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Kgsberg den 6 Jun. 85.

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Verzeyhen Sie, mein gütiger HErr Kriegsrath und Freund mein langes

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Stillschweigen auf Ihren letzten, den ich bereits den 23 May nebst dem

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Praenumeration
sgelde für den 7 u 8 Theil des Nicolai erhalten. Ich bin den 1 dieses

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bey der
Direction
eingekommen um Erlaubnis auf 3 Monathe zu meiner Reise

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zu erhalten, und wurde an eben dem Tage durch einen Brief aus Düßeldorf zu

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meinem Entschluß gestärkt – auch wegen der andern ausgebliebenen Nachrichten

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beruhigt. Den Tag drauf, wie ich eben meine Antwort an J. zugesiegelt hatte

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mit dem Vorsatz nicht wider die Feder anzusetzen, bis ich Resolution aus Berlin

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erhalten würde, überrascht mich ziemlich spät HE Scheller eben so gelegen, wie

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HE Kriegsrath Deutsch bey dem Zerstreuung nöthig habenden Pf. Fischer

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einzukehren. Das
Warten
ist eben so verdrüslich als das
Suchen
nach etwas,

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was nicht mehr da ist, und die Ungedult in beyden Fällen
ist
vergeblich.

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Vorgestern
brachte
kam Hartknoch an (aber das mir zugedachte Pack war bey

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Haude und Spener liegen geblieben) nebst einem Briefe von Lindner, der nach

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Jena geht wegen des dasigen klinischen Instituts, das mir gänzl. unbekannt ist.

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Noch voll von Wien, geseegneten Andenkens, denkt er schon an eine Reise nach

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Engl. Mit Hartknoch kam ein junges Frauenzimmer Mlle Tobler mit, die nach

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Mohilew als Gouvernante bestimmt und diesen Morgen in Gesellschaft

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meiner guten Freundin u Gevatterin
Me Courtan
nach Riga abgegangen ist.

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Der neue Buchhändler
zu
aus Liebau, Friedrich, hat mich auch heute besucht,

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aber kein Exemplar des
Eusebe
mitgebracht, den er aber noch mit seinem

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Catalog mit der Post erwartet.

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Herr Wagner übernahm es zwar Ihnen die
Oeuvres
des
Duval
zu

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verschaffen – Hartknoch hat mir eins für meine Babet mitgebracht, das ich heute

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zum Buchbinder hingetragen, und Ihnen gleich mitgetheilt werden soll.

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Beykommende Blätter bitte mir bald wider aus. Das Programm des Girard

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wurde mir von Hintz sehr empfohlen; ich hab es noch nicht durchlesen können.

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Schlegel ist der Uebersetzer. Wenn Ihnen diese Kleinigkeit noch fehlen sollte; so

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bitte ich es mit derselben und der Kantschen Grundlegung eben so zu machen,

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wie ich
es
mit dem Machiavell, weil ich beides
in duplo
empfangen. Da Sie

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vermuthl. die größern Schriften des Girard vom Geschmack u Genie besitzen, so

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dient es wenigstens die übersetzten vollständig zu haben.

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Jo. Uphagen Ged. Scab. Ciuit. Prim. – Mit dem Briefe, den die Gräfin mir

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mittheilte, bin ich zufriedner, als mit einem andern, der fast mich allein betraf

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und von dem ich Misverständniße zu besorgen hatte und der deutsch geschrieben

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war. Jener enthielte auch Nachrichten von Ihrer gegenwärtigen Lage und

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geänderten Geschmack an Religion. Sie lebt zu Münster u ihr Gemal
zu
in Holland,

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jeder nach seinem Geschmack in einer sehr vernünftigen Tolerantz.

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Jacobi meldt mir bloß von guten
angenehmen Nachrichten
, die ich aus

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der ersten Hand erfahren soll – Ich freue mich also darauf, ein Augenzeuge und

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Mitgenoße der dortigen Veränderung zu seyn. Die Prinzeßin erbietet sich auch

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mir einen Reisepaß zu bewirken, aber gegen den Herbst – Auf allen Fall ist dieser

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Rückhalt auch gut. Zaudert die
Gen. Adm.
mit ihrer Resolution, so schreibe ich

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selbst an sie, und gedulde mich – bis zum Herbst oder auf das künftige Jahr.

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Ich werde alles mögl. thun Ihnen noch die
Mimik
vor meiner Abreise zu

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verschaffen, und hoffe daß HE Wagner auch für einiges neue Meßgut sorgen

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wird.

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Haben Sie Mitleiden mit meinem wüsten Kopf, der zu gar nichts taugt.

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Ersetzen Sie, was unserm Freund Scheller in meinem Hause fehlt; weil ich ein

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eben so elender Wirth als Gast bin. Vielleicht erhalten Sie auch einen Besuch

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von HE Cammer Sekr. Bock, den ich schlaftrunken für den
D.
Laubmeyer

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ansahe, und der mich das zweite mal nicht zu Hause gefunden. Mir graut vor

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mein eigen Geschmier – Empfehlen Sie mich der Frau Kriegsräthin. Ich weiß

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nichts mehr zu sagen als was Sie wißen von Ihrem

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unwürdigen Freund u D
iene
r

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J G Hamann.   


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Der 2te Theil von
Monbodo
ist in Berl. geblieben. Ich habe seine
alte

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Metaphysik
mir
kommen
verschreiben laßen und die beyden längst

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gewünschten Bücher seines Freundes
Harris
eben aus Engl. erhalten. Sie

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bestehen in einem Commentar über die
Praedicamente
des
Aristotelis,
welche er

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Philosophical Arrangements
nennt und in
philological Enquiries,
welche

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Elemente der Kritik sind.


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Adresse mit Mundlackrest:

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Des / HErrn Kriegsrath Scheffner / Wolgeboren / zu /
Sprintlacken
/

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Nebst Herders unverwelkl. Blättern.

Provenienz

Druck ZH vmtl. nach einer nicht mehr überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas oder einem Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.

Bisherige Drucke

Arthur Warda (Hg.): Briefe an und von Johann George Scheffner. München u.a. 1918. Bd. 1: A–K, 239–241.

ZH V 450–452, Nr. 841.