912
205/26
Düßeldorf den 30
ten
Xbr.
1785.


27
Vermerk von Hamann (nachträgliche Nummerierung mit roter Tinte):

28
Erhalten den 14 Januar 86.

29
Geantw. d 15 – 18 nebst der
I.
Fortsetzung
N
o
22.


30
lieber Herzens Vater, Freund u Bruder,

31
Ich kann das alte Jahr nicht zu Ende gehen laßen, ohne Ihnen noch einen

32
Gruß aus dem innersten Grunde meines Herzens zu bringen. Wie viel sind

33
Sie mir nicht in dem
kurzem
Zeitraume geworden! – Gott wird Sie erhalten;

34
er wird Ihre treue Seele noch nicht von mir nehmen. – Er sey mit uns, lieber

S. 206
Hamann, auch im neuen Jahre. Mit innigster Andacht steh ich in diesem

2
Augenblicke vor ihm – mit Dir; rede von Deinem Vaterherzen mit Ihm; und

3
vertraue mit lebendigerm Glauben dem Seinigen – Ich möchte mehr reden,

4
u kann nicht, und mag nicht.

5
Ich hoffe die Unpäßlichkeit mit dem Bösen Nahmen, ist wohl nur ein

6
Krampf gewesen, u wird ohne Folgen bleiben. Aber laßen Sie sichs immer

7
eine Warnung seyn, u wehren Sie sich, wie Sie versprochen haben, gegen

8
den Knochenmann so gut Sie können. Mir ist als wenn mirs verheißen

9
wäre, daß Sie mir nicht genommen werden sollen. – Die böse Nachricht

10
ausgenommen, hat Ihr Brief mich im innersten der Seele erfreut. Ich erhielt ihn

11
Abends am Christtage, eine Stunde vor Abgang der Reichspost, so daß ich

12
die Einlage an unsern Herder noch befördern u ein paar Zeilen dazu

13
schreiben konnte. Die Aufträge an unsern Franz habe ich mit erster Post

14
ausgerichtet, u heute auch Ihren Gruß an die Fürstinn bestellt. – Mich verlangt

15
unaussprechlich nach der Nachricht, daß Ihr
tractatus Theologico

16
Politicus
u
totius medicinæ idea nova,
guten Fortgang gewonnen habe.

17
Aufgeschrien hätt’ ich fast vor Freude bey den Worten Ihres Briefes: „Giebt

18
mir Gott Glück u Kräfte…‥‥ so sollen dem andächtigen Leser in Berlin

19
die Haare zu Berge
stehen
vor meiner Gabe der Deutlichkeit
“.

20
Denn davor war mir immer bange, daß Sie sich dem großen Publico,

21
welches die Berliner verführen, nicht verständlich machen würden, also nur für

22
die wenigen geschrieben haben würden, welche die Berliner nicht verführen

23
können
. So ist es mit dem Scheblimini gegangen, weswegen ich auch

24
glaube, daß es Mendelssohn nicht sehr angefochten hat; er fühlte nur die

25
Widersetzung eines Mannes, u weniger mit ihm gleich gesinnten, die er nie

26
zu den seinigen gerechnet hatte. Ich sagte zu Weimar meinen Gram darüber

27
Herdern, der darin völlig mit mir übereinstimmte. Darin aber widersprach

28
er mir, daß nicht einmahl Mendelssohn selbst Sie verstehen würde.

29
Gestern
schikte
mir ein Freund das Blat des Hamburger Corespondenten,

30
welches die Recension meiner Briefe in Verbindung mit den Rabbinischen

31
Vorlesungen enthält. Hier ist auch „Ungerechtigkeit, Schalkheit, Lüge so gar

32
affischirt“ – so daß man über der Unverschämtheit verstummen muß.

33
Sie schreiben: „Den 2
ten
Theil der
philosophischen
Vorlesungen
über das

34
N. T.
habe noch nicht gelesen, erwarte ihn mit Ungeduld.“ – Haben Sie denn

35
Nachricht daß er so bald erscheinen werde? Ich habe den ersten Theil

36
der Vorlesungen noch nicht einmahl gelesen. Mir ist Mendelssohn in der

37
Philosophie, was mir Gellert in der Poesie ist.

S. 207
Wir haben seit einigen Tagen kaltes Wetter, u ich hoffe die heitere Luft

2
soll mich wieder gesund machen. Am Sontag über 8 Tage erwarte ich

3
abermahls Briefe v Ihnen – Ich muß aufhören; die Feder liegt mir heute zu

4
schwer in der Hand. –  Von ganzem Herzen

5
Ihr Fr Jacobi


6
Da erhalte ich eben noch einen Brief v Claudius, der sich mit seiner

7
Rebecka u Kindern recht wohl befindet. Er schickt mir auch die
Recension
.
,
u

8
schreibt: „Hiebey die Rec. des Unpartheyischen Correspondenten:
Das

9
heiß’ ich doch
unparteyisch
.


10
Adresse:

11
An den Herrn / Johann Georg Hamann / zu / Koenigsberg /
Frco
.


12
Vermerk von Hamann:

13
den 14
Januar
86.   Geantw den 15 –
Dom. II p Epiph.

14
den 18
die erste Fortsetzung
überschickt

15
am Krönungstage.

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 127 f.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 177 f.

Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 4: 1785. Hg. von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2003, 305–307.

ZH VI 205–207, Nr. 912.

Zusätze fremder Hand

205/28
–29
Johann Georg Hamann
206/33
Johann Georg Hamann
206/33
–34
Johann Georg Hamann
207/13
–15
Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
205/29
N
o
22.
]
Hinzugefügt nach der Handschrift.
205/29
Fortsetzung
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Fortsetzung.
205/33
kurzem
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
kurzen
206/19
stehen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
stehen,
206/29
schikte
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
schickte
206/33
–34
philosophischen […] T.]
Einfügungen von Hamann in ZH mit Anmerkung am Absatzende.
207/7
Recension
.
,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Recension,
207/8
Das
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
„Das
207/11
Frco
.
]
Hinzugefügt nach der Handschrift.
207/14
überschickt
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
überschickt –
207/14
den 18
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
den 18