891
124/2
Königsberg den
9
Novbr
85.

3
Herzlich geliebtester Landsmann, Gevatter und Freund,

4
Endlich kann ich dazu kommen, Ihnen für alle das Gute zu danken,

5
welches Sie meinem Hill erwiesen und das ich in ihm genoßen und mit ihm

6
wiedergekaut. Ohngeachtet er mich mit seinen Erzählungen von seinem

7
dreytägigen Aufenthalt in Ihrem Hause übertäubt: so wird mich doch nichts

8
beruhigen und vollkommen befriedigen als der Selbstgenuß Ihres Anblicks –

9
so wenig ich auch den Weg zu dieser Glückseeligkeit noch absehen kann.

10
Gottlob! er hat mir auch gute Nachrichten von der Gesundheit meiner

11
verehrungswürdigen Frau Gevatterin mitgebracht, und daß alles in Ihrem

12
Hause wohl steht, daß Gott erhalten und seegnen wolle, und mich würdigen

13
ein Augenzeuge Ihrer Zufriedenheit zu seyn.

14
Den 16
Oct.
wurde meine Tochter in der Tragheimschen Kirche vom Pf.

15
Meyer, mit dem ich aus der Kneiphöfschen Schule
dimittirt
worden bin,

16
eingeseegnet, alles auf Veranstaltung der guten Baroneße. Ich konnte nichts

17
mehr dabey thun, als daß ich meine Andacht in der Altstädtschen Kirche hielt,

18
Nachmittags zu Hause blieb, Mutter, und Schwestern mit einer
Cousine

19
des Hills in die Vesper fahren ließ, wegen der elenden Witterung, und den

20
ganzen Abend mit Kummer an den Wanderer dachte, der seine Schülerinn

21
wohl nicht widersehen würde. Den Montag drau
ßen
f wachte mit eben

22
S
denselben Sorgen
dr
auf, und dachte schon dran den von mir

23
gesammelten Seegen wider abzugeben. Dienstags kam ein Jude von Berlin und

24
brachte mir Grüße mit. Ich frug ihn mehr im Scherz als Ernst, ob er nichts

25
von Hill gehört hätte. Er bejahte diese Frage. Weil er aber nichts zuverläßiges

26
zu sagen wußte, trug ihm auf, gleich mit erster Post zu schreiben, und lief

27
noch denselben Mittag zu meinem Freunde, dem Kaufmann
Jacobi,
der ein

28
weitläuftiger Vetter von
Nicolai
ist, mit einem ähnl. Auftrage, sich bey ihm

29
nach demselben zu erkundigen. Nun erklärte ich mir das ganze Rätzel des

30
Stillschweigens aus Weimar dadurch, daß er aus Eilfertigkeit den

31
geradesten Weg genommen, und Sie auf ihn umsonst gewartet hätten. Ehe noch

32
jene bestellten Briefe abgegangen waren, kam Hill selbst den 20
Oct.
in mein

33
Haus gestürmt, mit Ihrem kleinen Homer in der Tasche für mich und dem

34
kleinen Epictet von Ihrem lieben Gottfried für meinen Hans michel, der ihn

35
statt seiner Uhr immer
bey
d
sich
trägt – und dem ersten Handbriefe von

36
Pathchen August.

S. 125
Den 23 speiste meine älteste Tochter in Gesellschaft des Hills bey uns.

2
Nach dem Eßen kam ein Besuch nach dem andern, Hills
Oncle
der

3
Regimentsfeldscheerer Miltz mit seiner Tochter, endlich auch HE Pfarrer Fischer,

4
und der letzte Besuch war Ihr längst erwünschter Brief, der das Fest krönte.

5
Den 26 war ich mit meinem ganzen Hause bey Miltz zu Gast; in meiner

6
Abwesenheit
gi
b
ebt
bey mir HE
Fueßli
mit einem Grafen
Rasumowski,

7
wo ich nicht irre, ein Päckchen von Hartknoch ab, in dem auch der
zweyte

8
Theil Ihrer Ideen
enthalten war. Nun waren alle meine Wünsche

9
erfüllt. Hartung hat nun auch schon einige Exempl. erhalten. Meins

10
habe gleich beym Empfange verschlungen, und da ich von Hofr. Metzger

11
schon einige mal darum gemahnt worden, muste ichs ihm auf ein paar

12
Tage überlaßen. Kant ließ mich auch durch seinen Zuhörer darum

13
ersuchen, und behielt es wider seine Gewohnheit über eine Woche. Er schien mit

