893
S. 131
Kgsb. den 12 Novbr. 85.
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Sie werden, Herzenslieber Jacobi-J. wider mit einem Briefe von mir
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heimgesucht, wie wir heuer von Gewölk und Regen. Wenn Sie weder Zeit
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noch Lust haben zu lesen, so werfen Sie ihn fort, und laßen ihn liegen, daß
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er schwarz wird, oder Sie Muße zu verlieren haben.
6
Heute wieder Sonnaben
d
, und die Woche zu Ende, ohne daß ich das
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geringste habe anfangen können, mit genauer Noth unserm lieben Plato in W.
8
geantwortet. Ich brachte den Brief gestern Morgen selbst auf die Post, kam
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aber zu spät. Ohne einmal recht, als aufs Hörensagen, zu wißen ob heute
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eine abgeht, hab ich ihn meinem Joh. Mich. mitgegeben.
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Gestern den heil. Martin bey einer magern Ente, statt einer fetten Gans
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gefeyert. Nachmittags bin ich zu Hause geblieben, das mir mein müßiger
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Posten und die Nähe des
Licents
füglich erlaubt, – und hierin ist mir mein
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Loos lieblich gefallen. Da kam ein junger guter Mensch, der sich den gantzen
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Sommer auf dem Lande aufgehalten, brachte mir einen Curländer, der von
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Leipzig nach Hause geht – Wenn ich schon einmal aus meinem Circul
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herauskomme – Kurz, es wurde aus allem Nichts –
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Was ich gestern und seit vielen Wochen mir vorgenommen, habe ich heute
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zum Frühstück genoßen. Meines lieben Alc. B. Briefwechsel von Anfang bis
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zu Ende widerholt, numerirt und in der grösten Ordnung
seponi
rt. Daß diese
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Arbeit
nicht ohne Rührung und Zufriedenheit und einigen Wehen der
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Sehnsucht und dem tiefsten dunkelsten Gefühl im Grunde des Herzens
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abgemacht werden können, darf ich Ihnen nicht sagen. Ich erwarte mit jedem
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Posttage einen Wink von seiner glücklichen Heimkunft, wenigstens von
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Ihnen, als dem nächsten Paranymphen unserer Freundschaft. Mein Verbot
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nicht eher an mich zu denken, biß er in
Ruhe
gekommen seye, macht mir das
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Stillschweigen zum Gesetz und Gebot. Ich beschwere Sie also lieber
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Jonathan! Ihn nicht eher zu wecken noch zu regen, als biß es ihm Selbst gefällt;
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Aber Nachricht erwarte ich durch Sie von
s
Seinen und Seiner lieben
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Marianne Glück und Wohl – so gewißenhaft und umständlich, als ein
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Augenzeuge sich selbst
Rechenschaft geben kann, von
dem was er
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sieht und erfährt
.
33
Reichardt, mein Ariel, ist den 5
ten
dieses glückl. angekommen. Alles gut,
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und auf dem vorigen Fuß. Nun denke ich mit Wohlgefallen an Berl. das
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nicht mehr Babel in meinen Augen ist, weil ich nunmehr
Einen
Freund
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habe, woran es mir seit seiner Abwesenheit gefehlt. Sein Schwager
Dorow
S. 132
schrieb es mir vorgestern frühe, und ich hatte einen vergnügten Mittag bey
2
unserm Hi
ll
ppel. Der Wanderer Hill aß mit; auf einmal fällt ihm eine
3
Bauernhochzeit ein 6 Meilen von hier, wo er eingeladen worden. Er läuft
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auf einmal weg, ohne Abschied um 3 Meilen noch denselben Abend zu
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bestreiten, die übrigen 3 gestern als zum Hochzeitmal – und will heute wider
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in der Stadt seyn. Aus diesem Zuge können Sie leicht urtheilen, wie sauer es
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mir bisweilen wird, diesen Bucephalus Kopf im Gleise zu erhalten.
