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S. 356
Kgsb. den 12. April 86.
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HöchstzuEhrender Freund,
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Meiner ohne Ruhm zu melden ältesten Tochter Geburtstag, die heute
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Gottlob! in ihr 15tes Jahr tritt, aber wie die Hochzeit in Graventihn, in
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Abwesenheit der Hauptperson gefeyert wird, und die Freude in meinem
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Hause, an der nur halben Antheil nehmen kann, erinnert mich an die Ihnen
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schuldige Antwort, der zufolge ich alles richtig erhalten habe, außer den
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de Marées,
von dem ich nicht weiß, wohin er verirrt ist, und es daher für
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meine Pflicht halte Ihnen Nachricht von diesem
Manquement
u Defect zu
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ertheilen. So eilfertig wie Sie es verstanden, hab ich es eben mit meinen
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Büchern nicht gemeynt.
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Eben erhalte ein vortrefl. Buch zum Ansehen, das für den
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Praenumerations
Preiß Ihnen angeboten wird und schlechterdings zu Ihrer Engelschen
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Mimik als der beste
Pendant
gehört. Ich bitte mir also mit nächstem baar
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Geld oder die gebrauchte Waar zurück. Es sollen keine Exemplare mehr zu
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haben seyn, wie man mir versichern wollen.
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Unser gemeinschaftlicher Freund H. hätte es behalten, wenn er es nicht
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durch HE. Wagner verschrieben hätte, wodurch zugl. die Wahrheit jenes
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Umstandes ausgemittelt werden dörfte.
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HE Pr Köhler hat mich heute zum Abschied besucht mich seiner Sachen u
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Bibliothek anzunehmen die durch einen Lübeckschen Schiffer abgehen sollen.
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Wir reden so viel u so heftig, daß mir nicht einfiel mich nach seinem Urtheil
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über Hufnagel zu erkundigen. Ich fand seinen übersetzten Hiob ohne mein
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Wißen unter meines Sohns geborgten Büchern, war aber kaum imstande
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den Ekel der müßigen Gelehrsamkeit in den polyglottischen Noten auf ein
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paar Kapitel auszuhalten. Moldenhawers Uebersetzung dieses Buchs
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werden Sie vielleicht schon kennen. Ich habe sie blos gelesen, um sie gelesen zu
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haben. Die Hauptsache, der Schlüßel fehlt noch, den ich abwarten will um
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ihn aufmerksamer zu widerholen.
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Seit dem 7
Xbr.
habe den 7
huj.
zum ersten mal bey unserm ObbMeister
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geschmaust, und mich den Tag drauf entschließen müßen, mich wie in Engl.
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bereits zur Rettung meines Lebens versucht, auf Haberschleim, 2 Portionen
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Caffé
und 3 Schillings Semmel einzuschränken. Mein
malum
scheint von
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einer Art der
Daemon
en zu seyn, die nicht anders als durch Fasten und beten,
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Diät
und in Schooß gelegte Hände, nebst Spatziergehen vertrieben werden
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kann. Wünsche baldige Befreyung von ihrer
pituite moleste.
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Die Papierfiltze werden nirgends als in Zinten
fabrici
rt; wo die Breite
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nach Vorschrift bestellt werden kann. Die Mühle erhält selbige roh, und
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färbt sie selbst. Die dazu bestimmten kosten 3 Bgl.
à
2 fl.
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Mit meines Gevatters K. Wiedergenesung sieht es sehr mißlich aus. Ich
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habe diese Woche ihn nicht besuchen können. Die Aertzte und seine Familie,
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worunter die schöne Hälfte oder theure Hinter ¼ nicht gehört, sind gänzl.
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hofnungslos. Unter allen Talenten, die man ihm nicht absprechen kann,
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bewundre ich jetzt am meisten seine Heiterkeit und Gelaßenheit. Er hat mir
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aufgetragen Ihnen zu melden, daß der topographische Erzpriester ein –
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quid dicere nolo
wäre, der sich einige Tage in Kgsb. umgetrieben hätte,
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ohne an seinen kranken Gläubiger gedacht zu haben.
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Mehr zu schreiben und zu antworten hab ich nicht und verträgt sich nicht
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mit meiner evangelischen
Diät,
und der Unfug, den Candidat Hill, Raphael
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u. Michael treiben und mein Museum zu einem Gymno entweyhen.
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Ich muß aufstehen und den Tumult mit einem
quos ego
stillen. Meine
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beste Empfehlungen von meinem gantzen ungezogenen Gesindel bitte gehörig
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zu vertheilen und ersterbe mit der vollkommensten Ergebenheit
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Ihr
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schuldiger Verehrer und Freund
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Johann Georg Hamann.
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Wäre es Ihnen gefällig mir die
gefährliche
Stellen in dem Büchlein
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zu citiren die in christl. Augen gantz anders aussehen als sie den jüdischen
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vorkommen müßen – zu keinem Misbrauch thue ich diese fragende Bitte.
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Weil ich nächstens mir vorgenommen den Weisen zu Pempelfort mit dem
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Helden Sp. zu vergleichen, und zum letzten mal aufmerksam zu lesen, als
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es mir bisher mögl. gewesen. Kant ist auch willens über M. M. Predigten
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von der jüdischen u
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stl. Religion zu schreiben – und ich damit auch was thue,
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bin ein leidiger Zuschauer auf einem Strohstuhl, weil der Großvaterstuhl
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einen seiner 4 Füße verloren u auf den Boden
promoui
rt werden müßen.
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Adresse:
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Des / HErrn Kriegsraths Scheffner / Wolgeboren Erbherrn / zu /
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Sprintlacken
. / Nebst
einem Buche
zu beliebigem / Gebrauche.
Provenienz
Druck ZH nach dem überlieferten Typoskript Walther Ziesemers. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Preußisches Staatsarchiv Königsberg, Nachlass Johann George Scheffner.
Bisherige Drucke
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, III 189, 192, 246.
ZH VI 356 f., Nr. 954.