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Kgsb den 1
Julii
85 gegen 7 Uhr

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Nicht eine Sylbe von Ihnen, liebwertheste Freundin, in H. Briefe zu

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finden; davon liegt mir doch die Erklärung auf dem Herzen. Kommt diese

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Vergeßenheit von Krankheit – Arbeit – Laune? Ich habe heute bey

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Kriegsrath Hippel mit unserm guten
Collin
gespeist, der anfangs auch nichts

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wuste, sich aber endlich besann, daß Sie nach Mitau gereiset wären. Haben

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Sie eine angenehme Reise und Gesellschaft an Ihrer Gefährtin gehabt?

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Wenn
S
sind Sie angekommen, wenn ist letztere weiter gegangen? Wie

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gefällt Ihnen dortige Witterung und Welt? und vornemlich wie geht es mit

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Ihrer lieben Gesundheit? Bekommt Ihnen das Reisen? Habe den

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Nachmittag mit Kammer
Secr.
Bock aus Marienwerder im Hayn Mamre

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zugebracht – und nun warte mit Ängsten auf meinen Sohn. Den ersten #

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heute für meinen armen Hill eingenommen von HE
Jacobi,
und mein

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gehabter Gast hat es über sich genommen den AdmiralitätsDirector geneigt zu

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machen seinem Bruder dem
Legations
rath dort unsern Landsmann zu

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empfehlen und das zusammengebrachte Lösegeld durch ihn zu befördern. Alles

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übrige unangenehme mag ich nicht widerholen, weil Freund H. Ihnen den

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Inhalt meines Briefes mittheilen wird. Die Reise- und Lebensgefährtin

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meines Wohlthäters ist eine geborne
Marianne
Detten
,
und ihre

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jedem auffallende
Ahnlichkeit
mit meiner
Lisette Reinette
ist eine angenehme

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Täuschung für mich. So wechselt angenehmes und unangenehmes, wie Licht

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und Schatten.

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Erfreuen Sie mich bald mit einigen Zeilen; ich habe Zerstreuung höchst

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nöthig, um mir selbst erträglich zu seyn. Sie können sich das Grundeis in

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meinem Gemüth leicht vorstellen. Der junge Gr Kayserlingk sagte mir neul.

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daß die Kammerherrin von der Reck zur See nach Curl. gehen würde. Mein

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Freund Mayer wird auch bald mit Frau und Kind zum HE von Kleist

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aufbrechen, wozu ich ihm Glück wünsche. Woher nehm ich neue Kraft,

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aufzufahren mit Flügeln, wie ein Adler! Wenn Sie Hintz sehen, so denken Sie

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auch, und so oft Sie lange Weile dazu haben, an Ihren alten ergebnen

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Freund und Diener, der sich mit allen, die ihm nahe und ferne sind, bestens

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empfiehlt mit Herzen, Mund und Hand.


S. 4
Mariä Heimsuchung.
2. Juli

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Der Wind ist entgegen, und mein Sohn noch nicht zu Hause. Wenn sie

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heute nicht kommen; so geht es nicht richtig zu.

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Leben Sie desto zufriedner u geben mir bald gute Nachrichten, beßere als

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die meinigen.


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Adresse mit Mundlackrest:

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à Madame / Madame Courtan, / née Toussaint

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 2.

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 83–90, vgl. III 159.

ZH VI 3 f., Nr. 850.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
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Ahnlichkeit
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Ähnlichkeit