911
197/32
Kgsb den 28
Xbr.
85.

33
Diesen Morgen, lieber Herzens J. fand ich das
XII
Stück der Beytr. zum

34
H.
Corresp.
auf meinem Amtstische. Ich verschlang es und laß es noch

S. 198
einmal ohne eben daran erbaut zu werden. Da habe ich ganzer 2 Stunden

2
gelauert auf Ihren Briefboten – Er kam nicht und ich machte mir andere

3
Plane, borgte einen Stock u lief nach der Stadt. Eben kam ich auf das Eis

4
bey der Ueberfahrt, da ich unverhoft den Mann vor mir fand mit der ganzen

5
Einl
Ladung von Einlagen. Bey
Me Courtan
hatte Bestellungen u nahm

6
zugl. auf dies Jahr Abschied. Von da lief ich zu Ihrem Namensvetter, der

7
auf dem Lande die Feyertage zugebracht hatte, besorgte die Einl. nach

8
Petersburg, die bestens bestellt werden wird, weil C.R.F. dort keine

9
Verbindung zu haben scheint, und weiß daß Freund Jacobi dort zu thun hat,

10
der auch über den Namen stutzte und sich erinnerte einen sehr liebenswürdigen

11
Mann ohne
von
gekannt zu haben, sich aber nicht recht besinnen konnte.

12
Wegen
Claudius
bin ich beruhigt, theils aus dem Stillschweigen des

13
Grafen aus
Tremsbüttel
– theils aus dem Gerücht einer angekündigten

14
Uebersetzung. Aber daß ich keine Zeile aus Münster erhalten, kann mir

15
unmögl. gleichgiltig seyn. Ich bin die Feyertage nicht aus dem Hause

16
gewesen. Montags besuchte mich
Lisette Reinette
und gestern habe ich auf

17
das 2te Jahr das erste Viertel
praenumeri
rt. Heute ist just Ein Jahr, daß

18
meine gute liebe älteste Tochter in
Pension
kam, die eine Mutter an der Bar.

19
und Ihrer Freundin Fräul. von Morstein hat, ohngeachtet sich beyde nur

20
Tanten
von ihren Pflegkindern nennen laßen. Sie können leicht denken,

21
wie ich nach Münster hindenke, und wie mich alle Freuden, die ein Vater

22
haben kann, mich daran erinnern. Sollte ich mit meinem Briefe Anstößig

23
gewesen seyn: so habe ich die gute Meinung von B. Aufrichtigkeit, daß er

24
sich rund und deutsch darüber gegen mich erklären wird. Da ich an meiner

25
Entkleidung u Verklärung arbeite: so kann ich jetzt nicht schreiben – und von

26
beyden hängt auch meine
Freyheit
ab – Es mag nun gehen, wie Gott

27
wolle. Ich habe die Hand einmal an den Pflug gelegt und werde nicht

28
zurücksehen noch ziehen, ohne
höheren Wink
.

29
Einen Brief vom lieben Kleuker habe am wenigsten erwartet, und mich

30
lange besinnen müßen, daß ich ihm geantwortet habe. Seine Salomonische

31
Denkw. hat mir der Verleger bis auf das Titelblatt mitgetheilt. Ich habe

32
auch selbige gelesen – aber
Dii Deaeque me perdant
– wie ein römischer

33
Tyrann an den Senat schrieb. Mein Kopf ist so schwach, daß ich alles unter

34
den Händen vergeße.
An Gedächtnis fehlt es mir noch eben nicht aber gantz

35
an
reproductionen.
Ich muß das
nehmen
was es mir von selbst auswirft,

36
nicht was ich haben will oder mir nöthig ist. Auf seine Untersuchungen

37
freue ich mich über die Mysterien –
manum de tabula
aber heißt es bey mir.

S. 199
Vor jenen 20 Jahren lernte ich arabisch, um auf die
Origines
der

2
Humanität
wie Herder es nennt, zu kommen. Nun ist mir alle Lust

3
vergangen – und der Gaul taugt nicht mehr zu ebentheuerl. Ritten. Nach

4
der
Chevilah
habe ich lange gnug herumgesucht; denn was der seel.

