878
83/12
Kgsb. den 4 8br 85.

13
Geliebtester Herr Doctor und alter Freund

14
Diesen Augenblick erhalte Ihren längst erwünschten Brief nebst Einlage,

15
wegen deren ich schon lange durch den Wanderer Hill verfügt, der am Ende

16
des
Julii
von Wien abgegangen und seinen Weg über Weimar nehmen

17
wollte, aber seitdem nichts von ihm gehört, so sehr ich von Posttag zu Posttag

18
auf ihn und den zweiten Theil der Herderschen Ideen hoffe und warte.

19
Den 1
Junii
kam bey der Hiesigen
Provincial-Direction
ein um eine

20
Erlaubnis zu einer vierteljährigen Reise bey der
Gen. Administration
zu

21
bewürken. Mein Vorwand war meine Gesundheitsumstände, über die ich

22
einen Freund und Artzt in Halle zu Rathe ziehen, und Familienumstände, zu

23
deren Abmachung ich einen noch bis auf den heutigen Tag mir unbekannten

24
Wohlthäter zu Frankfurt an der Oder erwarten sollte. Ein paar Tage nach

25
Abgang dieses Gesuchs erhielte durch Hartknoch einen alten Brief von Ihnen

26
wo Sie mir Ihre noch bevorstehende Reise nach Jena
melden
; deßen

27
früherer Empfang meinen ganzen Plan geändert haben würde. Der
Termin
einer

28
Zusammenkunft zu Frankf. wurde auch ausgesetzt durch neue Vorfälle von

29
der
andern
Parthey und den 22
Junii
kam eine
Resolution
der
Gen. Adm.

30
an unter dem 10
ej.
wodurch mir die gesuchte Erlaubnis rund abgeschlagen

31
wurde – und damit
hatte
alle blinde
molimina
meiner Wallfahrt ein seel.

32
Ende.

S. 84
Doch ich glaube, daß Sie alles dieses schon aus einer Beyl. von mir zu

2
HE Stadtr. Wirths Briefe u Päckchen wißen werden. Wie haben Sie aber

3
so grausam seyn können Ihre Freunde so lange auf einige Nachricht von sich

4
und Ihrem veränderten Aufenthalt schmachten zu laßen. Ich bin vornemlich

5
wegen Ihrer Gesundheit besorgt gewesen.

6
Wegen der traurigen Witterung, die wir den ganzen Sommer gehabt

7
haben, danke ich Gott, daß ich wider meinen Willen habe zu Hause bleiben

8
müßen. Sonst wäre ich mit meinem Johann Michael gewiß auf ein paar

9
Tage Ihnen in Jena auf den Hals gekommen und Sie hätten für unser

10
Unterkommen wenigstens mit sorgen helfen. Seit der
Dulcamara
habe ich

11
keinen Anfall von der Gicht gehabt. Eine Spur von der Flechte scheint wider

12
zu kommen, aber sie ist gantz
trocken
, ohne die geringste

13
Ungemächlichkeit.

14
Das
Porto
für den Brief aus Paris müßen Sie mir schon auf
Conto

15
schreiben, bis wir uns einander wider sehen. Er war in der Voraussetzung

16
geschrieben, daß ich unterwegs wäre, und auf diesen Fall ein
Directorium

17
meiner bis in die Schweitz entworfenen Laufbahn.

