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Königsberg, den 22 Sept.
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Lieber wohlthätiger Lavater,
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Den 4
Junii
Vormittags erhielt Ihr letztes Briefchen durch Hartk. und
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seine Reisegefährtin, denselben Mittag durch einen jüdischen hiesigen
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Kaufmann ein großes Pack mit Kupfern. Antwort und Dank hofte diesen Herbst
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persönlich zu überbringen – Aber Sie hätten an mir wenig Freude gehabt;
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und ich zweifele auch, daß ich einiger fähig oder empfänglich gewesen wäre.
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Alle Umstände haben sich so durch eine höhere Vorsehung gefügt, daß mit
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meiner Reise oder Wallfahrt nichts geworden – vielleicht zu unserer aller
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Frommen, die wir an einander Theil nehmen – durch uns selbst unbekannte
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Bande.
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Daß unser liebe B. in Paris ist, wißen Sie. Ich denke gnug an Ihn, bin
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aber nicht im stande zu schreiben. Die Zinsen seines mir anvertrauten
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Unterpfandes sind an meiner ältesten Tochter unverloren und scheinen reiche
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Frucht zu bringen. Ihr Fleiß und Sittsamkeit macht der würdigen Bondeli viel
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Freude und Ehre.
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Mein ganzes Haus ist Gottlob! gesund, bis auf mein wüstes und leeres
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Haupt und Herz, deßen
crisin
ich gedultig abwarten muß, und mich an einer
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blos
animali
schen Existenz begnügen, ohne Geist und Kraft.
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Melden Sie mir doch, wenn Sie können, liebster L. den
Namen
Ihres
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würdigen Landsmannes, der gewiß Ihr Freund ist, welcher die philosophischen
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Vorlesungen über das s. g. N. T. schreibt, und danken Sie ihm auch in
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meinem Namen für sein
gutes Werk
. Küßen möchte ich die linke Hand
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des rechtschaffenen und unsträflichen Arbeiters, der da recht theilt das Wort
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der Wahrheit, – und beyde wollen wir ihm wünschen, daß der
V
HErr
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unser Gott ihm freundlich sey und fördere das Werk seiner Rechten –
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den 3 Oct.
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So elend steht es mit mir, daß ich keinen Brief mehr schreiben kann. Die
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klägliche Witterung diesen ganzen Sommer durch scheint auch meine
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Hypochondrie aufs äußerste gebracht zu haben. Gott helf nur unser junges liebes
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Paar aus Paris gesund und vergnügt zur häuslichen Ruhe.
Mlle Tobler
ist
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mit Hartknoch und seiner Schwägerin gut in Riga angekommen – ob nach
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Mohilow?
– Erstere hat gut geschlafen, und letztere viel geweint unterwegs.
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Des Wanderers Hill Stillschweigen beunruhigt mich auch nicht wenig. In
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den letzten Tagen des Julii ist er aus Wien abgegangen, mit dem festen
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Vorsatz
über Weimar zu kommen; wo alles für ihn besorgt habe, und seitdem
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warte ich umsonst von einem Posttag zum andern.
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Auch Pf. vergißt mich nicht; ich habe 4 Bändchen der
jüdischen Briefe
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erhalten. Gott schenke Ihm Gesundheit und Muth zur
anderen
Hälfte! Ich
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allein kann leider! ganz und gar nichts thun. So arm am Geist – so
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untüchtig
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Die Baroneße Bondeli wird meine älteste Tochter in 14 Tagen
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einseegnen laßen, ist eben so zufrieden als meine
Lisette Reinette
glücklich ist. Sie
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können leicht denken, mit welchem vollen Herzen ich an den Urheber des
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Guten denke – und
zu
vor allem noch nichts weiß, weder aus noch ein – dumm
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und stumm zum Dank.
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Gott hat eben so wunderbar für meinen Christian oder Nathanael Hill
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gesorgt, ohne daß ich weiß, wo er ist und wie es ihm geht; ob ihm noch zu
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helfen
ist
oder ob er keine Hülfe mehr nöthig hat? Der Seegen war im
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Felde; und kein Wetter zur Erndte deßelben.
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Sie erhalten diese wenige unschlachtige Zeilen über Düßeldorf durch
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unsern Freund Jacobi, deßen neuste Schrift Sie auch bereits werden gelesen
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haben. An einem Zetergeschrey wird es nicht fehlen, wie über das
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Pabstum
, so über den
Spinozismum
, wo beyde zu Hause gehören, das
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Thier und der falsche Prophet.
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Wie sehr wünschte ich Ihnen auch eine Freude machen zu können; aber
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weder meine Tenne noch meine Kelter – Nun Gott wird meinen Mangel
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durch desto reicheren Seegen über Sie und die lieben Ihrigen ersetzen und alle
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Seine gute Verheißungen an Ihnen erfüllen! Grüßen Sie unsere Freunde
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und beten Sie für einen abgelebten und fast erfrornen an Gefühl und Leben –
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JGH.
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Adresse mit Siegelrest:
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An / HErrn J. C. Lavater /
Helfer p
/ in /
Zürich
Provenienz
Zürich, Zentralbibliothek, Signatur: FA Lav Ms 510.280.
Bisherige Drucke
Heinrich Funck: Briefwechsel zwischen Hamann und Lavater. In: Altpreußische Monatsschrift 31 (1894), 143–145.
ZH VI 70–72, Nr. 873.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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70/13 |
85 ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: 85. |
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71/15 |
Vorsatz ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Vorsatz, |
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71/18 |
anderen ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: andern |
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71/20 |
untüchtig ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: untüchtig! |
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71/28 |
ist ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: ist, |
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71/33 |
Spinozismum |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Spinozismus |
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72/6 |
Helfer p ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Helfer |