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Von Scheffner habe noch
Z
keine Zeile erhalten, dafür eine pathetische
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Entschuldigung durch H. weil er Kirchenvorsteher geworden seyn soll, und an
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Revision vieljähriger Rechnungen arbeitet. Er sollte mir wenigstens ein
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fremdes
geliehenes
Buch zurück schicken, und begreife nicht
Recht
diese
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Ausnahme von seiner strengen Genauigkeit im Borgen und widergeben. Sein
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Museum liegt zwar auch noch bey mir; ich erwarte aber vor der Ablieferung
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noch den vor- u diesjährigen Jahrgang. –
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Hier begegnete mir ein gantz vermaledeyter Streich in einer königl.
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Dienstsache, den ich Ihnen erzählen muß. Mein ganzes Amt besteht in Hütung des
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Packhofes, welche eigentl. von meinen unter mir stehenden Licentträgern
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abhängt, und in Bewahrung und gehöriger Auslieferung aller Beschläge, wozu
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ich eine besondere
Depot
cammer habe, und für die ich haften muß. Kurz vor
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dem Essen kommt der Aufwärter von der
Prov. Direction
und verlangt
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gegen Qvittung einen versiegelten Sack mit Sachen die auf einer kleinen
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Stadt beschlagen worden, bereits im Martio. Verdrüßlich über den Vorfall,
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der selten und desto ungelegner kommt, geb ich ihm die Schlüßel und bitte
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an einen von denen, die in meiner Amtsstube arbeiten, die Sachen ihn
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herauszugeben. Werfe mich aber geschwind in Kleider u laufe selbst nach. Der
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Aufwärter kommt mir schon entgegen mit der Nachricht, daß man nichts finden
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kann. Ich zu meinem Register wo ich das
Protocoll
eingetragen finde, und
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noch offen. Jede Sache, die ich schon suchen muß, ist gleich in meinen Augen
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verloren, und denn kommen mir gleich ein Dutzend Arten und Weisen in
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Kopf, wie selbige hat verloren werden können. Mit einemmal verliere ich
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denn alle Besonnenheit, weiß von meinen Sinnen nicht – Es war nicht mehr
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als ein einziger versiegelter Sack, der es nicht seyn konnte und sollte –
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dennoch es würklich war. Kurz die schreckliche Angst einer halben Stunde lößte
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sich, nachdem ich mit Gewalt und gleichsam bey den Haaren zu einem
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Augenblick kalter Ueberlegung gebracht war, in Schaam und Gelächter über
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Blindheit auf. Dieser Naturfehler ist aber incurable, und macht mich zu meine
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allen, besonders kleinen Geschäften untüchtig – vielleicht gemeiner unter den
S. 133
Leuten, die Philosophen heißen, nur würkt er bey mir auf eine epileptische
2
Art. Daß man sich Dinge, die weder
sind
noch seyn
können
als würklich
3
vorstellt und gleich Theorien fertig hat die Wunder seiner eignen Einbildung
4
zu erklären und wahrscheinlich zu machen,
figmenta
als
data
voraussetzt und
5
sich in Schlüßen darüber verliert, daß man nicht wider heraus finden kann.
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Ich präge mir alle dergl. Vorfälle so tief wie ich nur kann und in mancherley
7
Gestalt und Methode ins Gemüth; aber alles ist umsonst.
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Auf dies Leid folgte noch eine kleine Freude von anderer Art. Mein
9
Johann Michel brachte mir die Abhandlung eines
D.
Hufeland mit über den
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Grundsatz des Naturrechts,
den
Kant erhalten und ihn hauptsächlich angeht.
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In dem Versuch habe ich die gantz unerwartete Ehre unter die neuesten
12
Schriftsteller über das
Jus naturae
sechsmal mit allem Glimpf und mehr als
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ich verlangen kann, feyerlich citirt und allegirt zu werden mitten unter die
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Grotios, Puffendorfios, Hobbios, Vattelios, Schmaussios, Flattios etc etc.
