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Kgsb. den 28. Jul. 85.

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Sie erhalten, höchstzuEhrender Freund, den 2 ten Theil von
Blair
s

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Predigten. Ich bin so glücklich gewesen seine Vorlesungen im Engl. hier zu

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erhalten. Sie machen 2 starke Quartbände mit seinem Kupferstich – Schade

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daß ich kein gebunden Exemplar der Uebersetzung auftreiben kann, um

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selbige zu vergleichen.

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Es ist in Göttingen ein Versuch über die Bildung der Jugend zur

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Industrie ausgekommen – der Vorläufer eines großen Buchs; auch sind schon

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Proben zur Ausführung daselbst gemacht worden, laut der Vorrede. Moritz

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hat in den Berliner Zeitungen dem ungenannten Verf. einen Sitz im Senat

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der Menschheit zuerkannt. Ich habe beynahe die Gedult verloren den

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Versuch zu Ende zu lesen.

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Der erste Band von dem kleinen Roman Moritz ist mit dem Namen des

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Verf. aus dem T. Merkur abgedruckt worden. Er heißt
Schultz
mit

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3 Vornamen und macht Appetit zu mehr Bänden.

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Bahrdts Appellation und abgedrungene Replik habe heute auch

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durchgelaufen, wegen der ihm versagten Censur und nachtheiligen Prä-recension

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seiner Dogmatik von Pr. Schultz, den ich gar nicht kenne und der am

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übelsten abkommt. Auch Eberhard, Nößelt bekommen ihr Theil und der

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halbschlägige Semler. Die Acten verdienen, completer wie ich Sie erhalten,

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gelesen zu werden.

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Haben Sie schon des Morus Uebersetzung vom Brief an die Hebräer

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gelesen? HE. Scheller hat mir selbige zugeschickt – Ich vermuthe daß Sie

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diese schöne Schrift Selbst besitzen werden.

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Hier läuft ein ärgerl. Gerüchte von dem würdigen Rector in Brieg, das

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aber für eine Lüge halte, weil er erstlich für tod ausgegeben wird, ich habe

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hernach gehört, daß er seine Vernunft verloren haben soll wegen eines

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häusl. Unglücks, und weil er sich die Schande seiner Tochter zu Gemüth

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gezogen. In Curl. lief zu meiner Zeit das Gerüchte daß Gellert sich

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aufgehangen und es hieß, sein Famulus hatte durch einen Scherz dazu

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Gelegenheit gegeben, weil er bey Aufräumung seiner Stube sein eigen Bild

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aufgehängt.

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Gestern erhielt einen Brief aus Paris vom 11. d., wo man noch nicht weiß,

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daß ich als ein
glebae adscriptus
Niet- und Nagelfest bin, und sich

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meinethalben ohne Noth beunruhigt – Heute habe einen Brief gelesen, kraft deßen

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die Gen. Ad. einen HE von Losch,
Sous-Controleur
im Krahn, einen

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Urlaub auf 3 Monathe allergnädigst bewilligt. Wenigstens habe ich den Trost,

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nicht völlig so entbehrlich zu seyn als dieser
Cavalier d’honneur

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Empfehlen Sie mich bitte der Frau Kriegsräthin – Erinnern Sie sich des

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Freundes in Marienw. und wenn Sie eine günstige Antwort seinetwegen

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erhalten – Gut Wetter zur Aust und für die Gäste in Graventh. Meine

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Gläser stehen so tief, ohne sich zu rühren. Leben Sie recht wohl.

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JGH.


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Adresse:

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Des / HErrn Kriegsraths Scheffner / Wolgeboren / zu /

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Sprintlacken
Nebst
vier
Büchern.

Provenienz

Druck ZH nach dem überlieferten Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.

Bisherige Drucke

Arthur Warda (Hg.): Briefe an und von Johann George Scheffner. München u.a. 1918. Bd. 1: A–K, 242 f.

ZH VI 28 f., Nr. 858.