846
462/15
Kgsberg den 22
Jun.
85.
16
Vermerk von Jacobi:
17
beantw. den 5
ten
Aug.
18
Verzeyhen Sie, Herzlich geliebtester Freund, daß ich Sie in Ihrer ländlichen
19
Ruhe störe – Ich war ohne hin willens an Sie zu schreiben, weil ich eben mit
20
einer kümmerlichen Antwort auf einen langen wichtigen Brief von unserm B.
21
fertig war, den ich den 15 d. erhielt, und worin er mir seine eben so plötzliche
22
Vermählung als Entfernung meldete. Auf die erste war ich durch einen Wink
23
von L. vorbereitet, und in Ansehung der Ehen bin ich gantz antipaulisch gesinnt,
24
freue mich über jedes Paar, das Gott zusammenfügt, und bin weit entfernt zur
25
Nachfolge meiner Ausnahme aufzumuntern. Er hat mir eine gantz
26
außerordentliche Freude mit der Silhouette seiner jungen Frau gemacht; weil
27
jedermann dem ich sie zeige, sie für d
as
en Schattenriß meiner ältesten Tochter
28
ansieht. Da ich mir gar kein malerisches Auge zutrauen kann, so laß ich mir diesen
29
Irrthum gerne gefallen, und habe wenig dagegen einzuwenden. Ich kann der
30
Göttl. Vorsehung nicht gnug danken, daß ich durch die Freygebigkeit eines mir
31
noch immer unbekannten und verborgenen Wohlthäters in den Stand gesetzt
32
worden bin, einen so rohen Stein ein wenig abzuschleifen. Mit diesem Monath
33
geht ein halbes Jahr zu Ende, und ich hoffe daß sie in höchstens ¾ Jahren einen
34
festen Grund gelegt haben wird, sich selbst fortzubilden und ihren jüngeren
35
Schwestern nachzuhelfen. Gott hat mir 4 gesunde Kinder gegeben und bis hieher
S. 463
erhalten. Die beyden ältesten haben von der Mutter eine harte Haut in den
2
Händen und etwas krumme Finger geerbt, welche sonst natürl. Wirkungen
3
harter und schwerer Arbeit zu seyn pflegen; mein Sohn leider! von seinem
4
Vater eine stotternde und widerliche
Sprache
, deren
Cultur
überhaupt in der
5
ersten Erziehung verwahrloset worden bei allen 4. Die Mutter ist eine rohe
6
Bäurin und ich, wie Sie wißen, ein
Sauvage du Nord sans rime et sans raison,
7
der sich weder auf Reime noch Syllogismen versteht, weder auf Manieren noch
8
Maximen. Mein junger Student, noch nicht 16 volle Jahr, ist bald so groß, wie
9
ich, und aus dem starken Verhältniße seiner Hände und Finger läst sich ein
10
analoges Längenmaas vermuthen. Seine älteste Schwester war ein
11
ausgestopftes Kind, wächst ihm aber ziemlich nach. Die mittelste ist von ihrer Geburt
12
an die schwächlichste gewesen, die empfindlichste und reitzbarste zu Thränen –
13
Die jüngste dafür desto fester und härter, daß sie nicht einmal lesen kann.
14
Wenn dieser
Detail,
liebster Jacobi! nicht nach Ihrem Geschmack ist und
15
Ihnen zu kleinfügig scheint – so bitte mir Nachsicht aus und mein Bedürfnis
16
mit ähnlicher Waare zu befriedigen. Ich möchte gar zu gern einige Kleinigkeiten
17
und unschuldige
Umstände,
wie es mit der Liebe meines Wohlthäters
18
recht zugegangen, ob das
respective
Publicum auch mit der Wahl zufrieden ist,
19
ob ihre Eltern noch leben – ob ich Unrecht gethan, meinen Alcibiades an die
20
Cardinaltugend der
Oekonomie
zu erinnern – ob Er Sie zum Vertrauten
21
s
Seiner Abwesenheit gemacht – ob Er nicht mehr Guts thut, als Er gegen
22
seine
Erben in Hoffnung
verantworten kann – Sie sehen aus meiner
23
einfältigen und ungeschickten Art zu fragen, daß ich nach keinen
24
Familiengeheimnißen neugierig bin, sondern
blos nach dem
, was
jedermann dorten weiß
25
oder voraussetzt zu wißen
.
