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Liebster Freund u. Gevatter,
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Ihr langerwarteter Brief kam mir sehr erfreulich u. siebenfach erfreulicher,
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da er so gute Nachrichten enthielt, von denen ich zwar zum voraus durch
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Tradition etwas wuste, aber doch schwieg, theils weil es mir geheim anvertrauet seyn
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sollte, theils weil ich billig von Ihnen das erste Wort hören wollte. Ich erklärte
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mir indeßen auch hieraus u. aus der freudigen Bestürzung, in der Sie seyn
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würden, Ihr langes Stillschweigen. Nun Gott hat alles wohl gemacht, u. wenn
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ich die Verkettung der Umstände betrachte, wie Buchholz darauf kommen
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müßen, so wird mir der Finger der Providenz noch sichtbarer, die Wolken
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zusammenspinnt u. aus ihnen Thau der Erquickung regnet. Wie wir uns schon bei
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der ersten Nachricht hierüber gefreuet haben, bedarf keiner Worte, da wir
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wiewohl auf eine so unkräftige Weise in der Stille all ihr Leiden mitfühlten u. die
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Last, die Sie trugen, bei jedem Gedanken an Sie mir aufs Herz fiel. Nun
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nochmals, Gott hat Alles wohlgemacht u. es mir wie ein stiller Thau ins Herz
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geträufelt, daß Gott, der tausend Mittel u. Wege hat, auch für uns, wie wohl auf
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andre Art sorgen werde. Es ist mir seit dieser Zeit so leicht ums Herz, da ich auch
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ringsum mich sehe, wie Gott über u. gegen Menschenerwartung Alles schickt u.
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wendet. Es kommen Zeiten der Erquickung, wenn u. woher sie niemand weiß;
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laßet uns ihm also trauen u. glauben. Tausend Glück u. Segen für Ihren Sohn
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u. Ihre Tochter zu den Akademien beider u. Sie, alter Vater, legen jetzt Ihr
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Haupt desto ruhiger auf den Schoos der Vorsehung, die auch für die andern
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Sorge tragen wird, über Wünschen u. Hoffen.
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Ihre Lust zu reisen freuet mich, als ob ich mit Ihnen reisete;
die
u. die
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Freude, Sie zu sehen, wird auch mir neue Jugend geben. O wie viel ist geschehen
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u. überstanden, seitdem wir uns nicht gesehen haben. Aber, liebster H., mit
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Ihnen nach Düßeldorf oder Münster (wohin es sei) wie mir Jacobi
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hieroglyphisch andeutet, zu reisen, ist mir unmöglich. Richten Sie sich also mit Ihrer
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Reise so ein, daß wir uns hier sehen: es gehe zu Lande oder zu Waßer, so kann
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dies leicht geschehen u. ohne großen Umweg; machen Sie mir nur bekannt, wie
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u. wenn Sie Ihre Fahrt antreten wollen. Die Ursache meiner Nicht-Mitreise ist
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ehehaft
; weil ich nehml. mit meiner Frau u. einigen Kindern durchaus ins
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Karlsbad muß u. diese Reise weder aufgeschoben noch ersetzt werden kann,
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obgleich der gute, brave Fritz Jac. dazu allerlei Projecte ersonnen hat. Wir können
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uns auch hier stiller mit einander freuen u. zusammenleben. Eröfnen Sie mir
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also aus den Schätzen Ihres Herzens etwas weiteres von Ihrem Zuge, sobald
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Sie können u. ich werde mich darnach einrichten. Ich erwarte sehnlichst etwas
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weit
Näheres darüber u. schreibe deßwegen so flugs auf meinen vorigen Br.
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wieder. Glück u. Heil auf den Weg. Reiset nicht Ihr ältster Sohn mit Ihnen?
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Mich dünkt, die Reise würde ihm nicht schaden. Ich hätte groß Verlangen, ihn
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zu sehen u. Ihr Herz wird mit ihm frischer reisen.
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Der Tod ist hier wieder im Fürstenhause gewesen. Sonnabend früh ein Prinz
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gebohren u. nach 4. Stunden gestorben. Ich habe ihn diese Nacht begraben u.