14
den 2 ersten Büchern sehr zufrieden, die er beßer als
ich
zu beurtheilen im

15
stande bin. Ich habe es eben jetzt zum zweytenmal durchgelesen mit

16
verdoppelter Zufriedenheit und Sehnsucht nach der Fortsetzung. Das
terque

17
quaterque placebit
ist mir noch nicht hinlänglich zum Urtheil und zur

18
Uebersicht des
Ganzen;
wornach ich lüstern bin. Der Abschnitt über die

19
Regierungen scheint mir weniger ausgearbeitet zu seyn. Noch 2 Theile vermuthe ich

20
zur Vollendung Ihres Plans, den ich nicht zu
anticipi
ren fähig bin. Ich

21
vermuthe eine Recension von derselben Hand in der lateinschen Zeitung.

22
In der allg. d. Bibl. erwarte ich auch Galgen u Rad auf mein
Golgatha

23
und habe
n
mir schon den neuesten Band verschrieben, der kaum in

24
14 Tagen ankommen wird. Sie werden ihn also wohl eher als ich zu lesen

25
bekommen und bitte meiner armen Muse eingedenk zu seyn.

26
Auch unser Jonathan zu Pempelfort kann sich auf ein unbarmherziges

27
Gericht gefaßt machen, wenn ich den Aspecten trauen soll, unter denen

28
Mendelss. seine Metten unserm Kritiker der reinen Vernunft
addressi
rt –


29
den 10 –

30
Unterdeßen ich gestern diesen Brief anfieng, mußte ich immer Hill mit

31
Michael u Raphael den Goldoni plaudern hören, darnach fieng er gar das

32
arabische
mit ihm
an, worauf sich mein Sohn just in der Woche seiner

33
Ankunft vorbereitet hatte. Die Baroneße hatte ich auch besucht und war

34
müde zu Hause gekommen; ich muste daher in mein Bett eilen. Heute war

35
willens den ganzen Tag zu Hause zu bleiben; wurde gantz frühe zu Hippel

36
eingeladen. Sie können sich, liebster Herder, den Gräuel der Verwüstung in

S. 126
meinem Kopf und in meiner Lage nicht vorstellen. Eben da ich von meiner

2
Amtsstube zu Hause komme, finde ich die Nachricht, die gantz unvermuthete

3
Nachricht, daß unser Reichardt den 5 d. in Berl. angekommen – Gottlob!

4
Sie können sich nicht vorstellen, wie viel Eindruck selbige auf mein Gemüth

5
gemacht, wie sehr er mir dort in meiner Sache gefehlt, und was für
gute

6
Ahndungen
ich aus seiner plötzlichen Erscheinung auf seiner alten Stelle

7
ziehe. Wenn Sie aus meinem Geschmiere auch nichts mehr sehen als daß ich

8
noch
lebe
und Gottlob! gesund bin mit meinem ganzen Hause: so wird es

9
Ihnen gnug seyn. Alles übrige in meiner Seele läst sich nicht schreiben noch

10
mit Worten ausdrücken. Mein Dank, meine Erkenntlichkeit für alles was

11
Sie an meinem ehrl. Hill gethan, der auch in der Feder nicht stark ist, aber

12
am Gefühl nicht schwach. Daß Sie auch ihm noch Reisegeld aufgedrungen,

13
liegt ihm auf dem Herzen, und mir auch. Er sammelt an einem Börnstein

14
Beytrag zum Cabinet meines lieben Pathchen, und ist mehr im stande zu

15
seiner Freude zu thun als ich. Vielleicht bin ich so glücklich der Ueberbringer

16
seines guten Willens zu seyn. Uns hat die
Gen.Adm.
wider die gröste Hälfte

17
der
Remise
gestrichen. Anstatt 86 rth die ich schon alle bestimmt hatte zu

18
meiner u der Meinigen Nothdurft, habe ich mit 41 für lieb nehmen müßen.