26
Ich habe wirkl. höchst nöthig, mich auf meine eigene
Hand so
viel ich kann,
27
zu zerstreuen; denn aus meiner Reise für dies Jahr wird nichts, wie ich immer
28
die Ahndung davon gehabt, so sehr auch meine Freunde das Gegentheil
29
behauptet. Kaum hatte ich den ersten Löffel Suppe zu mir genommen, als ein
30
Sekretair von der
Direction
diesen Mittag mir die Antwort überbrachte, davon
31
ich die
Copie
beylegen werde.
32
Ohngeachtet ich auf diese abschlägige Antwort im Herzen völlig zubereitet
33
war: so rächte mich doch mit einem
beynah
wütenden Hunger an meiner
34
Schüßel mit grauen Erbsen – um mit meinem Johann Michel aus dem Hause
35
zu laufen, und Luft zu schöpfen. Mein erster Gang war zu Ihrem
36
Namensvetter, der mir schon des Morgens frühe gesagt hatte vor Tische noch aufs Land
37
zu gehen um seine Kinder zu sehen, die er seit 2 Tagen nicht besucht. Ich fand
S. 464
ihn auch wirkl. abgereist; von da zu meinem nächsten Freunde H. dem ich meine
2
Vorstellung, ehe ich sie der
Direction
eingereicht, gewiesen und mir nebst seinem
3
Gutachten die zuverläßigste Hoffnung gemacht hatte. Ihm war auch nicht gut
4
zu Muthe dabey. Dann kam ich auf den Packhof und nachdem ich das
original
5
dem
Licent Inspector de Marvilliers pro
ducirt, lieferte ich es dem
Secretaire
der
6
Direction
wider ab, welcher sich von selbst erbot mir die
Minute
des den 1 d.
7
ergangenen Berichts mitzutheilen, woraus ich mit Zufriedenheit ersehen, daß man
8
mit aller Treue u dringender, als ich selbst gethan, mein
Petitum
begleitet hatte.
9
Weder dieser Qveerstrich, noch der Besuch eines Freundes vom Lande, den
10
ich heute erwarte, soll mich abhalten diesen
V.
Sonntag nach
Trin.
meine
11
Andacht, mit meinem Sohn zum ersten mal, zu halten. Der Fischzug Petri war das
12
letzte Evangelium was ich in Engl. gehört und das erste bey meiner Rückreise in
13
Riga im Jahr 58.
14
In dieser ganzen Sache ist also weiter nichts anzufangen. B. hat mir alle die
15
Nachrichten mitgetheilt, welche er von der
grosmüthigen Fürstin
erhalten.
16
Es thut mir leid um Ihre verlorne Fürsprache – die ohne mein Wißen und
17
Willen geschehen. Danken Sie in meinem Namen – aber bitten Sie zugl.
um
18
Gottes Willen
– der mir heiliger ist als
Menschenliebe
, weder
Ihren
19
eigenen Einfluß noch des HErn Grafen in einer so unbedeutenden und ecklen
20
Angelegenheit
nicht
zu verschwenden,
noch
und zu misbrauchen. Ich habe
21
alles zum voraus gesehen, und auf ein Haar getroffen; demohngeachtet kann
22
ich meinen
alten Esel
nicht bändigen, noch ihm das Ausschlagen verwehren;
23
so weh ihm auch der Stachel thut.
24
Wie lange hat dies schwüle Gewitter schon über meinem Haupt geschwebt,
25
das unter dem jetzigen Ausbruch des Donners ein wenig erleichtert worden. Ich
26
bin aber noch nicht von meiner Betäubung wider zu mir selbst kommen. Feuer
27
im Dach, aber die Fäuste sind eiskalt, jedes glühende Eisen anzufaßen.
