1067
203/20
Ew. Excellenz unterm 16
Apr c.
auf Sr. königl. Majestät allergnädigsten
21
Special-
Befehl erlaßene
Resolution
habe ich den 9 d. erhalten, und daraus
22
mit dem innigsten Herzeleid ersehen
23
I.
daß mein unterthaniges Gesuch um Urlaub zu einer Reise, die mir schon
24
Jahre lang, als das
letzte Geschäfte meines privatlebens
, und
25
das einzige Rettungsmittel mein natürliches Daseyn zum Dienst des Königs
26
und Vaterlandes zu erhalten und zu erneuern, gegen alle meine Meinung
27
und Absicht ausgedeutet und gantz unrecht verstanden worden
28
II.
daß d
ie
er
ausdrückliche allerhöchste Befehl
, welcher für
29
den alten einzigen gesetzmäßigen Packhofverwalter streitet, zum Nachtheil
30
deßelben eben so willkührlich und widersinnig ausgelegt und angewandt wird.
31
Meine Vernunft und mein ganzes Herz empört sich dasjenige schon für einen
32
allergnädigsten
Special
befehl zu erkennen, was ich für nichts anders als für
33
die
Resolution
eines dortigen mir unbekannten Widersachers und Erbfeindes
34
halten muß, der sein eigenes doppeltes Misverständnis zum Grunde gelegt
S. 204
hat, um mich nicht nur für untüchtig u unfähig des königl. Dienstes zu
2
erklären sondern auch mich nebst meinen vier Kindern und ihrer armen Mutter,
3
nach einem zwanzigjährigen Kummerleben zu einem noch grausamern
4
Hungertode, ohne die allergeringste Untersuchung als einen Mißethäter der das
5
dort schon bekannte selbst eingestanden verurtheilt und mir eine ebenso
6
schreckliche als schändliche eröffnet und anweiset, zu einer
gewünschten
7
Ruhe zu gelangen, die mir nicht in Sinn und Gedanken gekommen. So
8
barbarisch u hämisch bin ich nicht von der französischen
Administration
9
erwartet. Das erstemal wurde ich von ihr mit leeren Worten zum Stillschweigen
10
gebracht. Das zweite mal bewilligte sie mir anstatt der gebetenen 4 Monathe
11
einen einzigen und zwar unter so unmögl. und harten Bedingungen, denen ich
12
nicht vermögend war
mich zu unterw.
ein Gnüge zu leisten. Aber zum
13
jetzigen dritten mal habe ich zwiefältiges empfangen, mir eine Thür zum
14
Urlaube und
Reisepaß und zugl. gänzl. Abschiede gewiesen, welche dem
15
ausdrücklichen allerhöchsten Befehl Sr. Königl. Maj. und meinen Wünschen,
16
Absichten u Gesinnungen gerade entgegen liegt, weil solche lediglich darauf
17
abzweckten mich mit neuen Gesundheitskräften, die ich durch den tödlichen
18
Verdruß an unnützen und mühseeligen Kleinigkeiten erschöpft hatte, wider
19
auszurüsten, aller häuslichen Angelegenheiten zu entledigen und den Rest
20
meines übrigen Lebens dem Dienste des fromm gesinnten Monarchen
und
21
zu wiedmen und mit mehrerer Thätigkeit den bish
er
gehemmten Eifer zu
22
ersetzen. Wie kann aber einem allergnädigsten
Special-
Befehl Glauben
23
beymeßen und Gehorsam leisten, der offenbar sich selbst, dem ausdrückl.
24
allerhöchsten Befehl und noch stärker dem gantzen Innhalte meiner unterthänigen
25
Bittschrift widerspricht. Ich
kann
muß daher ein Geheimnis der Bosheit
26
vermuthen, zu dem die daselbst angeführte allergnädigste Willensmeinung
27
sowohl als Ew. Exc. heiliger Name und Unterschrift gemisbraucht worden.
28
Ich muß mich der kleinsten Wahrscheinlichkeit eines unächten, erschlichenen
29
untergeschobenen Richterspruchs und Urthels so lange beruhigen, biß die
30
Wahrheit und Unschuld durch die strengste Untersuchung der dort schon
31
bekanten Thatsachen ans Licht gebracht seyn wird, und mittlerweile mit
32
doppelter Freymüthigkeit meinen Mund aufthun für mein eigenes und der
33
Meinigen Leben und zur Rechtfertigung meines bisher ungescholtenen
34
Characters.
35
Wenn es
dort
schon bekannt ist, daß
d
bey dem
jetzigen
36
Packhofverwalter
wenige und theils unnütze Geschäfte
zu versehen sind: so kann
37
es eben daselbst – wo meine Bestallung hergekommen unmöglich unbekannt
S. 205
seyn,
wie
? und
wodurch
? diese
r
alte
Dienst
Stelle
mishandelt
2
so verstümmelt und
so
unkenntlich geworden, daß kaum ein Schatten ihrer
3
ursprünglichen Einsetzung
und eigentlichen Bedeutung und Bestimmung
4
vom Könige Friedrich Wilhelm glorwürdigen Andenkens eingesetzten
5
Bedeutung und Bestimmung
von des glorwürdigen Monarchen
Friedrich
6
Wilhelm
so glorwürdigen Andenkens durch den König
übrig geblieben ist.
7
Der ehmalige Packhofverwalter war zugleich wirklicher und der ganzen
8
Lage der Sache nach, natürlicher Aufseher des
Licent.
Die Franzosen
9
machten
theilten ihrer politischen und sophistischen Plusmacherey zufolge 1 in 2,
10
und suchten durch den
Nepotismum
ihrer eigenen Creaturen die Landeskinder
11
zu unterdrücken. Daher wurde von ihnen eine gantz moderne Puppe, als
12
Licent-Inspecteur,
eingeführt, mit einem reichlichen Gehalt und Ansehen
13
ausgestattet. Dieser nagelneue Oelgötze spielte die Rolle eines Kleinmeisters
14
und großen Herrn, um theils die Kaufleute, theils die Unterdienten zu
15
chicani
ren, ihnen zu
connivi
ren, auch allenfalls mit beyden zu
colludi
ren,
16
und unter Deckmantel des allerhöchsten
Interesse
sein eigenes, als ein
17
Miethling, zu beobachten und zu befördern. Hierinn bestand der wahre und thätige
18
Geist seines Amts und Beruffs.