19
So viel hatte ich meiner
Lisette Reinette
allein zu Ihrer Einkleidung
ad

20
sacra
zugedacht, weil sie ohne ein eigen neues Kleid hat eingeseegnet werden

21
müßen. Nach meinem Geschmack sollen meine Mädchen keine Seide tragen;

22
aber die Baroneße war in diesem Punct mir entgegen, und ich habe

23
nachgeben müßen. Gestern habe ich ihr meine Hälfte abgebracht zum
depot,

24
bis ich den Rest zusammen bringen werde. Sie ist selbst in das Mädchen

25
verliebt, und hat die Schwachheit und Eitelkeit einer leibl. Mutter. Vorgestern

26
erhielt eine traurige Nachricht aus Riga von
Me Courtan,
die dort außer

27
aller Hofnung liegen soll. Wie unglücklich die arme Frau ihre Zeit zu einer

28
Reise getroffen, die von einer Seite mit der meinigen ähnlich war und ihre

29
Gesundheit zur Absicht hatte. Seine Haushälterin liegt auch am Faulfieber;

30
denken Sie sich den kranken, arbeitsamen u überhäuften Mann. Fuesli

31
redte mit Erstaunen von seiner unüberwindlichen Gedult und

32
Standhaftigkeit im Leiden und Arbeiten.

33
Den 7
Oct.
gieng der Graf zu Stolberg hier durch als Eutinscher Abges.

34
nach Petersb. kam des Nachts an, fuhr denselben Nachmittag ab und ist für

35
seine Neugierde mich in meinem Schweiß-Kopftuch zu sehen abscheul.

36
abgestraft worden. Alles war bey mir ausgegangen, die Mutter gantz allein

37
mit Aufräumung der Stube beschäftigt zum Winter, Diehle aufgenommen,

S. 127
die Fenster offen, die Wände kahl – In diesem Zustande, wie ich erst nachher

2
erfuhr, hat er über 2 Stunden auf mich gewartet – Ich kam mit dem ersten

3
Theil des deutschen Museums unter dem Arm zu Hause, weil ich an dem

4
Tage dies ganze Journal anfangen wollte nach der Reihe durchzugehen, aus

5
dem ich ihn erst als
Schriftsteller
post festum
kennen und von seinem

6
älteren Bruder unterscheiden gelernt.

7
Ohne einen solchen Wirwarr vergeht fast keine Woche, und ich glaube, daß

8
er nöthig ist meiner
Lethargie
zu widerstehen, und der Fäulnis meiner Säfte

9
und stockender Lebensgeister, die immer von einem
Extrem
zum andern

10
überlaufen. Ich thue fast keinen Gang nach der Stadt ohne Erhitzung, und mit

11
dem Schweiß, dem ich nicht immer durch Umkleidung abhelfen kann, wechselt

12
ein noch unangenehmerer Frost, der meine ganze animalische
Oeconomie

13
wieder erstarrt, daß ich nicht weiß wo ich Lebenswärme hernehmen soll.

14
Kant ist entschloßen wie er mir versichert, trotz seiner Abneigung vor

15
polemischen Schriften, den Mendelssohn zu widerlegen. Beruhigen Sie doch

16
unsern J. daß er M. zweiten Theil abwartet, ohne sich um das seitwärtige

17
Gekläffer zu bekümmern. Die Aufnahme meines Golgotha wird ihm auch

18
vielleicht zum Beyspiel dienen können. Ich hoffe wenigstens einen guten Stoß

19
zu erhalten, der meine
vim inertiae
ein wenig überwiegen wird. Bey mir

20
hängt alles zusammen und ineinander, wie Himmel und Erde. Ueber Jahr

21
und Tag liegt
Spino
s
za
auf meinem Tische – Ihr
Thema
über
Sprache
,

22
Tradition
und
Erfahrung
ist meine Lieblingsidee, mein Ey, worüber ich

23
brüte – mein Ein und Alles – die Idee der Menschheit und ihrer Geschichte –

24
das vorgesteckte Ziel und Kleinod unserer gemeinschaftl. Freundschaft und

25
Autorschaft. Wir werden uns einander sehen, und vielleicht wird unser

26
Landsmann das Werkzeug seyn, um an Ihren lebendigen Kohlen meine

27
todten
anzustecken

28
Der Cremittsche Pfarrer
Kraft
, welcher sich noch Ihrer erinnert, ist hier

29
in der Altstadt
Diaconus
geworden. Erst vorigen Sonntag hat unsere

30
Akademie einen neuen
Rector
an dem alten abgelebten
Bohlius
bekommen, den

31
die Regierung ausschließen wollte dem Metzger zu gefallen. Köhler nimmt

32
seinen Abschied u geht nach Berl. weil er außer der oriental. auch die

33
griechische u die
dritte
Prof.
iuris,
auch wo mögl. noch einen
Civil
dienst oben

34
ein an sich reißen wollte. Nach reichen Fräulein hat er auch gefreyt. Bey aller

