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Pempelfort den 22
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Juni 1787


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Vermerk von Hamann:

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Angekommen in Berl. den 27
Jun.

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Erhalten von Freund Reichardt

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den 28 – Geantw. in Münster den 18
Jul.


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lieber Herzens Vater

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Ich habe Dir nicht schreiben können weil ich krank war u immer kränker

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wurde. Ich habe viel ausgestanden, u weiß nicht ob ich sagen darf daß es

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anfange etwas beßer zu gehen. Deine 3 Briefe, der v. 14
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May, v 5
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u v

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sind richtig eingelaufen; der letzte gestern. – Es soll also doch wahr

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werden
daß ich Dich sehe! Guter Gott! – Mich verlangt herzlich auf

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Nachrichten v Dir aus Berlin. Mit saurer Mühe habe ich heute Morgen an die

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Prinzeßin, an Buchholtz, u an Claudius geschrieben. Claudius wird sich

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wundern daß es würklich dazu gekommen ist daß Du reisest. – Du schriebst neulich

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daß Du gerade zu nach Münster wolltest. Also nicht eher nach Pempelfort

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wie Du vorher beschloßen hattest? – Bin ich einiger Maaßen wieder auf den

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Beinen so reise ich Ende der zukünftigen Woche nach Vaels. Den 14
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Juli

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gedenke ich wieder hier zu seyn. Mariane kommt Anfangs September nieder.

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Bis den
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August wolte Buchholtz zu Welbergen bleiben. Sollte Dir der

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Entschluß kommen, wie Du ehmals vorhattest, über Düßeldorf nach

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Münster zu reisen, so würde ich mich sehr freuen. – – Ich bin so matt, so dahin,

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lieber Vater, daß ich über nichts das Herz habe den Mund aufzuthun.

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Herders Gott wirst Du nun gelesen haben, u auch das
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Buch der

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Ideen. Wenn Du mir nur einen andern als diesen Herderischen Gott

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mitbringst. Mit dem Herderischen hatte uns Kant schon
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1763 begnadigt.

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Aber es ist recht gut daß dies alles so allmählich mehr an den Tag komt.

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Ich halte mich noch immer an dem wenigen was ich von einer Kraft weiß

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welche die Welt überwindet. Aber es geht mir wie Petro da er auf den Wogen

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wandelte.

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Reids Essais
findest Du bey mir. Du hast mich daran erinnert daß ich dies

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Buch lesen wollte. Während ich mein Gespräch schrieb, war ich sehr

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ungeduldig darauf, u konnte es weder geliehen noch zu Kauf bekomen. Ich schrieb

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nach England; aber das Buch kam erst da das Gespräch gedruckt war.

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Ich danke Dir herzlich für alles was Du mir mitgetheilt hast. Mit dem

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pro memoria
u beygefügten Schreiben bin ich über alle Maaßen zufrieden.

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Desgleichen mit dem
Billet doux
an den NahmensVetter.

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Die
Vor
sehung, nicht die bloße
Zu
sehung walte über Dich u Deinen

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lieben Begleiter, u führe Euch bald, bald in meine Arme. Es wäre schön

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wenn Ihr auch Lindnern mitbrächtet. – Hamann, Vater – O, wenn Du

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vor mir stehen wirst! Ich fühle Genesung in allen meinen Gebeinen in dem

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Augenblick wo ich dieses schreibe. Es
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sind nicht Worte; es ist Wahrheit

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was ich sage.

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Schreibe mir doch überall wo Du Dich etwas aufhältst, oder laß Deinen

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Sohn mir ein paar Zeilen schreiben, damit ich immer genau von dem

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Fortgange Deiner Reise unterrichtet sey, u in welcher Richtung Du näher rückst.

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Ich küße Euch beyde, u reiche Lindnern, den Du mir schon gewogen machen

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wirst, die Hand.

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Von ganzem Herzen

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Dein Fritz Jonathan.

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 376 f.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 556.

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 6: Januar bis November 1787. Hg. von Jürgen Weyenschops, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012, 200 f.

ZH VII 238 f., Nr. 1072.

Zusätze fremder Hand

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–6
Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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Geändert nach der Handschrift; ZH:
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