18
Ihr Verlangen wegen Ihrer Bücher soll nächstens von mir und meinem

19
Sohn befriedigt, kann aber mit dieser Post kaum abgemacht werden.

20
Die Einl. nach Cracau hoffe ich auf die beste Art durch das

21
Friedländersche
Comptoir
besorgen zu können aber an einem guten Erfolg zweifele ich

22
sehr. Die Dengelsche Sache liegt noch bey der Regierung, wo sie kaum einen

23
so vortheilhaften Ausgang für ihn nehmen dörfte, wie der Senat für ihn

24
gesprochen. Seit dem Ausbruche derselben habe
weder
ihn noch seinen

25
Buchladen gesehen. Er hat jetzt einen Gesellen von Hartknoch, der sich über des

26
Menschen Undankbarkeit beklagt, weil er ihm dort in seine Kundschaft

27
Eingriff thut. Es wird aber dem einen so wenig helfen, als dem andern schaden.

28
Es ist mir nicht möglich Ihren letzten, meines Wißens durch Hartknoch

29
erhaltenen Brief aufzufinden, den ich glaube unter des HE Stadtr. Wirths

30
Avis
wegen des Päckchens
erhalten
beantwortet zu haben, weil ich auf

31
alle meine Briefe
datum
des Empfangs u der Antwort aufzuzeichnen

32
gewohnt bin. –

33
Auch der Punct in Ansehung des Wanderers bleibt unbeantwortet, hoffe

34
aber Sie nächstens darüber befriedigen zu können, mit aller nöthigen

35
Umständlichkeit. Auf jeden Fall danke ich herzlich für Ihre Theilnehmung. –

36
Eben komt Kanter der seit vielen Wochen nicht in der Stadt gewesen und

37
aus Ungedult über die betrübte Witterung, und all sein Futter und den

S. 85
überschwengl. Seegen an Sommer Getreyde vor seinen Augen faulen und

2
modern zu sehen, sein
Trutenau
verlaßen hat. Mit seinem Preßpapier geht

3
es nach Wunsch. Ebbe und Fluth ist keine Erscheinung kleiner Seen und

4
Meere.

5
Hypochondrie hat meinen alten Kopf so ausgemergelt, daß ich keinen

6
Brief mehr zu schreiben im stande bin. Meine Kinder und ihre Mutter sind

7
Gottlob! gesund und vergnügt. Mein Sohn empfiehlt sich bestens und hat

8
diese Ostern seinen academischen
Cursum
erst angefangen; wurde aber schon

9
unter des seel. Kreuzfeld letzten
Decanat
im März 84.
immatriculi
rt. Er ist

10
auch in Freunden glücklich, deren Umgang seinen Fleiß besonders in

11
Sprachen befördert. Der alte
emeritus D. Bohlius
sollte vorigen Sontag

12
Rector
werden, der
Actus
hat aber ausgesetzt werden müßen, und die

13
Entscheidung wird tägl. in Berlin erwartet. Die
medicin
ische Facultät ist mit
D.

14
Elsner,
Creißphysico aus Bartenstein, zum Nachtheil des so verdienten,

15
würdigen und bescheidenen Haagens,
completi
rt worden. Der alte

16
Consistorialrath Bock ist vorige Woche gestorben, und die
griechische
Stelle

17
sollte mit der
hebräischen
combini
rt werden, (wie Poesie und

18
Beredsamkeit durch Mangelsdorf) man sagt aber, daß Köhler um seinen Abschied

19
anhält, und weder mit einer noch 2 Profeßionen zufrieden ist.

20
Ein junger Student aus Domnau, der in der Gegend Hofmeister bey einem

21
Landedelmann gewesen, hat sich zum Stifter einer kleinen Rotte und ein

22
zieml. Aufsehen hier gemacht durch einen Unverstand und Misbrauch der

23
Kritik der reinen Vernunft und eine sehr unverschämte Verachtung des

24
Christentums, woran sein Lehrer gewiß sehr unschuldig ist. Diese

25
Domnauer
haben aber bald ausgeschwärmt, und man hört jetzt nicht mehr von

26
ihnen. Der Anführer hieß Schultz – sie verdienen aber kaum Schultzianer,

27
geschweige K – tianer, sondern
Domnauer
zu heißen.

28
Die Baroneße von Bondeli ist mit meiner
Lisette Reinette
sehr zufrieden

29
und wird selbige, wie ich höre, auf den Sonntag über 8 Tage in der

30
Tragheimschen Kirche mit der Fräulein von Lehndorf einseegnen laßen. Pfarrherr

31
Weyer ist mein Schulfreund, und wir wurden zu gleicher Zeit
dimitti
rt.

32
Wenn Sie nach Weimar gehen; so vergeßen Sie nicht sich meiner zu

33
erinnern
. Ich erinnere mich Ihnen unter einem Einschluß dorthin

34
geschrieben zu haben. Mein Gedächtnis ist aber auf die Neige –

35
Um den Schibl. wenn es der Mühe lohnen sollte – zu lesen, müßen Sie

36
außer dem
Corpore delicti
noch einen
Catalogum
von Druckfehlern p

37
haben, den ich
ob fugam vacui
und
eventualiter
anhängen will. Gott schenke

S. 86
Ihnen Gesundheit und Glück – und
patriam vbi bene – inter bonos.

2
Empfehle mich Ihrem treuen Andenken samt meinem gantzen Hause. Ihre Grüße

3
werde bestellen, wo ich Gegengrüße gewärtig seyn kann. Ich schreibe bald

4
mehr, und was bey gegenwärtiger Eil nicht beantwortet werden können.