19
Dem alten Packhofverwalter wurde die Unkunde der französischen Sprache
20
zum Verbrechen gemacht und
ihm
er wurde sein ganzes Ansehens und
21
Einflußes beraubt. Gleichwol lies man ihm, zum Schein der Gerechtigkeit, ein
22
bereits geschmälertes und kümmerliches Gehalt,
nebst
eine
r
halbirten
23
Freywohnung, wo die Schlüßel der
Licent
gebäude aufbewahrt blieben, und
24
die mühseelige Arbeit neuer,
unnütziger
überflüßiger und theils unnützer
25
Register, unterdeßen die ganze buchstäbliche Last des wichtigen neugebackenen
26
Inspecteur dela Douane
in der Anfertigung der monathlichen
Etats
und der
27
dazu gehörigen französischen Berichte bestand.
28
Nach dem ich zehn volle lange Jahre in der mislichen und willkührlichen
29
Lage eines Uebersetzers, unter einer welschen und oberdeutschen Direction
30
mehr zu Schanden geqvält als gearbeitet hatte
t
: erhielt ich als eine
31
außerordentliche Belohnung und Gnade das Gerippe eines alten Dienstes,
32
beruhigte mich mit der gesetzmäßigen Sicherheit deßelben und
mit
lebte der
33
allgemein erwünschten Hoffnung, die vorige verjährte Verfaßung und mit
34
derselben zugleich mein mir zugefallenes
Urthel
Loos widerhergestellt und
35
für
ergänzt zu sehen, welches Glück ich ruhig abzuwarten entschloßen war.
36
Ein neuer beträchtlicher Verlust meines kümmerlichen Soldes
und
37
Einkommens
brachte mich zur äußersten Verzweifelung. Durch eine Art von
S. 206
Wunder wurde ich und mein Haus vor der einbrechenden Hungersnoth
2
bewahrt, zur Gedult beruhigt und gestärkt, zugleich aber zu einer Reise erweckt,
3
zu welcher
weshalb ich, wegen der dort
damals unbekannten
4
wenigen und theils unnützen Geschäfte bey meiner höchst
5
verstümmelten Stelle
, um Urlaub flehte, mehr dringenden Freunden zu
6
Gefallen, als aus eigener Ueberzeugung, eine solche Wohlthat von der mir
7
feindseeligen und gehäßigen
Administration
zu erhalten, die aus einigen
8
Winken meine etwas heftige und leidenschaftliche Denkungsart kannte.
Ich
9
gab
Ich gab
mir
ihr selbst
also durch Verweigerung einer Erlaubnis, die
10
jedem andern gewährt würde,
das Schwert in die Hand den alten hiesigen
11
Packhofverwalter durch Verweigerung
meiner
einer Erlaubnis, die jedem
12
andern gewährt wurde
zu Tode zu ärgern
, nachdem ihr Anschlag ihn
13
zu
verhungern
fehlgeschlagen war.
14
Meine Seele hat zwar das Ende jener
infamen
, Land und
Leute
15
Sitten
Leute verderblichen
Administration
erlebt,
ohne daß ich
konnte
16
aber in der allgemeinen Freude über ihren Sturz und Fall keinen rechten
17
Antheil nehmen. Ich wurde
je länger je mehr
durch die traurigsten
18
Ahnungen und durch ein dunkles Mistrauen gegen ihre Nachfolgerinn beunruhigt,
19
und
in
ohne
deren neuen Operationsplan ich mit der grösten
20
Gleichgiltigkeit erwartete, ohne mich um
sie
es zu bekümmern, das mir nichts
21
Gutes weißagte. Je mehr und lauter man von der bevorstehenden
22
Catastrophe
und der
Widerherstell
Erneuerung de
s
r
alten Zollwesens
23
Systems geschwatzt wurde
von dem
glorwürdigen
Könige
Fr. Wilh.
24
gegründeten Verfaßung plauderte und schwatzte; desto
schlimmer
übler
25
wurde mir zu Muthe – und in einem solchen Paroxysmo meiner
26
Hypochondrie habe ich mich erkühnt, meine Zuflucht unmittelbar zu Ew. Exc. hohen
27
Person und Protection zu nehmen,
und
meine
die
Bedürfniße und
28
Verlegenheiten mit der ängstlichsten Treue und Redlichkeit,
und meinen
mit
29
dem innigsten Kummer um den Schaden Josephs zu eröffnen
und
30
aufzudecken
. Ich that das mit einem solchen übertäubten Verdruß, daß
ich nicht
31
einmal
es mir an ein genau
s
m
Concep
te fehlt und mich überhaupt damit
32
beruhige, es der reinsten strengsten Wahrheit gemäß
gedacht zu
gemeynt
33
zu haben.
34
Ich weiß nicht, durch welchen
Canal
die
Wenigkeit und
35
Unnützlichkeit
meine bey der
jetzigen
Packhofverwaltung zu versehenen
36
Geschäfte, dort schon vor meiner unterthänigen Vorstellung bekannt geworden
37
seyn mag, und möchte mich
sehr
gern der niederschlagenden Vermuthung
S. 207
ent
äußert
ledigt seyn, daß die jetzige
General-Administration
auf den
2
Trümmern der ehmaligen ein noch zweydeutigeres und schlimmeres Gebäude
3
zu beschleunigen im Schilde führte. Es gehört allerdings Zeit und Mühe
4
dazu, den Schutt und Wust der zerstörten
Regie
aus dem Wege zu räumen
5
und tief gnug bis auf das Fundament
alter
ursprünglicher Verfaßung zu
6
graben.