28
Meine Freunde verlieren nichts. Ich wäre zerrädert hingekommen, vielleicht
29
unterwegs liegen geblieben – und alle Liebeszeichen hätten das Gefühl meiner
30
eigenen Unmündigkeit mehr aufgebracht als besänftigt. Sie hätten ein krankes
31
elendes hypochondrisches Geschöpf ein
Ecce homo!
statt eines vernünftigen
32
Gesellschafters auf dem Halse gehabt.
33
den 29
St Peter u
Paul.
34
Ich habe diesen Brief angefangen, und liegen laßen, und wollte ihn
35
zerreißen – Wozu soll ich mich schämen deßen, was ich in der Zerrüttung meines
36
Herzens geschrieben habe, da ich mir kaum zutraue, es jetzt beßer als damals
S. 465
machen zu können. Ihr freundschaftliches Ohr wird durch meine gebrochene
2
Sprache nicht beleidigt werden und Sie werden der beste Dollmetscher meines
3
Sinnes seyn.
4
Noch denselben Abend, wie ich zur Beichte gegangen war, erhielt ich wider
5
einen Brief von meinem B. dem es nicht beßer als mir zu gehen scheint. Je
6
länger, je mehr kann ich sagen, wie Horatz zum Mäcen:
7
Vtrumque nostrum incredibili modo
8
Consentit astrum
– – – ohne mir den
Anfang
noch das
9
Ende
dieser Sympathie erklären zu können. Es war eigentlich ein doppelter
10
Brief, einer hob den andern auf. Das letzte Wort bestand in der Erklärung, daß
11
er den 15 d. sich
trauen
laßen
und nach
Paris
abgehen würde. Im Grunde
12
ist es mir unendlich lieber Ihn
nach
als
vor
dieser Reise zu sehen und kennen
13
zu lernen. So anstößig meiner reinen Vernunft alle Ebentheurer, Wunder und
14
Zeichen sind; so behagen
S
sie doch noch immer meinem alten Adam, und daß
15
meine
jüngern Brüder
etwas wagen, wozu ich zu unbeholfen und
16
ungeschickt bin. Erfahrung ist doch immer die beste Schule, und Evidentz der beste
17
Beweis – beyde mit keinem Golde, wenn man welches übrig hat, zu bezahlen.
18
So hab ich vorgestern die Freude gehabt von meinem Wagehals
Hill
einen
19
Brief aus Wien zu erhalten, an deßen Leben ich schon zu verzweifeln anfieng –
20
und der so viel Noth und Elend ausgestanden – daß ihm demohngeachtet der
21
Mund wäßert Asien, Spanien und Engl. zu Fuß durchwandern zu können,
22
weil er sich einbildet oder glaubt nun just so viel gelernt zu haben, als zu einem
23
solchen Versuch nöthig ist.
24
Heute habe Ihren Brief vom 17 d. erhalten, und mit meiner Antwort an B.
25
zu Ende g
e
eilt, um die Ihrige beschleunigen zu können. Jenen hab ich
26
inständigst gebeten mich gantz aus seinem Andenken auszustreichen, und an keine
27
neue Plane zu denken, bis er erst wider zu Hause seyn und
ausgeruht
haben
28
wird. So viel Zeit werde ich auch vollkommen nöthig haben, mich zu besinnen.
29
Danken Sie Gott, daß ich nicht kommen kann und seyn Sie fest überzeugt,
30
daß dieser
Betrug
für Sie und alle meine Freunde und mich selbst ärger
31
gewesen wäre, als der
gegenwärtige Betrug meines Ausbleibens
. Bey
32
allem meinem gesunden Appetit zu eßen, zu trinken und zu schlafen, ist
Kopf
33
und Herz
bey mir so
krank
, daß weder ich noch irgend Jemand mit mir das
34
geringste anzufangen weiß. Das Uebel noch ärger zu machen, lese ich den
35
gantzen Tag, was mir in die Hände komt, weil ich nichts anders zu thun habe,
36
noch zu thun verstehe, und mach mir den Kopf vollends so wüste –
37
Ein
Betrüger
wäre ich immer in den Augen meiner Freunde geworden, in
S. 466
beyden Fällen gewißermaaßen ohne meine Schuld. Ich sehe aber, daß des
2
Menschen Weg nicht in seiner Hand ist und der Plan eines höheren Fingers, der
3
meine innern und äußern Umstände regiert und lenkt – wie Er will, zu unserm
4
allgemeinen und besondern Besten. Er mischt sich in alle unsere Thorheiten,
5
Vorurtheile, Leidenschaften, sie mögen so blind seyn wie sie wollen.
