879
87/29
Kgsberg den 7
Oct.
85.

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Herzlich geliebtester Freund

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HE
Levi
hat mir den 7
Sept.
Ihren letzten Brief vom 10
Aug.
überbracht

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nebst Ihrem
Catalog
und der Schrift über Offenbarung Judentum u.

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Christentum, welche ich bereits vergeßen hatte. Ich bin so tief in Schuld bey Ihnen,

S. 88
daß ich in allem Ernst an
Liquidation
und Verlag meiner Ana denken muß;

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so bald ich nur ein Exemplar der Sokr. Denkwürdigkeiten auftreiben kann.

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Gott gebe Ihnen nur Gesundheit. Denn wie Ihnen bey der elenden

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Witterung zu Muthe seyn muß, kann ich aus meiner eigenen Empfindung

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schließen; wie ich aus meiner eigenen Erfahrung andern predige was ich selbst

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fühle. Gott wird uns auch bey der theuren Zeit, die uns bevorsteht,
auch

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zu erhalten wißen.

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Ihr gewesener Schuchardt kommt garnicht zu mir, und ich geh in keinen

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Buchladen, habe auch seit diesem ganzen Jahr keinen Fuß in selbigen gehabt.

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Sollte ich ihn
wider
einmal auf der Gaße begegnen, wie es vor langer Zeit

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geschah, ohne ihn einmal zu kennen, wenn er mich nicht angeredet hätte: so

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werde mich Ihres Auftrags
erinnern

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Der zweyte Theil der Ideen ist noch nicht angekommen, auch noch keine

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Zeile von Hill worüber ich sehr unruhig bin.
D.
Lindner hat mir aus Jena

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geschrieben, wo es ihm außerordentl. gefällt. Ich mußte seiner beym

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Diacono
Kahle zurückgelaßene Bücher wegen, einen Gang biß nach dem

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Roßgarten thun, machte mir die vergebene Mühe ein Plätzchen für meine beide

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jüngste Mädchen zu bestellen, welche gern die Regimenter u 100 Bosniaken

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von der heutigen
Revue
einmarschiren sehen wollen. und wurde auf dem

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Heimwege durch den Besuch eines Patienten aufgehalten, den ich am Fenster

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gewahr werde und mir einen Wink zu geben scheint –

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Kaum bin ich aus dem Hause, so besucht mich der Graf
Frie
drich Leopold

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zu Stollberg, Eutinscher nach Petersb. gehender Gesandter, hat sich gegen

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3 Stunden mit meiner lieben Hausmutter allein in einer zum Unglück frisch

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aufgenommenen Stube bey offenen Fenstern und kahlen Wänden

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unterhalten müßen, um mich abzuwarten, und einen Brief von
Claudius
abzugeben.

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Ich habe seinen langweiligen Verzug erst nachher erfahren, und wäre noch

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gern selbst angesprochen, um mich deshalb zu entschuldigen, wenn ich nicht

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diesen ganzen Nachmittag jemanden erwarten müßen, der gleich nach dem

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Eßen sich einfinden wollte, und gänzl. ausgeblieben. Er wünscht sich HE

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Backmeister kennen zu lernen, und unsern Freund und Landsmann Arndt.

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Ich habe ihn deßhalb an Sie verwiesen, um die
Addressen
zu erhalten. Er ist

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vorige Nacht angekommen, reiset diesen Abend wider ab, und denkt in

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wenigen Monathen wider zurück zu seyn, seiner jungen Gemalin, Gräfin
Agnes

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zu Liebe. Ich begleitete ihn bis zum Kayserlingschen Hause, wo er zu Mittag

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gebeten war, und muste da Abschied von ihm nehmen.
Da
Weil Sie diesen

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liebenswürdigen Herren sehen werden; so hab ich nicht nöthig mehr von ihm

S. 89
zu schreiben, was Sie nicht schon wißen, und vielleicht beßer und genauer als

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ich.

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Claudius
schreibt mir, daß Lavater im
Oct.
erwartet wird, um seinen

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Sohn selbst nach Göttingen zu bringen. Nichts von Ihrer Reisegefährtin

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glückl. Ankunft in
Mohilew?
Die gute Baroneße läßt meine
Lisette Reinette

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auf den Sonntag über 8 Tage in der Tragheimschen Kirche einseegnen.

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Wenn
Me Courtan
so oft an uns denkt; wie wir an Sie: so wird sie keinen

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Vorspann nöthig haben. Ich hoffe, daß Sie die gute Wirkungen Ihrer Reise

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erst zu Hause erfahren wird; wenigstens hab ich meiner fehlgeschlagenen

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immer das
Prognosticon
gestellt. Ich werde Ihr manches zu erzählen

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haben, was sich weder schreiben noch wenigstens von meiner Hand recht lesen

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läßt. Gott laße Ihre Cur wohl gedeyen und sage zu allen unsern Wünschen

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Amen! Käme es auf die meinige an: so wär es mir sehr lieb und meinem

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Hans auch vortheilhaft unsere Wanderschaft unter Ihrer Anführung

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antreten zu können. Ich tappe wie im Finstern, und warte auf Licht. Die Zeit wird

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lehren, was ich thun und laßen soll. Ich weiß nichts weder aus Paris, noch

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Weimar, noch von meinem Hill. Habe diese Woche wider unvermuthet einige

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# für ihn eingenommen; wenn er noch Hülfe nöthig hat, und 2 Häuser für

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sein Unterkommen. Sollte die Vorsehung so vieles umsonst thun, wider ihr

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Gesetz der Sparsamkeit.

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Ich umarme Sie unter den herzlichsten Begrüßungen Ihres ganzen

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Hauses von Hans, Mutter u. Schwestern und ersterbe

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Ihr alter
Schuldner und Freund Joh. Ge. Hamann.


24
Adresse mit Mundlackrest:

25
An / HErrn
Hartknoch
, / Buchhändler / zu /
Riga
. /
Einschl
.


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Vermerk von Hartknoch:

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HE Hamann in Königsberg

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Empf den 1
Oct
1785

29
beantw.
d
2 –

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, III 126 f.

Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 136.

ZH VI 87–89, Nr. 879.

Zusätze fremder Hand

89/27
–29
Johann Friedrich Hartknoch

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
88/10
wider
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
wieder
88/12
erinnern
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
erinnern.