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An meine liebe älteste Tochter

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Drey Briefe von Dir habe ich erhalten, meine Herzens liebe
Lisette

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Reinette,
ohne selbige noch bisher beantwortet zu haben. Der erste vom 12 Aug.

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für meinen Geburts-tag kam erst den 28
Sept
an. Der zweite vom 14 den

7
30
ej.
und der dritte vom 4
Oct.
den 15
ten
am 40sten Tage meiner Pyrmonter

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Cur und zum Schluß dieser
Quarantaine.
Ich danke Dir herzlich für Dein

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treues Andenken Deines alten kranken Vaters, der Gottlob! von Tage zu

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Tage sich immer mehr erholt, aber sich noch schonen muß, und weder

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Augenblicke noch Kräftig übrig hat. Nun sind wir Gottlob! alle wider hier

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zusammen, und leben wie die Kinder, bald möchte ich sagen, wie die Engel im

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Himmel, in Freuden und Unschuld. In Pempelfort hatte ich 2 Arzte und Hofrath

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Abel hat mich
ab
mit vieler Freundschaft und Sorgfalt in Abwesenheit

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meines lieben Reisegefährten abgewartet. Letzterer tritt eben herein mit

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seiner Uhr in der Hand um mir zu melden, daß die Post in einer halben

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Stunde abgehen wird, und ich habe noch Deinen beyden Schwestern ein

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Wort zu schreiben. Wenn ich werde
Angelmonde
den Bauersitz der

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Fürstin werde gesehen haben, geht die Reise so Gott will nach
Wellbergen
,

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von wo Dein Bruder an Dich schreiben, und an der Abschrift der

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Handschriften von der seel. Freyin v Bondeli fleißiger seyn wird als es ihm hier

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möglich ist.

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Entschuldige ihn und mich besonders gegen die
gnädige
Tante
– die

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mit meiner Unvermögenheit Mitleiden haben wird. Ich bin weder mit

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Worten noch mit der That
imstande
Ihr für alle Freundschaft und Liebe, die

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Sie mir in Dir erwiesen zu danken. Gott wird die Wünsche meines Herzens

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für Ihr Wohl und aller derjenigen, die unter Ihren Flügeln leben und weben,

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reichlich erfüllen. Sage Ihr – Ihrer würdigen Freundin – Deinen sämtl.

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Gespielen und dem guten Vater der guten Tochter so gut wie Du kannst,

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was Dein Herz Dir in den Mund legen wird. Unter den besten

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Seegenswünschen ersterbe Dein treuer Vater
Johann Georg.


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Münster den 25 Nov. am letzten Sonntag des Kirchenjahrs

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Gertrudchen hat gestern ihr erstes Vierteljahr glücklich geendigt. Ihr

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Vater u Mutter versichern Dich Ihrer herzl. Liebe und nehmen an allen

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aufrichtigen Antheil, die an meinen
Herzen
Gesinnungen so nahe
n
sind

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als meinem Andenken. Gott seegne Dich u laße alles wohl gelingen!

Bisherige Drucke

Siegfried Sudhof (Hg.): Der Kreis von Münster, 1. Teil, 1. Hälfte. Münster 1962, 233 f.

Bisherige Drucke

ZH VII 353 f., Nr. 1116.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
353/3
An […] Tochter]
Die Zeile darüber nach der Handschrift getilgt; ZH:
Münster den 25. November 1787
353/6
Sept
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Sept.