1064
189/27
Kgsb. den 9 May 87.
28
Copia
29
Daß bey der jetzigen Stelle des Packhofverwalters H zu K. wenige und
30
theils unnütze Geschäfte zu versehen sind, solches ist hier schon bekannt, und
31
wird in deßen unterm 16 m c. anhero eingereichten Vorstellung von ihm
S. 190
selbst bekräftiget. Da nun die überflüßigen Posten bey der jetzigen Accise-
2
Einrichtung auf ausdrückl. Allerhöchsten Befehl eingezogen, die wenig
3
beschäftigten aber mit andern verbunden werden sollen: so ist des
Supplican
ten
4
Stelle mit der
Licent
-Buchhalterey vereiniget, er aber auf eine
5
Verhältnismäßige
Pension
gesetzt worden, wodurch er bey seinen kränklichen Umständen
6
zu der gewünschten Ruhe gelangen wird. So bald also derselbe, nach dem
7
Anfange des neuen
Etats
Jahres, die Packhofniederlage an den dazu
8
ernannten Bedienten übergeben und von der dortigen
Direction
die gewöhnliche
9
Decharge
darüber erhalten haben wird, stehet ihm frey die vorhabende Reise
10
auf so viel Monathe, als er will, anzutreten, bis dahin muß er noch in Kgsb.
11
verbleiben, welches ihm auf sein diesfalsiges Gesuch hiemit zum Bescheide
12
eröffnet wird. Berl. den 26
April
87.
13
Auf Sr. Kgl. Maj. allergnädigsten
Special
-Befehl
Sig.
von
Werder.
14
Gleich nach dem Mittag erhielte ich diesen Brief auf dem Bette, mein
15
Herzenslieber J.J. Kaum hatte ich mich erholte, überraschte mich jemand
16
vom Licent, der in demselben
Bureau
arbeitet, ich glaubte daß er mit Absicht
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käme; er schien aber von nichts zu wißen. Ich stand auf, und schrieb ein paar
18
Zeilen in Beyl. deren Ausstattung u Besorgung ich Dir
lasse
überlasse
. Mein
19
gantzes Haus gieng aus auf ein
Freybillet
welches ich vorige Woche auf die
20
Trauer
cantate Sulamith
u
Eusebia
erhielt
, die auf Kosten der
21
Judenschaft hier aufgeführt wird. An einem so feyerlichen Tage erhalt ich meinen
22
Abschied.
23
Den 4 speiste ich bey Hippel, kam vergnügter zu Hause, wie ich
24
hingegangen war, weil ich den
M
Tag vorher mi
t
r den Magen bey unserm
25
Namensvetter verdorben hatte an Kartoffeln. Meine Lehne Käthe kam mir
26
mit einem Päckchen entgegengelaufen, das Fischer mir eben zugeschickt hatte.
27
Es enthielt Deine 7
Dona
und eine Handschrift die meine ganze
28
Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich fiel so hitzig drüber her, daß ich mich auszuziehen
29
vergaß – sonst meine erste Arbeit, sobald ich zu Hause komme. Kleider sind
30
mir eine Last. Wie Tag und Gesicht ausgieng, wollte ich ein wenig Luft
31
schöpfen. Mein Sohn begegnete mir in der Hausthüre; ich bat ihn mir zu
32
Gefallen noch einmal umzukehren, stand und bedachte mich, gieng ein wenig
33
nach dem Ufer des Pregels zu und eilte zurück – und mit dem Abendseegen
34
ins Bett, wo mich ein Frost überfiel. Weil ich mich weder erwärmen noch
35
einschlafen konnte, überfiel mich eine Unruhe und Furcht vor einem schiefen
36
Maul. Die Magd muste um Mitternacht nach
Ipecacuanha
laufen – Ich
37
konnte mich den Sonnabend drauf nicht besinnen selbige eingenommen zu
S. 191
haben. Miltz besuchte mich auch, gab mir eine
Dosis Rhab.
ein, und machte
2
eine zweite fertig, wenn die erste nicht wirken sollte. Alles gieng nach Wunsch,
3
ich lag den ganzen Sonnabend im Schlafe, hatte eine gute Nacht, und
4
brauchte Sonntags nichts einzunehmen.
