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Kgsb. den 15 Nov. 85.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Me Courtan
hat mir den 28
pr.
einige Zeilen geschrieben, welche ich den
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8 d.
erhalten. Mit der traurigen Nachricht von Ihren Gesundheitsumständen,
S. 138
meldet sie zugl. daß sie denselben 8–12 abgehen würde. Ich vermuthe
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daher, wie Sie selbst sagt, daß Schwermuth und Heimwehe Ihr Uebel
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vermehrt, und Ihr dadurch beschwerlicher wird und gefährlicher vorkommt, als
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es wirklich ist und den neuen Aerzten die Ihre
Constitution
und Krankheit
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nicht kennen, scheinen mag. Wie sehr Sie Selbst dabey leiden müßen, kann ich
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mir leicht vorstellen. Seyen Sie unterdeßen gutes Muths und trauen dem
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guten Gott der jede Last die Er uns auflegt, auch tragen hilft, und alles zu
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unserm Besten lenkt. Da ich nicht ins Ungewiße schreiben mag: so können Sie
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leicht denken, mit welcher Ungedult und Unruhe ich jeden Post
tag
beßeren
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und zuverläßigen Nachrichten entgegensehe. Besuche und am wenigsten
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schriftliche sind Kranken immer angenehm. Der Weg muß abscheulich seyn; aber
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das Verlangen zur häuslichen Ruhe und die mütterliche Liebe überwandt
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alles. Sagen Sie das Beste was Sie wißen und können in meinem Namen
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zur Aufrichtung unserer kranken Freundin und meiner lieben und werthen
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Wohlthäterinn und Gevatterin. Ich kann nichts mehr thun als für Sie
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beten, und Gott wird unser gemeinschaftliches Gebet erhören. Sein Wille
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ist doch der beste. Die Erde ist des HErrn und Er ist uns allenthalben gleich
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nahe und gegenwärtig, daß kein Haar unserem Haupte entfallen geschweige
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ein Glied unseres Leibes ohne Sein Mitgefühl und Bewußtseyn leiden
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kann.
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Herr Cr R Jensch hat mir versichert Ihnen das
Billet
der Baroneße bey
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Ihrer Durchreise eingehändigt zu haben. Die
Pension
ist 400 fl. Stunden
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in Music, Tantzen, Schreibekunst, Historie u. Geographie werden besonders
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bezahlt und nach Nothdurft und Verlangen eingerichtet und bestimmt. Ein
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Besteck von einem
S
silbernen Löffel, Meßer u Gabel nebst dem Tafelzeug
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bleibt zum Bestand. Die
Pension praenumerando
bezahlt. Der wesentlichste
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Hauptpunct ist, daß Ihre liebe Albertine gantz unumschränkt vom mütterlichen
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Willen der Baroneße, die sich von Ihren Kindern
Tante
nennen läßt,
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abhängen muß; folglich aller
respectus parentelae
und übrige
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Familienverhältniße schlechterdings aufhören und abgeschnitten oder von
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dem Gutbefinden der Baroneße schlechterdings abhängen müßen. Die
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unumgängliche Nothwendigkeit dieser Bedingung läßt sich von vernünftigen Eltern, die
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gegenwärtig geschweige entfernt sind, von selbst einsehen. Ich habe 2 mal
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deshalb mit der Baroneße gesprochen, und das übrige kann Ihre Gemalin
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mündlich abreden.
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Mein Golgotha hat die unerwartete Ehre gehabt einer
ausführl
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Recension in dem
LXIII.
Band 1. gewürdigt zu werden. Heute vor 8 Tagen
S. 139
ist deshalb an Nicolai geschrieben worden und ich erwarte diesen armen
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Sünderwein mit der nächsten fahrenden Post. Ein gewißer
D.
Hufeland
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in Leipzig hat einen Versuch über das Principium des Naturrechts
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herausgegeben u ein
Dedications
Exemplar unserm Pr Kant zugeschickt, der
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fleißig angeführt seyn soll und mein Name soll auch die Ehre haben mit
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Schwabacher oft genug angeführt zu werden mitten unter den Sternen der ersten
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Größe die über das
Ius naturae
zu Helden geworden. Die
General-Adm.
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hat uns wider die gröste Hälfte von unserer vorjährigen
Gratification
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abgezogen. Anstatt 86 sind mir nicht mehr als 41 rth zutheil geworden. Gott
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hat alles reichlich ersetzt, ein neues Kleid meinem Johann Michael und einen
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Plinium ex ed. Harduini fol
741 geschenkt. Wir werden also mit
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Wahrheit des Geistes bald singen können: Der
König will bedenken
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die welch er herzlich liebt mit köstlichen Geschenken
– Er kehre auch
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in Ihr Haus mit Gesundheit, Seegen bey gegenwärtiger Theurung und
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Mangel der Lebensmittel, Freude und Zufriedenheit mitten unter den
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Kreutzesdornen und herzlicher Ergebenheit in Seinen heiligen guten Willen
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ein. Empfehlen Sie mich und die Meinigen unserer kranken Freundin und
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geben uns bald zuverläßige Nachricht von Ihrer Beßerung und glückl.
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Abreise. Ich ersterbe mit den besten Gesinnungen und unter den brünstigsten
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Wünschen Ihr alter treuer Freund
Joh. Ge Hamann.
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Adresse mit Mundlackrest:
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An / HErrn Buchhändler
Hartknoch
/ zu /
Riga
.
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Vermerk von Hartknoch:
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HE
Hamann
in Königsberg
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Empf den 12
Nov
1785
Provenienz
Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, III 133.
Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 88–89.
ZH VI 137–139, Nr. 894.
Zusätze fremder Hand
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139/24 –25
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Johann Friedrich Hartknoch |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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137/34 |
8 d. ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: 8.d. |
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139/22 |
Riga . ]
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Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH: Riga |