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354/4
Ddorf den 27
ten
Nov
1787.
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Vermerk von Hamann:
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Erhalten den 28 – –
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Geantw den 9 – 11
Xbr.
in Welbergen.
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Abgegangen den 12
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lieber Herzens Vater,
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Ich bin die ganze vergangene u diese Woche bestandig krank, u nun
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besonders seit 8 Tagen sehr leidend gewesen.
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Dein Brief hat mir in der Seele wohl gethan. Was Du über meine
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Schwestern sagst verstehe ich nicht ganz. Lene hat sich seit Deiner Abreise
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Sorgen gemacht u sich gegrämt, weil sie fürchtet, aus zu großem Vertrauen
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daß Du in das innerste ihres Herzens u ihrer Seele schautest, nicht vorsichtig
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genug gewesen zu seyn, allen Verdacht, daß Du
Ihr
auf irgend eine Art
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beschwerlich seyn könntest, zu entfernen. Eigentlich war diese Hypothese
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meine Erfindung, u es hat mich nachher genug gereut, daß ich ein Wort
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darüber mir hatte entfallen laßen. Nun kam Dein Brief u schien
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Bestättigung. Lene klagt, sie müße wohl ein sehr unholdes Wesen, mehr als sie selbst
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es je gefürchtet hätte seyn, da was sie mit größter Lust aus
eigener
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Begierde thäte, doch
das
ein Ansehen
hätte
gewönne, als handelte sie nur
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aus fremdem Triebe, oder wohl gar mit Unlust. Sie läßt Dich herzlich
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grüßen, nicht ohne Ansprüche an die Redlichkeit jenes irrenden Stallmeisters,
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„der sich so oft u so schön mit einem: Gott versteht mich! zu beruhigen wußte.“
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– Nur das: „ohne sich darum zu
bekümmeren
von seinen
Beßeren
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verstanden zu werden“, will diesem Stallmeister nicht recht u noch viel weniger
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ein, als dem fahrenden Ritter, seinem Herrn. Aber auch darin doch unendlich
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beßer als der Ritter, daß gewiß seine „Verlegenheit wie der Stolz eines
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Zwerges ist, der darum sorgt, seiner Statur die Lange einer Elle ansetzen zu
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können, um wegen seiner Spannenkürze nicht übersehen zu werden, u für
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eine volle Person der respective Gesellschaft zu gelten.“ – Auch von Lotte
S. 355
soll ich Dich so wahr u warm u nachdrücklich grüßen, als ichs nur zu
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bestellen wüßte. – Schenk ist Dir mit Herz, Geist Seele ganz ergeben –
D
Abel
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erinnert sich bey Gelegenheit daß Du ein vortrefflicher außerordentlicher
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Mann bist, u bittet seinem Collegen recht viel schönes zu sagen. Theobald
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Hoffmann habe ich diese Tage nicht gesehen, wohl aber den Gruß an HE
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Rector Reiz bestellt, u mir wegen seiner Entdeckung einer Wurzel alles
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Uebels in Dir Erläuterung zu verschaffen gesucht, ohne sie zu finden.
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Ich habe unter meinem kränkeln am 2
ten
Theil v Starkens Apologie,
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über 2½ Alp
h
abet groß, eine fast zureichende u erwünschte Zerstreuung.
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Von dem Verfaßer selbst habe ich noch kein Exempl, sondern nur vom
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Buchhändler, u vermuthe daß Ihr zu Münster auch schon werdet versehen seyn.
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Nach meinem Urtheile hat Stark alle ihm gemachten Beschuldigungen
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vollkommen
hinreichend
widerlegt. Es findet sich so gar beurkundet, daß die
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Functionen des Clericats,
anti
papistisch, und noch ausdrücklicher
15
anti
jesuitisch waren. Eine Stelle, die Frau v d Recke angehend ist Meisterhaft, u
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im besten Tone geschrieben. Andre gegen Ni
c
kolai, u vornehml. gegen
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Biester, sind mörderlich, u ich glaube der letztere hat keinen andern Ausweg,
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als sich eine Kugel vor den Kopf zu schießen.
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Ein Vergnügen beßerer Art hat mir Wienholts in Bremen Beytrag zu
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den Erfahrungen über den Magnetismus gemacht. Mir war als wenn ein
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erquikender Balsam über mich ausgegoßen würde. Den Beschluß
mach
t
ein
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Antwortschreiben auf einen Brief an
W,
in der Broschüre: Briefe von u an
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Lavater. Dieses Antwortsschreiben ist v der ersten Silbe bis zur letzten
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trefflich. Sorge daß Du das Buch bekommst; es wird auch allen dort wohl
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machen.
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Die Stelle v Jung über mich steht im Theobald
T II S
68–
71
.
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Einliegend Herders u Kleuckers Brief mit vielem Dank zurück – Morgen
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gebe ich 4 Heftchen v Lavater für Buchholtz auf den Wagen. – Ich schriebe
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gern mehr aber ich kann nicht. – von ganzem
Herzen –
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Dein Jonathan.
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 390.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 576.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 7: November 1787 bis Juni 1788. Hg. von Jürgen Weyenschops, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012, 25–27.
ZH VII 354 f., Nr. 1117.
Zusätze fremder Hand
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354/6 –7
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Johann Georg Hamann |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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354/4 |
1787. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: 1787 |
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354/16 |
Ihr ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: ihr |
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354/26 |
bekümmeren ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: bekümmern |
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mach t |
Geändert nach der Handschrift; ZH: macht |
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355/26 |
71 |
Geändert nach der Handschrift; ZH: 71 |
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355/29 |
Herzen – ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Herzen |