1105
312/2
K. den 18ten
Oct.
87
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Verehrungswürdiger u. lieber Freund
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Ihren ersten Brief vom 16ten
Sept.
habe den 29ten
Sept.
erhalten, und
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die beyden Einl. an H
e
Cont. Gomm und
Lisette Reinette
abgegeben. Den
6
2ten Brief vom 28
Sept.
mit Einl. an H
e.
Prof. Kraus und H
e
Hippel habe
7
den 10ten
Oct.
erhalten. Ich würde früher geantwortet haben, wenn ich
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Poetical Library Vol. II.
eher erhalten hätte. Gestern habe ich es, Gott sey
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Dank abgemacht, und bin für mein Herumlaufen dadurch reichlich belohnt,
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daß ich die Exemplare der fehlenden Subscribenten unterbringen können. Ihr
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Exemplar
gratis
habe aufbewahrt, um es Ihnen bey Ihrer Zurückkunft
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einzuhändigen. Bey Gelegenheit dieser Sache habe auch Ew. Exellenz H
e
Graf
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Kayserling gesprochen. Die Exemplare vom Alexis, die den 23ten
Sept.
von
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dort abgegangen seyn sollen, sind hier noch nicht angekommen. Ich bin sehr
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vergnügt darüber, daß Sie damit zufrieden sind, daß Ihre liebe Hausmutter
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die
Resolution
erbrochen. Den 2ten
Oct.
war ich bey H
e.
Geheimenrath
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Hippel gebeten, wo wir feyerlich Ihre und Ihres Sohnes Gesundheit
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getrunken. Auch habe ich statt Ihrer die alte gute Tante in Sperling
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beschmauset. Sie scheint nicht darüber böse zu seyn, weil sie mich gar dem Erzpriester
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Goldbeck zum Capellan in Schacken vorgeschlagen, worüber Ihr Freund
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Nikolovius ihre Verlegenheit gezeiget, wenn ich es ausgeschlagen hätte, weil
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ich nur Dorfschulmeister werden will. Doch haben wir uns beyde über ihren
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Einfall herzlich gefreuet, und ich mich gewundert, daß das Andenken so
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redlicher Leute, auf die ich nie Rechnung gemacht, daß sie sich meiner im guten
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erinnern würden, meinen verlohrnen Muth nicht wieder beleben können.
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Denn bis ietzt erfahr ich noch nicht was Seneka sagt: die Verzweiflung führe
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zur Gewißheit, und ich harre mit Sehnsucht auf den Augenblick, wo ich mit
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Petrarch sagen könnte.
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insin’allor’io gracqui
30
A me noposo,
e
graue:
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Da quel di’innanzi a me medesmo piacqui
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Meine Schwermuth würde bald geheilt seyn, wenn nur mein kranker und
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matter Körper gesund würde. Mein Trost ist noch einmal in meinem Leben
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nach Böhmen zu gehen, und mich da zu Töplitz im Teiche Bethesda 6
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Wochen zu baden, weil ich dieses Bad, welches ich vor 2 Jahr nur halb eine
S. 313
Woche gebraucht, sehr heilsam für meine Umstände gefunden habe. Ich werde
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alle Mühe anwenden um dieses noch einmal möglich zu machen.
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Auf meine Anfrage vom 14ten Aug. an Michael Hamann was ich mit der
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Einl. vor Herders Schwester machen soll, ist keine Antwort erfolget. Jetzt
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hat H
e
Nikolovius eine andre Einl. erhalten, mit der dringendsten
Bitte
6
selbige zu
beförden
. Ich habe sie beyde in ein Couvert unter der Adreße an
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Herder eingeschlossen, und den 9ten
Oct.
nach Weimar geschickt. Das
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Päckchen was
s
Sie von dort aus hier bekommen sollten, ist noch nicht
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angekommen. Den 26
Sept.
bin ich bey H
e
Jacobi gewesen, und habe 2 verschiedene
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Summen Geld erhalten, 90
fl
in Dütchen, und 189
fl
Courant. Den 27ten
11
habe von der
Baronesse Bondely
das Quartal nebst Auslagen 124
fl.
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gezahlt. Die vorige Köchin, die unter dem Deckel der Freundlichkeit und des
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Scherzes ihre Unarten bis zum Abschied ausgeübet, hat Ihr Haus verlaßen,
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und eine andre schon ihren Dienst angefangen. Der 4te Theil von Lienhard,
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und der
Mad de la Roche
Reisen durch Frankreich ist auch schon eingekauft.
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Nur hat
Lisette
die Schweizer Reise, wornach ich’s soll einbinden lassen,
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ausgeliehen. Sobald ich diese erhalten, worauf ich ietzt dringe werde ich die
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Bücher zu
H
e.