35
Gelehrsamkeit taugt der Mann gar nicht zum Unterricht, unterhält seine

36
Zuhörer mit nichts als Lesarten, welche die
Syntaxin
nöthiger haben. Ins

37
Cabinet hat er auch mehr als einmal geschrieben, um
Academicien
zu

S. 128
werden; der König hat immer mit einem gnädigen Nein! geantwortet. Mangelsdorf

2
hat nebst der Rednerstelle auch die poetische erhalten und hier schon ein

3
großes Mältzerbrauerhaus im Lobnicht gekauft durch Gunst unsers schon

4
agonisirenden Kantzler v Korf, deßen natürl. Sohn er in
Pension
hat,

5
300 rth dafür bekommt. Seine Schwiegermutter mit der ganzen Familie

6
ist auch hergezogen; eine Schwägerinn bereits verheyrathet, und sein

7
Schwager, ein gantz unwißender Student zieht eins der besten
Stipendien.
Es hält

8
sich hier ein gewißer
Pörschke
auf, der Sie auch besucht, den ich aber noch

9
nicht kenne, sehr entgegen gesetzte Urtheile von ihm gehört. Ich eile von

10
meiner Loge Abschied zu nehmen u von da mit Hill u Michael zu Hippel.

11
Ersterer ist bey meinem hiesigen
Jacobi
vor der Hand versorgt, wo er mit

12
künftigem Monath hinziehen wird. Er kam fett her, bildete sich ein eine Cur

13
nöthig zu haben, und hat seinen Leib durch Fasten und Arzneyen so casteyt,

14
daß er wider fetter zu werden wünscht. Wie er an Weimar oder vielmehr an

15
Ihr Haus denkt, dazu kennen Sie den Mann, ohne daß ich ihn erst mahlen

16
darf.

17
Ich fand Nachmittags Kraus u Brahl bey mir. Bey der Mahlzeit fällt

18
es dem Hill ein, daß morgen 6 Meilen von hier eine BauerHochzeit ist, auf

19
die er gebeten worden. Er nimmt sich auf einmal vor noch heute 3 Meilen zu

20
gehen u. morgen die 3 übrigen und übermorgen des Abends wider hier zu

21
seyn. Wahrscheinlich hat er diesen tollen Vorsatz ausgeführt, weil er weder

22
zu seiner ital. arabischen noch musicalischen Stunde gekommen, die er sonst

23
mit der pünctlichsten u ängstlichsten Gewißenhaftigkeit abwartet.

24
Meinen Wohltäter B. vermuthe ich gegenwärtig zu Hause – und hoffe,

25
daß er’s mir melden wird. Kann an Niemanden schreiben, selbst nicht an

26
Ihn. Wenn ich unsern J. so oft heimsuche, so ist ein Zusammenhang von

27
Umständen und Empfindungen schuld daran – und ich entschuldige mich selbst

28
mit der vielleicht falschen Voraussetzung, daß er die meiste Zeit aufzuopfern

29
hat. Wo Sie, liebster Herder, Ihre hernehmen alles zu lesen, zu sammlen,

30
in Wachs und Honig zu verdauen, – –
Wer da hat, dem wird gegeben
.

31
Ich möchte vor Schande, Schaam und Angst vergehn, wenn ich mich mit

32
Ihnen und meinen Freunden, wovon so manche Ihnen ähnlich sind,

33
vergleiche. Mein Bauch klebt am Erdboden – und ich bin keiner Freude fähig.

34
Ich kann nicht schlecht gnug von mir denken – und doch kommt es mir

35
zuweilen vor, daß ich mir und meinen Freunden dadurch zugleich Unrecht thue.

36
In diesem Labyrinth liegt mein Schwindel, ohne daß ich herauskommen und

37
aus mir selbst klug werden kann. Arbeit ist mir verhaßt, noch verhaßter

S. 129
Müßiggang, und doch suche ich hungrig und durstig darnach mitten in

2
Ueberfluß von beyden. Ist ein solcher Gemüthszustand Sünde, oder Strafe, oder

3
Prüfung – wo nicht eine Hölle, wenigstens ein Fegfeuer?

4
Als Hofmeister in Curl. gieng ich in einem zerlumpten Schlafrock, weil

5
ich Schulden hatte, der ich mich schämte, und es war mir sehr lieb, daß man

6
mich für reich und geitzig hielt. Dem Himmel sey
Dank
daß ich keine

7
Schulden habe, aber desto mehr Zwang kostet es mir ihnen zu entgehen, und auf

8
mich zu wachen. Meine Näscherey des
Monboddo ancient Metaphysics
p

9
hat mein Jahr um einen ganzen Monath verkürzt – Erndte hat fehlgeschlagen

10
und der abscheulige Weg hindert die Zufuhr und Aussaat. Daher Theurung

11
u Mangel an Lebensmitteln. Ich denke
daher
nun öfters an unsern
Claudius,

12
der im vorbeygehn auch an schmale Bißen denkt und alle die Lügen

13
widerlegt, von einer
Pension
von 1000 rth die er von Gr.

