1163
S. 483
Vermerk von Jacobi:

2
empf den 22
ten
  b den 23
ten

3
M. den 21 May 88

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Gottlob! daß das Tränkchen seine Schuldigkeit gethan hat. Mit mir wirst

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Du auch nunmehr ausgesöhnt seyn. Die Einl. hätte schon vor 8 Tagen,

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lieber Herzens Jonathan abgehen sollen, aber Frantz war an dem Aufschube

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schuld; und weil ich Necker
p
beylegen wollte, kam mir die fahrende Post

8
beqvemer
vor,
wegen des
Porto.
Den Brief aus Göttingen erhielte erst

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Sonntags Abends, lange nach Abgang der Post. Unsere christl. Aspasie hat heute

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mit uns gespeist. Diese Nacht wieder einmal gut geschlafen und sahe sehr

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munter aus. Wir erwarten Sie Abends wider und morgen halten wir bey

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Ihr Mittag vermuthl. mit dem Rath Druffel. Die Fürstin ist nicht

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miszufrieden, und ich bin dadurch von einem garstigen
paroxysmo
dadurch curirt

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und begeistert worden. Dein Urtheil habe in dem geschriebnen Briefe gelesen.

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Abschrift an den guten Grafen hat sie mitgenommen. Du gehst mit der

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unschuldigen Frau zu
cavalierement
und fast möchte ich sagen zu
berlinisch

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um, oder zu
starkisch
. Ist es denn nicht möglich Dich ein wenig kälter in

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der Sache zu machen, oder soll ich selbst mit der magischen Wünschelruthe

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kommen? Lieber Jonathan, werde doch ein kalter Zuschauer des

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Katzengebalges, wenn Du von dem Spiel
Nutzen
und
Vergnügen
haben

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willst. Ich bin gestern auf einen erhaltnen Wink bey Freund Sprickmann

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gewesen; aber zum
zweiten
mal hypochondrisch. Der Schwindel qvält

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ihn sehr. Sollte nicht der seel. Haßenkampf der unweise Geistl. seyn, von

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dem Zimmermann redt. Die fromme Aspasie hat sich an dem eiteln Ton des

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Ritters geärgert und also das Vergnügen nicht genießen können, das mir zu

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theil geworden. Der Stahlwein bekommt mir gut und ich hoffe auf die Woche

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in der Mitte derselben den Drieburger anzufangen, den unser medicinischer

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Arzt dem Pyrmonter vorzieht. Wir waren Montags bey der
D
Base

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Heckman
zum
Caffé
und ich trank ein Glas
Ale
mit dem HofCammerrath.

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Gestern waren sie bey uns zum Abendbrodt. Marianne klagt über Kopfweh

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u alte Zufälle; sie scheint diesen neuen Anfall durch die Wallfahrt nach

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Angelmodde verschlimmert zu haben. Die holde Freundin läßt Dir sagen, daß Du

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nicht mit Schreiben Dir Zwang anthun sollst. Sie ist u bleibt von Deinen

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Gesinnungen auch ohne schriftl. Zeichen überzeugt.
Pericles
ist in Paderborn

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und kommt erst morgen über 8 Tage zurück.

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Antworte mir doch, ob es ein Traum mit den Abschriften des

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epistolarischen
Pique-nique
ist, nach der ich so viel gesucht ohne eine Spur davon

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finden zu können?

S. 484
Ich kenne der Elise Schrift blos aus einer
Recension
der neuen
Hamb.

2
Zeitung
und traue dem
Recen
senten eben so wenig als der Muse und dem

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Hierophanten in Darmstadt. Entweder
allen gleichviel
, oder
keinem

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weiter als er mit
sich selbst
übereinstimmt, ohne Rücksicht auf meine

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eigene Denkungsart, die hier in keine Rechnung kommt. Daher haben
alle

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Recht in meinen Augen und eben so viel Unrecht – ohne Ansehen der Person.

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Tausend Grüße an Dich u die Deinigen von uns allen, und dem alten

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Leyermann
chorda qui semper oberrat eadem.

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Joh. Georg.


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Kälte ist Mangel des Gefühls und Ziererey Mangel des Geschmacks.

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Mangel an beyden ist leichter zu ersetzen als Ueberfluß auszurotten. Wenn

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ich meine Elise sehen werde, hoffe ich mit ihren Werken zufriedner zu seyn, als

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ich es mit ihren
Briefen
seyn kann.
DEUS prouidebit!

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 428.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 663 f.

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 7: November 1787 bis Juni 1788. Hg. von Jürgen Weyenschops, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2012, 231 f.

ZH VII 483 f., Nr. 1163.

Zusätze fremder Hand

483/2
Friedrich Heinrich Jacobi

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
483/2
empf […] 23ten]
Hinzugefügt nach der Handschrift.
483/8
vor,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
vor