Kanter bringen. Den Dengelschen Buchladen hätte H
e
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Hartung bekommen, wenn nicht H
e
Commerz. R. Wulff Lust bekommen hätte,
20
den Laden kaufen zu wollen, der dem Dengel das
Priveligium
der Zeitung
21
schenken will. Bis ietzt hat ihn noch keiner von beyden. H
e.
Comm. R. hat
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mich auch einen Sontag auf der Straße ergriffen, und zum Mittagsessen in
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sein Haus geführet. Ich konnte aber die Mahlzeit nicht vollenden, weil ein
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Feuer in der Küttelgaße beim Mälzenbräuer
Willerbach
uns vom Tische
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verjagte. Doch habe ich die Mahlzeit dem H
e.
Wulff gerne geschenket,
26
nachdem ich sein Münz- und Naturalien Cabinet, das durch das Saturgische sehr
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vermehrt worden, gesehn. Dergleichen habe ich nie bey einer Privatperson in
28
Deutschland gefunden. H
e
Feldprediger Schröder hat um die
2te
29
Demoiselle Wulff angehalten, die ihr Vater auch gleich willens gewesen, ihm zu
30
geben, wär nicht der Vater einer weit schönern aber ärmern Braut, mit der
31
sich H
e
F.P. Schröder schon als Studiosus versprochen haben soll, mit der
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ganzen Liebes Correspondenz hingegangen, wodurch H
e.
F. P. die große
33
Fabel des Volks geworden. Die Sache soll bis nach Berlin gegangen seyn.
34
Doch wird vermuthlich H
e.
F. P. mit seiner reichen Braut abziehen.
35
Meinem
Oncle
Milz, mit dem ich beynahe zerfallen, habe ich Ihre
36
Gratulation
mitgetheilet. Er ist aber nicht Ihr Nachfolger im Rhodischen Hause
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geworden, sondern wohnt ietzt hinter der Münz bey Doc. Braunfisch. Der
S. 314
Mad. Courtant, und Ihren übrigen guten Freunden habe das wichtigste
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Ihrer Briefe gleichfals mitgetheilet, die sich alle sehr freuen und allen Antheil
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an Ihrer Reise nehmen. Ueberdem läßt Sie Mad. Courtant bitten, es sich
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nicht zur Pflicht zu machen ihr zu antworten, und lieber Ihre Cur und
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Gesundheit abzuwarten. Ihrem Auftrage gemäß habe auch den
Secr. Torhoff
6
gebeten, in Berlin alles zum Besten zu kehren. Nur bin ich noch gewaltig
7
scheu in das Haus des H
e.
Jacobi so oft zu gehen, und habe deswegen H
e.
8
Stein, dem ich begegnet, gebeten, alle Ihre Grüße zu bestellen. Ich bitte
9
deswegen recht sehr um Nachsicht gegen den Misantropen, der übrigens mit aller
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Treue ist
Ihr ewig schuldiger Freund und Diener Hill.
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Ihre liebe Hausmutter und Kinder grüßen und küßen Sie und Ihren
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Sohn. Desgleichen alle übrigen Freunde und Bekannte.
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Der mit der vorigen Post an Sie abgegangene Brief mit Einl. von Ihren
14
lieben Mädchen ist nicht mit meiner Hand mit dem Socrates gesiegelt,
weil
15
sondern durch H
e.
Hippel, weil ich der Meinung war, daß lieber
Lisette
ihn
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siegeln möchte, um Ihnen vielleicht Unruhe wegen meines Stillschweigens zu
17
ersparen, das ich nicht vermeiden konnte, weil
Poetical Lib. Vol.
II
noch nicht
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vertheilt war, und ich auch den Alexis noch abwarten wollte, der auch noch
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nicht angekommen.
20
Ein Compliment an meinem Landsmann H
e.
Prof.
Bartola.
Auch ist mir
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das Ende Ihres letzten Briefes sehr dunkel. Ihre liebe H. M. hat noch ein
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halb Achtel Holz von H
e.
Jacobi genommen.
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von Hamann am Anfang des Briefes vermerkt:
24
Erhalten den 28
Oct. Dom. XXI.
25
Geantw. den 24
Novbr.
u
Dom XXV. vltim.
des Kirchenjahrs.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Lessing-Sammlung Nr. 1848.
Bisherige Drucke
ZH VII 312–314, Nr. 1105.
Zusätze fremder Hand
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314/24 –25
|
Johann Georg Hamann |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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312/30 |
e |
Geändert nach der Handschrift; ZH: et |
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313/5 |
Bitte ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Bitte, |
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313/6 |
beförden ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: befördern |
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313/18 |
H e. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: H e |
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313/20 |
Priveligium |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Privilegium |
|
313/28 |
2te ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: zweite |
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314/17 |
II |
Geändert nach der Handschrift; ZH: II |