5
Ziehen von der hieroglyphischen Sprache sich verlauten ließ, machte
auch

6
ungemein aufmerksam. Seine ganze Astronomie und alle übrige geht mich so

7
wenig an als
das
die gantze
Botanik
,
Chymie
u andere Dinge mehr,

8
von denen ich sehr hohe Begriffe habe, weil ich leider! beynahe keine davon

9
mir habe erwerben können. Also ist meine
Diät
auf Ein einziges Gericht und

10
Vnum necessarium
eingeschränkt. Auch verträgt mein alter Magen nicht

11
mehr. Ich biethe allso Ihre Freundschaft auf, mich bestens bey unserm lieben

12
Kleuker zu entschuldigen, den ich noch immer Hofnung habe persönlich zu

13
kennen und mündl. alles gut zu machen, was ich nicht mit der Feder thun

14
kann.

15
Ich habe auch unserm Lavater noch nicht einmal danken können weder in

16
meinem noch Hills Namen. Der ins Verborgene siehet, wird es thun – Aber

17
den 4ten Theil des
Pontius
Pilatus hab ich noch nicht, auch seinen Salomo

18
noch nicht einmal gesehen, muß mich auch damit trösten Ihn selbst darüber

19
exequi
ren zu können.
Versichern Sie Ihn wenigstens, daß der Berlinsche

20
Handel meine Freundschaft für ihn
vermehrt
und
gestärkt
hat – und

21
daß ihm eben so heilsam wie dem heil. Paulo ist bisweilen gestäupt zu

22
werden, wenigstens zum Besten seiner blinden Anhänger, die vielleicht ein solches