Desto leichter ist es,
Die
so noch
schon wenigen Treuen und
7
Redlichen im Lande vollends auszuwurzeln oder zu bettlägerichen Bettlern, und
8
vereiterte
imbecile
n Invaliden
und Altflickern
vermittelst
9
allergnädigsten
Special
befehle umzuschaffen und zu verunstalten, ist ein feines
10
Pharaospiel und ein gröberer Kindermord. Ich lebe aber der guten Zuversicht daß
11
es der
jetzigen
mehr reformirten als erweiterten
Administration
mit
12
einer solchen
ihrer politischen
und aufgewärmten
Altflickerey, durch
13
gottliche Protection und Hülfe
eben so wenig von ihrer wie u
noch weniger
14
wie der vorigen gerathen
soll
wird mich nur in die Versuchung zu führen,
15
daß ich mich an dem Unterpfande meines unbekanten Wohlthäters
mich
16
vergreifen und meine eigenen Kinder
u ihre arme Mutter
bestehlen soll – –
17
möchte
der Vorsehung sey es anheimgestellt,
meine 4 unschuldige Kinder
18
und ihre arme Mutter zu versorgen Familie abzuwarten,
die
nicht nöthig
19
haben sollen
gewiß dafür
zu
büßen
sollen
, daß
mein Vorfahr der
20
französischen Sprache nicht mächtig war und ein Vormund
Licent
inspector,
21
zum Vormund nöthig hatte
der Amtsvorsteher ihres Vaters der
22
französischen Sprache nicht mächtig war und sich einen
ungedienten
Licentinspector
23
zum Vormund gefallen mußte, der
dem
ganzen Packhofverwalter
mir
24
entbehrlich gewesen wäre. Ehe will ich es auf den Versuch ankommen laßen,
25
ob der jetzige Finantzgoetze bersten und platzen seine verrätherische Eingeweide
26
ausschütten, für untüchtig erkannt werden
erklärt werden
soll des Königl.
27
Interesse
und des Vaterlandes Wohlfahrt mit gesunder Vernunft zu
28
verwalten, oder ob sie im stande seyn wird einen von ihrer würdigen
29
Vorgängerin schon geviertheilten Preuß. Packhofverwalter vollends
pro Patria
zu
30
Tode zu ärgern.
31
Auf der linken Bogenhälfte:
Jes XI.
10
32
Meine gewünschte
Ruhe
, wie der Prophet sagt
Jes XI.
10, wird
Ehre
33
seyn, und der Weg zu beiden zu gelangen weder blinde Uebereilung, noch
34
schwärzere Rache: sondern freywillige Ergebung in jeden
Special
befehl eines
35
höhern Willens, ohne mich darum zu bekümmern: von wannen er komt und
36
wohin er fahrt.
S. 208
Gott ist noch Richter auf Erden, und läßt die Sünde nicht walten. Wegen
2
der brennbaren Materie, womit ich von allen Seiten umgeben bin, will ich
3
den
Funken
in mir verscharren, und nicht die
hier
beßer
näher als
4
dort bekanten Gründel mit Feuerflammen offenbaren, will meinen
Wurm
5
krümmen, der manches schlechtes Herz, woran es hier und dort nicht fehlt,
6
nagen und freßen könnte. Das meinige ist von
beßerm
edlerm und festerm
7
Metall, als die
Zähne Schlangen
Knochen von Zähnen solcher
8
verfluchten Geschöpfe
Insecten, die von der Natur dazu verflucht sind, auf
9
ihrem
Bauch
zu gehen und Erde zu eßen ihr Leben lang.
10
Ich bin 1730 geboren, wurde schon 46 ein academischer Bürger. Meine
11
beyderseitige Eltern waren Fremdlinge und haben mich durch ihr Beyspiel zu
12
Dankbarkeit für den göttlichen Seegen in Preußen gewöhnt u erzogen. Dies
13
mein Vaterland ist mir mehr durch darinn erlittene Drangsale als genoßene
14
Herrlichkeit noch theurer, lieber und werther geworden. Mit eben so
15
schlechtem Geschick als Glücke
bin
habe ich wenige Jahre nur als Hofmeister in
16
Curland und Liefland zugebracht.
17
Ich habe Menschen kennen, schätzen, lieben und dulden, mich selbst aber
18
ihrer vorzüglich fürchten gelernt. Unterstützt von großmüthigen Kaufleuten
19
und Freunden in Riga, habe ich mein mütterliches Erb
theil
egut auf Reisen
20
in Deutschland, Holland u Engl. verschwendet, wie in den ersten Dienstjahren
21
einen zieml. Theil meines Gehalts auf französische Wörterbücher aus
22
Neigung zu einem Beruff, der mir diese Sprache so vereckelt, daß ich sie darüber
23
gänzlich vernachläßigt habe.
24
Ich habe nicht nur Römer und Griechen, sondern auch einstmals die
25
Urkunden morgenländischer Wahrheit und Lügen
i
an der Qvelle studiert.
26
Nach dem ich das beste, was in Frankreich und Engl. über die damals noch
27
ziemlich neumodische Handlungs- und Finanzwißenschaft
geschri
gedruckt
28
ist, vielleicht mit zu vielem Geschmack gelesen hatte, fiel es mir ein, die
29
güldene Praxis der Geschäfte zu versuchen, entschloß mich zu diesem Behuf
30
einen ganzen Monath als außerordentlicher Copist bey dem hiesigen
31
Magistrat und ein halbes Jahr bey der Kriegs- und DomainenCammerKanzley,
32
umsonst zu dienen. Hierauf habe ich zehn Jahre, gleich einem unverdroßenen
33
Charon auf einem Uebersetzer Schifflein gerudert, und habe noch 10 Jahre
34
bey dem
tödlichen Verdruß über wenige und theils unnütze
35
Geschäfte mit
den
Brosamen für lieb genommen, unterdeßen
fre
gierige,
36
unbrauchbare, unverschämte Hände
mit den
und Tagediebe mit den
37
fettesten Leckerbißen gemästet wurden, und für
Zeisigarbeit
sich
S. 209
Eselsfutter
, nach einem hiesigen Sprichwort,
Eselsfutter
nahm sich
2
anmaaßten. Ich habe also zwanzig köstliche Jahre theils lavirt theils vor
3
Anker gelegen am Vorgebirge guter Hoffnung, mit gottlicher Hülfe aus
4
allerhöchster Gnade endlich einmal ein
ganzer Packhofverwalter
mit
5
einer
neu
völlig widerhergestellten Wohnung und übrigen
Pertinentien
6
zu werden. Dies war der unbewegliche
Terminus
und das
Non plus ultra
7
meiner demüthigen, standhaften Wünsche und meine
s
r zeitlichen
8
Wohlfahrt. Die Packhofverwaltung in meiner Vaterstadt ist immer die einzige
9
Buhlschaft gewesen, für die ich mit herkulischer Gedult und beynahe
10
Ulyßischer Klugheit die beste Hälfte meines Lebens aufgeopfert habe und in ihrem
11
Schoß d
as
ieß seltene Glück einer vorherbestimmten Ehe, die den Mann
12
und
mit seinem Amte wie mit seinem Weibe zu einem Fleische vereinigt.
