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18/21
Kgsbg den 20
Julii
85.
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Mein gütigster Freund,
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HE Scheller u die Graventihnsche Herrschaft sind gestern abgereiset. Weil
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ich meinem Gast nichts zu eßen gegeben; so hielt ich es für meine Pflicht mich
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wenigstens bey denenjenigen zu bedanken, die ihn nicht haben verhungern
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laßen, und meinen Mangel ersetzt hatten, darunter gehörte auch HE
Diac.
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Kraft, den ich gestern gegen Abend im Vorbeygehn besuchte. Da fand ich ein
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Buch, das er geliehen hatte mir aber gleichwol so gefällig war auf einige
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Stunden zu überlaßen, und das ich ihm heut früh wider abgeliefert mit
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1000 Dank, wegen eben so vieler Freudenthränen, womit es gelesen trotz der
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vielen schweitzerischen und
desperat
en Ausdrücke. Ich bin Ihnen nichts im
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stande als den Titel davon abzuschreiben: Philosophische Vorlesungen über
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das sogenante Neue Testament.
Vor
Gelehrten,
für
nicht gelehrte
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Denker, ohne Glauben und Unglauben. Der Vorlesungen sind wo ich nicht irre 13
S. 19
gehen über die 10 Kap.
Matthäi.
Der 2 Band wird diesen Evangelisten zu
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Ende bringen. Der dritte Band die 3 übrigen nebst der Apostelgeschichte u der
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4te der letzte seyn über die Briefe.
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Ich hatte meinem Sohn einige thlr zu seiner Pillau’schen Reise
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mitgegeben. HE Sch. hatte ihn ich weiß nicht warum? fast gantz frei gehalten. Mein
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Sohn, der von meiner Rührung Zeuge gewesen war und dem ich diese
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philosophische Vorlesungen als ein logisches Instrument und Organ empfohlen
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hatte und lesen zu lernen – war mit dem unrechtmäßigen Gewinn bey
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Hartungs gegangen und sich den ersten Theil von Gatterer und für mich dies
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Buch dafür zu erstehen. Das letzte ist aber in keinem Buchladen zu haben
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gewesen; also auch die Freude, welche ich Ihnen damit zugedacht, vereitelt
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worden. Wenn ich HE Kraft widersehe, will ich ihn bitten es Ihnen
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mitzutheilen. Nächstens schreibe nach Zürich um mich nach dem Namen dieses
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würdigen Schriftstellers
zu erkundigen. Nichts gründlicheres
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können wir gegen die Bahrdschen Offenbarungen erwarten und keinen beßeren
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Beweis gegen alle die apokalyptische Exegeten, die zu Erdichtungen ihre
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Zuflucht nehmen, weil sie nicht lesen können und dem einfältigen Buchstaben
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nicht gewachsen sind.
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Die Eydgenoßengeschichte kenne ich noch gar nicht selbst. – Aber man darf
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nur das Buch ansehen; so ist es unmöglich an
Müller
zu denken. Sein
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Bruder aus Schafhausen schrieb mir, das jener sich zu Genf bey HE
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Tronchin aufhielt und 3 Theile dies Jahr auf einmal in Plan und Styl
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umgearbeitet ausgeben würde. Ob selbige auf Michaelis erscheinen werden,
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weiß ich nicht. – Da ich eben die Briefe dieses Umstandes wegen nachsehe
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finde ich darinn den Verf. der
Chiliasmusgeschichte
genannt
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Heinrich Korrodi
, der auch die
Bluttheol
. gegen L. geschrieben. Er soll
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ein kleiner, hökerichter Kandidat seyn und wie eine Misgeburt aussehen mit
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einer großen braunen Perücke.
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Ich glaube daß Pr. Kraus den ersten Band der Müllerschen
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Schweitzergeschichte habe, und es immer der Mühe werth seyn wird diesen ersten
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Versuch mit der umgearbeiteten Ausgabe zu vergleichen.
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Endl. habe ich Ihnen den 1. Theil der Büschingschen Biographie
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auftreiben können. Sobald ich HE Kr. Hippel sehe, bitte ihn um die Schrift
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über Offenbarung Judentum u Christentum.
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Zum Verhältnis der 3 Schwestern scheinen Sie mir den rechten
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Mittelbegriff verfehlt zu haben. Hier ist von keiner Popularität weder
à la
Möser
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noch
à la
Claudius die Rede, sondern vielmehr von Individualität. Die
S. 20
Bescheidenheit
des Verf. haben Sie gar nicht gemerkt, welches mir
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eines der stärksten Züge zu seyn zeigt. Seine Energie (die er den barmherzigen
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Schwestern in den Mund legt) hat freylich etwas geschrobnes in ihrer
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Manier – Aber die jüngste, welche Käthe mit einem Dornbusch vergleicht,
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Lisette
n es verbietet ihre älteste fromme Schwester zu ehren und von
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Schrauben
redt, welche dazu gehören und fest an den Gott zu glauben,
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der dich
gemacht hat, wie Du bist
. Eine solche Individualität ist nicht
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jedermanns Sache – und Familienumstände liegen auch vielleicht zum
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Grunde – Aber
de gustibus
– muß jeder seines Glaubens leben und der
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meinige kommt Ihnen vielleicht wie ein goldgelbes Prisma vor. Ach wie
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schön ist nur der
impur
e Styl in den philosophischen Vorlesungen und seine
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Kritik über die
impur
e Zürcher Uebersetzung des so genannten N.T. So muß
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man als Philosoph lesen, und eben so schreiben! leiden und handeln i.e. leben!
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Spaldings vertrauliche Briefe habe noch nicht zu sehen bekommen.
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Adelung habe mit den andern Büchern zugl. bekommen, und zeitig gnug.
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Kanters Hauskapelle ist noch nicht eingegangen. Prediger Lauwitz ist
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neul. sein Vicar gewesen; aber HE. Scheller that seine Reise hin und zurück
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per pedes apostolorum;
heute vor 14 Tagen, an einem Mittwoch, wo der
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unermüdende Neumann nur predigt.
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Ihr gutes Beyspiel hat vorigen Sonntag den 17. d. ein Päckchen von 17
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nachgezogen. Sie können leicht denken wie ich mich über das Glück gefreut,
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und wie ängstl. ich für seine Erkenntlichkeit besorgt bin. Meine gute
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Nachbarin die 3 Kronenloge übersandte es mir für den
Wanderer Hill
.
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Mein Sohn geht mit seinem Freunde Ernst in der Fischerschen Familie
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Graventihn um die Hälfte der Hundstage daselbst zu feyern.
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Den 20
Junii
haben mir B. und seine junge Frau Marianne aus
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Geldern
auf dem Wege nach Paris ihren 3tägigen Ehstand gemeldt – Sein
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voriges
Logis
wartet auf mich, und sie rechnen den ganzen Winter mit mir
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zuzubringen. Ich begreife von allem nichts und weiß keinen andern Rath als
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einen fest geschrobnen Glauben an den Gott, der mich gemacht hat, wie ich
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bin – Wie Er mich führt und führen wird, die Wege will ich gern gehen.
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Ueber diesen Grillen vergeht mir alle Lust zu reden und zu schreiben.
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Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemalin und verkennen Sie nicht im
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gegenwärtigen Taumel aller meiner Begriffe u Empfindungen
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Ihren
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alten Freund u Diener
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Joh. Georg H.
Provenienz
Druck ZH nach dem überlieferten Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 262–264.
ZH VI 18–20, Nr. 855.