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bin noch ganz verstört. Der Herz. von Gotha ist hier, dem, da er nach mir fragen
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laßen, ich Schandhalber aufwarten muß u. also an diesem Br., den ich doch
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nicht aufschieben möchte, leidig gestört werde. Wenn doch die tröstenden Fürsten
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zu Hause blieben.
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Unser gewesne Kammer HE. Seckendorf (der einge meiner Volkslieder
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componirt hat) ist vorige Woche als Preuß. Gesandter im Reich von Berlin
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zurückgekommen. Er hat mit Mendels. gesprochen, der auf die Fortsetzung
meiner
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der Ideen sehr begierig ist u. ihn darüber ausfragen wollen, wohin die Sache
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laufen werde. „Er fürchtet, er fürchtet, daß Schwärmerei dahinter stecke u. daß
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ich am Ende ein Flämmchen aufstecken werde, das, wie er gesagt hat, nicht
für
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uns
ist.“ Er hat gemeint, alle Christen seyn
Schwärmer
; ich glaube, weil ihm
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der Pfeil Ihres Golgatha noch zwischen Fell u. Fleisch stecken mag. Es ist
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sonderbar, daß die Metaphysiker wie Ihr Kant auch in der Geschichte keine
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Geschichte wollen u. sie mit dreuster Stirn so gut als aus der Welt läugnen. Ich
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will Feuer u. Holz zusammen tragen, die historische Flamme recht groß zu
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machen, wenn es auch abermals wie die Urkunde der Scheiterhaufe meines
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philosoph. Gerüchts seyn sollte. Laß sie in ihrem kalten, leeren Eishimmel
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speculiren! –
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Die Reck ist hier gewesen u. kommt diese Tage wieder her. Sie hat sich hier
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nicht sonderlich gefallen u. da alles
nach
dieser Art reciproqu ist: so – – hievon ein
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andermal oder mündl. mehr. Indeßen ist sie eine gute Frau, die mir auch schon
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dadurch lieb ist, daß sie dem Claudius anonym 100. Duc. geschickt haben soll;
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nur sie ist mit ihren beiden Nymphen eine Dryade aus den nordischen Wäldern.
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Ihre Anwesenheit hier traf auf meine Krankheit; ich habe sie also wenig
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gesehen u. noch weniger cultivirt, weil ihr vielleicht gutgemeinter
Allgeschmack
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ohne Genuß u. Verdauung nun einmal nicht nach meinem Sinn ist.
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Doch ich muß fort. Leben Sie wohl, bester Hausvater u. erfreuen mich bald
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mit einem Briefe. Tausend Glück u. Heil über Ihnen u. den Ihren. Ihr
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Herder.
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Von Caroline Herder:
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Auch ich, auch ich freue mich über das Heil u. die Hand Gottes, die zu Ihnen
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kam als ob es uns wiederfahren wäre u. ich weiß keine Worte unsre herzlichste
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Theilnehmung auszudrücken. Ja Gott ist u. bleibet der alte treue Gott u. der
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wunderbare Gott – davon wollen wir mündlich reden u. uns zusammen freuen.
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Kommen Sie bald zu uns treuer Freund meines Mannes, wie erquickend wird
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uns Ihre Gegenwart seyn! Gott segne jetzt tausendfältig die Erziehung Ihrer
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herzlieben Kinder u. Ihres lieben einzigen Sohns; lassen Sie sich ja durch ihn
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begleiten damit Sie die weite Reise nicht allein thun. Auch die liebe Hausmutter
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grüßen Sie tausendmal von mir deren Herz u. Mühe nun täglich leichter wird.
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Doch davon alles mündlich mehr, Feder u. Dinte vermag nicht das Innere des
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Herzens zu fassen.
C. Herder.
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Weimar den 28. Feb. 1785.
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Adresse:
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Herrn / Herrn
Hamann
/ Aufseher des Königl. Packhauses / zu /
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Königsberg
/
in Preußen
/
fr. berlin
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Vermerk von Hamann:
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den 9 März 85.
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Geantw den 28 Ostermontag – bis zum 31 März
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 274–275.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 225–227.
ZH V 387–389, Nr. 816.
Zusätze fremder Hand
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389/24 –25
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Johann Georg Hamann |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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388/34 |
nach |
Geändert nach der Handschrift; ZH: ? |
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389/22 |
fr. berlin |
Hinzugefügt nach der Handschrift. |