5
Mein Sohn komt von der Frühpredigt und meldt mir, daß die Post nichts
6
mitgebracht hätte. Welche Post? die Berlinsche. Ich dachte an nichts und
7
erwartete nichts mehr; aber mit dieser eingeschlummerten und aufgeweckten
8
Id
d
ee
war mir der ganze Sonntag
Cantate,
auf den ich mich gefreut hatte
9
verdorben. Der ganze
modus procedendi
meiner Wander- und Autorschaft
10
erschien mir in einem so ärgerlichen Zusammenhange und garstigen Lichte,
11
daß mir alles abscheulich vorkam. Mir blieb also nichts als der letzte
12
unmittelbare Schritt ins Cabinet, wodurch ich alles wieder ins Geschick und zur
13
Entscheidung zu bringen hoffte. Ich brachte den gantzen Sonntag wie in der
14
Hölle zu,
h
lag den ganzen Tag ohne mich zu rühren – und fürchte mich
15
noch mehr vor der Nacht. – Die war ruhiger, wie ich gedacht, und ich fuhr
16
Montags mit
heitern
Kopf u Herzen in der handschriftl. Reliquie unsers
17
seel. Freundes fort – bis mir Nachmittags die Noth zwang meiner Augen
18
wegen nach dem ersten besten gedruckten Buch zu langen, das ich aus meinem
19
Lager reichen konnte.
20
Gestern frühe wurde ich mit der Handschrift fertig, und habe mich satt
21
geweint und daran geweidet. Wie ich Dich bedauert habe, einer so guten
22
Seele einer so feinen Meisterhand beraubt zu seyn, und daß ein so schönes
23
Denkmal nicht zu Ende gebracht worden. Ich stutzte bey dem ersten Strich
24
eines Bleystifts und erkannte oben den Finger meines B. an der Zahl. Sollte
25
diese Reliquie nicht des Drucks würdig seyn, zum Vortheil seiner Eltern und
26
seiner frommen Mutter. Ich wünschte daß sein Freund
Hausleutner
27
deßen Geschmack ein wenig mehr sectirisch als philosophisch
ist
mir
28
vorkommt nicht eine kleine Uebersicht übernehmen. Ich erwarte liebster
29
Jonathan Deine Vorschrift ob ich es wider durch Einschluß übermachen oder
30
selbst einhändigen soll. In beyden Fallen hoffe ich es noch genauer
31
durchzusehen, welches nöthig wäre. So legt er dem kananäischen Weibe: Sohn
32
Davids in den Mund – –
33
Gleich darauf fiel es mir ein die Resultate noch einmal durchzulesen; aber
34
Dir die Wahrheit zu beichten, machten sie im
Ganzen
einen gantz dem
35
ersten ähnlichen und fast noch nachtheiligern Eindruck, als das erste mal. Ich
36
bin kein Welt- noch Schulmann und nicht im stande dieser doppelten
37
Unwißenheit, die ich wenigstens erkenne, abzuhelfen.
S. 192
Hippel
u durch ihn
Scheffner
,
Kant
,
Kraus
,
Brahl
und
2
Nicolovius
sind Theilnehmer Deiner Einlagen und meines Danks. Kraus ist
3
sehr freundlich gewesen gegen meinen Sohn beym Empfang. Ich habe ihn
4
seit einigen Tagen nicht gesehen. Er leidt an der güldenen Ader. Gestern Abend
5
schickte er mir einige versprochene
Data
zur Beurtheilung des W.
6
Aufsatzes im Mus
. die das garnicht sind was er mir versprach und
7
was ich erwartete. Ich denke Dir das
Original
mitzubringen. Ich konnte
8
sie erst diesen Morgen lesen. – –
9
den 10 – im Bette.
10
Hatte noch gestern von Miltz, Kraus, Brahl und Mayer Besuch, der sehr
11
bunt durch einander gieng. Weil ich wie ein hysterisch altes Weib vor allem
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auffahre, das mich überrascht: so gieng es mir auch mit Miltz, der in der
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traurigsten Gestalt vor mir stand, wie ich auf einmal die Thür aufmachte, und
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ihn lauschend vor mir stehn sahe. Der Mann härmt sich das Leben ab wegen
15
seines gekauften u verkauften Hauses. Meine Kinder hatten seine Tochter
16
mitgenommen. Ich hatte ihn schon Vormittags zu mir
gebethen
auch nach
17
dem Eßen zu ihm geschickt. Er war aber nicht zu Hause gewesen – da war er;
18
mein Einfall meine Familie auf dem Landhause, wo er selbst viele Jahre
19
gelebt, unterzubringen war eine Seifblase und wie alle meine Entwürfe weder
20
gehauen noch gestochen. Kraus nahm auch an meiner äußerl. Lage mehr
21
Antheil, als er in seinem eigenen Fall zu thun pflegt. Brahl kann seinen
22
Oncle
Miltz nicht leiden und war aus seinem gewöhnl.