6
Mein Sohn hat das meiste eingebüßt, und seine Freude hätte natürlicher
7
weise auch auf mich gewürkt; er weiß sich aber beßer, als sein Vater, darinn zu
8
finden, und ist in manchen Stücken weit klüger wie ich – wäre auch ziemlich das
9
Fac totum
meiner Reise gewesen, und wir Alten hätten unsere Augenweide an
10
der Freundschaft unserer Kinder gehabt. Zu einer kleinen Schadloshaltung hab
11
ich ihm erlaubt zu Waßer nach Pillau zu gehen mit seinem gewesenen
12
Hofmeister HE Scheller, der als ein Sachse sehr neugierig ist einen Hafen und
13
unsere Schiffahrt kennen zu lernen – und hierauf zu Land nach Trutenau, die
14
Papiermühle und Schriftgießerey seinem Freunde
k
zu
zeigen
15
Was mein alter lieber Herder von meinem Stillschweigen denken wird, weiß
16
ich nicht. Ich habe mich noch nicht
ein mal
für seine unvergängl. Blätter bedankt,
17
und schmachte nach dem zweyten Theil seiner Ideen, der um Johannis fertig
18
werden sollte. Schreiben Sie an Ihn oder
Claudius,
so denken Sie meiner im
19
Besten. Ich
besorge
den letzten in seinen Sommerentwürfen gestört zu haben,
20
denn mit dem ersten hab ich nähere Abrede nehmen können. Daß diesen
21
Sommer aus der Reise nichts werden würde, davon hab ich immer eine Ahndung
22
gehabt. Die Folgen dieses Qveerstriches und meiner
Schritte
, welche ich thun
23
werde, weiß ich nicht.
24
Der erste Theil von Mendelssohns Morgenstunden soll schon fertig seyn, ich
25
meyne aus der Preße. Die Stelle
qu.
steht in diesem Jahre der
Monathsschrift
,
26
etwa im 3 oder 4ten Stück. Kann ich selbige wider habhaft werden, so werd ich
27
die Seite
anmerken
.
Glücklich der mit Claudius Laune alles ansehen kann, aber
28
die ist nicht jedermanns Ding. Dich glücklicher Leichtsinn find ich nicht mehr,
29
und klügle mich elend –
30
An Spinoza und Metakritik ist nicht zu denken. Kommt alles Zeit gnug – und
31
der Verlust von keiner Bedeutung. Der
Hauptbrief
meines Wohlthäters
32
hätte mir alles, was mir jetzt zu meiner Beruhigung
ge
fehlt, aufgeklärt – nun
33
tapp ich noch immer im Finstern. Das Capital steht sicher bey Ihrem
34
Namensvetter, und die Zinsen sind an meiner Tochter nicht verloren, und werden es
35
auch nicht, wie ich zu Gott hoffe, an ihrem Geschwister seyn, wenn die Reyhe an
36
jedes kommen wird.
S. 467
den 30 auf meiner Loge oder
in telonio.