13
Ein solche
r
s
Dienst
Amt wie die alte Packhofverwalterstelle erfordert
14
keine andere Talente und Verdienste als Uneigennützigkeit und Treue, und
15
zu einem solchen Amte habe ich die ältesten und gerechtesten Ansprüche
,
.
16
die mir kein noch so geheimer Finanzachitophel absprechen soll
Ein
17
verdorbener Philosoph u Pedant hatte sich am besten dazu geschickt über ein
18
vermischtes zusammengerafftes Lumpengesindel von verdorbenen Kaufleuten,
19
Handwerkern Feldwebeln, Taglöhnern, Zöllnern und Sündern, gleich jenem
20
Dornbusch in der ältesten heiligen Fabel,
Jud. IX.
14. zu schweben, und die
21
alte Sitten und Mannzucht, das dort nicht mehr bekante
durch Franzosen
22
bis auf das Mark verzehrte Sittenzucht und das dort
kaum mehr
23
bekannte
schon ausgeschwitz
SVVM CUIQVE
wenigstens hier
24
wiederherzustellen und in Gang zu bringen
in meinem Vaterlande und kleinen
25
Wirkungskreise widerherzustellen und aufzufrischen.
26
Die jetzige
Adm.
geht einen leichten Schritt weiter als die würdige
27
Vorläuferinn, welche blos den alten Packhofverwalter von Geschäften
28
muthwillig entblößte, und aus aller Activität setzte, und dadurch ihrer würdige
29
Nachfolgerin die Bahn brach diesen Posten mit Haut und Haar zu
anulli
ren
30
und aus dem Wege zu räumen. Anstatt dem ausdrückl. allerhöchsten Befehl
31
zu gehorsamen, kraft deßen der überflüßige nunmehr gantz unbrauchbare
32
französische
Licent-Inspecteur
eingezogen
werden soll
und der rechtmäßige
33
Packhofverwalter in die ganze Würde seiner ursprüngl. Bestimmung und
34
Auctorität
wider eingeführt werden sollte, verdreht sie den Sinn der
35
allerhöchsten Willensmeinung, bestätigt einen französischen Wechselbalg zu einem
36
vollkommenen Müßiggange, und
legt
beschwert
die
andere bereits
37
beschäftigte
bedienten
Buchhalter mit neuen Arbeiten.
S. 210
Meine jetzige Stelle wird unter dem Vorwande weniger und unnützer
2
Geschäfte eingezogen, als wenn dies meine Schuld und nicht vielmehr die
3
Qvelle meiner
tödtlichen
Leiden und Uebel gewesen wäre, die ich selbst
4
freywillig des Gewißens wegen angetreten habe. Niemand bis diese Stunde
5
weiß,
die
woher die Geschäfte hergenommen werden sollen, für die so viele
6
Assessores
mit sehr beträchtlichen und unverhältnismäßigen Gehältern
7
gestempelt sind, worunter so manche sehr spät in den Weinberg gekommen,
8
wenigstens lange nach mir, einige so gar unter mir auf einmal in die Höhe
9
geschoßen sind. Von einigen weiß man gar nicht, durch welche brabantsche
10
güldene Bulle oder eiserne Schicksale von dort bis
sich
hieher verirrt sind.
11
Ich will lieber ein Schlachtopfer der Wahrheit als
ein
zum
12
niederträchtigen feigen feilen Verräther derselben der Wahrheit und mir zugleich des
13
allerhöchsten und allgemeinsten
Interesse
zu werden,
und
mich gern meinem
14
Schicksal unterwerfen. Da ich aber nicht anders als glauben kann, daß die
15
Unterschrift Ew Excellenz durch falsche
Suggestion
eines
erschlichen seyn
16
muß, die auf
nichts als
gewißen falschen Begriffen u Berichten beruhen,
17
da selbige sich selbst, meinem Gesuch, und dem ausdrückl. allerhöchsten Befehle
18
widerspricht, da mir eine mit einem beleidigen
den
Spott eine
Thür zur
19
erwünschten
einer erwünschten
Reise
eröffnet wird, die meiner
20
redlichen Meinung erst recht möglich zu werden und mit
meinen
frischen
21
Kräften mich dem Dienste des geliebten Monarchen und seines Königreiches
22
zu wiedmen, ins Angesicht schlägt: so überlaße ich Ew Excellenz Weisheit und
23
Grosmuth sich eines armen unschuldig verschmähten u betrübten
24
Märtyrers gnädigst anzunehmen, damit die pfeifenden Klagen einer Spitzmaus sich
25
nicht in ein mitternächtliches Hahnengeschrey verwandeln, von dem manchem
26
Ungeheuer dort die Haut schaudern möchte.
27
Da
meine
die Sache mein Gewißen, meinen guten Name,
und
mein
28
und der meinigen Leben betrifft: so hoffe ich von Gott und den Einsichten
29
sowohl als den grosmüthigen Gesinnungen Ew Excellenz den
ausdrückl.
30
allergnädigsten Befehlen
und der
nothgedrungenen
31
Vorstellungen
eines treuen und gehorsamen Unterthanen u Bedienten
32
angemeßene Befehle,
von denen mein Verhalten
denen ich mit einem blinden
33
Gehorsam
und einer dem allge
Gnüge zu leisten willig und bereit bin,
34
weil mir
dem
das
allgemeinen u allerhöchsten
beste näher
OPTIMO
35
maximo
als
mein individuelles
minimum
angesehe liegt
mit Füßen
36
treten will.
