868
51/29
Kgsberg den 18
Aug.
an meines lieben Pathen Geburtstag 85.
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Herzlich geliebter Freund,
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Ihren Brief vom 4 erhielte den 13 d. zu großer Freude und Trost. Ich
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wollte schon den Sonntag drauf gleich antworten, that es auch wirklich den
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Montag – schämte mich aber meines Geschmiers, dergl. Sie schon kurz
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vorher bekommen hatten, und bleibe heute den ganzen Tag zu Hause um in
S. 52
Gedanken bey Ihnen zu seyn, ohne alle Wahrscheinlichkeit beßer schreiben zu
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können – weil
scribendi principium et fons
bey mir ausgetrocknet sind, so
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sehr es auch wider regnet, und meine jetzige Materie gar keiner Form
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werth ist.
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Gottlob! daß Sie glücklich und ziemlich gesund wider zu Hause gekommen,
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und auch da alles nach Wunsch gefunden haben. Ihre Hoffnung guter
7
Nachwirkungen zur Widerherstellung meiner Verehrungswürdigen Frau
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Gevatterin möge auch durch die häusliche Freude des heutigen Tages befördert und
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immer mehr erfüllt werden!
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Der zweite Theil Ihrer Ideen ist noch nicht angekommen. Schon gnug,
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daß er heraus ist und daß Sie an mich gedacht haben. Sehen Sie mich blos
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als Ihren innigsten Leser an, der wie der Freund des Bräutigams steht und
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ihm zuhört und sich hoch freut über des Bräutigams Stimme, und diese
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Freude wächst mit jeder Ihrer jüngsten Schriften. Dazu habe ich noch Gefühl
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gnug übrig – Bey dieser Ruhe eines ganz sympathetischen Genußes habe ich
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weder
nisum,
noch
Activität,
noch
Suffisance
zu urtheilen. Ich lese, wie ich
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eße und trinke, mit einer Ungedult, Heftigkeit und einem
horror vacui,
das
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ich in meiner Natur auszufüllen suche – und daraus entsteht ein
horror
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motus,
ein ebenso unüberwindlicher Hang zum Schlaf, eine Unlust zu der
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kleinsten Bewegung und Thätigkeit, ohne einen innern Affect hingerißen zu
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werden, oder einen überwiegenden Anlaß und Reitz – An neuen Anläßen und
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Reitzen hätte es bey einer Reise nicht gefehlt, meiner
Diät
auch nicht an
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Ausnahmen, die wohlthätiger auf mich wirken als die leidigen Regeln böser
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Gewohnheiten. Unterdeßen hat mein Glaube an dies letzte und einzige
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Hülfsmittel noch keinen Schiffbruch gelitten, und zu meiner großen Aufrichtung ist
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der Gesichtspunct, aus dem Sie die ganze Sache ansehen, auch der meinige,
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an dem ich mich fest halte.
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Bisher hat der HErr geholfen – und nach dem Sonntags
Evangelio,
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alles
wohl gemacht
–
und
auch wenn es nöthig seyn sollte, wird Er
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den tauben Salomon
auch
hörend und den sprachlosen Supplicanten
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redend machen. Ins Cabinet zu gehen, ist mißlich – Ein
refus de main de
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maitre
machte freylich dem ganzen Spiel ein Ende. Gott bescheer ihm ein
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glorwürdiges und uns beyden ein seeliges! Er verweiset alles an seine
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Behörde
, ertheilt auch unter ihrer Einschränkung nur seine Erlaubnis –
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Der Innhalt Ihrer Einl. aus Paris, (davon das
Porto
auf meine große
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Rechnung zu schreiben bitte) war mir schon bekannt, weil 4 gantz
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gleichlautende an einem einzigen Tage abgegangen waren, mich irgendwo auf
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meiner Reise einzuholen. Was für eine unermüdete Aufmerksamkeit und
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Sorgfalt, womit ich Ihn ohne meine Schuld qväle, und Er mich – Ich habe
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ihn um alles in der Welt gebeten, an nichts eher zu denken, als biß er wider
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zu Hause seyn wird. Sein Wunsch und mein eigener war es den ganzen
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Winter mit Ihm zuzubringen; weil es wirklich nicht lohnt, uns einander im
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Fluge zu sehen, und ich ihm keinen so guten Aufenthalt hier, wie Er mir bey
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sich verschaffen kann, ich auch in Gesellschaft meines Sohns alle Neuheit und
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Seltenheit einer zweiten Heimath zu schmecken im stande wäre, weil Er ohne
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öffentl. Amtsgeschäfte und noch alle Familiensorgen lebt, und das erste Jubel
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und Freyjahr einer glücklichen Ehe feyern kann.
