963
376/2
den 3 May 86.
3
Gott seegne Dich, lieber Herzens Fritz-Ariel-Jonathan für Deinen
4
Anfang und Ende! Ich umarme Dich von Grund meiner Seele und mit allen
5
Hacken und klammern derselben für Dein
gutes schönes
Buch. Du siehst
6
dem Mann mit dem Zirkel über dem Mohrenkopf so
ähnlich,
wie ich dem
7
über Dir schwebenden Genius – Der Schluß aus Lavater gefällt mir eben
8
so sehr als das Motto aus dem Cicero. Du hast den guten Wein bis zuletzt
9
behalten – Das ist groß und heilig, unserm großen heil. Meister gemäß.
10
Dom
Quasimodog.
wirst Du die Auflösung meines ungewöhnl.
11
Stillschweigens erhalten haben, und wie ich hoffe mit allen Bedingungen meiner
12
Autorschaft zufrieden seyn, und alles nach Deiner geprüften Sagacität im
13
rechten Lichte der Wahrheit und Freundschaft beurtheilen können.
Wegen
14
des Lumpenbriefes von
Mirabeau,
der so ein großer
Dupe
wie
Cagliostro
15
ein Betrüger ist
, habe ich Dir schon meine Meinung gesagt, und es lohnt
16
nicht der Mühe sich um den – wie Asmus sich gern ausdrückt, zu
17
bekümmern. Es soll der
Schola tyrannica
wie dem Hunde das Grasfressen
18
bekommen. Die Vögel sollen sich an dem gelegten Ey weiden, daß sie ihre
19
Eingeweide, wie wir die unsrige fühlen.
Lies nur erst das nicolaitische
20
Meisterstück gegen G. oder vielmehr nimm das Aaß nicht in die Hand
, ich will mich
21
an Deiner Stelle um alles bekümmern,
was nur mögl. ist
, und lies meinen
22
Leibartzt Kämpf, und zieh den Deinigen bey der Anwendung zu Rath. Der
23
vorgestrige Rausch, von dem die letzten Zeilen sichtbare Zeugen sind, hat
24
meiner Gesundheit sehr wohl gethan. Ich habe darauf wie ein Taglöhner
25
geschlafen und hatte den Morgen drauf eine Oeffnung, wie ich sie in langer
26
Zeit nicht gehabt.
Dies ist eine von den Hauptanekdoten, womit unser liebe
27
Kritiker des Morgens seine Besucher unterhält
, auch selbst der Gr
28
Kayserlingk vor der Tafel nicht ermangelt zu
referi
ren zum herzl. Gelächter
29
meines Freunds mit der satyrischen Hippe – den ich gestern trostlos fand,
30
weil sein rechtschaffener Bruder gantz unerklärl. Hinderniße findt, worüber
31
ich
ihn
schon diesen Morgen beruhigt habe, aber ohne viel Glauben zu
32
finden. Ich habe gestern den gantzen Nachmittag, wie ein Bote herumgelaufen,
33
und kam allenthalben wie geruffen – durch die wunderbarste Zufälligkeiten.
34
H. na
h
nnte mich mehr wie einmal einen Engel, weil er einen Freund
35
nöthig hat sein Herz auszuschütten, u ein erhaltenes
Billet
jemandem
36
mitzutheilen, so geheim er auch sonst mit seinen Angelegenheiten ist. Ich wurde
S. 377
ebenso zur Baroneße
hingestoßen
und
hingetrieben
durch einen Mann,
2
der mich begegnete und durchaus darauf bestand mich Ihrer Verlegenheit
3
mit der kleinen ruß. Marwood anzunehmen. Mit 100 Planen im Kopf gieng
4
ich hin, und hörte, daß die ungezogene Albertine schon Montags von ihrer
5
Mutter abgeholt worden war. Voller Freuden lief ich weg, ohne den
Caffe
6
mitzutrinken, auf den ich eigentl. zu Gast gekommen war, lief zu meinem
7
Beichtvater, dem ich schon lange einen Einspruch versprochen hatte, und der
8
mir auch so viel zu beichten hatte auch nicht gantz unnütz gesehen hatte. Voll
9
Zuversicht lief ich noch bey meinem Artzt Miltz, um den
rein auszuholen
,
10
als
intimum
des Mannes, der das
ius Patronatus
über die Pfarre
qu.
