916
218/16
Düßeldorf den 5
ten
Januar
1785


17
Vermerk von Hamann (nachträgliche Nummerierung mit roter Tinte):

18
Erh. den 25 Januar 86

19
Geantw. den 29, 30 – 
No
4.


20
Grüße Dich Gott, Du Lieber,

21
Und schicke mir nur den Augenblick Deine Handschrift; ich will alles gut

22
u wohl besorgen, u mir gewiß nicht bange werden laßen.

23
Mein Spinoza Büchlein ist zu Mülheim am Rhein gedruckt, 3 Meilen

24
von hier. Der dortige Buchdrucker ist ein rechtschaffener u sehr geschickter

25
Mann. Bey dem schrecklichen Eisgang im Jahr 84, gieng ihm alles zu

26
Grunde. Er hat aber Unterstützung gefunden, u seine Druckerey ist wieder

27
gut im Stande. Die letzte Correctur besorg ich selbst mit meinem treuen

28
Schenk. – Ich werde verschmachten vor Begierde bis ich die Handschrift

29
habe. Schicke (Du mußt leiden, Vater, daß ich diesen ganzen Brief durch

30
Dich
Du
nenne; ich kann nicht anders) – Schicke mir, wenn es sich immer

31
thun läßt das Heft mit der Briefpost. Uebergieb es Fischern, daß
es
er es

32
gerade hieher
an mich abfertige
fr
co
Wesel. Das Porto, u wenn es

33
20 Mahl so viel wäre ist nichts gegen meine Ungeduld. Thue diese

34
Barmherzigkeit an mir, lieber! – Dein Brief hat mich in eine Gluth gesetzt, daß ich

S. 219
nach drey Stunden noch nicht weiß wie ich wieder zu mir selbst kommen will –

2
Du
Lieber! O,
Du
Lieber! – Dich einmahl an meine Brust zu drücken, mich in

3
Dein Auge zu senken, Deinen Blick, Deine Seele in mich zu trinken – es zu

4
fühlen daß Du mich ganz durchschaust – u so wie ich bin, dann wieder in

5
Deine Arme, u wieder! – das wird seyn, Lieber, das wird seyn; Gott sagt,

6
daß es seyn wird.

7
Ich will alle Vorkehrungen machen in Erwartung Deiner Handschrift,

8
u auch zum Vertrieb des Werks den schicklichsten Verleger aussuchen, im

9
Fall Du mir dieses überläßt. Löwe ist zu träge. Ich gab ihm mein Spinoza

10
Büchlein, daß er vom Gewinn den guten Claudius, dem er noch schuldig ist

11
bezahlte. Claudius wünschte daß es so geschähe, u ich thue gern den Willen

12
derer die ich liebe nach ihrem eigenen Sinn.

13
Die drey Briefe die ich Dir hinter einander geschrieben, wirst Du erhalten

14
haben. Vielleicht
hör’
ich am Sonntage daß
sie
zwey davon angekommen

15
sind. Einen 4ten Brief schrieb ich Dir den Tag vor Neujahr, u meldete daß

16
der Einschluß an Herder gleich befördert worden. Zu Münster steht alles

17
wohl, u Buchholtz hat gewiß nichts wider Vater Hamann. Ich hab ihn in

18
der Seele lieb unsern Buchholtz, aber ich schreibe nie viel von ihm, weil ich

19
ihn noch nicht ganz rund in mir habe. Mariane u Lene lieben sich sehr; auch

20
Mariane u Lotte, (meine ältere Schwester) aber sie wechseln keine Briefe. –

21
Auch um Marianens willen wünschte ich daß Buchholtz von seiner

22
unausstehlichen GesundheitsPflege abgebracht werden könnte. Z. B, Er geht nie

23
durch eine etwas anders temperierte Luft im Hause selbst, ohne einen

24
Mantel umzuhangen; wechselt alle Tage 2 oder 3 Mahl Strümpfe, u reibt

25
sich dann jedesmahl eine große halbe Stunde lang, oft noch länger die Füße

26
ab; wenn ich nicht irre wechselt er auch jedesmahl mit Schuhen. Wegen der

27
Thüren ist er in beständiger Agitation, daß sie ja den Augenblick geschloßen

28
u fest zu seyn, besonders in etwas weitläuftigen Gemächern, wo mehrere

29
Zimmer durch einander gehen. Ich überführte ihn hier verschiedene Mahle,

30
daß
ihn
sein Gefühl,
hierüber
welches er für untrüglich ausgab, betrogen hatte;

31
dennoch blieb er eben steif u fest dabey, daß seine Grille keine Grille sey.

