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407/26
Vlubris
den 3
Mart. 88 in praesepio,
auf dem Bette.
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Ich habe Ihren Besuch hier, Herzens lieber Franz, zwar nicht so genießen
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können, wie ich hoffte und wollte, aber mich wenigstens desto mehr gefreut
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über die Heiterkeit und
Integrität
Ihres Wohlbefindens während
30
Auf
Ihres kurzen Aufenthalts. Den ganzen Tag des 1 Marz im Bette
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zugebracht, und nicht eher als Sonntag
Laetare
des Abends aufgestanden um es
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machen zu laßen, dafür war ich auch im stande bey Tische zu seyn, legte mich
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erschöpft nieder und vielleicht etwas verkältet. Nach einigen leichten
S. 408
Anwandelungen von Colick und ängstl. Blähungen, habe eine der ruhigsten Nachte
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gehabt.
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Schon vorgestern erwachte mit dem ungewohnl. Appetit zu einem
Vomitif,
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zu dem sich
D. Raphael
wegen Ihrer bevorstehenden Abfahrt nicht beqvemen
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wollte. Mittags musten wir uns beide dazu entschlüßen, und ein paar kleine
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Loffel voll
Vini Antim. Hunh.
brachten alles zum Vorschein, was ich den
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Tag vorher in Ihrer Gegenwart meinem schwachen Magen und seiner
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Diarrhoe
zum Trotz verschlungen hatte. War halb gezwungen im stande einen
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Besuch von
D. Cormann
aus Borchorst und Rentmeister Becker aus
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Steinfurt anzunehmen, und plauderte mehr, als es sich für einen so abgematteten
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Invaliden schickte. Morgen hoffe ich wider auf meinen 2 oder 3 Beinen zu
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seyn und meinen Stuhl zu füllen. Ich feyre das runde Vierteljahr meiner
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Residenz mit einer
relatione curiosa
an unsern Jonathan, der das
feuchte
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und
morastige
Welbergen nicht ungeahndet gescholten haben soll.
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Ein paar Stunden nach Ihrer Abreise fiel mir die
Antwort
auf Ihre
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Anfrage
ein. Letztere hielt ich für eine Beurtheilung des Verhältnißes. Mit
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meinen
Urtheilen
bin ich niemals zurückhaltend, so bald ich mich ihrer
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bewußt bin, und schäme mich gar nicht wenn ich sie auch mit keinem andern
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Grunde, als einem
non possum dicere quare
der bloßen dunkeln
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Empfindung belegen kann. Ich kam warm von des seel.
Canonici,
sein Name ist mir
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nicht zur Hand zu unserm
D.
Arnold, der eben so warm über das Verhältnis
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brütete. Es kann mich also sehr
leicht
und würklich der Schlüßel des
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Verhältnißes verdroßen haben, weil es dem
Begriffe
widersprach, den ich
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mir eben von des seel. Mannes
Charact
er geschmidet hatte. Und auf dieses
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Misverhältnis
bezog sich mein Verdruß, weder auf Ihre Schrift noch
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auf meine Meinung von derselben.
D.
Arnold ist auch mit dieser Erklärung
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zufrieden und bildet sich wenigstens ein, daß ich ihm selbige auch damals zu
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verstehen gegeben habe.
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Wo ich nicht im stande bin zu urtheilen, wird es mir leicht damit hinter dem
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Berge zu halten und blos in diesem Fall läßt sich kein Urtheil von mir
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herausholen, weil ich keins gehabt habe, und ist keine Politik nöthig. Ich
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kenne keine andere als die ein
vehiculum
der Wahrheit und Aufrichtigkeit
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ist –
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Sie haben mir, Herzenslieber Frantz, ein Buch nachgelaßen, das mir nicht
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von ungefehr in die Hände gefallen und mir herzlich wohl thut. Der alte
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Chapelle
ist ein wahrer Seelenschmaus für meinen Geschmack. Sollte dies
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Buch noch nicht übersetzt
seyn:
so werd ich es erneuern u schließe wie dieser
S. 409
alte Mann seine Laufbahn mit diesem vortreffl. Werke über eine Materie,
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worinn ich mir längst mehr Unterricht und gründliche Ueberzeugung
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gewünscht. Schon in meiner frühsten Jugend qvälte ich mich an eines gelehrten
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Juristen ich glaube
Stryck
gelehrten
Quartanten de iure Sabbathi,
ohne
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damit fertig
werden
zu können, noch zu einem
Resultat
zu kommen –
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Ich habe unsern
D. Arnold
mit dem Eckelnamen eines Heuchlers geärgert;
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nun macht mich unser Jonathan auch zu einem
Hypocrite
reversed
– und
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leider verstehe ich den Sinn des engl. Beyworts nicht.
D. Raphael
und
9
famulus Michael
sind auch keine lebendige Wörterbücher. Gottlob! daß der
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terminus
unsrer Abfahrt ein wenig
prolongirt
ist.
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Ist das zurückgelaßene mineral. Buch von
Canonicus
von Beroldingen?
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– Sollte das zu Cöllen in 12
o
oder 16
o
gedruckte
geistl. Psalterlein
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dort zu bekommen und durch meinen Freund Detten in dem Buchl. oder bey
14
den Trödlern u
Antiqvariis
aufzutreiben seyn: so wäre dem alten lüsternen
15
Reconvalesci
renden mit dieser Näscherey sehr gedient, der aus seinem alten
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Gesangbuche öfters singt:
Ueberall ist meine Weide
!
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Endlich erscheint der
Pr. Erpenbeck
mit seinem
lapide diuino aut
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infernali,
findet die kleine Wunde schon gänzl. geheilt mit einer kleinen Rinde und
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die größere eilt mit Macht unter den besten
Aspecten
nach. Eine Stunde
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nach
den
Vomitif
zeigte sich das erste
Sediment
auf meinem
Urin
und die
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jetzige
Crisis
welche wol mit Gottes Hülfe die letzte und entscheidende seyn
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dürfte, wirkt durch alle nur mögl. Wege und Ausgänge. Das lose Maul
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feyert auch nicht, aber der arme kahle Kopf hat Ruhe nöthig, und kann oder
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will nicht weiter
mit
weder Auge
und
noch Hand –
NB
bey
Lichte
.
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Freude und Friede, Gesundheit und Einigkeit walte über Franz und Seine
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gute liebe
Marianne.
Tausend herzliche Grüße und Seegenswünsche von
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allen den Ihrigen und meinigen zu Welbergen. Und hiemit Gott empfohlen
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zur guten Nacht und vergnügtem Widersehen.
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Der alte Mann vom
Berge.
Joh. Georg.
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Adresse von fremder Hand, mit Siegelrest:
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An / Herrn Franz Bucholz / Herrn von Welbergen /
zu
/ Münster.
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nebst ein Hafen
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Lessing-Sammlung Nr. 1841 gg.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 405 f.
Ludwig Schmitz-Kallenberg (Hg.): Aus dem Briefwechsel des Magus im Norden. Johann Georg Hamann an Franz Kaspar Bucholtz 1784–1788. Münster 1917, 150–153.
ZH VII 407–409, Nr. 1139.
Zusätze fremder Hand
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409/31 –32
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Unbekannt |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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408/37 |
seyn: ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: seyn: |
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409/7 |
reversed |
Geändert nach der Handschrift; ZH: reversed |
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409/20 |
den ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: den |
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409/24 |
Lichte ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Licht |
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409/29 |
Berge. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Berge |