hatte,
11
und schöpfte lauter Hofnung für mich u den schon verzweifelnden
12
Oberbürgermeister. Ich habe also so viel GugucksEyer in meinem Kopf, daß ich an
13
mein Straußen oder
Colibri
ey nicht denken kann – brauche noch ¼
Holtz
14
das ich schon längst bey Deinem Namensvetter besprochen habe und
15
deshalb bey ihm speisen will, ihm auch schon ein Exemplar Deines
Büchleins
16
von Herzen zugedacht. Hier bin ich auf dem halben Wege zu
Crispus,
der
17
mich gestern nicht besucht, u dem der Rausch nicht so gut bekommen seyn –
18
Mein Stürzen ist eben so dumm als sein Sippen; wenigstens werde ich durch
19
einen vollen Trunk eher nüchtern, als er durch sein Tröpfeln. Wir haben wie
20
ein paar
Grammatici
und kritische
Orbile
die ersten Bogen durchgegangen.
21
Du sollst zum Spaaß unsere
notas ebrias
alle zu lesen bekommen; aber dazu
22
hab ich heute nicht Zeit.
Hippel u Kraus, der einen Bogen mehr gelesen
23
waren äußerst zufrieden und harmonisch gesinnt mit Deinem guten gesetzten
24
feinen Ton; ich habe sie aber beyde besorgt gemacht für den theoretischen u
25
speculativen Theil. Nun ist alles überstanden und vortreflich
– und ich
26
hoffe selbst den optischen Schein der heil. Größe womit Du im Grunde Dich
27
selbst und noch mehr mich lächerl. gemacht, auch mit der That zu retten und
28
die poetische Hyperbole zu keiner prosaischen Lüge werden zu laßen.
Selbst
29
unsere Feinde sollen Richter seyn
Deut XXXII.
31. nach
30
Mendelssohnscher Uebersetzung.
31
Diesen Morgen um 6 Uhr komt meine Dienstbotin mit der Nachricht eines
32
Himmelszeichens zu Hause, ich gehe heraus und sahe einen schönen Hof um
33
die Sonne mit Regenbogenfarben, der eben vergehen wollte und von dem ich
34
bloß einige Spuren der abgeschnittenen Bogen gewahr wurde. 100 Schiffe
35
liegen in Pillau, die meisten gehen nach Elbing wo das Getreyde wohlfeiler
36
ist. Ich habe der
Gen. Adm.
eine todte Schiffahrt diesen Sommer geweißagt
37
meinen Urlaub dadurch zu erleichtern.
S. 378
Gegen 7 laufe bey Hippel, schicke meinen Michel zu unserm Kaufmann.
2
Wir begegnen uns einander, und die Briefe waren noch nicht von der Post
3
geholt, – ich in meine Amtsstube oder Loge – die neuen heißen
Bureaux,
4
zu Fischer, wo das
Comptoir
noch zu war, aber schon fertig lag. Von da zu
5
Vetter J. um mich zum Mittag auf einen Heering zu Gast zu bitten, von da
6
zu seinem kranken
Compagnon,
deßen Hausjungfer ich die Kämpfsche
7
Methode vorpredigte, aber leider tauben harthörigen Ohren, von da in die
8
Speicher des Mannes, der mich gestern zur Baroneße trieb. Ein Umstand
9
von dem mein ganzes
curriculum pomeridianum
bis in den späten Abend
10
abgieng. Jetzt komme ich von der Loge und schreib diesen Brief, nachdem ich
11
noch einmal Anfang u Ende durchgesehen,
befinde alles sehr gut, bis auf den
12
Nabel
, dem Wahrzeichen Deiner schönen Natur und Freundschaft. Er soll
13
mir ein runder Becher seyn, dem ich es an Getränk nicht werde fehlen laßen
14
wie im hohen Liede
VII.
geschrieben steht
. S. 118 hätte ich statt objectiver
15
lieber subjective gelesen, wenigstens ist dies unserm Kritiker u seinem
16
Schlüßel zu Mendelssohns Mondsucht gemäßer.