Phlegma,
das seiner
23
Mutter eigen gewesen seyn soll, von der Miltz als seiner Schwester mit viel
24
Liebe redt, in seines alten Vaters Feuer gerathen, der sein Nädlerhandwerk
25
niedergelegt, und sich einen großen Obstgarten seit kurzem gekauft. Er gab
26
mir aber das erste Licht und die gröste Beruhigung, weil ich mir einbildete
27
mit dem 1
Jun.
ausziehen zu müßen, wozu mir gantz natürlich mehr Zeit
28
laßen muß, da gegenwärtig alle Miethen besetzt sind. Mayer liest noch an
29
Deinem ersten Exemplar über den
Realismum
– blieb zuletzt muste aber
30
allein gehen, weil es ihm zu lange währte mich zu Hippel zu begleiten, den
31
ich noch überhaupt und besonders sprechen wollte. Ich zog mich also an und
32
ließ mich von meinem Sohn unter dem Arm
entre chien et loup
führen. Der
33
Weg wurde mir sehr sauer. Ich fand Hippel u Michael gieng zu
Ra
h
phael
34
um in seiner Begleitung mich wider heim zu schleppen. Hippel nahm allen
35
mögl. Antheil, versprach mir zu Unterbringung meiner Familie behülflich zu
36
seyn, wozu er als
Policeydir.
die Mittel in Händen hat, bot mir 3 mal seine
37
Kutsche an mich nach Hause führen zu laßen – wohin ich aus Schmertzen
S. 193
meines
Fußes nicht eilen konnte und fast in Ohnmacht gesunken und
2
unterwegs liegen geblieben wäre. Ich kam erschöpft nach Hause, und schlief
3
beßer als ich es vermuthet hatte.
4
Ich bin heute im Bette geblieben, wo mein Fuß erträgl. ist und erwarte
5
noch
Crispum,
wenn er Wort hält. Bey Hippel
habe
ich ihn schon auf
6
morgen halb entschuldigt,
wo auch
Haße
zum ersten mal seyn wird,
nebst
7
Kant
. Das
CriminalColleg
wird von ihm als Hof- und Halsrichter
8
bewirthet.
9
Morgen werde ich dem
Director
meinen Scharrfuß in den weiten Stiefeln
10
machen. Ich habe wenigstens nicht umsonst geschrieben, sondern selbst
11
bekräftigt
, was man
schon gewußt hat
. Hat man Wahrheiten von
12
mir berichtet, so will ich gern mein eigener Zeuge seyn. Sind Verläumdungen
13
im Spiel gewesen; so werden sie auch durch die Zeit an den Tag kommen.
14
Ich schließe also mein bisheriges öffentliches Leben in einer kleinen Warte,
15
wo ich 20 Jahre lang Schildwach gehalten habe. Was ich jetzt anfangen
16
werde weiß ich nicht. Noch liegt alles auf der leichten Achsel und ich sehe
17
diese letzte
crisis
meines Schicksals als eine Wohlthat der Vorsehung an,
18
selbst von der unangenehmen Seite, die bey allen auch den glücklichsten
19
Veränderungen unvermeidlich ist. Gott hat zum voraus durch meinen A.B. für
20
meine Bedürfniße gesorgt, daß ich von eigentl. Noth keine Ahndung einmal
21
habe. Vor meiner abgelegten Reise kann ich an keinen Plan denken, und will
22
also blos sorgen meine 3 Mädchen u ihre Mutter
in saluo
zu bringen.
