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Kgsb den 18 Nov. 85.

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Geliebtester Freund,

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HE M. Pleßing hat mir diese Woche aus Wernigeroda geschrieben. Er

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hat sich seit seines Aufenthalts bey seinen Eltern gantz auf die griechische

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Sprache gelegt und ein großes Werk in 2 Bänden, das in klein Octav

S. 149
beynahe 80 Bogen betragen möchte, zu Papier gebracht unter dem Titel:
Die

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schon im frühen Alterthum erkannte höchste Gottheit, oder historisch-

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philosophische Untersuchungen über die Denkart, Theologie u Philosophie der

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ältesten Völker, vorzüglich der Aegypter und Griechen bis auf Aristoteles

5
Zeiten
. Er beklagt sich mit diesem
Mst
schon von 2 Buchführern gelitten

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zu haben – und erinnert sich Ihrer, weil es nur für Gelehrte geschrieben,

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also kein eigentl. Meßarticul ist, daher einen großen Buchhändler nöthig hat.

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Ich bediene mich seiner eigenen Worte. Da sein äußeres Glück von der

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baldigen Herausgabe abhängt: so ist sein gröster Wunsch es auf der

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Ostermeße erscheinen zu sehen und zwar beide Bände zugl. Was das Honorar

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betrifft, das er auch zwar bedarf und worauf er bey seiner Lage allerdings

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Rechnung macht, so will er sich bey einem Mann wie Sie, gantz Ihrer

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Discretion
und
Generosité
überlaßen, auch z.E. Kants Schriften u Kleukers

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Zendavesta
nehmen
Göthe hat einen ähnl. Auftrag mit mir erhalten.

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Der Mann hat wirklich einen stupenden Fleiß. Ob eine so kurze Zeit

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hinlänglich ist zu einer gründl. Erkenntnis der gr. Sprache, kann ich nicht

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beurtheilen. An Kopf fehlt es ihm auch nicht und an einer gewißen

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philosophischen Anlage. Seine Feder ist sehr ergiebig und fruchtbar, wie Ihnen

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bereits schon bekannt ist. Das
Thema
ist auch nach der neuesten Mode, durch

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Mendelssohns Vorlesungen und wenn sich Kant gegen ihn einlaßen sollte –

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wird es noch mehr aufs Tapet kommen. Ich erwarte
also Ihre Erklärung

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nach
gemachtem Ueberschlage
, zu meiner Antwort.

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Unsere liebe
Me Courtan
soll diese Woche allso Riga verlaßen haben.

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Gott begleite Sie mit Seinen guten Engeln bey so mißlicher Gesundheit,

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Witterung und abscheulichem Wege. Unser ganzes Haus hat an Sie gedacht,

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weil Ihre kleine Pathin Marianne Sophie ihr erstes Stuffenjahr

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beschloßen, und ins achte Jahr eingetreten.

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Ebenso neugierig als ungedultig erwarte mit der ersten Post den neuesten

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Theil der A. D. Bibl. u die
ausführl
. Recension meines
Golgatha
mit

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Galgen u Rad drauf – Kant hat von
D.
Hufeland seinen Versuch über das

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Grundgesetz des Naturrechts erhalten, in dem der Schiblemini mit desto mehr

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Glimpf unter die Sterne dieser Wißenschaft versetzt seyn soll.

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Von der vorjährigen
Remise
sind uns an statt 86 rth nur 41 u einige gl. zu

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Theil geworden. Gott hat aber alles reichlich ersetzt, durch Kr Hippel

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meinem Hans ein neues Kleid u durch seinen jungen Freund Nicolovius, mit dem

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er sich im Engl. u Griechischen ein wenig übt, einen
Plinium ex edit.

S. 150
Harduini in fol.
741 gantz unerwartet beschärt. Meine
Lisette Reinette
hat

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sich statt der ihr zugedachten 40 rth mit 20 behelfen müßen zu einem

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Ehrenkleide, deßen sie bey ihrer Einsegnung entbehren müßen.

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Zu
Benzlers
Poetian
Library
habe hier einige Subscribenten

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aufgetrieben
u
bitte ein gl. für diesen unglückl. Mann zu thun. Er suchte

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vor einigen Jahren hier unterzukommen, soll beynahe blind seyn
u
viel

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Familie haben, übrigens ein geschickter u ehrl. Mann. Erfreuen Sie mich

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bald mit Antwort und guter Nachricht von Ihrer Gesundheit u Familie die

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Gott in Seinen Schutz nehmen wolle gegen die fürchterl. u traurige Aspecten

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und Einflüße der gegenwärtigen bösen Zeit. Ich umarme Sie und empfehle

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mich samt den Meinigen Ihrem guten Andenken als Ihr

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alter treuer
Johann Georg H. u Sohn.


13
Adresse mit Mundlackrest:

14
HErrn / HErrn Hartknoch / Buchhändler / zu /
Riga
.

Provenienz

Druck ZH nach der überlieferten handschriftlichen Abschrift Arthur Wardas. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, III 153.

Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 139 f.

ZH VI 148–150, Nr. 897.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
149/14
nehmen
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
nehmen.
149/29
Golgatha
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Golgotha
150/4
Poetian
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
Poetical
150/5
u
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
und
150/6
u
]
Geändert nach der Abschrift Wardas; ZH:
und