Objectiv ist eine
,
17
subjectiv so mannigfaltig als das sehende Auge. Leider giebt es aber keine
18
Objecte mehr, sondern lauter
Phaenomena
von ihnen. Also kommt das
19
quadrat
mit dem Circul über ein, daß sie beydes Figuren sind, u nichts mehr,
20
Merkmale der Dinge, nicht die
Realität
en selbst.
21
Vor allen Dingen ruhe Deinen Kopf und noch mehr Dein Herz
aus,
denke
22
an Deine Engl. wie ich an meine deutsche Wallfahrt. Haben Sie den HErrn
23
und Meister Beelzebub genannt; so mögen Sie immerhin unsern guten
24
Namen lästern, wie cynische und epikurische Schweine mit unsern Caldaunen
25
umgehen, –
Eyern und Blättern. Es wird uns alles
in integrum restitui
rt
26
und mit Wucher ersetzt werden. Schreib mir doch was Lavater dazu sagt,
27
und ob er noch mehr Wunder braucht, um von der Wahrheit u Göttlichkeit
28
der Lehre die er bekennt überführt zu seyn. Schreiben Sie ihm
Apoc. in fine
29
II cet.
und damit
Punctum
um auch das heutige
Pensum
zu bestreiten.
30
Ey Gottes Seegen, und just so viel als ich nöthig habe. Ich lese nun
31
erst die mir zugedachte Anzahl. So ein blinder Görgel bin.
Die 9
32
barmherzigen Schwestern und der MarsyasSchinder Apoll vergelten Dirs und
33
Deinen Feinden 7 × 70 mahl!
Mehr brauch ich wahrhaftig.
Gnug
, aber
34
nicht zu viel, ist mein
Symbolum.
Der empfindl. Sitz
unsrer
meiner Seele
35
liegt nach Kämpf nicht weit von der Pfortader. Lies das Buch selbst. Also
36
den 20 April ist der gedruckte Bogen nach W. abgegangen; also
tant mieux
37
pour lui et pour moi.
Mit dem
Mst
hätten Sie ihn verschonen sollen.
S. 379
Unsere besten Kenntniße u Leidenschaften hangen oft von
2
Misverständnißen
ab; sie gehören also zum Gantzen u Wohl deßelben. Bitte sich das
3
zu merken, und sich über dergl.
K
l
einigkeiten
nicht zu beunruhigen. Es wäre
4
mir nicht lieb, wenn er seinem alten Lehrer antwortete wie der Verleger mir
5
zu verstehen gegeben. Ich habe eben so vieles auf dem Herzen, womit ich
6
zurückhalten muß, und worüber ich mir Evidenz zu erhalten verspreche.
7
Meynst Du lieber Fritz, daß es uns beyden beßer gehen wird.
Der allein
8
welcher ins Herz und
ins Verborgene
sehen kann ist dazu bestimmt
9
unser ächter Freund zu seyn ist das einzige
Object
unserer Begierden und
10
Ideen. Alles übrige sind
Erscheinungen
, wie die
φφ
en gantz recht sagen
11
ohne sich selbst zu verstehen oder verstanden zu werden. Mit diesen
12
Phaenomenis
müßen wir uns behelfen, bis wir ins
Reine
und
Freye
kommen,
13
aus unserm
Mutterleib heraus
, der uns eingewindelt hält und halten
14
muß
, bis wir zur Reife kommen. Ich werde ein Mystiker; das ist ein
15
Zeichen zur Mittagsstunde und ein Gähnen meines Magens, der sich auf einen
16
Heering u Glas Wein freut.
Eccles. IX.
VII
7.
Valeas in corpore sano
17
et Pax
VOBISCUM
.
18
den 4 –
19
Gestern kam
Crispus
zur zweiten grammatischen oder philologischen
20
Seßion über Ihre Schrift, und wir haben die 5 ersten Bogen zu Ende
21
gebracht. Er ließ mir keine Ruhe ich muste ihm die übrigen Bogen mitgeben.
22
Ich habe ihn aber betrogen und den Bogen G zurück behalten.