23
Correctiv
nöthiger haben, als Er selbst.

24
Vor einigen Wochen erhielt ich einen Brief von einem Geistl. bey Emden,

25
der sich auch als einen Freund u Schüler unsers Johannes anmeldete eines

26
mir bekannten Juden wegen,
der über die Kantsche Philosophie seine 5 Sinne

27
verlor, und jetzt ein Proselyt werden will.
Kant u sein Exeget der

28
Hofprediger
M.
Schultz, haben gl. geantwortet mit verguldeten Pillen. Dieser

29
an sich unbedeutende Umstand und ein noch verdrüßlicherer Vorfall gaben

30
mir Anlaß an den würdigen Häfeli zu Wörliz zu schreiben dem ich eine

31
Antwort schuldig war auf einige sehr liebreiche Zeilen die er meinem Hill, der

32
bey ihm angesprochen war, mitgegeben hatte. Den
IV
Advent erhalte ich

33
von diesem rechtschaffenen Freunde eine Antwort nach Wunsch, aus der ich

34
Ihnen folgende Stelle abschreiben muß:

35
„Dem hiesigen Superintendenten de Marees, der vor einem Jahre die

36
lesenswürdige Schrift:
Gottesvertheidigung über die Zulaßung

37
des Bösen
herausgab, habe ich vor ein Paar Wochen
ihr
G. u Sch. zu

S. 200
lesen gegeben. Den Jubel des 68jährigen Mannes hätten Sie sehen sollen.

2
Er las mir in der Freude seines Herzens das ganze Büchlein vor, wie wenn

3
er mirs erst bekannt zu machen hätte. Den Mann müßen Sie doch kennen

4
lernen, wenn Sie können, er ist erzgelehrt in seinem Fache. Auch sein Buch

5
müßen Sie lesen. Sagen Sie mirs, wenn’s Sie’s nicht beqvem bekommen

6
können, ich will es Ihnen zu verschaffen suchen“

7
Ich bin gegen Lob und Tadel nicht gleichgiltig, aber sehr behutsam und

8
beynahe
scrupulös,
daß beydes von
guter Hand
komme. Der Innhalt

9
aller
Theodiceen
u der Manichäismus mit allen seinen Widerlegungen

10
ziemlich verdächtig. Häf. ausdrückl. Bitte u der Geschmack eines so alten

11
Mannes reitzten demohngeachtet meine Neugierde, und die

12
Unvermeidlichkeit einer Gegenantwort auf seine Gefälligkeit und Aufrichtigkeit seines

13
Verhaltens in einer sehr
indiscret
en Angelegenheit von meiner Seite. Ich

14
erkundige mich durch alle mögl.
medios terminos
in beyden Buchläden, ohne es

15
erhalten zu können was ich suche, weil ich selbst in keinen komme, und nichts

16
unmittelbar borge noch baar kaufe. Gestern bringt mir einer meiner

17
Emissa
rien von demselben
de Marées
eine
Untersuchung der

18
Verbindlichkeit der göttl. Gesetze von der Todesstrafe des Mörders

19
und von Vermeidung blut
schänderischer Heirathen
Deßau 771. Ich

20
habe dies Buch mit so viel außerordentl. Vergnügen gelesen, daß ich nach

21
dem neuesten die Zeit nicht abwarten kann, und empfehle es Ihnen auch,

22
ohne zu begreifen wie ein so gründliches vorzügl. Werk nicht allgemeiner

23
bekannt geworden. Es ist gegen Michaelis u Baumgarten gerichtet, und ich

24
habe mich nicht satt lesen können. Ich habe so viel Neues, so viel

25
Individuelles für meine Ahndungen darinn gefunden – so viel Aufrichtendes an

26
dem Beyfall eines solchen Meisters in Israel, daß ich alle Recensionen in

27
römischen u gothischen Lettern nicht vertauschen wollte. Wenn seine

28
Gottesvertheidigung auch so gerathen ist: so wird Ihnen mein Wink nicht leid thun,

29
sich darum zu bekümmern. Oder sagen Sie mir, wenn das Lob mein Urtheil

30
bestochen. Ich habe wenigstens sehr merkwürdige Aufschlüße über Hams,

31
Onans Sünde, die Leviratehe und selbst
Anticipationen
über die

32
Autonomie
unserer
neusten
Kritiker gefunden, und manchen andern Wind unsers

33
Genii Seculi.

34
Der ehrl. Kraus brachte mir am 1. Feyertage des Abends selbst unter

35
seinem Peltz eine halbe Bouteille rothen Wein, den er geschenkt bekommen

36
und nicht hatte bezwingen können, u bat mich den andern Tag eine volle mit

37
weißem Wein der ungemein nach meinem Geschmack und für meinen Magen

S. 201
war
zu trinken
. Brahl brachte mir Gerstenbergs Melodrama, einen

2
impertinenten
Versuch des Beckers über ein Noth- und Hülfbüchlein, der Z. F.

3
D.
u
R. Briefe hat vordrucken laßen ohne ihre Winke nicht verstanden zu

4
haben, um in einer vierspännigen
Equipage
sich den armen Bauern oder ihren

5
gelehrten Mecänen bestens zu empfehlen. Den Morgen drauf schickte ich

6
beyde dem Scheffner zum Ansehen zu, eines als ein sehr schönes, das andere

7
als ein sehr impertinentes Buch und mit der Nachricht das
Beste
für mich

8
behalten zu haben. Dies war
Götzens Allerley
. Meine Kritik war

9
unterwegs geblieben und wie ich die Bücher gestern Morgen wider abholte

10
versicherte er mich, das
s
Schöne gar nicht angesehen, und von dem argen

11
40 Exempl. für sich u seine Nachbarn bestellt zu haben in
petto.
Wir lachten

12
über unser beyderseitiges Mißverständnis, und bleiben bey aller
Divergentz

13
unserer Urtheile u Meinungen gute Freunde. Meine Gesundheit verbietet

14
mich aber diesmal sein
Adiunctus
an seines Wirths Tafel zu seyn.

15
Ihren klugen Freund G. halten Sie gegenwärtig warm u bey guter

16
Laune. Da er den Herz. begleiten wird, so kann er die Chaldäer in B. am

17
besten ausholen, und bitten Sie ihn um seinen
guten Rath
oder

18
Gutachten.

19
Ich habe gar nicht gemeynt, daß mein Golgotha bewegen können den

20
Mendelssohn, Vorlesungen für seinen Sohn zu halten – denn das sie es

21
wirkl. sind, weiß ich von einem Zuhörer derselben, sondern nur die

22
Herausgabe
derselben befördert, und hierin glaube ich nicht gantz falsch vermuthet

23
zu haben. Wenigstens kommt es mir gantz natürl. vor die Beschuldigung des

24
Atheismi dadurch so kurz wie jener durch sein Auf u Niedergehen die

25
Existentz der Bewegung bewies, widerlegt zu haben.

26
Hill hat mir eine ähnl. Geschichte von G. erzählt der ihren
Bust

27
Schmeicheleyen in W. gemacht u die denen in seinem Briefe ähnlich sind. Auf seine

28
Fragen von Gegenanstalten hätten Sie auf der Stelle antworten sollen.

29
Meynst du? – und wie?

30
Giebt es denn kein anderes Wißen als
à priori
und muß man aus
Cogito

31
allein folgern das
Sum.
Dieser
Cartesianismus
ist von
Sp.
u
Wolf

32
übergegangen und da liegt der Haase im Pfeffer.