Johann Georg Hamann.
37
Kgsberg
Am
Erhörungs Sontage u Himmelsfahrtsfeste
87.
Dem Brief lag vmtl. ein Pro Memoria bei. Das Original ist verschollen, aber ein Entwurf ist überliefert (Provenienz: Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 91; Text nach einem Negativ der Königsberger Originalhandschrift in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Kaps. 2, 11):
532/35
P. M.
36
I.
Ich bin den 27
Aug.
30 geboren und wurde 46 ein
37
akademischer Bürger. Meine beiderseitige Eltern waren arme
S. 533
Fremdlinge, und haben mich durch ihr Beyspiel zur Dankbarkeit
2
für den ihnen in Preußen zugefloßenen Seegen erzogen. Dies
3
mein Vaterland ist mir mehr durch erlittene Drangsale als
4
darinn genoßene Herrlichkeiten lieb, theuer u werth geworden.
5
Mit eben so wenig Geschick als Glück habe ich wenige Jahre
6
in Liefl. u. Curl. wie Hofmeister adelicher Jugend zugebracht.
7
Ich habe Menschen kennen, schätzen, lieben und dulden; mich
8
selbst aber fürchten gelernt. Unterstützt von
großmüthigen
9
Freunden u Handelsleuten in Riga, habe ich mein mütterl. Erbe
10
auf fruchtlosen Reisen in Deutschl. Holl. u Engl. verwandt;
11
gleichwie in den ersten Dienstjahren einen zieml. Theil meines
12
mäßigen Gehalts auf franz. Wörterbücher, aus Neigung zu
13
einem Beruffe, durch den mir die Lieblingssprache meiner Jugend
14
so vereckelt worden, daß ich jetzt darinn zu schreiben eben so
15
unvermögend bin, als ich es immer gewesen selbige fertig und
16
reinlich zu sprechen.
17
Ich habe nicht nur Römer u Griechen, sondern auch die
18
Urkunden morgenländischer Wahrheit und Lügen in ihrer Quelle
19
studiert. Nachdem ich das Beste, in Frankr. u Engl. über die
20
damals noch neumodische Handlungs u Finanzwißenschaft
21
gedruckte, vielleicht mit zu viel Geschmack gelesen hatte, ließ ich mich
22
gelüsten, die güldene
praxin
der Geschäfte zu kosten; entschloß
23
mich, einen Monath als wirkl. außerordentl. Copist bey dem
24
hiesigen Magistrat u ein halbes Jahr bey der Kriegs- u
25
Domainen Cammer Canzley freywillige Dienste zu thun.
26
Hierauf habe ich 10 Jahre, wie ein unverdroßener Charon,
27
auf einem Uebersetzer Schiffl. gerudert und noch 10 Jahre mit
28
den Brosamen eines alten geschmälerten Dienstes für lieb
29
genommen, ohne gierigen Schooßhunden u Tagedieben die fetteste
30
Bißen und ihr
Eselsfutter
für
Zeisigarbeit
zu misgönnen:
31
habe also 20 köstl. Jahre meines mühseel. Lebens laviert und
32
theils am Vorgebirge guter Hoffnung vor Anker gelegen, um
33
einmal mit göttl. Hülfe, aus allerhöchster Gnade ein
ganzer
34
Königl. Preuß. Packhofverwalter, mit einer
ganzen
35
Freywohnung und allen dazu gehörigen
Pertinentien
zu
werden
. Nichts
36
als dies war der unbewegliche
Terminus
und das
Non + ultra
37
meiner demüthigen u standhaften Wünsche; die
einzige
S. 534
Buhlschaft, für die ich mit herculischer Gedult und ulyßischer Klugheit
2
die beste Hälfte meiner Tage, Kräfte und Säfte aufgeopfert
3
habe, und zum Feyerabende das seltene Glück einer
4
vorherbestimmten
Ehe
zu genießen dachte, die dem
Mann
mit seinem
5
Amte
, wie mit seinem
Weibe
, gleichsam zu Einem Fleisch u
6
Beine vereinigt: weil Treue die eigentlichste Erfordernis dieses
7
Postens ist, und schwerlich jemand, eine solche Lehr- und
8
Probezeit, mit einer solchen Entäußerung unerkannter Verdienste, mir
9
nachzuthun, sich anmaaßen wird. Ein verdorbener
φφ
und Pedant,
10
hätte sich vielleicht am besten dazu geschickt, über ein gemischtes
11
Gesindel verdorbener Kaufleute, Handwerker, Feldwebel, Crethi
12
u Plethi, Zöllner u Sünder, gl. jenem Dornbusch der ältesten heil.
13
Fabel /
Jud. IX.
zu
schweben
, die von Franzosen bis auf das
14
Mark verzehrte Sittenzucht und das beynahe ausgeschwitzte
15
SUUM CUIQUE
wenigstens hier, in einem kleinen
16
Wirkungskreise, wieder aufzufrischen – –
17
II.
Wenn es dort
bekannt
ist, daß der bey der
jetzigen
18
Packhofv. stelle
wenige
und theils
unnütze Geschäfte
zu
19
versehen sind: so kann es
aber daselbst
, wo meine Bestallung
20
hergekommen, unmögl. unbekannt seyn,
wie
? und
wodurch
?
21
dieser ursprüngl. von Fried. Wilh. glorw. And. eingesetzte
22
Posten so unkentlich u verstümmelt worden, daß kaum ein
23
Schatten seiner Bedeutung u Bestimmung übrig geblieben ist. Der
24
hiesige Packhofv. war zugl.
wirklicher
und der wahren Lage
25
des Zusammenhanges nach, der einzige natürl. Aufseher des
26
Licents. Die franz.