2
B. ist doch wol nicht der, den Cramer in seinem Klopstock anredt. Er hat mir
3
ein Münstersches Wochenblatt zugeschickt, wo ich mich wie ein Kind freute,
4
seinen Namen gedruckt zu lesen. Ich habe viel Zeit und Mühe gehabt, mich in
5
seinen Ton und Ausdruck hineinzustudieren – und dennoch zweifele
ich
einige
6
Stellen
recht zu verstehen; desto tiefer habe ich manche gefühlt. Die
7
Bescheidenheit
, sich selbst so gleichgültig und unbedeutend aufzuführen, ist für mich
8
der gröste und
bedeutendste
Zug seines Characters und richtigen
9
Beobachtungsgeistes, der auch in seinen Briefen mich einnimt. Seine Sprache ist ohne
10
Affectation eben so
sonderbar
, wie mein barbarisches Kauderwelsch. Hat er mehr
11
Beyträge geliefert – so sind Sie wohl so
gut
mich damit zu erfreuen, oder mir
12
wenigstens einen Wink darüber zu geben.
Er ist doch wol nicht derselbe, den
13
Cramer
in seinem Klopstock ein paar mal anredt, den ich neulich wider gelesen.
14
Wenn unser lieber
Franz
ohne Amt leben kann, wünsche ich Ihm
keins
wie
15
unser
Sok
Johannes
in Zürich thut.
Hoc erat in votis;
ich tauge für kein öffentl.
16
Amt
noch
Gesellschaft
. Ein
Hausvater
, der Familie und Vermögen hat,
17
ein wenig Philosophie und Geschmack, hat keine lange Weile zu besorgen, und
18
dem kann es an Geschäften u Arbeit nicht fehlen. Ich halte Sie für einen
Judex
19
competens
20
D. Weickardts Biographie hat mir ungemein gefallen; und es thut mir leid
21
die Bekantschaft dieses Mannes, die mir bey seiner Durchreise angeboten
22
wurde, versäumt zu haben. Das merkwürdigste, was ich von dieser Meße
23
gelesen ist eine kleine Schrift über
Offenbarung, Judenthum und
24
Christentum
, deßen Verfaßer ich gern wißen möchte. Ich habe viele meiner alten
25
ehmaligen Grillen darinn gefunden, auf die ich keinen so großen Werth mehr setze
26
als der unbekannte –
27
Der so hoch ausposaunte St Nicaise, ist ein sehr abgeschmackter – um nichts
28
ärgers zu sagen, des hochwürdigen Beichtvaters
olim
D. Stark – Er ist seiner
29
Schwägerinn von hier bis Berlin entgegen gekommen, wo sich unser Prinz sehr
30
lange mit ihm unterhalten haben soll – Auch der reitet sich an seinem Stockfisch
31
wund, wie der liebe Asmus sagt.
32
Kommen Sie, lieber Fritz, von Aachen zu Hause; so denken Sie doch an Ihren
33
alten Lendenlahmen Görgel. Gott gebe Ihnen viel Freude, und erhalte Sie mit
34
den lieben Ihrigen gesund. Machen Sie alles gut bey unserer
grosmüthigen
35
Fürstin
. – – Eine strenge Diät bey Waßer und Brodt gehört schlechterdings zu
36
meiner Gesundheit, die wie mein Leben, in guter Hand ist. Mit der besten
37
Hofnung ersterbe Ihr treuer Freund u
Görgel.
S. 468
Wenn Sie
Mirabeau’s
vortrefl. Werk
des prisons d’Etat
gelesen; so verdient
2
auch sein
Memoire
vom Prozeß mit seiner Frau angesehen zu werden.
3
Vermerk von Jacobi:
4
Königsberg den 22
ten
Juni
1785
5
J. G. Hamann
6
beantw. den 5
ten
Aug.
Die bei HKB 846 (V 463/29–31) erwähnte Beilage lautet (Provenienz: Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035):
496/5
No
1.
6
Da ich theils zur Widerherstellung meiner durch eine sitzende
7
kümmerl. Lebensart zu Grunde gerichteten Gesundheit, theils
zu
8
Abmachung wichtiger Familien-Angelegenheiten, eine Reise zu thun genöthigt
9
bin, und ich in Ansehung des ersteren das gröste Vertrauen zu einem
10
gegenwärtig in Halle sich aufhaltenden Artzt habe, zum letzteren
11
Geschäfte mich aber einer meiner nächsten Freunde mit dem Anfange des
12
Julii
zu Frankfurt an der Oder erwartet, auch die Kosten meiner Reise
13
und Cur übernimmt: so nehme meine Zuflucht zu E. Kgl.
