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Kgsberg den 1
Aug.
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Geliebtester Herr Doctor und alter bewährter Freund,
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HE Hartknoch brachte mir den 4
Junii
Ihren Brief vom 14 April, wo
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Sie mir Ihre Verpflanzung nach Jena meldeten. Ich war eben ein paar
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Tage vorher den 1
Junii
mit einem
Petito
bey der hiesigen
Prov. Direction
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eingekommen, wo ich um einen Urlaub auf 3 Monathe anhielt, und mir die
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Freyheit nahm mich auf einen Artzt in Halle, unter ich Sie dachte, und auf
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einen Freund zu beziehen, der meiner den 1
Julii
zu Frankf. an der Oder
S. 42
erwartete. Alle
data
hatten sich auf einmal geändert. Sie waren aller
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Vermuthung nach schon in Jena – der Freund gieng mit einer jungen
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liebenswürdigen Frau, plötzlich nach Paris – und den 22
Junii
bekam ich von der
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Gen.Adm.
eine abschlägige Antwort.
Vous lui repondez que nous pouvons
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d’autant moins lui accorder un pareil delai, qu’il doit trouver dans une
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ville aussi importante que Kgsb. des Medecins aussi experts qu’il peut
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y en avoir à Halle.
Ich hätte nun freyl. auch darauf
antworten
sollen
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daß in einem so
important
en Königreich als Ost- und Westpreußen sich ehrl.
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und kluge Köpfe gnug fänden, ohne daß der König und
φφ
von
S.S.
nöthig
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gehabt hatte
une foule de f‥ betes et de brigands
sich aus Welschland zu
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verschreiben mit so viel Kosten und
risico,
und daß des Patienten Vertrauen
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zum Verdienst des Artztes gehöre, wie der blinde Glaube zum Credit und
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Glück der Schelme. – Ich hätte ohne diesen Qverstrich das 2te mal das
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Vergnügen gehabt Sie zu überraschen, wie ehmals in Braunschw.
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Durch Besorgung meines Freundes
Jacobi
sind zu Ende des hiesigen
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Jahrmarkts ½
Douz.
Hemde einem
Berl. Kaufmann
mitgegeben worden,
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deßen Name mir entfallen wie des Münz
Controleurs
zu Berlin, an den
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selbige durch HE
Str. Wirth
addressi
rt worden. Wenn Sie noch nichts
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erhalten, und Sie die beyde mir entfallene Name zur Erkundigung darnach
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nöthig haben: so bitte bald deshalb anhero zu schreiben. Alle ihre Freunde,
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deren Name Ihnen nicht entfallen seyn werden, wünschen Nachricht von
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Ihnen, auch im Fall einer nöthigen
Addresse,
damit es nicht in Jena wie in
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Halle geht. Sie erhalten diese Zeilen über
Weimar
, wohin ich auch
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einen Brief
zu
addressi
ren bitte an unsern alten Landsmann
Herder
,
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der einen gleichaltigen empfangen wie Sie, und beyde meinem jungen Freund
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und Wanderer
Hill
mitgeben kann, den ich vielleicht selbst an Sie
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addressi
re, um durch einen
Expressen
Nachricht zu erhalten. Der Brief ist
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eigentl. an Sie nach
Halle
addressi
rt gewesen, in welchem Fall ich
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schlechterdings wenigstens so viel wißen muß, ob er Ihnen zu Handen gekommen
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oder nicht. Er kommt aus
Paris
– in der Voraussetzung, daß ich bereits
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unterwegs wäre.
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Mein Sohn Joh. Michel studiert seit Ostern und hält die Hundstagferien
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in Graventihn, von da ich ihn mit dem Ende dieser Woche erwarte. Er sollte
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mein Reisegefährte seyn – und auf allen Fall noch werden. Meine
Lisette
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Reinette
macht der Baroneße Ehre und Freude. Gottlob für Gesundheit und
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alles übrige Gute. Meine alte Hausmutter hat diesen 27
Julii
zum ersten
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mal ihren Geburtstag gefeyert. Der meinige ist den 27
Aug.
und des
S. 43
Doctorandi
den 27
Sept.
Was für ein Muster von Haushaltung als mein
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wenn alles so verhältnis u Stuffenweise gienge, wie die
Data
unserer
3
Geburtsmonate u Tage. Meinem Gesellen Hill geben Sie viel gute Lehren
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und Nachrichten mit, aber ungern versiegelte Briefe – Wenn Sie eine
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gute Seelenarzeney lesen wollen; so empfehle Ihnen die philosophische
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Vorlesungen über das sogenannte Neue Testament. Der Titel ist lang und bunt,
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aber jedes Wort hat seine gesunde Bedeutung. Ich möchte den Namen des
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Schweitzers gern wißen. Hat Ihnen nicht Weickhardts Leben auch gefallen.
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Ich sollte den Mann von Person kennen lernen, und habe die Gelegenheit
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muthwillig versäumt, lernte ihn nachher aus der Elisa Munde u seinen
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Briefen an Sie kennen. Ich umarme Sie mit den besten Wünschen und Grüßen
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in petto
als Ihr alter treuer Freund und Diener
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Johann Georg Hamann.
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Adresse mit rotem Lacksiegelrest:
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à Monsieur / Monsieur Lindner, / Docteur en Medecine /
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presentement / à /
Jena
.
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 4.
Bisherige Drucke
Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 156.
ZH VI 41–43, Nr. 863.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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42/16 |
Berl. Kaufmann ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: Berl.Kaufmann |
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42/18 |
Str. Wirth ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: Str.Wirth |