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Was meynen Sie dazu? Befördert ein solches
Dessert
nicht die Verdauung?
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Das niederschlagende Pulver wird wohl bald hier seyn. Ich kann das Ende
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der künftigen Woche nicht abwarten, und den 63sten Band – Ich habe das
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gefahrliche Buch kaum eine Stunde in meinem Hause behalten, und den
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Ueberbringer gleich damit fortgeschickt – Mir blos die Freude gemacht an den
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Fingern abzuzählen, wie oft mein Name mit Schwabacher gedruckt vorkommt.
21
An der Materie nimmt der Prediger in der Wüsten keinen weitern
Antheil
22
Wie Kant noch Magister war, pflegt er
im
oft im Scherz zu
23
erzählen, daß er immer
Happelii Relationes curiosas
lesen
müste
vorm
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Schlafen gehen. Darnach kam die Reyhe an Basedows Philalethie u.s.w. Ich
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besorge
daß meine
Relationes curiosae
Sie auch ermüden. Dennoch muß
26
ich Ihnen noch erzählen, was der Heil. Martin gestern für Freude in mein
27
Haus gebracht, die ich meinem Johann Michael zu verdanken habe, und er
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zum Theil mir.
29
Er kommt ganz bestürzt zu Tisch, der nur Mittags bey uns gedeckt wird.
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Nun mein Sohn – Vaterchen! ich habe ein großes Großes Geschenk
31
bekommen – Hippel hat seinem
Raphael
und meinem Michel diese Woche ein
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gleichförmiges Kleid bestellt. Davon hatte ich schon Wind – ich konnte mich
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also auf nichts mehr besinnen, was ihm fehlen könnte noch wo es herkommen
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sollte. Ich wurde verdrüßlich weiter zu rathen, und sagte mit einiger Hitze:
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Junge! rede: von wem? wie? was? – Ein
Plinius ex ed. Harduini in folio
36
vom HE.
Nicolovius.
Ich muste ihn annehmen. So und so hat ers mit mir
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gemacht.
S. 134
Liebster J. Ohne Ruhm zu melden, bin ich sehr genau alles in Einnahme
2
und Ausgabe zu bringen, schreibe jeden Besuch den ich bekomme und
3
abstatte in meinen Hauskalender. Daher weiß ich sehr genau daß den letzten
4
Julii Dom X. p Tr.
ein feiner junger Mensch, den ich nicht kannte zu mir
5
kam. Seine Verlegenheit machte mich ungedultig, daß ich ihn etwas dringend
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frug: womit ich ihm dienen könnte. Ich hatte eben einen Brief unter Händen.
7
Er bat mich gantz gerade, daß ich ihm wo mögl. im Engl. oder Griechischen
8
Stunden geben möchte. Dies außerordentliche Vertrauen gefiel mir und ich
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hielt es der Mühe werth den Jüngling näher kennen zu lernen. Ich benahm
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ihm gleich sein Misverständnis, daß ich spät mich mit einigen Sprachen
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abgegeben hätte, nicht weit darinn gekommen, und von Tag zu Tage das wenige
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allmählich vergäße – wenigstens die Erfahrung gemacht, wie man auch mit
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dem kümmerlichsten Gedächtniße sich in Sprachen forthelfen könnte.
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Bedauerte die Abwesenheit meines Hills, der in diesem Fache lebte und webte,
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schlug ihm meinen Joh. Michael vor, der eben die Hundstage auf dem Lande
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feyerte. Sie kannten sich einander und sahen sich alle Tage in Stunden bey
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Kant. Er schien mit diesem Rath zufrieden, und ich wars noch mehr einen
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neuen Freund und Gehülfen für meinen Sohn an ihm gefunden zu haben.