Provincial-
14
Accise-
und
Zoll-
Direction
mir eine Erlaubnis auf höchstens 3
15
Monathe geneigt zu bewirken, dieses mein nothgedrungenes Gesuch bey
16
E. Kgl.
General-Admini
stration auf das Kräftigste zu unterstützen,
17
und Hochdieselbe von den während meiner Abwesenheit zu treffenden
18
Maasreguln
in Verwaltung des hiesigen
Packhofes
zu versichern. In
19
Zuversicht einer geneigten Erhörung habe die Ehre mit dem tiefsten
20
Respect
zu seyn
21
E. Kgl.
Prov. Accise u
Zoll
Direction
22
unterth. Diener J. G. H.
23
Kgsb. den 1
Junii
85.
Packhofverwalter.
24
No.
2.
concernant le congé que sollicite le Garde-Magazin
S
r
H.
25
Kgsb. le 1 Juin 85.
26
Messieurs
27
Ci-inclus est un Mémoire du Garde-Magazin
S
r
Haman
de la
28
Douanne de cette ville, tendant à obtenir un congé de 3 mois pour
29
faire un voyage à Halle, y
entreprende
une cure avec le secours d’un
30
Medecin de sa confiance, et pour traiter quelques affaires essentielles
31
de famille. Comme la Santé du Suppliant est à la verité des plus
32
mauvaises et qu’on prendra les mesures les plus convenables pour fair
33
suppleer à ses fonctions pendant son absence; il
dependra
de Vous,
34
Mrs. de lui accorder la permission qu’il sollicite avec instance, un de
35
ses amis l’attendant dans les premiers jours du mois de Juillet prochain
S. 497
à Francfort sur l’Oder, avec d’autant plus de raison que le Service du
2
Roi ne souffrira nullement de son absence.
3
Signé Le Directeur Prov.
Mag
Stockmar.
4
Meine ganze Anlage war den damaligen
Datis
gantz gleichförmig;
5
den 4 d. erhielt erst die Nachricht durch einen Brief vom 14 April von
6
meinem Freund
D.
Lindner, den mir Hartknoch mitbrachte, daß er nach
7
Jena dem
Instituto clinico
zu Gefallen gegangen war, und B. hatte
8
mir wirkl. sein Wort gegeben mich den 1 Jul in Fr. zu erwarten.
9
3.
10
Mr. Stockmar Directeur à Kgsberg
Berlin le 10 Juin 85
11
Malgré les mesures qui seroient prises, Monsieur, pour assurer le
12
Service du
S
r
H. garde magazin de la
Douanne
de votre ville pendant
13
son absence, nous ne pouvons deferer à la demande qu’il fait d’un
14
congé de 3 mois pour se rendre à Halle à l’effet d’y entreprendre une
15
cure. Vous lui repondrez, que nous pouvons d’autant moins lui
16
accorder un pareil delai, qu’il doit trouver dans une ville aussi
17
importante que Konigsberg des Medecins aussi experts qu’il peut y en avoir
18
à Halle.
19
L’Administration Generale des Accises et Peages
20
De la Haye de Launay
Grodart.
21
Diese
Resolution
ist in einem andern Briefe eingelegt gewesen und
22
daher nicht eher bemerkt worden, als heute.
23
Wenn ich antworten sollte so würde ich Ihnen auch sagen daß in
24
einem so wichtigen Reiche als
Pr
Ost und Westpreußen, der große
25
König mit wenig Mühe und Kosten einige
Financiers
hätte auftreiben können
26
ohne nöthig zu haben
un troupeau de f – – betes
aus Frankreich
27
zu verschreiben. Es komt aber nicht auf die Kunst des Doctors
28
und
oder Zahnbrechers an, sondern auf das
Vertrauen
des
Patienten
29
Dieser Schritt ist mir sauer gnug geworden, und ich habe ihn blos
30
aus Vertrauen auf die Vorstellungen meiner Freunde und Gönner
31
gethan. Jetzt setze ich keine Feder mehr an und rühre mich nicht vom Flecke
32
–
es gehe, wie es gehe
!
