß sehr anders modificirt geworden
28
seyn von den Gesprächen, die im
Sp.
Büchlein angekündigt wurden. Von der
29
Beyl.
hab ich am wenigsten verstanden; vermuthlich weil ich mich schon
30
stumpf gelesen hatte Kants Ästhetik kommt auch heraus. Ich denke nächstens
31
von ihm gebeten zu werden, oder mich selbst zu Gast zu bitten; wenn ich den
32
Commentarium
über
Wz.
und Deinen Hume werde gelesen haben. Mein
33
Brief ist auch nun in Berlin; vielleicht komt auch Antwort, daß ich
definitive
34
nach Münster schreiben kann.
35
Vergiß nicht, daß ich
sine libro TVO
darüber geschrieben habe. Ich bin
36
eben so geneigt zu einer
amende honorable,
wenn ich mich eines beßern
37
überführen werde. Jetzt scheint Dein
Thema
mir zu weit aus meinem Wege
S. 160
zu liegen. Auch Dein
Thema
selbst aus dem
Pascal
ist zu einseitig.
Natur
2
und Vernunft sind so gut
correlata
als
opposita.
Faire
et
confondre
3
gilt von einem u dem andern. Scepticismus u Dogmatismus können eben so
4
füglich bey u neben einander stehen, als Erkenntnis und Unwißenheit,
5
Zweifel mit beyden, die
αντιθεσεις τῆς ψευδωνυμου γνωσεως
mit der
Plerophorie
6
des Urtheils und Willens, das Unkraut mit dem Weizen, der Wechsel der
7
Tages- und Jahreszeiten mit dem regelmäßigen Laufe der Natur.
8
Mein Freund Arndt hat mir den ersten Theil des
Glossarii
von 200
9
Sprachen geschickt. Ein bloßes
Schaugericht
, vielleicht brauchbar
10
einmal für meinen Sohn, wenn er im Pollnischen fleißiger ist und weiter kommt.
11
Die deutsche und französische Vorrede fehlt noch.
Es sind 200 Sprachen.
12
Druck und Papier prächtig.
13
Jetzt geh ich zu meinem
Isocrates
um wo mögl. mit dem
Panegyricus
fertig
14
zu werden. Mein jüngster u frühster Wunsch ist immer gewesen, der Autor
15
eines kleinen Buchs zu seyn, wie dieser
Panegyricus
ist und damals die
16
deutsche Uebersetzung des
Montesquieu
über die
Große
u Verfall der Römer
17
war, in meinen Augen und nach meinem damaligen Urtheil. Nachher hat
18
mir
Holberg
mehr Gnüge gethan, ungeachtet seiner Maculaturgestalt.
19
Wenn ich mit meinem fliegenden Briefe fertig werde, will ich gern die Feder
20
wegwerfen und zerstampfen. Man bedauert, daß der seel. Wz. nicht sich über
21
das Positive erklären können; ich nicht. Sein Fragment that mir völlige
22
Gnüge am Morgen
Quasimodogeniti,
den ich lange behalten werde, gesetzt
23
daß ich auch geirrt haben sollte.
24
Komt
Crispus,
so ist noch Raum. Leb mit den Deinigen wohl und Gott
25
empfohlen. Mein Fuß schlingt, und ich befinde mich beßer als ichs verdiene.
26
Gott gebe daß wir uns einander sehen und mittheilen können. In guter
27
Hofnung des Besten für uns beyde umarmt Dich
28
Dein alter
Oedipus Brutus.
29
Was ist Vaels – ein Flecken, ein Bad? Der Prediger wandert und circulirt
30
unter meinen Freunden. Ich habe beyde mit vielem Antheil gelesen, noch
31
Freytags vor dem Abendseegen. Katechisiren must Du aber nicht, weil ich
32
alles unter den Händen vergeße –
33
Ich schließe, weil nichts kommt und habe nicht Zeit, was ich geschrieben
34
habe anzusehen, bitte alles zum besten auszulegen und ersterbe
35
Dein aufrichtiger
Albus.
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 339–345.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 491–499.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 6: Januar bis November 1787. Hg. von Jürgen Weyenschops, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012, 98–105.
ZH VII 154–160, Nr. 1058.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
154/16 –18
|
Er […] haben] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
154/28 |
vorgestern ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gestern |
|
154/35 |
wolte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: wollte |
|
155/8 –11
|
mir […] thun] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
155/19 |
erinnere ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: erinnerte |
|
155/22 |
scheinen: ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: scheinen. |
|
155/28 –29
|
Ich […] verdanken] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
155/30 |
C’est |
Geändert nach der Handschrift; in ZH ohne Absatz davor. |
|
155/31 |
Comp te ilatio |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Comp te ilation |
|
156/8 |
seinen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: seinem |
|
156/14 –30
|
Ich […] wahren widerherstellen.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi doppelt am Rand markiert. |
|
156/16 |
meinigen. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: meinigen: |
|
156/16 |
einer ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: der |
|
156/31 –36
|
Verzeih […] Menschheit.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
157/5 |
mögliche |
In der Handschrift ebenfalls von Jacobi unterstrichen. |
|
157/6 |
individuellen |
In der Handschrift ebenfalls von Jacobi unterstrichen. |
|
157/8 –11
|
Indem […] gelegen.] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
157/8 |
reelle |
Geändert nach der Handschrift; ZH: re e lle |
|
157/8 |
ideelle |
Geändert nach der Handschrift; ZH: ideelle |
|
157/11 |
gelegen . |
Geändert nach der Handschrift; ZH: gelegen. |
|
157/12 –15
|
Ist […] und Schalkheit.] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
157/16 –20
|
Mehr […] liegt.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
157/25 –30
|
Hat […] –] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
157/31 –158/10
|
Unserm […] innerlich.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi doppelt am Rand markiert. |
|
157/35 |
Sinn ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sinne |
|
158/2 |
Realismo, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Realismo; |
|
158/9 |
Worte |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Worte , |
|
158/11 –159/6
|
Ist […] verlegte.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
158/18 |
Vernunft . , ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Vernunft, |
|
158/20 |
Seyns ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Seins |
|
158/20 |
Lebens . , ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Lebens, |
|
158/26 |
manchen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: manchem |
|
159/4 |
γενεθαι ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: γενεσθαι |
|
159/11 –18
|
Die […] wahr.] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
159/27 –34
|
Dem […] kann.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
159/35 –160/7
|
Vergiß […] Natur.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
160/1 –2
|
Natur und […] opposita.] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
160/13 –23
|
Jetzt […] sollte.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
160/16 |
Große ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Größe |