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Sie können sich nicht vorstellen, liebster Gevatter, Landsmann und Freund,
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mit was für Grillen ich zu kämpfen gehabt habe um zu wißen, ob seine
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Freygebigkeit, plötzliche Heirath und Reise mit der ökonomischen Klugheit
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zusammen bestehen könnten – – und ob auch ächte Selbstliebe das Maaß seiner
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Nächstenliebe
ihr
wäre. Ein
Hauptbrief
, den er mir gleich Anfangs
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versprach und an den er noch denkt, hätte mir alles erklärt; aber noch ist er
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nicht damit fertig geworden. Was Sie mir in Ansehung
s
Seines
Characters
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zu erst meldeten, wurde von Lavater und Jacobi bestätigt; und jeder Brief
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enthielt neue Beweise und Aufschlüße, aber noch mehr Knoten und Rätzel zu
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neuen Entwickelungen. Von unserer gemeinschaftl. Angelegenheit, seinen
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Absichten mit mir und Bewegungsgründen weiß ich noch bis diese Stunde nicht
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das geringste, und eben so unwißend blieb ich in Ansehung seiner äußerl.
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Lage und Umstände. Der unbedeutende Umstand, daß er den Titel eines
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Raths
hat, und den ich von ungefehr aus einem schon alten Briefe unsers
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Jac. an einen hiesigen Kaufmann erfuhr, war so wichtig für mich, als irgend
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eine Entdeckung oder Fund eines Liebhabers. Auf einmal erhielt ein
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gedrucktes Wochenblatt was zu Münster auskomt, worin ein kleiner Aufsatz unter
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seinem
Namen
war über das
Verhältnis
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Schwestern
und die
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Silhouette seiner
Marianne
, die einige Ahnligkeit mit meiner
Lisette
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Reinette
haben soll. Mußt ich nicht auf seine Erben Rücksicht nehmen, wie
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er für meine Kinder gesorgt hatte? Zwar war ich an seinem
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Misverständniße unschuldig, und hoffe es auch, auf jeden Fall zu bleiben, den ein Mensch
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vorhersehen kann. Ohne
data
aber läßt sich wenig vorhersehen, und ich
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hatte keine andern
data
als die unveränderte Dauer seiner grosmüthigen und
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thätigen Gesinnungen, zu denen mir alle
Praemissen
unbekannt und
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verborgen sind.
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Der
Unser Philosoph in Pemp. hatte es gar nicht gemerkt, wie viel mir
S. 54
an allen den kleinen Umständen, die dort jedermann weiß oder wenigstens zu
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wißen meynt, und also keine Geheimniße sind – gelegen war, und wie viel
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anzügliches dieser Feilstaub für meine Einbildungskraft hatte. Ich vertraute
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ihm also meine unschuldige und einfältige Neugierde an. Sein langes
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Stillschweigen darauf ist durch Geschäfte, Besuche und einen
Rheumatismum
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unwillkührlich gewesen. Er hat alles
inter bonos bene
beantwortet, und
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mich vollkommen befriedigt – bis auf den Stamm und die Wurzel eines so
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edlen Zweiges.
„Jedermann hat sich über die Heyrath gefreut; und der junge
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Wittwer redt als ein Kenner von ihrer durchaus guten Bildung
Was die
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Cardinaltugend der Oekonomie
betr
ä
if
e
t
, scheinen wir beyde in gleicher
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Verdamnis zu seyn. Alcibiades könnte ihm so wol als mir den Mund
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stopfen mit einem: Arzt, hilf dir selber!“
Desto beßer für Ihn!