Regie
theilte, ihrer sophistisch-politischen
27
Plusmacherey zufolge 1 in 2 und suchte durch den
Nepotismum
28
ihrer eigenen Creaturen die Landeskinder zu unterdrücken. Zu
29
diesem Behufe wurde eine neufränkische Puppe auf den Teppich
30
gebracht, mit dem Titel eines
Inspecteur de la Douane
dieser
31
Stadt u. ihrer
Banlieue,
mit einem freygebigen Gehalte und
32
noch willkührlicherer Vollmacht ausgestattet, ohne hinlängl. Kenntnis
33
der Sprache u Sachen nach Maasgabe seiner Beförderer u
34
Muster, den großen Herren und Kleinmeister zu spielen,
35
Kaufleute und Unterbediente zu
chicani
ren, ihnen zu
connivi
ren, auch
36
allenfalls mit beyden zu
colludi
ren, und unter dem Deckmantel
37
des allerhöchsten
Interesse
sein eigenes als ein vogelfreyer
S. 535
Miethling, bestmöglichst wahrzunehmen und zu befördern. Hierin
2
bestand der thätige
Geist
seines Amts und Beruffs. Dem alten
3
ursprüngl. Packhofverw. wurde die Unkunde der fr. Sprache zum
4
Verbrechen gemacht, und er deshalb alles Einflußes u Ansehens
5
entblößt u beraubt. Zum Schein der Gerechtigkeit lies man ihm
6
sein geschmälertes Gehalt, eine
halbirte
Freywohnung und die
7
mühsel. Arbeit überflüßiger, ungewohnter, unnützer Register;
8
unterdeßen seines neugebackenen Nebenbulers
buchstäbl.
9
Geschäfte auf die Anfertigung vorgearbeiteter monathl.
Etats
und
10
dazu gehöriger Berichte hinausliefen, deren Unzuverläßigkeit,
11
wegen entgegengesetzter Unkunde der Landessprache unvermeidlich
12
und desto fruchtbarer an Misverständnißen und neuen
13
Misbräuchen werden muste.
14
Wäre ich schon damals an meines Vorgängers Stelle gewesen:
15
so hätte mir zwar eine Unkunde der franz. Sprache nicht zum
16
Verbrechen gemacht werden können. Ein kurz- und übersichtiger
17
Referent
, ein Ehr- und Gewißenloser
Concipient
hat noch immer
18
so viel Mutterwitz und Hartherzigkeit, den unschuldigsten Mann,
19
der seinen seichten Operationsplan
mit
Mitleid
en
ig übersieht,
20
unter dem ersten, dem besten erdichteten Vorwande, für untüchtig
21
u unbrauchbar zu verlautbaren.
22
Nachdem ich 10 Jahre in der mißl. Lage eines anfängl.
23
überhäuften und zuletzt entbehrl. Uebersetzers unter einer
franz.
und
24
oberdeutschen
Direction mich mehr zu Schanden gequält als
25
gearbeitet hatte, bey gehöriger Muße, die
Differenz
beyder zu
26
berechnen, und den gefundenen Maasstab auf den Unterschied
27
einer
fremden
und naturalisirten Administration, anwenden
28
zu können, wurde ich innerhalb dieses für mich unglückl.
29
Zeitraums, dem damals dirigirenden Staatsminister empfohlen,
30
erhielte wiederholte Beweise der höflichsten Gesinnungen, aber noch
31
stärkere seiner optischen u moralischen Größe, die dem franz.
32
Unfuge und weder seiner individuellen noch dem allerhöchsten
33
Intereße gewachsen war. Dieses Vorurtheil wurde durch den späteren
34
Erfolg be
stätigt
kräftigt, und ich erhielt
ohne
ihn und
nach
35
ihm, durch eine
Art von Wunder
zum außerordentl.
36
Gnadenlohn, für mein erstes
Decennium
das magere Gerippe eines
37
alten gesetzmäßigen
Postens, mit deßen
Sicherheit
ich
S. 536
mich beruhigte und der allgemein erwünschten Hoffnung lebte, die
2
alte ursprüngl. Verfaßung u mein zersplittertes Loos
3
widerhergestellt u ergänzt zu sehen. Weil aber meine beyde Nachbarn zur
4
Linken u Rechten, sich jeder einen andern Mann in ihrer Mitte,
5
aus Absichten, die dem hiesigen
Publico
bekannt sind, und aus
6
den dort vorhandenen
Acten
sich vielleicht erörtern ließen: so
7
machten sich die Erben meines Vorgängers dieses Umstandes zu
8
Nutze, mir über 900 fl. an Vergütungen abzupochen, wozu ich
9
mich nicht bequemen konnte und die unterschiedensten Plackereyen
10
über mich ergehen laßen muste, die sich bis auf die Geschäfte und
11
den Genuß meines Amtes erstreckten. Unter solchem Drucke nahm
12
ich zu dem
Departements
rathe meine Zuflucht und eröffnete in
13
einem Privatbriefe meine Kränkungen und Besorgniße ihres
14
Fortganges. Man begieng die
Indiscretion
die Untersuchung meiner
15
Beschwerden denen, welche selbige veranlaßt hatten aufzutragen,
16
und ich erhielt im Christm. 77. einen Bescheid der
Gen. Adm.
17
welcher an statt mich einzuschrecken, natürl.weise noch mehr
18
aufbringen muste, wenn ich mich nicht dem allgemeinen Schicksal
19
meines Vaterlandes unterworfen hätte mit einem Schwure, mich
20
niemals weiter an eine franz.
Administration
noch ihrem
21
Depart.
rath zu wenden.
22
Immerhin hätte ich mir die Bedingungen, unter denen ich die
23
geschmälerte Packhofv.stelle empfangen und angenommen hatte,
24
gefallen laßen; aber ein ärgerer Abbruch meines geringen Gehalts
25
brachte mich 83. zur äußersten Verzweifelung. Durch eine andere
26
Art von Wunder
wurde ich mit meinem Hause vor der
27
einbrechenden Hungersnoth bewahrt, zur Gedult gestärkt und
28
besänftigt; anbey zu einer Reise erweckt und deshalb genöthigt
29
Urlaub zu erbitten, gemäß der meiner ersten Vorstellung
30
beygelegten Abschriften, die ich nicht selbst aufzusetzen vermocht, sondern
31
aus dem Munde eines Gönners aufsetzte, um meinen dringenden
32
auswärtigen Freunden so wohl als der natürl. Pflicht der
33
Selbsterhaltung Gnüge zu leisten, ohne Verletzung meines Gelübdes.