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Der Name und das Haus seiner Eltern war mir bekannt, weil ich in der
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Nachbarschaft einmal gewohnt. Daß sein Vater eine der grösten Stellen
21
hier gehabt, die Hippel sich vor seinem jetzigen Posten wünschte und ungern
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aufgeben muste seine Ansprüche. Er war OberSekretair bey der Regierung,
23
dem jetzigen
Etats-Ministerio.
Seine beyde Eltern wären gestorben, meldete
24
er mir. Ihr Haus verkauft mit der Bedingung, daß sie solange ihre
Tante
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lebte, darinn wohnen könnten zur Miethe. Er hätte noch 2 Brüder, die
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Zwillinge wären, und eine jüngere Schwester außer einer bereits verheyratheten.
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Die 3 Geschwister lebten gemeinschaftlich mit ihrer alten
Tante.
Er hätte
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sich der Theologie gewiedmet – dies fiel mir eben so sehr auf, weil Leute
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von Vermögen und einem gewißen Stande selten sich zu diesem Studio
30
entschließen. Seine beyde Zwillingsbrüder studierten auch, aber ihre Wahl
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wäre noch nicht entschieden. Sie hätten beyde natürliche Fehler der
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Aussprache, einer hätte Lust ein Buchhändler, der andere ich weis nicht mehr
33
was? zu werden. Ich nahm daher Gelegenheit ihn zu
praeveni
ren, daß mein
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Sohn auch einen Zwillingsfreund an seinem Raphael Hippel hätte, von dem
35
er sich ungern in seinen Uebungen scheiden würde, und so wurde von mir
36
der Grund zu dem kleinen
Triumvirat
gelegt.
37
Mein Sohn fängt das Engl. an, gesteht mir bald, daß sein
commilito
S. 135
weiter darinn wäre als er selbst, nicht nur seinen
Pope
und
Milton
lesen könnte,
2
sondern auch im Sprechen und Schreiben geübt wäre, worinn es meinem
3
Michael wie dem Vater, selbst in seiner Muttersprache fehlt, an Zeit und
4
Lust und Muth. Ich geb ihnen meinen
Shakesp.
und wie sie mit einem Stück
5
darinn fertig sind, merkt
Nicolovius
auch, daß er sich selbst helfen kann,
6
besonders da er in seiner ausgesuchten Bibl. die Eschenb. Uebersetzung hat. Sie
7
schränken sich aber seitdem blos auf das
Griechische
ein, fiengen mit dem
8
Aeschines
an, haben die ersten 4 Gesänge der Odyßee zu Ende gebracht.
9
Nicolovius
findt eben die Leichtigkeit auf seine eigene Hand darinn
10
fortzufahren – und
übermorgen
auf die Woche kommt die Reyhe an
11
Theocrit
12
Ich kann Ihnen nicht sagen, was der erste Besuch dieses jungen Menschen
13
für einen ungemeinen Eindruck auf mich gemacht, aber noch weit mehr alle
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die Kleinigkeiten, welche ich meinem Sohn bisweilen aushole über den gantz
15
außerordentl. originellen Character dieser 3 Brüder, von denen jeder seinen
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eigenen Gang gehen soll, bey der grösten Harmonie. Mein Sohn qvält mich
17
immer mit der Frage: warum er ihm seine Stärke im Engl. verheelt. Nach
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dem erfährt er, daß einer der Zwillinge sich mit ähnl. Eifer auf das griechische
19
legt, und es weit darinn gebracht haben soll, weiß er wider nicht, wozu er
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sich mit dem in dieser Sprache übt. Wo er die Ausgabe herbekommen, weiß
21
ich nicht. Eben heute meldt mein Sohn, daß er voller Vergnügen gewesen
22
über das Voigtsche Steincabinet, das er sich auch verschrieben. Sie hören
23
beyde die
Mineralogie
bey unserm würdigen
D. Hagen.
So ersetzt die
24
mütterliche Vorsehung meine Mängel zur Erziehung dieses Jungen, den Sie
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mehr liebt als ich es thun kann und will u mag.