23
Neigung für Preußen habe ich niemals gehabt, sondern mein Vaterland
24
mehr
par Principe
und aus Pflicht oder Schuldigkeit geliebt. Die Erde ist des
25
HErrn und in diesem Sinn bin ich ein Weltbürger. Ich bin in keinem einzigen
26
Fache zu Hause, weder zum Gelehrten noch zu Geschäftsmann bestimmt,
27
weiß nirgends Bescheid – ein wahrer Maulaffe, dem große Gesellschaft und
28
klösterliche Einsamkeit unerträglich sind – kann keine Zeile noch Brief in
29
Versen nicht einmal in
Prose
schreiben. Nichts bleibt mir übrig als mich der
30
mütterl. Vorsehung in die Arme zu werfen. Sie hat mich verzogen, sie mag es
31
verantworten und am besten wißen, wozu sie mir und durch mich meinen
32
Kindern das Daseyn gegeben und bestimmt. Ich weiß von allem nicht ein
33
lebendiges Wort, wie es zugegangen von Anfang an bis auf den heutigen
34
Tag. Ein wahrer Traum –
35
Wir sehen uns also Herzenslieber Jonathan, wenn und wie Gott will, noch
36
diesen Sommer. Die Bahn ist gemacht, das Eis ist gebrochen – das ist alles
37
was ich Dir zu melden weiß. Kurz, ich reise
in omni sensu
– werde mich wie
S. 194
ein
leibhafter
Antipode
des
Nicolai
um nichts
bekümmeren
– so wenig ein
2
Mentor meines Sohns als mein eigener seyn. Ein guter Engel mag beyde
3
hüten. Der alte hat es so nöthig als der junge Mensch. In Deßau möchte
4
ich gern Freund Häfeli und den alten des Marrees persönlich kennen lernen
5
und wenigstens im vorbeygehen sehen. Schreibst Du an Herder und Asmus:
6
so werden Sie von Deiner Hand meine gegenwärtige Freyheit und
7
Verlegenheit mich darinn zu schicken und Gebrauch davon zu machen
ver
erfahren.
8
Doch Du hast auch alle Hände voll mit Zurüstungen um bald ein
9
glücklicher Großvater zu werden. Gott mache den 2
Jun.
zu einem neuen,
10
doppelten und vierfachen Seegens und Freudentage. Was macht mein
11
Namensbruder George. Sey vollkommen, wie unser Vater im Himmel, der sein
12
Antlitz leuchten läßt ohne Ansehn der Person. –
13
Ich hoffe bey Kant nächstens gebeten zu werden. Er arbeitet an seinem
14
eigenen System fort, ohne sich um die ganze Welt viel zu bekümmern, weder
15
was sie selbst thut noch von ihm urtheilt. Zu verdenken ist es ihm nicht, daß
16
er erst damit fertig seyn will. Das übrige wird sich von selbst finden. Er
17
beschuldigt Dich, ihn nicht zu verstehen, und beklagt eben das an sich selbst. Ich
18
werde alles aus
dem
Wege mir schaffen, was zu meiner Autorschaft Jahre
19
lang
20
Stelle Dir einmal den Wechsel vor, mit dem ich meinen Brief schließen muß,
21
und wie mir zu Muthe seyn muß. Erst kommt Hill mit einem verstellten
22
Gesichte über die Nachricht, die er heute von Brahl gehört wegen meines
23
Schicksals und daß Brahl ihn versichert hätte, daß eine
verhältnismaßige
Pension
24
sich auf ⅙ meiner 25 rth berechnen ließe, bittet mich dahero Vorkehrungen
25
zu machen, daß ich wenigstens mein ganzes Gehalt behielte. Dies war der
26
Anfang meiner Unruhe.
27
Bald darauf erscheint der ehrliche
Crispus
in schwarzer Liverey die mir
28
heute auffiel und die ich gestern nicht bemerkt haben muß – hat ein wenig von
29
der Galle des Tobiasfisches in der Tasche, und meine Augen so damit gesalbt,
30
daß die Schuppen ziemlich abgegangen sind; mir die Nothwendigkeit ans
31
Herz gelegt meinen Brief beßer auszulegen, als ihn der Minister verstanden
32
zu haben scheint, mir mein volles Gehalt zur
Pension
auszubedingen oder
33
bey einer widerhergestellten Gesundheit einen andern Posten vorzubehalten.
34
Ich habe in dem Freudentaumel meines Herzens nichts von den Folgen
35
verstanden und von der Unmöglichkeit mich und meine Kinder lange zu
36
unterhalten, ohne meines B. Wohlthat unverantwortlich zu verschleudern.
37
Die Freyheit über die ich gejauchzt, wäre also mein augenscheinlicher
S. 195
Untergang und
die
der schwärzeste Undank gegen einen so grosmüthigen
2
Wohlthäter. Was für ein armer blinder Man ich bin und zeitlebens bleiben
3
werde! Er hat mir gewiesen, wie leicht es mir seyn würde, alles was ich an
4
den Minister geschrieben in diesen Sinn einzulenken. Ich sehe nunmehr meine
5
Thorheit und Schande ein. Vor Freuden meinen Willen gekriegt zu haben zu
6
meiner Reise, ich bin zum Kinde geworden. – Ich sehe nun alles vom rechten
7
Ende ein, weiß selbst nicht, ob ich über meinen Heroismum lachen oder weinen
8
soll. Zu beyden ist
reicher Stoff
. Dem gegebenen Rath meines Freundes
9
will ich folgen. Ich kann mir kaum viel Wirkung davon versprechen; aber
10
Buße muß ich thun in Staub und Asche.
