1091
S. 274
Königsberg den 20ten Aug. 87.
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Vermerk von Hamann:
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No 2 Erhalten den 30
Aug.
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Geantw: den 16–18
Sept.
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Verehrungswürdiger theurer Gönner u. Freund
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Ihr werthes Schreiben, so ich den 15
h.
erhalten, hat mich und Ihre liebe
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zurückgebliebene Familie von vielen Besorgnißen, die uns Ihrentwegen
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beunruhigten, befreyet. Wie sehr wir
Dich
Sie wegen Ihrer geschwollenen Füße
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bedauert, und wie innigst wir ihre vollige Beßerung wünschen will ich
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verschweigen. Die Schicksahle Ihrer Reise und die Ursache Ihres Stillschweigens
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hab’ ich H
e.
Milz, H
e
Pr. Kraus, H
e
Brahl und H
e.
Böttcher sogleich
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mitgetheilet. Ihre liebe
Lisette Reinette
hat mir versprochen alles für mich bey
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der gnädigen
Baronesse
zu bestellen. An H
e
Hampus, der
in
sich ietzt in
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Riesenburg befindet, hab ich Ihren Dank für seine gute Empfehlung nach
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Marienwerder noch nicht bestellen können. Der Mad. Courtant hab ich in
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Pennart, wo sie sich den Sommer über aufhält, Nachricht von Ihnen
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gebracht, und ihr die größte Hälfte des Briefes hauptsächlich das was sie
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angeht, vorgelesen. Sie hat sich sehr darüber gefreut, und Ihre liebe
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Hausmutter und Kinder auf den 27t zu sich auf das Land gebeten; gewiß Ihren
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Geburtstag zu feyern, zu dem ich Ihnen von Herzen Glück wünsche. Nur seh
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ich nicht ab, wie das schöne Geschlecht ohne Wagen wird zu Fuße dahin
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wandern können. Denn aller meiner Vorsicht ungeachtet, wär ich, bey dem
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ietzigen schlimmen Wetter, das uns die Ernte sehr traurig macht, von den
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glatten spitzigen Steinen, so bisweilen einen Schuh tief unter Waßer liegen,
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beynah wie vorigen Herbst der junge Niklovius herab gefallen. Diese mögen
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diesen Tag dahero feyern oder nicht, so wollen wenigstens ich und die
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Nikolovius ihn mit vieler Freude bey einer rothen Mahlzeit begehen. Mein
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Umgang ist mit diesen edeln Junglingen weit vertrauter und häufiger seit Ihrer
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Abwesenheit geworden, und man
nennt
uns schon die 3 Brüder. Vorzüglich
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ist der älteste N. anietzo in Königsberg mein einziger wahrer Freund, den
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ich als ein mir unerreichbares Muster der Enthaltsamkeit und Beständigkeit
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bewundre. Mit ihm gehe ich die ersten Capitel im Genesis blos noch
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grammaticalisch und an
n
alitisch durch. Macht er weitere Fortschritte, so lese
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ich die Psalmen mit ihm. Im neuen Testament sind wir bis an den Brief an
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die Römer gekommen, wo wir den
Koppe
zu unserm Führer erwählet.
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Sobald mein matter Körper es erlaubt, denken wir unter dem Beystand von
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Oben kleine gemeinschaftliche Versuche in der practischen Homilitik zu
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machen. Mit H
e
Böttcher, den ich ietzt zum 2ten mahle besucht, und der auch
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einmal Ihr liebes Haus besucht hat, steh ich bis ietzt noch in keiner nähern
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Verbindung. Hingegen hat mir H
e
Einnehmer
Rousselle
eine Condition in
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den ersten Elementen aller Schulwißenschaften, der Musik und französischen
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Sprache bey seinem Sohne, den er noch mit einem andern zu paaren willens
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ist, angetragen, und ist erböthig mir selbst meine Französische Aussprache zu
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verbessern und mich auf alle mögliche Art und Weise zu empfehlen und
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fortzuhelfen. Ich hab versprochen nach einigen Wochen, die iezt verfloßen,
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anzufangen, und nun durch einen Umstand, den ich durch H
e B.
gehöret, wovon die
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eingefallene Nase ein Beweis seyn soll, beynah scheu gemacht, hinzugehen,
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und in nicht geringer Versuchung mein Wort zu brechen.