Hoc erat in
13
votis –
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J. beklagt sich, seitdem Sie in Carlsbad sind, nicht das mindeste von Ihnen
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vernommen zu haben. Er ist sehr mit meinem letzten Briefe zufrieden. Nur
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Schade, daß ich selbst mich auf nichts mehr besinnen kann; und daß ich immer
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besorgt bin, mein unfruchtbarer Briefwechsel fällt ihm zur Last, und daß der
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Eckel, mit dem ich schreibe, noch stärker auf den Leser würkt.
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Alles was ich
in petto
habe, besteht
darinn
daß ich den letzten
Julii,
am
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heil. Abend unsers Geburtsmonaths fest entschloßen war der untergehenden
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Sonne den Rücken zuzukehren, wie sie unserm Vaterlande, und auf gut
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Glück der aufgehenden entgegen zu eilen – mit dem unbeantworteten und
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vermuthlich unterdrückten
Memoire
vom 1
Januar.
83.
omnia poma nona
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et vetera
auf einmal zu überreichen. Der
impetus
aber ist ziemlich verraucht.
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Das ganze Haupt ist krank, und das ganze Herz ist matt. –
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Verzeyhen Sie, alter lieber Freund, daß ich über eine Sache so geschwätzig
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bin, die mich so nahe angeht, und wovon mir das Schweigen eben so schwer
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wird, als das Reden. Es ist noch alles zu unzeitig und noch nicht reif, um
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geniesbar zu seyn. Behalten Sie auch dieses Nichts, was ich geschrieben nach
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Maasgabe meiner eigenen Unwißenheit, für sich allein; weil dem Manne
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sowohl, welchem ich die gröste Verbindlichkeit schuldig bin, als mir selbst an
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einem stillen Fortgange der Sache gelegen ist.
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Mein Johann Michel ist diesen Vor- und NachMittag auf der Post
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gewesen; die fahrende ist aber noch nicht angekommen. Den Empfang mit
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meinem herzl. Dank werde sogl. bescheinigen – und im Fall eines längeren
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Ausbleibens kann Hill sich in Erfurt erkundigen, und die Abgabe auf der
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Post besorgen, wenn es etwa in Berlin liegen geblieben seyn sollte.
S. 55
Heute hat mir ein ehrlicher Jude Hirsch vom Friedländerschen
Comptoir
2
meinen letzten Brief aus Wien wider
retour
eingehändigt, auf dem der
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Buchhändler Wucherer unter dem 5 Aug bescheinigt, daß Hill schon vor 8
4
Tagen abgereiset. Es wäre mir lieb, wenn ich aus Weimar von ihm Nachricht
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erhielte. Bitten Sie ihm doch, daß er nicht vergißt sich dem
D.
Biester zu
6
zeigen, weil Kraus seinet halb an denselben schreiben wird.
7
Ich besuchte gestern einmal unsern Oberhofprediger Schultz, der mir die
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Acten
einer Erscheinung zu lesen gab, welche viel Aufsehens macht. Es betrift
9
die
eine Bande von Religionsspöttern, die aus 50
meistens
Studenten
10
der Theol. bestehen soll. Sie geben sich für
Kantianer
h.
aus, könnten
11
eher
Schultzianer
von dem berüchtigten Gegner Mendelssohns heißen,
12
aber noch
beßer
eigentlicher
Domnauer
. Ein Creyßcalculator in
13
Domnau hat einen Sohn
Friedr. Wilh. Schultz
, der sich bey seinem
14
Vater aufhält mit dem dortigen Pfarrer
Riedel
in Bekanntschaft komt.
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Dieser würdige Mann, von dem ich viel Gutes gehört, empfiehlt ihn zum
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Hofmeister bey einem Edelmann. Wie sein Untergebener eingeseegnet wird;
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platzt sein Lehrmeister mit seiner bisher heimlichen Weisheit auf einmal
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heraus, vermahnt ihn alles bisher gelernte, als Pfaffengeschwätz zu vergeßen
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und sich nunmehr der moralischen Führung seines Hofmeisters zu überlaßen.