S. 498
den 30
Junii
.
2
Freylich, wenn mein Posten das wär, was er gewesen ist und seyn
3
sollte: so könnte u würde ich von
selbst
nicht abkommen können. Aber
4
die
Jean F– –
haben ihn so verstümmelt, daß ich schlechterdings nichts
5
zu thun habe, und Stunden, Tage auch Wochen lang entbehrlich bin.
6
Meine Vorgänger hatten nicht nur den
Packhof
sondern das ganze
7
Licent
unter sich, auch Stimme und Sitz im
Admiralitäts
Collegio,
8
welches von der
Regie
gantz abgesondert ist und zum
Ressort
der
9
Kriegs- und
Domainen
Kammer
steht. Die Aufsicht des
Licents
wurde
10
ein
poste de confiance
und erforderte wegen der
Correspondence
mit
11
der
General
-Administration einen Mann, der Französisch versteht. Man
12
ließ ihm das alte Gehalt und die Aufsicht des Packhofs, und er muste
13
3 Stuben zu den neuen Einrichtungen einbüßen die mein Nachbar, ein
14
Friseur
des Pr. von Pr. welcher die Wohnung des
Licent
-Einnehmers
15
usurpirt
und aus Liebe zur Gärtnerey sein eigen
Logis
diesem
16
abgetreten, sich wider zugeeignet und auf Königl. Kosten ausgebauet –
17
unterdeßen ich meiner Stuben entbehren und mich mit 4 Kinder elend
18
behelfen muß.
Marvilliers
hat nur ein einzig
Kind
19
77 bekam ich diesen Dienst durch Freund Reichardt. Man machte mir
20
das Leben so sauer, weil der eine
Nachbar
seinen Schwiegervater dazu
21
haben wollte und der andere
Nachbar
ein Darlehn eines
Capitals
22
brauchte. Ich gieng deshalb nach Berlin an
Mr. Morinval
; man trug
23
die Untersuchung den beyden Angeklagten auf, und meine
Resolution
24
bestand in
Drohungen
– die mir noch auf dem Herzen liegen.
25
Als ein Königl. Freywohner sollte ich auch mein Theil an Holtz
26
haben, das meine
resp.
Nachbarn bisher allein verschluckt. Seit einem
27
Jahre geschieht eine Vertheilung unter alle
Officiant
en; ich allein bin
28
ausgelaßen worden.
29
To be or not to be
– Schreib ich, oder schweig ich – Das
letzte
wär
30
das Klügste wenn mit manchem
Dixi
nicht ein
Liberaui animam
31
verbunden wäre. Zum Schreiben hab ich
Beruff
– An wen? Gewiß nicht
32
an die
GeneralAdministration
sondern an den alten Buben
de la Haye
33
de Launay
– um ihm Galgen und Rad anzuhängen – oder
reinen
34
Wein
einzuschenken. Was half es jenem alten Weib, den Olymp u
35
Acheron in Aufruhr zu bringen. Man lacht über das poetische
36
Ungewitter
S. 499
Die
Fooi
gelder sind seit 1633 als ein Theil unsers Gehalts
2
angesehen, und
jenes
dieses nach dem Ertrag jenes
Emoluments
3
modificir
t worden. Von 25 rth konnte man zu jenen Zeiten herrlich leben;
4
seitdem die Juden
Münzen
und die Franzosen die Auflagen
auf
5
Lebensmittel und der König selbst durch
Privilegia
alles theurer u
6
leichthaltiger macht, läst sich kaum Fleisch u Brodt, geschweige Arzney
7
da
für
mit
be
zahlen
streiten
. 1
6
767 haben sich die Hunde
in
8
Berlin
9
/
32
von unsern Biergeldern zuge
e
ignet, darauf
7
/
32
endl. ¼ und
9
nun gar verschlungen seit 782. Wie kann der König Lust zu unsern
10
Biergeldern haben? Sie haben sich eine Heilandscasse daraus gemacht. Aber
11
ihr Bauchgrimmen, sey wie mein Kopfweh! wenn es zu einem
Alea
12
iacta est!
kommen sollte. O du armes trotziges und verzagtes Herz! das
13
Niemand ergründen kann, als der es gemacht und gegeben.
