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470/18
Vermerk von Jacobi:
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Hamann.
Munster den 14
ten
May 88
Unger
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empf den 15. b den 16
ten
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M. den 14
M.
88. 9½ Uhr
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Ich bin auf dem Sprunge nach Angelmodde zu wallfahren und erhalte,
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lieber Herzens Jonathan Dein erwünschtes Schreiben nebst Beyl. die ich
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mitnehmen und noch einmal durchlesen werde. Die Beyl. des vorigen wären
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auch mit gekommen wen nicht Franz um den Aufschub eines Posttages
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gebeten hatte.
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Mache nur, daß Dein Schwindel aufhört, und nimm nicht an meinen
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minimis
zu viel Antheil. Am heil Abend fallen mir die
Livres Classiques de
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l’Empire de la Chine
vom Abt
Pluquet
übersetzt, in die Hände. Franz hatte
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selbige aus unserer guten Fürstin Bibliothek mitgenommen ohne sie angesehen
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zu haben. Auf meinem Faulbette hatten sie auch schon einen Monath auf
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mich gewartet. Ich laufe des Jesuitischen Gemälde von
China
mit Eckel
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durch und erbaue mich desto mehr an
Confucius.
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Dadurch bekomm ich lust Deinen
Chuking
den ich nicht Herz gehabt habe
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anzulesen und habe mich so vertieft, daß ich nicht aufhören konnte als biß
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ich damit gestern zu Mittag damit fertig wurde. Vor Freuden
bekomme
ich
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Lust u Muth nach St. Mauritz zu gehen – und habe den gestrigen Tag mit
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4 Gläser Punsch beschloßen, die ich der Mutter Marianne halb abgeilen und
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abpochen muste. Meines Artzt u Freundes
Druffels
Rath zu folge und den
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Eindrücken der kalten Witterung gemäß – liege ich jetzt später im Bette, und
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folge Eurem Rath –
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Heute nach Angelmodde gestern nach Mauritz u morgen vielleicht nach
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Lohmanns
Hause. Also herrlich und in Freude. Gott lob! daß meine Unruhe
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um Raphael umsonst gewesen ist.
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Ich habe heute
Alexis I
zum zweiten mal durchstudiert und habe den
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Kopf davon zieml. voll. Komm ich bey zeiten nach hause: so werde noch ein
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paar Worte hinzusetzen. Verspät ich, so hat Hans den Auftrag diese Zeilen
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zu befördern. Tausend Dank für Beyl. Die hamb. Zeitung hat Elise
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recen
sirt; von Zimmermanns Schrift weiß noch kein lebendiges Wort. Nur vor
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allen Dingen alles vermieden, was Deine
Migraine
reitzt und den Schwindel
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vermehrt. Gott empfohlen. Sonnabends schreib mit Gottes Hülfe gewiß.
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Gott mit uns allen. Amen.
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6½ Uhr.
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Ich komme eben von Angelmodde wider heim voller Zufriedenheit über
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den herrl. Tag den ich halb im Gezelt halb am Caminfeuer zugebracht
habe
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– Perikles kam auch nach der Mahlzeit zu Pferde hin. Ich habe
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Zimmermanns Schrift dort gefunden, die ich morgen erhalten werde und Kants
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Kritik der practischen Vernunft. Deine Briefe habe alle dort gelaßen und
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erwarte selbige morgen wieder zurücke.
Neckers Correspondance
habe auch
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durchgelaufen. Wieviel komt es auf die Ordnung an, mit der man die Dinge
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lieset. Von dem Innhalt kann ich nicht urtheilen, der geht mich auch wenig
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an und ist über meinem Horizont. Aber mit der Form bin ich ausgesöhnt und
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Calonne
gefällt mir nicht mehr.
Necker
mag sich immer in seinen
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Rechnungen geirrt haben; sein Verfahren ist offener und redlicher als seines hämischen
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Gegners mit seinem
Billet doux
und politischer Zurückhaltung.
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Quousque tandem
– – Du kannst Dich man auf diesen Anfang eines
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Hirtenbriefes gefaßt machen, wen Du nicht bald aufhör
s
t ein
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metaphysischer
Catilina
zu seyn.
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Meine Lebensgeister sind in einem solchen Taumel, daß ich heute nicht mehr
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schreiben kann. Morgen wills Gott nach Lohmanns Hause zu unserm
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Freunde Sprickmann, den ich seit 8 Tagen nicht gesehen habe und nach deßen
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Schwindel ich mich auch erkundigen muß. Mit der nächsten Post hoffe ich
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beßere Nachrichten von Deiner Gesundheit zu erhalten
.
Tausend Grüße
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an die Deinigen von dem alten
dito Oedipo. Vale et faue!
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 647–649.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 7: November 1787 bis Juni 1788. Hg. von Jürgen Weyenschops, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012, 212 f.
ZH VII 470–472, Nr. 1159.
Zusätze fremder Hand
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470/19 –20
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Friedrich Heinrich Jacobi |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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470/19 –20
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Hamann. […] 16ten] |
Hinzugefügt nach der Handschrift. |
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470/21 |
M. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: M, |
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471/1 |
bekomme ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: bekomm |
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471/20 |
habe ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: habe. |