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Dieser Unfug wird immer offentlicher und lauter von ihm getrieben, selbst
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in der Kirche. Der Pfarrer schreibt einen ganz vernünftigen und gesetzten
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Brief an ihn, kündigt ihm allen bisherigen Umgang und Zutritt in seinem
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Hause auf, und beklagt es ihn zum Hofmeister in Vorschlag gebracht zu
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haben. Hierauf komt eine Antwort
entre chien et loup;
worauf wider eine
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gesetzte und gründliche
Replique
vom Pfarrer erfolgt, die der junge Mensch
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mit Wuth und Unverschämtheit erwiedert, worauf sich
Riedel
gemüßigt
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sieht die ganze
Speciem facti
nebst den Abschriften des Briefwechsels an das
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Consistorium
zu
refe
riren. Der Urheber dieses ganzen Handels hat alles
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gestanden, und sich mit 4 seines Gelichters unterschrieben, daß keine
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Sittenlehre noch gesunde Vernunft noch öffentl. Glückseeligkeit mit dem
Χ
stentum
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bestehen könnte. Ob Kant von diesem eben so ärgerl. als lächerl. Vorfall
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unterrichtet ist, weiß ich nicht, noch wie er sich dabey verhalten wird. Er hat
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das Unglück gehabt sich seine rechte Hand zu verlähmen, daß er nicht
34
imstande
seyn soll die Feder zu führen, wozu er währender Hundstagferien die
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beste Muße hat, besonders da seine Metaphysik der Körper auf Michaelis
36
erscheinen
wird
soll.
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Wißen Sie schon daß Hinz von Hasenpoth nach Pernau als Stadt
S. 56
Secretair
gekommen und meine alte
Inclination
geheyratet, die bey Hartknoch als
2
eine Anverwandtin seiner ersten Frau im Hause gewesen. Durch eine neue
3
Ukase, die ihm die
Advocatur
hinführo untersagt, geschieht ihm Abbruch auf
4
die Zukunft.
5
HE Pf. Fischer besuchte mich am Sonntage mit dem pollnischen reform.
6
Prediger
Wanowsky,
erkundigte sich nach Ihnen und empfiehlt sich Ihrem
7
freundschaftl. Andenken. Er hat wieder in diesem Jahre sein einzig Kind
8
verloren, kam eben aus Graventihn zurück, wo er sich mit seiner Frau über
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14 Tage aufgehalten, weil der junge Deutsch sein
Pensionair
u
Catechumen
10
ist. Seine Gemeine ist klein, aber sehr ausgesucht. Alles Leute von Stande
11
und von Geschmack.
12
Gott laße Ihnen viel Freude an meinem Pathgen und sämtl. Consorten
13
erleben und gebe Ihnen siebenfältig alles Gute in Ihrem 42 Jahre als ich
14
zu meinem 56 mir immer wünschen kann – neue Kraft und Stärke zu Amts-
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und Autorgeschäften, Gnade und reichen Seegen zu allem Vornehmen und
16
Thun. Empfehlen Sie mich meiner Verehrungswürdigen Frau Gevatterin,
17
und ersetzen Sie den Mangel meines Ausdrucks. Grüßen und küßen Sie
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Ihre lieben Kinder von mir und den meinigen.
19
Meine Hausmutter ist heute bettlägrig geworden, und in meiner
20
Nachbarschaft sind 2 Leichen und 3 Kranken, von denen einer schon das Gehör
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verloren. Alles um mich herum schläft; und der Mond scheint neben dem dicksten
22
Gewölke. Ich umarme Sie – und ersterbe Ihr alter treuergebner
23
Johann Georg Hamann.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 286–287.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 271–276.
ZH VI 51–56, Nr. 868.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
51/29 |
Aug. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Aug. |
|
52/28 |
Evangelio, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Evangelio |
|
52/29 |
alles ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: alles |
|
53/17 |
s Seines ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Seines |
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54/8 –12
|
„Jedermann […] selber!“] |
Die Auszeichnungs-Konvention für Anführungszeichen des 18. Jahrhunderts wurde modernisiert (wie ZH es auch sonst tut, aber hier unterlässt). |
|
54/9 |
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: / |
|
54/10 |
betr ä if e t ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: betr äfe ift |
|
54/19 |
darinn ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: darinn, |
|
55/5 |
D. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: D |
|
55/34 |
imstande ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: im | stande |