Amen.
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 56–63.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 83–90, vgl. III 112 f.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 4: 1785. Hg. von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2003, 122–130.
ZH V 462–468, Nr. 846.
Zusätze fremder Hand
|
462/17 |
Friedrich Heinrich Jacobi |
|
468/4 –6
|
Friedrich Heinrich Jacobi |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
462/15 |
85. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 85 |
|
462/15 |
Jun. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Jun. |
|
463/17 |
Umstände, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Umstände, wißen Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): Umstände, wißen |
|
463/20 |
Oekonomie ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Oeconomie |
|
463/26 |
Hand so ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Hand, so Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): Hand so |
|
463/33 |
beynah ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: beynahe |
|
464/4 |
original |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Original |
|
464/6 |
Minute |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Minute |
|
464/17 |
um |
Geändert nach der Handschrift; ZH: um |
|
464/18 |
Ihren ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ihren Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): Ihren |
|
465/11 |
laßen |
Geändert nach der Handschrift; ZH: laßen , |
|
466/14 |
zeigen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: zeigen. |
|
466/14 |
k zu ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: zu |
|
466/16 |
ein mal ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: einmal |
|
466/18 |
Claudius, |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Claudius, |
|
466/19 |
besorge ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: besorge, |
|
466/25 |
Monathsschrift ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Monatsschrift Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): Monathsschrift |
|
466/27 |
anmerken . |
Geändert nach der Handschrift; ZH: anmerken. |
|
467/5 |
ich ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ich, |
|
467/8 |
bedeutendste |
Geändert nach der Handschrift; ZH: bedeutendste Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): bedeutendste |
|
467/11 |
gut ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gut, |
|
467/14 |
keins ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: keins, |
|
467/15 |
unser Sok Johannes ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: unser Johannes Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): unser ? Johannes |
|
467/19 |
competens |
Geändert nach der Handschrift; ZH: competens. |
|
468/1 |
Mirabeau’s |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Mirabeau’s Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): Mirabeau’s |
|
496/7 |
zu ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: zur |
|
496/14 |
Zoll- Direction |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Zoll- Direction , |
|
496/18 |
Packhofes ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Packhofs |
|
496/18 |
Maasreguln ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Maaßreguln |
|
496/23 |
85. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 85 |
|
496/23 |
Packhofverwalter. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Packhofverwalter |
|
496/24 |
S r |
Geändert nach der Handschrift; ZH: S r . |
|
496/24 |
No. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: No. |
|
496/27 |
Haman |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Hamann |
|
496/27 |
S r |
Geändert nach der Handschrift; ZH: S r . |
|
496/29 |
entreprende |
Geändert nach der Handschrift; ZH: entreprendre |
|
496/33 |
dependra |
Geändert nach der Handschrift; ZH: dépendra |
|
497/12 |
S r |
Geändert nach der Handschrift; ZH: S r . |
|
497/12 |
Douanne |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Douane |
|
497/20 |
Grodart. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Grodart |
|
497/28 |
Patienten ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Patienten. |
|
498/3 |
selbst ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: mir selbst |
|
498/6 |
Packhof ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Packhof, |
|
498/7 |
Admiralitäts […] Collegio,] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Admiralitäts Collegio , |
|
498/9 |
Domainen Kammer ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Domainen Kammer |
|
498/10 |
Correspondence |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Correspondenz |
|
498/18 |
Kind ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Kind. |
|
498/36 |
Ungewitter ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ungewitter. |
|
499/4 |
auf ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: auf alle |
|
499/7 |
da
für mit ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: für damit |
|
499/7 |
be zahlen streiten ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: zahlen bestreiten |