819
396/9
Königsberg den 19ten März 1785

10
Mein gutes, stilles, sittsames Palm-Sonntags-Kind, Das warst du mir bey

11
deinem letztem Besuche, und seit demselben habe ich während meiner ganzen

12
Krankheit unter diesem langen Titel an dich gedacht. Habe gestern und heute ein

13
wenig aufzustehen versucht, in der Hoffnung, daß es morgen besser damit gehen

14
wird. Hat die gnädige Baronesse nichts dawider, und giebt dir Erlaubniß, und

15
hast du selbst Lust, so wird es uns allen lieb seyn, dich morgen bey uns zu sehen.

16
Sey aber so gut und bring mir dein Schreibbuch, zur Probe deiner

17
Aufmerksamkeit, mit; auch bitte dir einige Musicalien für unser neulich gestimmtes

18
Clavier aus. Kannst du zu Fuß kommen, desto besser; wo nicht, so wird eine

19
Miethkutsche besorgt werden. Meine ehrerbietige Empfehlung an die gnädige

20
Baronesse, nebst meinen besten Wünschen und Grüßen sowohl an die alte

21
Mamsell, als an alle diejenigen, welche du das Glück genießest, zu deinen

22
Freundinnen und Gespielinnen zu haben. Gott segne dich, meine liebe älteste

23
Tochter, und schenke dir ein gehorsames, williges Herz zur Nachfolge alles

24
Guten, und zum baldigen Vorbilde und Muster deiner jüngeren Schwestern,

25
die dich nebst der Mutter herzlich grüßen.

Provenienz

Druck ZH nach Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 233 f. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort unbekannt.

Bisherige Drucke

ZH V 396, Nr. 819.