34
Bey den
wenigen
u theils
unnützen Geschäften
, die
35
meinem Solde verhältnismäßig und wegen meiner Lage mit manchen
36
Schwierigkeiten verbunden waren, konnte ich dieses Gesuch mit
37
gutem Gewißen thun, wuste aber den Erfolg zum voraus, und
S. 537
möchte eben so ungern einer feindseeligen und gehäßigen
2
Widersacherin, eine Wohlthat, die niemanden so leicht versagt wurde, zu
3
verdanken haben. Durch diesen Nothschritt überlieferte ich ihr
4
selbst ein Schwert, den abgelebten, geviertheilten
5
Packhofverwalter
nunmehr zu Tode ärgern
, nachdem ihr der Anschlag
6
fehl geschlagen war, denselben
verhungern
zu laßen.
7
III.
Meine Gleichmüthigkeit bey den jetzigen Veränderungen,
8
von denen es hieß, daß die von Friedr. Wilh. mit Einsicht
9
ausgemittelte Verfaßung zum Grunde gelegt werden sollte, und meine
10
Zuversicht, daß meine rechtmäßige Stelle von der jetzigen
Gen.
11
Adm.
wenigstens mit derselbigen Billigkeit verschont bleiben
12
würde, als die vorige meinem Vorgänger erwiesen hatte, wurde in
13
einem
Paroxysmo
der Hypochondrie dergestalt erschüttert, daß
14
ich von Verdruß übertäubt zum dritten mal Urlaub erflehte und
15
alle meine Beeinträchtigungen mit der ängstlichsten Redlichkeit
16
ausschüttete. Aus Mangel eines genau wörtlichen u vollständigen
17
Concepts bin ich mir nur in Grenzen bewußt, alles der
18
lautersten Wahrheit gemäß überdacht und gemeynt zu haben.
19
IV.
Abermals bettlägerig erhielt ich, vermuthl. zur letzten
20
Oelung den 9
d.
auf
Sr. Kgl. Maj. allergnädigsten
21
Specialbefehl
eine
Resolution,
die
22
1. sich selbst widerspricht
23
2. den offenbaren Inhalt meines unterthänigen Gesuchs um
24
einen bloßen
Urlaub
zu einer Reise, als dem letzten
25
Geschäfte meines Privatlebens und dem einzigen
26
Rettungsmittel, mein natürl. Daseyn zum Dienste des Königs u
27
Vaterlandes zu erhalten u zu erneuern;
28
3. aber noch mehr dem angeführten
ausdrückl.
29
Allerhöchsten Befehl
zuwider ist.
30
4. einen schmählichen und hämischen
Abschied
, als ein
31
Souverain
es Mittel zur
gewünschten Ruhe zu gelangen
,
32
und mit meinem ganzen Hause zu verhungern
33
5. einen
Urtheilsspruch
über das Leben meiner 4 Kinder,
34
ihrer Mutter und mein eigenes, durch eine Todesart, die je
35
stummer, desto himmelschreiender, übrigens mit einem 20
36
jährigen Kummerleben verhältnismäßig ist
37
6. die bestürzende Nachricht, daß mein alter, ursprüngl.
S. 538
rechtmäßiger Posten trotz eines
ausdrückl. Allerhöchsten
2
Befehls
eingezogen, hingegen ein neuer, unnützer,
3
eingeflickter nicht nur für echt bekräftigt, sondern auch zu einer
4
fast unverantwortl. Ruhe gelangen soll, auf Kosten der
5
bereits
überflüßig beschäftigten
Licenthalterey.
6
7. muß ich noch obenein 24 gl.gl. an
Porto
beym Empfang
7
eines solchen allergnädigsten
Special
-Befehls bezahlen.
8
Von unserm
Vielgeliebten Monarchen
zu argwohnen,
9
daß Er dem geringsten Seiner Landeskinder, der ihn
B
um
10
ein Brodt, um einen Fisch oder um ein Ey bäte, dafür einen
11
Stein, eine Schlange oder einen Skorpion zu bieten so hartherzig
12
seyn könnte, wäre eine Lästerung Seines
Namens
und Seiner
13
Majestät
. Der nordische Salomo war mit größerem Fuge
14
Preußens David
; deßen
Autors
- und
Eroberers-ruhm
15
schwerlich den kritischen Adlern und künftigen Baylen, ihren
16
Habichtsschnäbeln und Klauen entgehen wird. Friedr. Wilh
II.
ist
17
auf einem beßern Wege durch fromme, friedfertige Weisheit
18
Preußens Salomo
zu werden. Sein Landesväterliches Herz
19
neigt sich zu den
ältesten Räthen
, 1
Reg. XII.
die vor
20
Friedr. Wilh. glorw. Namens-Andenkens stünden
21
Wenn aber die
ausdrücklichste allerhöchste Befehle
22
und die
erpreßte Vorstellungen
treuer Unterthanen, wie
23
in meinem Fall geschehen, durch Verdrehungen vereitelt werden,
24
jetzt der König den Landeskindern ebenso verdächtig gemacht wird,
25
wie durch diese jenem verläumdet wurden: so geräth man
26
auf den schreckl. Verdacht, daß der Geist der Landesverwiesenen
27
Regie
in sein mit Besemen gekehrtes und geschmücktes Haus
28
siebenfältig zurückgekehrt und wieder eingefahren sey; daß die
29
jetzige noch einen Schritt in der von ihrer würdigen Vorläuferin
30
gebrochnen Bahn, weiter zu gehen Lust habe, und daß der Riß
31
des alten Gewandes durch neue Lappen noch größer werden wird.