14
Schimmelmann jährl. ziehen soll, und von 100 # die ihm Elise
incognito

15
zugewandt, das kl. Jahrgeld vom Erbpr. ungerechnet. Ich habe mich darüber

16
gefreut und über sein Stillschweigen gewundert, es mir aber aus seinem

17
Briefe an Andres bey Gelegenheit des alten lahmen
Dietrichs
erklärt, der

18
sich auch von seinem neuen Holtzbein und Bärenmütze nichts merken lies,

19
seinen stillen Genuß meiner aufbrausenden Unruhe vorgezogen. Nun muste

20
ich zu meinem Leidwesen erfahren, daß alles lauter Wind gewesen, womit

21
ich mich in Ansehung seiner beruhigt und getröstet.

22
Gott helf mir nur nach Berlin, von da soll mir der Weg nach Weimar ein

23
Sprung seyn. Vielleicht finde ich unsern J. in Wandsbeck und gehe in seiner

24
Gesellschaft und Bedeckung nach Münster. Doch alles kommt mir wie ein

25
Traum vor – Ist doch der liebe Schlaf der beste Theil meines Lebens? Der

26
das ganze Spiel angefangen und entworfen hat, wird es auch ausführen.

27
Der liebenswürdige Graf hat mir seine Reisekutsche bey seiner Rückreise

28
angeboten; sie ist aber nur einsäßig, und ich versicherte ihm, daß ich ohne

29
meinen Hans Michel nicht zu reisen im stande wäre. Er hört jetzt die

30
Metallurgie bey
D. Hagen,
und studiert von des Morgens vor oder

31
späte
ste
ns
um 5 Uhr bis gegen 10 des Abends in Ihrem Homer und dem Theokrit,

32
und ab und zu im Herodot. Gott laße uns Freude an unsern Kindern erleben.

33
Freunde werden Sie gewiß gl. Ihren Vätern werden, und uns ähnlich im

34
Geschmack u Glück der Freundschaft. Der schwärmende Hill und mein Michel

35
werden gemeinschaftlich sich an Ihren lieben Gottfried wenden, so bald nur

36
jener
erst ein wenig
in Ordnung gekommen seyn wird. Scheller ist
Adiunctus

37
des alten Pf. Gottscheds in Petersdorf, und zugl. sein Schwiegersohn
in spe.

S. 130
Ich erwarte ihn alle Tage zum
letzten mal
bey mir, zum
Examen
u

2
Ordination;
denn für ein Ehpaar hab ich nicht Raum.

3
Voller Hofnung und Verlangens selbst zu kommen, schreib ich vielleicht

4
nicht mehr,
ohne besondere Veranlaßung
, in diesem Jahr an Sie,

5
alter liebster bester Freund! Hat Gott etwas menschl. über mich verhangen,

6
so hab ich meinem einzigen Sohn, der eben gute Nacht gesagt, meinen

7
väterlichen Rath und Befehl deshalb ertheilt. Gott seegne Sie mit Gesundheit und

8
Freudigkeit und Stärke, die vortrefliche Mutter sammt allen Ihren lieben

9
Kindern. Mein innigst geliebter August wird mich entschuldigen, wenn ich

10
seine
l
erste Handschrift nicht mit ein paar Zeilen erwiedern kann, wie ich

11
fest willens gewesen. Ich umarme Sie u. die Ihrigen unter den besten

12
Wünschen.
Vale, gaude et ama.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 289 f.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, VII 291–294.

ZH VI 124–130, Nr. 891.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
124/2
9
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
9.
124/35
bey
d
sich
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
?
bey sich
125/6
gi
b
ebt
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
giebt
125/18
Ganzen;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Ganzen,
125/22
Golgatha
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Golgotha
127/27
anzustecken
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
anzustecken.
129/6
Dank
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Dank,
129/31
späte
ste
ns
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
spätestens
129/36
Adiunctus
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
adiunctus
129/36
erst ein wenig
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
erst
wenig