Er hat den
23
Anfang mit so viel
amore
gelesen, und ist mir im stande gewesen sein tiefes
24
lebhaftes Gefühl über manche Stelle mitzutheilen, und es waren recht viele,
25
von denen er sehr eingenommen war. Er hat wirkl. mehr Gedult und
26
Scharfsinn zum Lesen wie ich, und beynahe zu viel Vorurtheil für Mendelssohn
27
Sprache und Schreibart, worinn er überhaupt zuweilen ins fantastische u
28
pedantische fällt. Ich
will
und mag nicht alles verstehen, nicht einmal
mich
29
selbst
gantz. Ein bisweilen großer Fehler, den ich aufrichtig bekennen muß,
30
und der in der Organisation meines schwindlichsten Kopfs oder den
31
Infarctibus
seiner Eingeweide liegen mag.
Sinne u Gedächtnis vergehen mir durch
32
Anstrengung, zu der ich geneigt bin, und die mir nachtheilig ist. Ich werde
33
Ihnen alle diese Kleinigkeiten rein mittheilen. Wenn Ihr erstes Büchlein eine
34
zweite Auflage nöthig gehabt hat, so wird es diesem
beßeren
, auch weil es
35
kleiner und concentrirter ist, nicht daran fehlen, und Sie können allenfalls
36
da
bey
von Gebrauch machen. Kr. meynt daß eine Lauterkeit der Sprache
37
auf den Leser wirkt, ohne daß er sich selbst die Ursache dieser Bezauberung
S. 380
zu erklären weiß. Dies ist ein
argumentum ad hominem,
das ich mir
2
gefallen laßen muß, und aus dem Sie den Mann auch schon beurtheilen
3
können. Auf dem letzten Blatt des Bogens E. ist der
V.
Theil des Sp. statt des
4
IV.p.
217 angeführt. Wo die Stelle steht: Er glaubte – seinen Bauch in
5
Gedanken, habe ich noch nicht finden können. Ich zweifele, daß ich Ihnen heute
6
diese Noten mittheilen kann. Sie sollen nächstens erfolgen, wenn der
7
Vorbericht angekommen seyn wird, und alles auf einmal.
8
Ich wachte heute noch vor dem Nachtwäch
t
er auf, und es war mir lieb
9
aufzustehen, da sich meine Leute zu einer Wäsche rüsteten. Gieng schon um
10
6 Uhr mit meinem Michel aus, der zu Kant eine Stunde früher, als er liest,
11
einen Platz sich aussuchen muß wenigstens die ersten Monathe beym Anfang
12
eines
Seme
ster so gewaltig ist sein Zulauf, und habe mich auf den ganzen
13
Tag durch einen unangenehmen Besuch bey
Reichards
Schwager dem
Secr.
14
Dorow
bestimmt. Der bittet mich um Hills Stammbuch, ich verschaffe es
15
ihm. Hill denkt einige mal daran, ich
schick
ihn selbst hin. Er ist ein kindisch
16
blöder Mensch; ich beruhige ihn also mit der notorischen Ordnung u
17
Pünctlichkeit, die ihn zur Fabel der Stadt u zum Mährchen seiner Freunde
18
gemacht hat. Vor 14 Tagen begegnen wir uns, das erste was mir einfällt, ist
19
Hills Stammbuch; er lacht darüber, es schon längst wider abgeschickt zu
20
haben ohne zu wißen ob an Kraus oder Jacobi. Mir wird nicht gut zu
21
Muthe dabey u ich ärgere mich schon über seinen Leichtsinn; nehm mir diese
22
Woche ausdrückl. vor selbst den Gang zu thun, finde ihn noch schlafend, mit
23
einem Bedienten versehen, an deßen Ängstlichkeit man auf den Augenblick
24
den Herrn erkannte, laß ihn aufwecken, und rede so laut und ernsthaft ich
25
kann mit ihm. Er kann sich auf den Boten nicht besinnen, ob es ein
Student
26
oder ein Hospitalite ist (weil er im Kgl. Hospitale logirt). Ich bitte
27
wenigstens die Leute abzufragen;
beyde
sind verreiset, der eine aufs Land, der andere
28
nach Memel. Von der einen Seite ist dieser Verlust für den armen Wandrer
29
unersetzl. der keinen andern Beleg von seiner Pilgrimschaft als diesen Wisch
30
