845
459/24
Herders Blätter habe gestern erhalten, und erwarte keinen schriftlichen Dank

25
als die Versicherung selbige mit so viel Herzenslust gelesen zu haben, als ich

26
dabey gehabt. Das merkwürdigste ist eine kleine Schrift, bey Nicolai

27
herausgekommen:
Ueber
Offenbarung
Judentum
u
Christentum
– worinn

28
ich ganze Stellen gefunden, die aus meinem Gehirn ausgeschrieben schienen.

29
Ich bin sehr neugierig den Verf.
dann
zu erfahren. Im Grunde ist es Schultz,

30
der nackte kahle Schultz, in einem anständigen Gewande.

31
Die beyden letzten Theile des Zimmermanns über die Einsamkeit habe auch

32
durchgelaufen, und mein alter Freund Kleuker zu Osnabrück ist auch in der

33
Obereitschen stinkenden Sache eingemischt, die meines Erachtens dem Z. selbst

34
zum grösten Schandfleck gereicht. Obereit hat sich verantwortet ohne das
VIII.

S. 460
Kapitel über sich abgewartet zu haben und hat dadurch vollends allen Credit

2
bey mir verloren.

3
Am Sonntage
Oculi
wurde ich vorigen Jahres von Jacobi zu Kloß

4
eingeladen, um
D.
Weickardt kennen zu lernen, den Nicolai an seinen Vetter

5
adressi
rt
hatte. Ich schlug es ab auszugehen – und glaubte einen Hofmann zu

6
finden, deßen Bekanntschaft mir eben nicht behaglich seyn würde. Des Abends

7
war es mir lieb zu Hause geblieben
zu
seyn, weil ich eine garstige Stelle im

8
Schiblemini
ins reine gebracht hatte. Den Tag drauf erfuhr, keinen muntern,

9
sondern ganz hypochondrischen und ungeselligen Mann verfehlt zu haben. Dieser

10
Widerspruch meiner Erwartung machte mich
wider
neugierig und verdrüßlich.

11
Im
Julius
lernte ich die Kammerherrin von der Reck kennen, die nicht gnug von

12
der guten Laune
u.
liebenswürdigen Geselligkeit dieses Mannes zu erzählen

13
wuste, auch dies mit Briefen von seiner Hand belegte, worinn er ihr schon diese

14
Biographie anmeldte. Einige Zeit vorher hatte Herder an einen HE
von

15
Gleichen
gedacht und bald hernach ward deßelben
Lebenbeschreibung
in den

16
Zeitungen angemeldt, auch die Confiscation dieses Buchs. Ich bat die Reckin mir

17
selbiges zu verschaffen, sie versprach es, möcht ich fast sagen, mit Hand und

18
Mund; auch war ich so galant ihr eine Kritik des
Rousseau,
den sie mit sich

19
führte, zum Andenken zu überlaßen – aber nichts bekommen, als gestern die

20
Nachricht, daß sie zu Waßer nach Curl. ihren Rückweg nehmen würde.

21
St. Nicaise, der ausposaunte Roman über die Freymäurerey ist auch hier,

22
habe ihn aber noch nicht zu
sehn
bekommen. Stark soll ihn geschrieben haben.

23
Außer Meierotto lateinsche Gramm. und der neusten franz. – die alle

24
verdienen gelesen, aber nicht gekauft zu werden und von den
en
sich so
Guts
als

25
Schlechtes sagen laßen – dem durch neue Aufl. abgeholfen werden wird, habe

26
ich nur
Ebelings
Logik für den gesunden Verstand gelesen, die ein recht gutes

27
Hausbuch zu seyn scheint und Resewitzens Erinnerungen
. Die für gut fanden,

28
ihr den Preis ertheilt zu haben, werden auch wohl eine neue Aufl. befördern.

29
Nun, mein gütigster Freund, auf die Grillen meines Lebens zu kommen, ist

30
meine Reise noch einen ganzen Monath ausgesetzt, welches mir im Grunde

31
nöthig war. Daß mein Alcibiades eine Frau genommen, und sich gegenwärtig

32
in Paris aufhält, habe ich Ihnen schon gemeldet. Jedermann hält die

33
Silhouette, welche er seinem letzten Briefe beygelegt, für den Schattenriß meiner

34
ältesten Tochter – von unserm lieben Oberbürgermeister, dem ich die Wahrheit

35
gesagt, bis auf unsern Lotterie-
Director,
den ich bey seiner Meinung gelaßen.

36
Die ganze Hauptsache bleibt noch dunkel für mich, und ich begreife nichts

37
davon. Die Fürstin hat durch ihren Bruder den Grafen von Schmettau schon

S. 461
wegen meines Reisepaßes gesorgt und
M. de la Haye de Launay
letztens

2
versichert, daß ich den ganzen Winter entbehrlich wäre und der König damit nicht

3
behelligt werden dürfte. Ich werde daher, wenn keine Antwort von der
Gen.

