849
S. 1
Kgsb. den 1
Julii
85.

2
HöchstzuEhrender Herr Kriegsrath und Freund

3
Herr Scheller ist mit
s
meinem
Sohn Dienstags nach Pillau auf einem

4
Bierboot gereist, um sich nicht länger als einen einzigen Tag aufzuhalten. Es ist

5
heute der dritte, der Wind günstig und ich erwarte sie mit Ungedult. Diesen

6
Morgen habe Ihre gütige Zuschrift vom 24.
pr.
mit den beyden Büchern

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erhalten, Mittags bey HE Kr. H. mit HE St. Wirth u. Cammer
Secr.
Bock

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gespeist, letzten in meinen kleinen Hayn Mamre mitgenommen, wo ich auch

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wegen der Uebersetzung die nöthige Vor- und Abrede genommen. Virgil ist

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niemals so mein Vertrauter gewesen, wie ehmals Horatz, den ich einige

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Jahre lang alle Tage las und gleichwol nun fast ausgeschwitzt habe – und

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poetische Uebersetzungen sind gar nicht mein Fach. Um nicht spröde zu thun,

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hab ich mir sein
Mst.
ausgebeten – und wie es in meinem Kopf aussieht,

14
können Sie leicht erachten.

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Aus meiner Reise, wie Sie bereits wißen, wird nichts –
nous pouvons

16
d’autant moins lui accorder un pareil delai, qu’il doit trouver dans une

17
ville aussi importante que K. des medecins aussi experts qu’il peut y en

18
avoir à
Halle.
Diese
Resolution
z
vom 10 erhielte erst den 22
pr.

19
eben bey dem ersten Löffel Suppe. Sie war in ein
Moderations
Urtheil

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eingelegt gewesen und von ohngefehr herausgefallen.

21
Ob Ihre
Lectur
durch meine zurückgegangene Reise viel gewinnen wird,

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hangt, wie alles von Zeit und Glück ab. Gestern meldt mir Hartknoch daß

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der Herzog an die Regierung zu Mitau geschrieben haben soll, die ledige

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Superintendentenstelle wäre bereits von ihm besetzt, und daß man dies dem

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Aufenthalt der
Elisa
zu Weimar zuschreibe. Gott gebe daß es wahr werde

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und Herder durch seine Verpflanzung gebeßert seyn möge. So wäre ich durch

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seine
Ankunft schadlos gehalten. Zedlitz hat eine abschlägige Antwort vom

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Könige selbst erhalten, die ihm noch bitterer als meine schmecken muß.

S. 2
St. Nicaise ist ein elender Roman, und in meinen Augen noch was ärgers.

2
Man kann keinem Zeitungsurtheil, nach dem Lauf der Welt trauen. Auch

3
beykommendem
Eusebe
wünschte einen glücklichen und
beßern
Ausgang,

4
der dem Ganzen gar nicht Gnüge thut. Vom Gr.
Mirabeau,
der das schöne

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Buch über Staatsgefängniße geschrieben habe ich mit viel Vergnügen ein

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Memoire
gelesen gegen seine Frau, die sich von ihm hat scheiden wollen,

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welches ich Ihnen auch mit der Zeit zu übermachen hoffe – wie Adelung vom

8
Styl, der auch
meinen
das Ohr gezwickt haben soll.

9
Ich lese jetzt
Blairs
Vorlesungen von Schreiter, der sich schon durch eine

10
neue Orthographie und Zusätze zu unterscheiden anfängt. Garwens Cicero

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ist sehr streng in der Zürcher Litteratur beurtheilt worden, welche den

12
langweiligen wie naseweisen Ton der Berliner zu übertreffen sucht.


13
den
2 –
Mar. Heims.

14
Mein Sohn ist noch nicht zu Hause, der Wind entgegen – und ich werde

15
unruhig, da Scheller sich ausdrückl.
vornahm
nicht länger als einen einzigen

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Tag sich dort aufzuhalten. Das Neue St. Petersburgische
Journal
von
84

17
habe jetzt erst erhalten u Hartkn. schreibt, daß Arndt es vermuthl.

18
beschließen wird – Mit dem Bogen K ändert sich auf einmal die Unterschrift des

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Titels, wie ich im Durchblättern bemerkt.

20
Ich muß eilen – um die Einl. meiner heutigen Post zu besorgen. Hill lebt

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in der grösten Armuth und Dürftigkeit, seinen Brief vom 15 Juni aus Wien

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werde so bald ich kann mittheilen. Habe erst einen einzigen # baar erhalten

23
und Kr. H. hat mir zu mehr Hofnung gemacht. Empfehlen Sie mich dero

24
Frau Gemalin und sympathisiren Sie ein wenig mit meiner gegenwartigen

25
Unruhe, doch ohne Eingriff der
Ihrigen

26
J G Hamann.


27
Die beyde Ankündigungsblätter gehören zur Maculatur des Päckchens

28
aus
Riga.


29
Adresse:

30
Des / Herrn Kriegsrath Scheffner / Wolgeboren / zu /

31
Sprintlacken
. / Nebst einem fr. u deutschen Buche.

Provenienz

Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, HA, Autographen, K. 40, Hamann, 01.07.1785.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 253–255.

ZH VI 1 f., Nr. 849.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
1/3
s
meinem
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
meinem
1/18
Halle.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Halle.
1/25
Elisa
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Elise
1/27
seine
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
seyne
2/3
beßern
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
beßeren
2/8
meinen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
meinem
2/9
Blairs
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Blair
s
2/13
2 –
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
2
2/15
vornahm
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
vornahm,
2/16
Journal
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Journal
2/16
84
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
84,
2/25
Ihrigen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Ihrigen.
2/28
Riga.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Riga