33
Das
meiste
Ihrer mir mitgetheilten Anekdoten ist mir bekannt. Das

34
Wunder wurde mir bey seiner ersten Erscheinung in B. sehr weitläuftig

35
geschildert. Ich habe also an
Bestätigung
und
Zusammenhange

36
etwas mehr gewonnen. Fahren Sie fort mir Ihre Nachrichten das Nöthige

37
u Nüzliche zukommen zu laßen und versichert, daß ich Schlangenklugheit mit

S. 202
Taubeneinfalt auch nöthig habe
conf Joh. II.
24. Also darüber seyn Sie

2
gantz ruhig.

3
An Ihren
Spinozismum
denke ich jetzt gar nicht. Der kommt Zeit

4
gnug, aber der
Atheismus
gehört in mein
ressort.
Sie
citi
ren eine Stelle

5
aus meinem Briefe und beschweren sich darüber
I
ihren Sinn nicht zu

6
verstehen. Der Anfang Ihres Büchleins betrifft ein historisches
Factum
und ist

7
also
Erzählung
. Mit dieser Erzählung ist Scheffner so zufrieden, wie

8
Göthe mit der Klugheit oder Arglist Mendelssohn den Spinoza u Leßing

9
anzuführen. Darnach kommt der
dogmatische
und
oder
kritische

10
Theil
– Ihr Brief an Hemst. war doch wahrlich keine Antwort auf seinen

11
Brief, und überflüßig zum historischen Theil des Werks. Sie verriethen

12
darinn zu viel
arcana
Ihrer Philosophie – Das Ende war in einer gantz

13
andern
Manier
, die Göthe Glaubenssophisterey nennt. Weder Hemst.

14
weiß
mag wißen, wie er zu diesem Briefe von Ihnen gekommen ist, noch

15
das Publicum, warum Sie selbigen ihm
in
Original und Uebersetzung

16
mittheilen. Es ist weder rechte Widerlegung noch Entschuldigung des

17
Spinozismus.

18
Ich habe nur den
Extract
des
Bayle
u ihn dem Kraus ausgeliehen. Im

19
Article Spinoza
werden Sie die Stelle aus
Bernier
finden. Das obige

20
schrieb ich vielleicht damals um Mendelssohns Anspielung Ihnen zu

21
erklären auf die Säule
Nebucadnezars
.
Ich hoffe es noch bunter zu machen und

22
dadurch eben die
Einheit
zu befördern, welche in der innern Oekonomie

23
mehr als der äußern liegen muß.

24
So bald ich einen Bogen von meiner traurigen Arbeit fertig habe, will ich

25
Ihnen zur Probe selbigen überschicken. Da mögen Sie auch sagen, was Sie

26
wollen. Seit 3 Tagen habe keine Feder wider ansetzen können. Ebbe u Fluth

27
wechselt immer bey mir. An meinem Willen soll es nicht fehlen daß die

28
Philosophen, die allgemeinen deutschen zu B. Zeter über mich schreyen von

29
den Cedern bis auf den
Moos
der an der Wand wächst. Ob ich Wort zu

30
halten im stande bin, soll
schon
Sie die Probe lehren – und wie mir dabey

31
zu Muth gewesen. –

32
Das geht aber so geschwinde nicht dem
eckeln Undinge
ein
Ende
zu

33
machen – ein solches Ende ist der Anfang eines noch eckelern Undings – Mit

34
Gedult u Weineßig kommt aber über die A
p
lpen und bahnt sich Wege,

35
wo andere verzweifeln. Ich war am heil. Abend meiner Sachen schon so

36
gewiß, daß ich alles bey
Ihnen
bestellte. Wie hängt alles von Augenblicken,

37
von den kleinsten Umständen ab! Das tiefste innigste Gefühl davon ist Sporn

S. 203
und Zügel meines geflügelten Gauls – das bald stätig, bald wild wird und

2
wie Bileams Esel Dinge sieht, welche den Augen des Propheten selbst

3
verborgen sind. Meine letzte Audientz soll wenigstens so feyerlich seyn als meine

4
erste bey Niemanden dem Kundbaren gewesen.