5
Vergeßen Sie nicht Ihren alten treuen Landsmann u Freund.

6
Johann Georg Hamann.


7
Golgotha und Schibl. S. M. Paul Christian Hilscher von
D.
Mart.

8
Lutheri
vermeinten
Spiritu Familiari
oder deßen so genannten

9
Schiblemini
pp Dresden 730. S. 40 8
o
Ψ.
CX.
2.
Golgotha = Christentum
Schibl =

10
Lutherthum
oder die Kirche im Stande der Erniedrigung – und Erhöhung.

11
S. 3. Siehe Garve Anmerkungen zum 1. Buch des Cicero von den

12
Pflichten S. 95, 96*

13
Z. 2.
deleatur parenthesis
und am Ende der Seite u des

14
Periodi
– Gesinnungen, die kein Wohlwollen kennen u keinen

15
Zwang leiden.

16
S. 5. Z. 11. Vertrage Z. 15 – ben hat,

17
S. 7. Z. 6. Wörtern Z. 10 Worterkl.   S. 8 Z. 16 Schluß folge Z. 18 habe;

18
S. 9. Z. 13. trägern Z. 15 konnte
nicht thun
und
leiden

19
S. 11 Z. 5
deleatur
auch   S. 12 Z. 1. welchen Z. 4; –

20
S. 13. Z. 4. habe.   S. 15 Z. 20. nichts   S. 16 Z. 12. vorschreibt.

21
S. 17.
qualitates

22
S. 20. Z. 11. Gebaren S. Adelungs Wörterbuch.

23
S. 21.
Qualis artifex – Suet. in Nerone cap.
49
Jerem. LI.
13.

24
S. 24. Z. 17. ihre   S. 25 Z. 3. Erndtern S. Gleims Gespräch Pfuy! Pfuy!

25
Fooi i.e.
Biergelder der Zollbedienten. Z. 8 königl. Z. 15

26
im Z. 20. alle

27
S. 26. Z. 13. unsere Z. 15 sind allso des

28
S. 27.
Cic. de Offic. Lib. I. Cap.
7. § 6.
Cap
16 §.
3.
Lib III. Cap.
18.

29
§ 11
lin. vlt.
ihre

30
S. 29 S. Luthers Vorrede zum Psalter

31
S. 32. Z. 7. verr – Z. 11. Jerusalem nicht förder bleibt an ihrem Ort zu

32
Jerusalem, sondern – Zachar.
V.
10, 11.
XII.
6.

33
S. 33. Z. 17. Bewegungsgründen   S. 41. Z. 13. bis auf –   S. 42. Z. 8
del.

34
selbst Z. 11. welches er selbst

35
S. 43. Z. 10. Metze Z. 17. Modenwechsel   S. 45. Z. 2.
deleatur
gewählte

S. 87
S. 48. Z. 6. einkamen   S. 49. Z.
vlt.
vernehmen   S. 51. Z. 18 erwählte

2
deleatur
hatte

3
S. 52. Z. 6. gegen den Z. 10. Siehe Köhlers
Disput. pro loco Reg.
782.

4
p.
36.
Corollar. VII.
Z.17 heraldischen Canz

5
S. 55. Z. 13. doch   S. 59 Z. 2 das Analogon Z. 5. eines Retters und

6
Ritters
deleatur
des
eines Königs S. Luther über den
Ψ
.

7
LXXXII. v.
4.

8
S. 60. Grund und Gipfel
deleatur
Anfang und   S. 61 Z. 14 geschenkt hat:

9
S. 62. Z. 3. Willkühr. Nach einer Lesart der
Allg. Litteratur Zeitung

10
April
S. 48. Gewähr. Z. 18. eben so

11
S. 63. Z. 16 haben   S. 64. 65.
deterioris conditionis
Z. 12. zuwieder

12
S. 69. Z. 9. und Z. 11.
deleatur
aber Z. 13. verzehnteten Z. 17. Bescheid

13
voller Z. 20 zu dienen, auf beyden Seiten zu hinken und den

14
Baum p S. Luthers Randgloße
ad
Ψ
XXXV.
15.

15
S. 72. Z. 9. 10. als den Z. 16 Statt der

16
S. 73.
Coheleth = Akademie
  S. 74 Z. 1. in den   Z. 9. Philosophie

17
S. 75. Z. 10. Farren Z. 15 oder ist eine fertige, reinliche, gelehrte Zunge

18
S. 76. Z. 2.
deleatur
göttl. Gnade und Z. 14. 15
Persius
Sat
I. v.
102

19
S. 77.
Z. 10;
um ihn zu rechtfertigen, haben wir sie erfunden Siehe Garve

20
über Ferguson S. 296, 297.


21
Ohe iam satis est!


22
Freund Hartknoch hat
Me Courtan
nach Riga mitgenommen. Sie

23
wünscht sich aber wider zu Hause wegen des ungerathenen Sommers, der

24
dem Wirth zu seiner Gesundheit auch nicht behagt. Theurung u Krankheit

25
scheinen unvermeidlich zu seyn. Gott helf uns all! über und durch – das Meer

26
der Trübsal.


27
Adresse mit Mundlackrest (Kopf des Sokrates nach links):

28
Des / HErrn Doctor Lindner / Wolgeboren / zu /
Jena

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 4.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 288 f.

ZH VI 83–87, Nr. 878.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
83/29
andern
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
anderen
83/31
hatte
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; dort mit Bleistift ergänzt, vmtl. von Henkel, wie auch in ZH:
hatten
86/9
–10
Schibl […] = Lutherthum]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Schibl-Lutherthum
86/9
Golgotha […] Christentum]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Golgotha-Christentum
86/9
Ψ.
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Ψ
86/28
Cap
16 §.
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Cap.
16 §
87/16
Coheleth = Akademie
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Coheleth-Akademie
87/18
Sat
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Sat.
87/19
Z. 10;
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Z. 10.