32
Ich komme wieder zu der Einen lichterlohen Flamme Deines Briefes, um

33
Dir noch einmahl zu sagen, daß Dein Jonathan gewiß alles nach Deinem

34
Wunsche ausführen wird. Du verlangst meine Antwort mit der

35
deutlichsten
Umständlichkeit,
u
um Dein eigenes
Detail
darnach bestimmen zu

36
können. Ich weiß Dir aber weiter nichts zu sagen, als daß ich vor Begierde

37
brenne Deinen Willen zu erfüllen, u auch
auf alle ersinnliche Fälle

S. 220
dazu im Stande zu seyn glaube
. Wenn Deine Schrift nicht mehr als

2
3 oder 4 gedruckte Bogen einnimt, so soll 14 Tage nach ihrer Ankunft der

3
Druck vollendet seyn. Zu Mülheim ist keine Censur; der Buchdrucker ein

4
rechtschaffener u mir ergebener Mann. Also von der Seite nicht die mindeste

5
Schwierigkeit. Für ein
en
tüchtigen Verleger steh ich Dir, u Du sollst so viel

6
Exempl. für Dich haben, als Du verlangst. Die Versendung der Auflage an

7
den Verleger, u der besondern Exemplare gemäß Deinem Auftrage, besorge

8
ich auf das pünktlichste. Kurz Du sollst nie in Deinem Leben bedient worden

9
seyn, wie ich Dich bedienen will. – Wer für sich selbst entschloßen ist, der ist

10
es gewiß auch für den Mann den er ehrt. Gott hat mich so deutsch, so blank

11
u baar gemacht wie einen, u ich weiß wo man weder sich noch andre fragen

12
u bedeuten muß. Dann u wann mag ich über die Linie gegangen seyn;

13
dießeits trat ich nie. Mein
Legatur
zu Deinem
Scri
b
psi
ist Dir also gewiß.

14
Erhalte ich am
Sonntage Briefe v
Dir, so schreibe ich am Dienstag wieder. Mit

15
meinem Befinden geht es wieder. Wir haben starken Frost gehabt, u der

16
Rhein ist zu.

17
Die Rezension v Herders
2
ten
theil
habe ich noch nicht gesehen; bin sehr

18
neugierig darauf. Den Büsching will ich mir verschaffen.

19
Grüß die Hausmutter u die Kinder, u was Du sonst in Liebe mit mir

20
binden magst. – Gott erhalte Dich u sey mit uns! – Noch einmahl, laß Dich

21
herzen –
Dein Fritz Jacobi

Provenienz

Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.

Bisherige Drucke

Siegfried Sudhof (Hg.): Der Kreis von Münster, 1. Teil, 1. Hälfte. Münster 1962, 167. Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 10–12.

ZH VI 218–220, Nr. 916.

Zusätze fremder Hand

218/18
–19
Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
218/16
1785
]
ZH:
178
5
6
. – In der Handschrift wird das falsche Jahr tatsächlich überschrieben, aber vmtl. von einem späteren Herausgeber.
218/19
No
4.
]
Hinzugefügt nach der Handschrift; in der Handschrift mit Tinte gestrichen und darunter, von fremder Hand: „zwischen No. 22 und 23“.
218/30
Du
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Du
219/2
Du
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
du
219/2
Du
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
du
219/14
hör’
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
hör
219/30
ihn
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ich
220/13
Scri
b
psi
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Scripsi
220/14
Sonntage Briefe v
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Sonntage v
220/17
2
ten
theil
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
2 ten Theil