5
Wenn Sie es Ärger oder beßer machen können: so will ich mir gern das

6
Maul stopfen laßen von Ihnen auf beyden Fällen. Nun
denke
ich nicht

7
eher zu schreiben bis ich mit der Beyl. fertig seyn werde; gesetzt daß es auch

8
bis zum Geburtstage unsers Davids währen sollte, der mit dem Ende des

9
ersten Monden eintritt, und dem ich gern zum zweiten mal mein Schicksal

10
anheimstellen will.
Es gehe
,
wie
es gehe
! In meiner Sache ist nicht die

11
Rede vom menschl. Urtheil zweer Todten – sondern
Rem populi ago, Suis

12
atque Mineruae,
wie mein seel. Lehrer
Rappolt
sagte in seinem
Sermone

13
ad Pisones
über die grauen Erbsen.

14
Geben Sie mir, liebster J. bald von des jungen Paars Gesundheit gute

15
Nachricht ohne von Befremden über sein Stillschweigen sich merken zu laßen,

16
zu dem Er so gute Gründe wie ich zu dem meinigen haben mag. Grüßen Sie

17
auch den Charon Claudius, der was klügers u einträglichers als

18
Uebersetzungen liefern sollte. Kann er Ihnen den Gecken nicht melden, der Ihr Sp.

19
Büchlein u die jüdigen Morgenstunden oder Vorlesungen ausposaunt.

20
Sind Ihre Buchladen auch so schlecht wie unsere bestellt? Sehen Sie doch

21
wenigstens
de Marées
an, um mein Urtheil zu berichtigen. So bald ich seine

22
Gottesvertheidigung
auftreiben kann, werde auch dran denken.

23
Wenn sie so gut als das erste ist: so find ich gewiß Oel für meine Lampe, und

24
Sie für die Ihrige. Es giebt nur Eine gerade Linie und Philosophie, welche

25
zugl. die kürzeste
ist  
Minimvm est
, quod scire laboro,
sagt mein alter

26
Persius.

27
Haben Sie schon Pf. zweyten Theil gelesen? Er thut mir Gnüge und

28
macht mich noch lüsterner nach dem dritten. Ich drücke Ihn an meine Brust,

29
u.
verzeih
ihm jetzt seine Journale (deren Plan mir gar zu
polypragmati
sch

30
vorkam) und ein wenig schlimmer – Auch seine jüdische Briefe werde kaum

31
lesen können, bis er damit zu Ende seyn wird. Der Verdacht von unserm

32
lieben Johannes, könnte einem eher von
jenem
einfallen – denn da lag

33
etwas mehr dahinter, bey dem mir eben nicht recht zu Muthe war, weil die

34
Expansion der guten Sache eben nicht mein Fach ist. Aber seine Vorlesungen

35
haben mich völlig ausgesöhnt – und der Schein des Bösen ist doch beßer als

36
der Schein des Guten, wenn die Welt ja betrogen seyn will und muß.

37
Ich umarme Sie mein lieber Jonathan, und bitte das Neue Jahr gesund

S. 204
und heiter anzufangen ohne Kopf- und Magenweh noch Herzklopfen sondern

2
in der besten
harmonia praestabilita
des Mir nichts, Dir nichts – der den

3
Himmel auch auf Erden schalten und walten läßt, sein Brodt mit Freuden

4
ißt, seinen Wein mit gutem Muth dringt – und ruht von seiner Arbeit in

5
guter Hofnung, daß seine Werke ihm nachfolgen werden.
Non omnis

6
moriar!
Gott seegne Sie und die Ihrigen – worunter mich u die meinigen

7
auch zu rechnen bitte  
J. G. H.

8
Ich werde noch alles anwenden um Kant zum Schreiben aufzubringen.

9
Haben Sie seine Recension der Ideen gelesen und die Wirkung auf unsern

10
Freund? Ich muß ihn so nächstens besuchen in einer Angelegenheit Hills, für

11
den er sich
interessi
rt.


12
den 29 – des Morgens.

13
Ich besinne mich noch eine Frage nicht beantwortet zu haben. An meinen

14
Gevatter Reichardt habe noch nicht geschrieben, weil er gegenwärtig mit

15
Arbeit so überhäuft seyn muß, daß er nur seine Ankunft in wenig Zeilen an

16
seine nächsten Blutsfreunde hier gemeldet. Außer der
Opera buffa
vielleicht

17
zum
Abendliede
des
Maitre
hat er Autorschaft und Reise, wie Sie mir

18
melden, und der Himmel weiß was noch mehr im Kopfe. Ich werde also

19
wenigstens den
terminum
der öffentl. Lustbarkeiten abwarten und die

20
Sechswochen meiner typischen Autorschaft, weil selbige mit zu meiner Lage

21
gehören und den erforderl. Maasreguln zu meinem
Exilio
oder
Exodo.