26
13. November
Dom. XXV.
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Wir hatten gestern Abend kaum Licht angesteckt, wie der tolle Hill kam mit
28
einem Töpfchen Honig in der Hand u die Taschen voll kleinstädtisch Brot
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für meine Kinder, um sie und mich zu bestechen und uns den Mund zu
30
stopfen. Weil es nicht möglich gewesen wegen des Grundlosen Unweges das
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hochzeitl. Dorf zu erreichen, bedenkt er sich kurz und marschirt nach Pillau,
32
also 14 Meilen an statt der 12 in einem u 2 halben Tagen. Ist bis über den
33
Nabel in
den
einen blinden Graben gefallen. Heute früh beschlich nach der
34
Mettenzeit die 3 Brüder und fand sie wie
ein Blatt
eine Klette zusammen
35
über den Juvenal. Ihr Vater soll ein beynahe finsterer Mann gewesen seyn,
36
zu Geschäften gemacht und von wenig Worten. Bey allem dem macht mich
S. 136
mein
habitus
zu
nehmen
und zu
empfangen
für mich
besorgt,
und diese
2
Süßigkeit hat für mich einen bittern Nachschmack.
3
Hippel hat mich zu Mittag gebeten, den Altgesellen Hill mit den beyden
4
Burschen Mich. u Raph. deßen Bruder Samuel Hippel heute eingeseegnet
5
wird nebst dem Ernst Deutsch, der bey dem Pfarrer Fischer in
Pension
steht.
6
Meiner wurde es, ehe er nach Graventihn gieng. Fischer ist zwar nur beym
7
Königl. Hospital aber der Leibprediger unseres hiesigen
Beau monde
und
8
meiner Freunde. Für mein hartes Ohr redt er ein wenig zu
sachte
9
Wir werden also, liebster J. Ihre Gesundheit trinken, und mit unsern
10
Gedanken in Pempelfort und Ihrer Nachbarschaft seyn. Mit Herders 2
ten
11
Theil bin zum zweiten mal fertig geworden. Das langsame Lesen wird mir
12
sehr sauer – und noch saurer das Urtheilen, oder vielmehr die Entwickelung
13
deßelben.
Flüchtiger scheint mir an einigen Stellen dieser Theil zu seyn, auch
14
mehr
ornamenta ambitiosa
die Schreibart zu haben, besonders thut mir
15
auch der Abschnitt über die Regierungen nicht völlig Gnüge. Es fehlt aber
16
nirgends an großen und schönen Gedanken, die mit Würde und Anstand
17
gesagt sind für die Bedürfniße unserer Zeit und die Gränzen seines Beruffs.
18
Seinen Plan bin noch nicht im stande zu übersehen; und vom Ganzen hängt
19
doch der Zuschnitt jedes Theiles ab. Der lauterste und reinste Geschmack
20
herrscht in seinen
zerstreuten Blättern
, und ist ein Werk der
Theano
.
21
Die Ideen erfordern eine männlichere Muse –
artis seuerae effectus.
22
Bey seinen Amtsgeschäften, unvermeidl. Zerstreuungen der leidigen
23
Celebrität
p der überschwengl. Belesenheit u Mannigfaltigkeit von
24
Kenntnißen – ist vor dem
Exegi opus
die
reinste
Kritik
summa iniuria.
25
Gewißenshalber kann ich gar nicht urtheilen – und die Liebe für die Sache
26
so wol als den Verfaßer ist
Humanität,
die Alles deckt. Gott hat den Leib
27
also vermengt und dem dürftigen Glied am meisten Ehre gegeben – und wo
28
ist ein Autor wie Er? – ein beßeres Muster aller Systeme im Großen und
29
Kleinen? – – –
30
Ich komme müde und matt zu Hause, bin den ganzen Tag im Regen und
31
Schlag herumgegangen und finde eine
n
ledige
Addresse
zu einem
32
Exemplar der Ideen aus Weimar. Das vorige war aus Riga. Mein gestern
33
abgegebener Brief geht erst morgen ab, wie ich mir zum voraus vorgestellt.