32
An statt den Wust und Schutt aus dem Wege zu räumen, die
33
Reliquien des alten Sauerteigs der gröbsten Unwißenheit und
34
feinsten Schalkheit auszufegen, werden die wenigen Treuen und
35
Redlichen im Lande vollends ausgewurzelt, durch Pharaospiele
36
und Kindermorde zu bettlägerigen Bettlern und imbecilen
37
Invaliden verunstaltet. Ich erkenne an diesem Gange die alte
S. 539
barbarische und widersinnige Erbfeindin meines Vaterlandes, und das
2
von ihr geschmiedete Patent des über mein ganzes Haus
3
erlaßenen Würgeengels. Wen geht die Wenigkeit und Unnützlichkeit
4
meiner Geschäfte dort sonst an, als die jetzige Verweserin? – und
5
der unlautere Canal des
dort von mir bekannten
, wird es
6
auch ihr dort bald werden –
7
V.
Den 13
d.
konnte ich wider zum ersten mal ausgehen um
8
die erhaltene
Resolution
der hiesigen
Prov.Direction
9
mitzutheilen, die noch von nichts wuste. Den 20
d.
war es mir mögl.
10
einen überlegten Fehler durch einen gebeugten Brief an den
11
dirigirenden
Departement
rath zu verbeßern oder wenigstens wider
12
gut zu machen. Ihm hatte mein
einziger
, dortiger, jetzt
13
abwesender Freund, auf dem Sprunge seiner Reise alle Umstände
14
meiner traurigen Lage anvertraut. Ich verabscheue allen
15
Schleichhandel in Ämtern und Stellen als die schädlichste und sträflichste
16
Contrebande, halte mich am Haupte und an keiner Schleppe,
17
habe es daher meinen hiesigen Freunden mehr überlaßen, als
18
zugemuthet, ihre dortigen für mich rege zu machen.
19
Meine
gewünschte Ruhe
, wie der Prophet sagt, wird
20
Ehre
Jes. XI
seyn und der schmale Weg zu beiden zu gelangen,
21
weder blinder Uebereilung, noch schwarze Rache, die ich dem
22
Richter auf Erden
anheim stelle: sondern freywillige Ergebung in
23
jeden
Special
-Befehl eines höheren Willens, ohne mich darum zu
24
bekümmern:
von wannen
er komt, und
wohin
er fahrt.
25
Ew Exc. geruhen vorstehendes P. M. wenigstens zu lesen, das
26
ich gantz allein für meinen Kopf, auf meine eigene Hand und
27
Verantwortung ausgearbeitet habe. Es hat mir Mühe gekostet,
28
die Länge deßelben durch Unterdrückung mancher Nebenumstände,
29
die jeder andere gebraucht und für wichtig gehalten haben
30
würde, zu verkürzen. Da ich alles, was zur Sache gehört, nunmehr
31
glaube gesagt zu haben: so werde es weder für nöthig und
32
heilsam finden zum dritten mal zu schreiben.
33
Ew Exc. haben mich durch die Unterschrift eines zweydeutigen
34
allergnädigsten
Special
Befehls noch nicht von dem einmal
35
gefaßten Vorsatz abgeschreckt, Dero unmittelbare
Protection
allen
36
Souverain
en und
subordinir
ten Hülfsmitteln vorzuziehen. Am
37
liebsten wäre es mir die Entscheidung meines verwickelten
S. 540
Schicksals und die Auflösung des gordischen Knotens, den mir selbst
2
noch verdeckten Bewegungsgründen meines Vertrauens zu Ew.
3
Excell. beßeren Einsichten und Gesinnungen, zu verdanken zu
4
haben. Preußens vielgeliebter König verdient der Liebling seiner
5
Landeskinder zu seyn, und ich verehre Seine Minister als
Vater
6
und
Herrn
, denen ich mit aller Furcht gehorsam zu seyn schuldig
7
bin, nicht allein den gütigen und gelinden, wie St. Petrus sagt,
8
sondern auch den wunderlichen, und ihren despotischen Befehlen.
9
Ew Exc. wird
d
es daher weit ruhmwürdiger und
10
angemeßener seyn, das Ihnen allerhöchst anvertraute Schwert nicht
11
gegen mein und der meinigen Leben, sondern zur Erhaltung und
12
Wohlthätigkeit für einen unschuldig gedrückten und verfolgten
13
Hausvater zu brauchen, mich weder als einen Maleficanten noch
14
als einen des Königl. Dienstes unwürdigen oder unfähigen
15
Vagabond
zu behandeln, dergl. tägl. mit Hintansetzung meiner
16
besten Mitbürger befördert werden; da ich die wahrscheinlichste
17
Hoffnung hege bey widerhergestellter Gesundheit u Gemüthsruhe
18
Proben eines nützlichen Diensteifers abzulegen, und wenn gleich
19
jedermann mit geringem Wein aufhört, den guten Wein bis
20
zuletzt zu behalten.
21
Ew Exc. werden mir daher gnädigst gestatten, daß ich die
22
mir ertheilte
Resolution
als eine wohlthätige
Suspension
von
23
allen Geschäften und Amtssorgen zum Besten meiner Reise und
24
ihrer wahren Absichten, auslegen und zueignen darf. Da die
25
jetzige
Veränderungen bald andere und weitere nach sich ziehen
26
werden: so könnte sich der neue französische Licentinspector fügl.
27
des ihm zugefallnen Looßes während meiner Abwesenheit erfreuen
28
bis zu meiner Widerkunft, binnen welcher Zeit die jetzige
General-
29
Adm.
von der
Inconsequence
und Inconsistentz mancher
30
Entwürfe beßer unterrichtet seyn wird.
31
Ew. Excell.
32
Anmerkung Hamanns:
Das
Promemoria
betrug die 3 ersten
33
halbgebrochenen Seiten eines großen Foliobogens; die letzte war durchweg geschrieben neml.
34
ungebrochen.
Veränderte Einsortierung
Die Einsortierung wurde gegenüber ZH verändert, sie erfolgt chronologisch zwischen Brief Nr. 1065 und 1066.
Provenienz
Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 91. Text nach einem Negativ der Königsberger Originalhandschrift in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster, Signatur: Hamann-Nachlass, Kaps. 2, 11.
ZH VII 203–210, Nr. 1067.