22
Diese 3 letzten Tage des alten Jahrs möchte wohl zu Hause bleiben und

23
von neuem ansetzen, weiter zu kommen. – – Eben komt die Nachricht, daß

24
ein Holtzdieb diese Nacht unsern
eingefallenen
Stall besucht und den

25
kleinen Vorrath noch kleiner gemacht. Die
Domainen
Cammer u das

26
Admiralitäts
Collegium
von einer Seite und die
Direction
u

27
Administration
streiten sich wer die Kosten zum Bau hergeben soll – Darüber fällt alles

28
ein, und geht zu Grunde. Gestern erfuhr, daß
Sämmtl. Zollbediente

29
sich an den Kronprintzen gewandt
und ihm ohne Vorwißen der

30
Mehreren noch einer andern als allgemeinen Unterschrift den Raub unserer

31
Fooi-
Gelder u die um die Hälfte beschnittene Gratification des vorigen Jahres

32
vorgestellt durch die Hinterpforte der Küche. So vielen Einfluß haben die

33
Minister des
Sieur Noel.
– Verzeihen Sie diese lächerl. Kleinigkeit; sie

34
gehört aber mit zu den
Considerations
oder
Conjectures
über die Größe der

35
preuß. Monarchie u den Verfall des Königreichs Preußen und zu meinem

36
Erbhaß gegen die verwünschte Berliner und ihre Chaldäer.

37
Da haben Sie, liebster J.
pro arrha
den Titel:

S. 205
Fliegender Brief
Zach.
V. conf. Matth. XXIII.
34.

2
an

3
NIEMAND den
Kundbaren
Ich ziehe Niemand vor als
indeclinable

4
die
um die
Collision
des Ohrs zu vermeiden

5
Entkleidung
und
Verklärung
u Niemand als
proprium
besser

6
eines
indeclinable
klingt.

7
Predigers

8
betreffend


9
Non
fumum
ex
fulgore
, sed ex
fumo
dare LVCEM

10
Cogitat   – – –  Horat.

11
MDCCLXXXVI.


12
Der Tag ist da, und ich will nicht mein Talchlicht eher auslöschen, bis ich diesen

13
Umschlag gesiegelt habe.
Vale et faue!
und schreiben Sie bald, wie ich es auch

14
zu thun denke.
DEVS
VOBIScum
!!!


18
Adresse:

19
An / HErrn Geheimen Rath Jacobi / zu /
Düßeldorf
. /
Fc Wesell


20
Vermerk von Jacobi:

21
Koenigsberg den 28
ten
Xbr.
1785

22
J. G. Hamann

23
empf. den 10
ten
Jan 86

24
beantw den 13
ten

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 118–124.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 168–177.

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 4: 1785. Hg. von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2003, 297–304.

ZH VI 197–205, Nr. 911.

Zusätze fremder Hand

205/21
–24
Friedrich Heinrich Jacobi

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
198/34
–35
An […] reproductionen.]
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen.
198/35
nehmen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
nehmen,
199/5
auch
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
mich
199/19
–23
Versichern […] selbst.]
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen.
199/26
–27
der […] will.]
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen.
199/35
–200/33
„Dem […] Seculi.]
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert.
199/37
ihr
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Ihr
200/32
neusten
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
neuesten
201/3
u
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
u.
201/26
–32
Hill […] Pfeffer.]
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert.
202/15
in
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
im
202/21
Nebucadnezars
.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Nebucadnezars.
202/29
Moos
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Moos,
202/32
–203/4
Das […] gewesen.]
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert.
202/36
Ihnen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ihnen
203/10
wie
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
wie
203/25
ist  
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ist.
203/27
–36
Haben […] muß.]
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert; über dem Absatz von Jacobi notiert: „Pfenninger“.
203/29
verzeih
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
verzeyh
205/3
indeclinable
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
indeclinable,
205/3
–6
Ich […] klingt.]
Geändert nach der Handschrift; in ZH vor Z. 12.
205/9
ex
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ex
205/9
–10
Non […] Horat.]
Geändert nach der Handschrift.
205/11
MDCCLXXXVI.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
MDCCLXXXVI
205/14
VOBIScum
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
VOBIScom
205/19
Fc Wesell
]
Hinzugefügt nach der Handschrift.