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den 6 Nov.
Dom XXIV.
85.

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HöchstzuEhrender Freund,

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Den 23 Sept. erhielte von HE. Geh. Rath Jacobi von Pempelfort

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3 Exempl. seiner neuesten Schrift, davon eben der letzte Probebogen aus der

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Preße gekommen war 1 für HE Kr. Hippel 1 für mich selbst, und das dritte

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überließ er meiner eigenen Willkühr, wem er es geben wollte. Meine Wahl

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war zwischen 4 getheilt, 2 von seiner, und
dito
von meiner Seite. In

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Rücksicht
seiner
vermuthete ich, daß es ihm lieb seyn würde, wenn Pr. Kant, den

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er anführt, oder das Kayserlingsche Haus, wegen der von ihm angeführten

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Fürstin, unter die ersten Leser seiner Schrift wären. Da der erste keine Bücher

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sammelt und selbige blos zum Lesen nöthig hat; so war ich im stande beyde

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zu befriedigen. Sie hatten von meiner Seite einen Nebenbuler am

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Einnehmer Brahl, der mein vornehmster Bücher
canal
ist und mir sehr oft aus

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Verlegenheit hilft, ohne daß ich seine Gefälligkeit erwiedern kann, die er so wohl

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für mich selbst als für meine Freunde hat. Ich hatte ihm auf einen halben

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Tag gleich beym Empfange das dritte unbestimmte Exemplar auf einige

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Stunden gegeben; er ließ mich ein paar Tage wider dringend darum bitten

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für einen Juden. Ich muste es ihm abschlagen, weil mein eigenes eine

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Innschrift hatte, die ich nicht in fremde Hände geben mochte und die beyden

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übrigen schon vertheilt waren. Er schien darüber ein wenig empfindlich zu seyn,

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weil auch die Juden mit ihren Bibliotheken gegen uns beyde dienstfertig

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sind. Gestern hab ich Ihr Exempl. von Jacobi unter ausdrücklicher

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Anweisung erhalten. Ich habe es sogl. HE Kr. Hippel eingehändigt; und Sie

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können
s
Sich einander darüber vergleichen durch einen Tausch oder

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gegenseitige Auslieferung des
Suum cuique.
Dies hab ich Ihnen,

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höchstzuEhrender Freund melden wollen, indem ich zugl. wegen Ihrer Gesundheit ein

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wenig besorgt bin, weil ich lange nichts von ihnen erhalten. Die
Memoires

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de Turgot
stehen Ihnen auch zu Dienst, welche auch dem Päckchen beigelegt

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waren. Daß eine Uebersetzung von Jacobi ohne sein Wißen aber durch des

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Chymisten Crell
piam fraudem,
wie er mir meldt, angekündigt worden

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wißen Sie. Kraus behauptet, daß eine deutsche anderweitige ausgekommen

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seyn soll. Wißen Sie was davon; so wär es mir lieb davon gewiß zu seyn.

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Gestern wurde in der Hamb. Zeitung der neueste Band der allg. d. Bibl.

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angemeldt, welche unter den ausführlichen Recensionen auch den

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Schiblemini, oder vielmehr das Golgotha in sich hält. Ich war willens heute zu

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Hause zu bleiben, muß aber ausgehen um wo es möglich ein Exemplar mit

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der Post zu erhalten von meinem alten Vetter Nabal durch seinen hiesigen

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leiblichen Vetter, Jacobi, der zugl. sein
Commissionair
ist, und mächtige

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Kisten von Büchern nach Petersb. für ihn
expedi
rt für die Kayserinn u ihre

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Bibl. wobey sich beyde Vettern sehr wohl befinden, wie leicht zu erachten.

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Gestern ist auch von der
Gen. Adm.
eine
Ordre
zur Auszahlung unserer

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Remis
en gekommen, und die gröste Hälfte uns gestrichen worden. Mein

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Antheil von einigen 80 rth ist auf 40 geschmälert. So viel von gestern. Was der

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liebe Gott heute bescheren wird – weiß ich nicht. Ein gutes Frühstück ist mir

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zugedacht, das ich dem Cr. R. Jenisch eigentl. zu verdanken habe. Wenn ich

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in meinen Anwerbungen glücklich bin, so will ich miteßen, wie des Abrahams

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Hausvogt.

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Unsern lieben Kant hab ich auch vorige Woche besucht, um den 2ten Theil

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der Ideen abzuholen, die ich noch nicht recht gelesen, und Metzgers Ungedult

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erst befriedigen müßen, der sie mir gl. den andern Tag wider schickte. Aus

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Kants ungewöhnl. Langsamkeit vermuthe ich, daß er auch diesen Theil

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recensirt. Er hat ihn eine ganze Woche behalten, und ich erwarte ihn erst heute

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zu Hause. Da hatte ich die unerwartete Freude einen Brief von Mardochai

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M. zu lesen, der mich ungemein erbaute. Vorgestern speiste bey unserm

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Freunde, deßen Augen noch nicht gantz hergestellt sind. Er hatte den jüdischen

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Hirtenbrief vor 14 Tagen schon in Händen gehabt, ohne mir das geringste

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gesagt zu haben; wunderte sich obenein über des Philosophen Treuherzigkeit

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gegen den Philologen. Mir schien dieses politische Urtheil eine Folge

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seiner Augenkrankheit zu seyn – und wenn ihr Stillschweigen auch ein

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Symptom von Unpäßlichkeit seyn sollte: so wünsch ich allen Patienten gute

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Beßerung, und eile in die Kirche – mit allen meinen Wünschen und Anliegen in

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Gottes Schooß oder wie Homer sagt, zu Seinen Knien.

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Leben Sie recht wohl, und erfreuen mich mit einigen Zeilen zum Zeichen

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Ihres gütigen u. freundschaftl. Andenkens. Empfehle mich und die

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Meinigen, als

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Ihr

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alter treu ergebener Joh. Ge. Hamann.


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Adresse:

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Des / HErrn Kriegsraths Scheffner / Wolgeboren / Erbherrn von und

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zu /
Sprintlacken
.

Provenienz

Druck ZH nach dem überlieferten Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, III 156.

ZH VI 122 f., Nr. 890.