11
Er verbot mir meine geschriebene Briefe heute abgehen zu laßen; aber in
12
diesem Puncte mache ich eine Ausnahme. Ich will alle meine letzte Kräfte
13
zusammen nehmen an den Minister zu schreiben, und ihm das Misverständnis
14
und die Folgen für mein Schicksal vorzustellen, wenigstens bey meiner
15
Rückkunft gesichert zu seyn. Gott mag das übrige entscheiden und entwickeln.
16
Sieh! lieber Jonathan die Unklugheit und Thorheit eines alten Mannes.
17
Ihr habt es gut gemeint mit mir, liebe Freunde; ich auch eben so gut mit
18
Euch. Was ist der Mensch daß Du sein gedenkst. Der Held ein Wurm, wenn
19
sich Gott nicht sein annimmt. Ich bin selbst an meinem Wahnsinn schuld
20
B. hat einen Sohn nöthiger als einen Vater. Letzterer fehlt mir. Doch der
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im Himmel wird sein verlornes Kind nicht verlaßen und
ihm
es auf die
22
Beine helfen und den rechten Weg weisen, durch dies mühseelige Leben mit
23
Ehre und Schande, wie es mir gut ist, hindurch zu dringen.
24
Ist es nicht im Grunde ein
überkluger Stoltz
, der mich zum Narren
25
macht. Ich habe Dir dies Cabinetstück meines Herzens nicht entziehen wollen.
26
Wollte Gott daß mein Fall zum Aufrichten anderer etwas beytragen könnte!
27
Ist etwas vom
Fels
in mir: so kann mir nichts schaden. Hat mich der
28
Satan gesichtet: so mag er die Kleien meines alten Adams selbst fressen und
29
davon bersten.
30
Wenn ich gleich sinke, bin ich deshalb noch nicht untergegangen. Die ganze
31
Lauge werde auf diesen alten grauen Scheitel ausgegoßen. Gott wird meine
32
armen Kinder und ihrer ehrl. Mutter schonen.
33
Sey ruhig, lieber Jonathan, sorge und fürchte nichts, Gottes Wille
34
geschieht, wenn unserer gebrochen wird. Ein wahrer Einsturz des Himmels für
35
mich, der in nichts als einem alten wüsten verwünschten Schloß bestand.
36
Laß Dir die Hochzeit freude nicht versaltzen. Ich will euer Freund nicht
37
seyn wenn ich es nicht werth bin – und dann dankt
Gott
meiner loß
S. 196
geworden seyn. Noch immer hoffe ich eines beßeren, und denn werden wir uns
2
desto beßer genießen können; wozu Gott Geist und Gnade geben wolle. Amen.
3
Diese Episode bleibt unter uns.
4
Vermerk von Jacobi auf gesondertem Blatt:
5
Koenigsberg den 9
ten
u 10
ten
May 1787.
6
J. G. Hamann
7
empf. den 20
ten
– beantw den 22
ten
–
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 363–366.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 524–531.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 6: Januar bis November 1787. Hg. von Jürgen Weyenschops, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012, 141–147.
ZH VII 189–196, Nr. 1064.
Zusätze fremder Hand
|
196/5 –7
|
Friedrich Heinrich Jacobi |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
190/13 |
Sig. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sigl. |
|
190/13 |
Werder. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Werder. |
|
190/18 |
lasse überlasse ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: überlasse |
|
191/8 |
Id d ee ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Idee |
|
191/16 |
heitern ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: heiterm |
|
191/20 –32
|
Gestern […] –] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
192/16 |
gebethen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gebethen; |
|
192/33 |
Ra h phael ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Raphael |
|
192/36 |
Policeydir. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Polizeydir. |
|
193/5 |
habe ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: hatte |
|
193/29 |
Prose ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Prosa |
|
194/1 |
leibhafter ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: leibhaftiger |
|
194/1 |
bekümmeren ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: bekümmern |
|
194/18 |
dem ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: den |
|
194/23 |
verhältnismaßige ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: verhältnismäßige |
|
195/8 |
reicher Stoff ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: reichen Stoffs |
|
195/37 |
Gott ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Gott, |