4
Adm.
oder dem
Chef
unsers
Departements Grottard
einläuft, mit dem Ende

5
Junii
selbst an
de la Hay
e schreiben.

6
Diesen Sonntag bin willens meine Andacht zu haben, mit meinem Sohn

7
zum ersten mal. Es ist eben das Evangelium, mit dem ich aus Engl. verwiesen

8
und in Riga bewillkommt wurde – ohne mich weiter drum zu bekümmern, was

9
für Freud oder Leid mir zum Abendbrodt zugedacht ist. Da ich allen

10
Ebentheuern entgangen zu seyn glaubte und an nichts als meine Verweisung hier

11
dachte, sehe ich mich in ein neues Labyrinth versetzt, ohne mir
selbst
rathen

12
noch andere um Rath fragen zu können, weil ich von nichts weiß. Aber eben das

13
thut mir wehe im Herzen, und sticht mich in meinen Nieren –
Ψ
73.

14
Der junge Graf Kayserling schickt mir eben den vorigen Nov. des deutschen

15
Museums, wo Elise (die Kammerherrin Reck) den Darbes besungen. Eine

16
wichtigere Nachricht fand ich da von der
Beaumarchai
schen Buchdruckerey in

17
Kehl, wo 36 Preßen und über 20 Setzer arbeiten – mehr als 10 Buchbinder p.

18
Die Speculation erstreckt sich auch auf deutsche Werke mit lateinschen Lettern.

19
Es ist ein Brief eines gewißen Frenzels an Dohm, und in einer langen Note

20
über
Friedel
profeßeur des Pages du Roi
steht auch etwas von einem
Cabinet

21
de la litterature allemande dans la rue Saint-Honoré au coin de celle de

22
Richelieu.
Die Gräfin
Genlis
ist seine
Protectrice.
Am Ende steht die Lüge, daß H.

23
Friedel
aus Kgsberg in Preußen sey.

24
HE Scheller wird also diese Woche eintreffen. Ich oder mein Sohn sollten

25
ihm
schreiben
aber
H
Kr. Hippel wiederrieth es. Desto eher erwart ich ihn –

26
In der allgem. Litt. Zeitung die ich heute gelesen nimmt man es dem Herder

27
sehr übel, daß er
Monboddo
und die
Uebersetzung
eines so unwürdigen Buchs

28
empfahl. Ich halt es auch dafür und gleichwol habe
mir
seine
alte

29
Metaphysik
verschrieben, wo ich noch weniger Trost für 1 ℔
Sterl.
wenigstens
zu

30
finden hoffe.

31
Wenigstens wird meine Reise für Johann Michel Erndte und Weinlese seyn.

32
Unser Haus in Münster ist erst den 20 8
br.
fertig und ich habe währender Zeit

33
Zürich
in petto.
Um sich zu meinem Kammerdiener zu qualificiren, hab ich

34
meinen jungen Studenten der schönen Künste vorige Woche ins Königl.

35
Hospital geschickt, wo er die Probe an 7 grauen Bärten gemacht. Seine Schwester hat

36
ihm neul. erzählt, daß die Baroneße einen Morgen sie geküßt, und sich Glück

37
gewünscht, wenn sie mit
allen
so zufrieden seyn könnte. Die
Zinsen
sind also

S. 462
Gottlob! nicht verloren. Im Zeichnen hab ich mehr von ihr erwartet, als ich aus

2
ihrem Buch ersehen; zu Hause schien sie große Lust dazu zu haben. Ihren

3
Fortgang in der Musik hat sie blos der Freundschaft einer Fräul. von Hallmann zu

4
danken.

5
Empfehlen Sie mich der Frau Kriegsräthin bestens, und was Sie nicht lesen

6
können, bitte auszulaßen, weil nichts daran einzubüßen ist pp.

7
J G
Hamann

8
den 21
Julii
85.

9
Auf der Adressseite:

10
Ist Ihnen eine Garvsche Uebersetzung aus dem Engl. bekannt:

11
Philosophische Betrachtungen über die thierische Schöpfung? Leipz. 769.


12
Adresse:

13
Des / HErrn Kriegsraths Scheffner / Wolgeboren / zu / Sprintlacken. /

14
Nebst einem Buch
.

Veränderte Einsortierung

Die Einsortierung wurde gegenüber ZH verändert, sie erfolgt chronologisch zwischen Brief Nr. 855 und 856.

Provenienz

Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Laut ZH früher im Besitz von Dr. Mäder, Allenstein. Textgrundlage ist eine Kopie der Handschrift aus Arthur Henkels Nachlass.

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, III 9 f.

ZH V 459–462, Nr. 845.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
459/27
Offenbarung
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Offenbarung,
459/27
u
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
und
459/29
dann
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
davon
460/4
D.
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Dr.
460/5
adressi
rt
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
adreßi
rt
460/8
Schiblemini
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Scheblimini
460/10
wider
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
wieder
460/12
u.
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
und
460/15
Lebenbeschreibung
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Lebensbeschreibung
460/22
sehn
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
sehen
460/24
Guts
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Gutes
460/27
. […] fanden,]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
. Die für gut fanden
,
461/11
selbst
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
selbst zu
461/20
Friedel
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Fridel
461/22
Genlis
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Genlis
461/23
Friedel
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Fridel
461/25
schreiben
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
schreiben,
461/25
H
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
H.
461/27
Uebersetzung
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Übersetzung
461/28
mir
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
ich mir
461/37
allen
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
allem
462/7
J G
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
J. G.
462/8
Julii
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Junii
462/14
Nebst einem Buch
.
]
Geändert nach der Kopie der Handschrift; ZH:
Nebst einem Buch.