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Ich beschwöre Sie, Verehrungswürdiger Freund, nicht auf mich zu zürnen
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sondern mir von Herzen zu vergeben, wenn ich noch nicht bin das was Sie
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und ich wünschen, und
ich noch
nicht so zufrieden lebe, wie ich sollte und
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könnte. Die Ursache hiervon mag in meinem kranken Körper, den ich mir zur
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Last herumschleppe, oder in meiner Seele liegen, die wie Pfenniger sagt, der
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mich sehr beschämt gemacht hat, noch in Palästina herumflattert, so habe ich
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dennoch die feste Zuversicht, daß Leib und Seel genesen und ich beydes
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Gesundheit und Ruhe erlangen werde. Ich muß gestehen bis iezt wechseln noch
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bey mir Augenblicke, die mich befallen und mir nichts anders als Tod und
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Grab ringsumher zeigen, mit solchen in denen ich mit keinem Nabal tauschen
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mochte
, und wo ich die heiterste Aussicht in die Zukunft vor mir sehe. Ich
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schreibe Ihnen diese Gedanken meines Herzens, die sonst jedem verschloßen
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sind, weil Sie’s mir aufgetragen haben. Thue ich dieses nicht so haarklein,
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wie
s
Sie wünschen, so bitte ich um Nachsicht. Daß ich meine Briefe bey
28
H
e.
Commercien-Rath Fischer bringen darf, freut mich recht sehr. Ihre liebe
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Hausmutter hat mir so gar das Porto für den ersten Brief Ihres Sohnes
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wiedergeben, obschon ich mich dagegen sehr geweigert. Raphael hat seinen
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Brief richtig erhalten.
H
e
Contr. Gomm ist mit dem PaßirZettel sehr
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zufrieden gewesen, und hat mir eine Einlage mitgegeben. Das von mir
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verlangte
Datum
wegen des Nikolai Reisebeschreibung ist der 26te May. 87.
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Ihre Einlage an Hartknoch hat der Nikol. den 18
h.
nach Riga geschickt
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und auf Antwort gedrungen. Die liebe Hausmutter hat noch kein Geld
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nöthig, wie sie sagt, und den 27t July 2 Fuder Holz eingekauft. Sie nebst
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den Kindern haben die Mad. Courtant den 17 July besucht, und sind in einer
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großen Gesellschaft zum Nachteßen in des alten Brahls Garten den 19ten.
h.
2
gebeten gewesen. H
e
und Mad. Brahl nebst Hannchen und Lottchen sind in
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meiner Abwesenheit nach
Galgarben
den 17ten
h.
hier gewesen, und waren
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eben um halbzehn Uhr des Abends weggegangen als ich nach Hause kam.
5
Ihre liebe Hausgenoßen wie auch mein Onkel, die H
e
Nikol. Mad.
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Courtant, H
e
Böttcher
etc
grüßen Sie und Ihren Sohn herzlich. Daß sich der H
e
7
Geheim-Rath Jacobi meiner erinnert hat mich sehr gefreut. Ich bitte
8
gleichfalls meiner bey ihm und H
e
D. Raphae
l
zu gedenken, auch Ihren Sohn
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von mir zu grüßen, Ihnen beyden wünsch ich Gesundheit und jedes Gute auf
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Ihrer Reise mit der größten Bitte nicht zu
vergeßen.
11
Ihren treu ergebenen und ewig schuldigen Freund.
12
Hill.
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Aus dem Briefe Ihres Sohnes den ich den 18
h.
erhalten, seh ich daß mein
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1ter Brief angekommen. Was darin wegen des Ministers steht, hat H
e
15
Reichard mir bereits
gemeldet
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Lessing-Sammlung Nr. 1847.
Bisherige Drucke
ZH VII 274–276, Nr. 1091.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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274/4 |
Sept. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sept. |
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275/24 |
mochte ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: möchte |
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275/31 |
H e |
Geändert nach der Handschrift; ZH: H e. |
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276/10 |
vergeßen. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: vergeßen |
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276/15 |
gemeldet ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: gemeldet. |