34
Wenn ich über Spinoza was zu schreiben im stande bin; so werden Sie es
35
nicht anders als
gedruckt
erhalten. Zur freundlichen Nachricht! Ueber das
36
Gedruckte wird es mir lieb seyn von Ihnen gescholten, getadelt und
37
questionirt
zu werden nach Herzenslust. Werde auf alles mit
Ja
oder
Nein
, oder
S. 137
mit Ja
und
Nein antworten. Vor- macht keine Nachrede. Heute über 8 Tage
2
ist der letzte Sonntag des Kirchenjahrs, und der Advent ist meine liebste und
3
einträglichste Jahrzeit wegen der kurzen Tage zu meinen
opusculis
der
4
Finsternis und Nacht und des sie, Ebbe und Fluth
regirenden
Monds.
5
Wegen der Einkleidung bin ich noch ungewiß; keine
Liebesbriefe
eines
6
Adonis sondern Endymions. Der Titel ist für mich kein Schild zum bloßen
7
Aushängen, sondern der
nucleus in nuce,
das Senfkorn des ganzen
8
Gewächses.
Hinc illae lacrumae
über diese Kleinigkeit erst mit mir selbst einig
9
zu werden.
Eintheilung
Entwickelung und Ausfüllung überlaße ich den
10
Säften des Bodens und Einflüßen der Witterung u des Himmels. Aus
lecta
11
potenter re
fließt von selbst
facundia
und
lucidus ordo.
Diese meine
12
methodum arcanam
werde ich nun freylich nicht den Bürgermeistern und
13
Philistern der A. d. Bibl. auf die Nase binden. Laßen sie sich mit ihrem
14
Moses die Köpfe
zermalmen
!
15
Gottlob! die erste Handvoll Schnee, mich damit zu waschen. Das wärmt,
16
sagt man, auf den ganzen Winter. Schwatzen hat seine Zeit, Schweigen hat
17
seine Zeit –
amant alterna Camenae. Vale et faue.
18
Bin mit dem ersten Theil im
Turgot
stehen geblieben. Brahl arbeitet an
19
sm
Mirabeau
wie eine Schnecke, u muß erst damit fertig seyn – –
Haec ruit.
20
Erbarmen Sie sich mein, lieber J. und kühlen bald mit einem Tropfen aus
21
der Ferne Ihren schmachtenden und wie David des Waßers aus dem
22
Brunnen zu B. lüsternen – Sie und alle Ihre Lieben zu P. D. u M. seegnenden –
23
im Geist umarmenden alten
radoteur
Johann Georg Hamann
24
den 14 frühe unter dem Morgenseegen
25
meiner Kinder.
26
Vermerk von Jacobi:
27
Koenigsberg
den 12 u 13
ten
Nov. 1785
28
J. G. Hamann
29
empf den 24.
ten
beantw
den 16.
ten
Xbr.
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 96–105.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 130–138.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 4: 1785. Hg. von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2003, 239–246.
ZH VI 131–137, Nr. 893.
Zusätze fremder Hand
|
137/27 –29
|
Friedrich Heinrich Jacobi |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
132/11 |
geliehenes ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: geschriebenes |
|
133/10 |
den ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: die |
|
133/21 |
Antheil ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Antheil. |
|
133/22 –25
|
Wie […] Ich besorge] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
133/23 |
müste ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: muste |
|
133/25 |
besorge ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: besorge, |
|
135/11 |
Theocrit |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Theocrit. |
|
136/1 |
besorgt, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: besorgt |
|
136/8 |
sachte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: sachte. |
|
136/13 –137/14
|
Flüchtiger […] zermalmen!] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
137/4 |
regirenden ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: regier en den |
|
137/27 |
Koenigsberg ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Königsberg |
|
137/29 |
beantw ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: beantw. |