übrig hat. Von der andern Seite ist es mir angenehm diesem auf seine
31
Pedanterie eingebildeten Pharisäer die Hölle recht heiß zu machen. Ich habe ihm
32
dafür im Herzen ein Exemplar von ihren 9 zugedacht, damit ich wider im
33
Fall ich die Sache aufs höchste triebe, wider gut machen u aussöhnen kann,
34
weil ihn Ihre Sache wegen seines Schwagers
nahe
angeht, und er dem
35
auch untreu wurde, wie die Philister über ihn zu triumphiren schienen. Ich
36
habe mit Scheffner, der auch ein Erzengel der Ordnung u Genauigkeit seyn
37
will und seinen Bruder u Wirth Hippel immer einen Confusionsrath nennt,
S. 381
seit kurzem einen ähnl. Vorfall gehabt, und mich um
de Marées
gebracht,
2
den er mir über der Post zugeschickt und durch seines Schwagers Leute
3
(Stadtrath Wirth) verloren gegangen. Der Wille ordentl. zu seyn ist noch
4
lange nicht die That, welche von Zufällen abhängt, die ich gern nütze um
5
diejenige, welche sich auf ihren Mechanismum der Ordnung so viel zu gut thun,
6
ein wenig heimzusuchen. Ich habe das Schicksal eben so selbst anzulaufen, wie
7
die allgemein verschriensten Leute öfters für mich die seltensten Ausnahmen
8
von der Regel sind. Verzeyhen Sie mir liebster Jonathan dies Geschwätze,
9
wodurch ich wenig erleichtern muß. Ein paar Schnitte Hamb. Rauchfleisch
10
haben mir auch gestern ein wenig Dampf, und meine
Bouteille
mit
Sal
11
Glauberi
war auch nicht zum Morgentrunk gefüllt. – O Spectacul! Da
12
kommt Dorow mit dem gefundnen Schaafe und Groschen zu Hause. Er
13
konnte vor Eyfer und Freude kaum Othem schöpfen. Er hat es bey sich zu
14
Hause
liegen gehabt
; und wir haben herzl. uns einander mit
15
lachenden Munde und
feuchten Augen
permoto oculo
die Wahrheit gesagt. So
16
habe ich den Rabulisten Reichard, ihren Advocaten
wolte
ich sagen an
17
Har
seinem Schwager wie an Hartknoch meinen Verleger gerochen, an
18
den ich wegen seiner Albertine aber ohne Wehmuth nicht denken kann. Da
19
kommt ein Licentträger mit einem langen Zedel, worauf geschrieben steht,
20
daß ein SpannNagel
Clavette
heißt; hingegen
atteloire
die Bracke, werde
21
unterwegens mir einen physischen Begriff von diesen Dingen beyzubringen
22
suchen, wenn ichs nicht vergeße. –
23
Ich bin leider! wider gantz
desorganisi
rt, Kraus hat mit mir seine
24
grammaticalische Untersuchung zu Ende gebracht, aber es ist mir ohnmöglich die
25
Feder zu führen. Den Bogen G hab ich ihm vorenthalten und ich warte mit
26
der nächsten Post auf den Vorbericht.
An Gedanken haben wir wenig
27
gefunden auszusetzen, einige ausgenommen über deren Sinn wir nicht einig sind.
28
Das meiste betrift den Ausdruck.
Gott erhalte Sie nur gesund zu Besuchen
29
und Gästen. Hippels fehlgeschlagene Pfarre und Hartknochs Hofnung
30
beunruhigt mich, und ich qväle mich den
Grund
von beyden zu finden, um
31
wenigstens gesund urtheilen zu können. Es sind Gottes
Wege,
und seine
32
Fußstapfen unsichtbar im Luft- und Waßermeere – Mein attisches Uebel des
33
Tenesmi
ist der einzige Trost, den mir
Crispus
zu sagen wuste. Die
34
Hungercur ist auch vorbey, und ich habe alle Lust verloren mir zu helfen. Gegen das
35
Ende Ihres Ruhepuncts kommen Sie mir zu schwermüthig vor, desto mehr
36
stimmte Kraus mit diesem Ihren Ton überein.
Tot capita, tot sensus.
Ich
37
habe mich jeden Posttag darauf gefreut Sie
durch
für den Verzug meiner
S. 382
Fortsetzung schadlos zu halten, aber bey aller Fülle bin ich nicht im Stande
2
das geringste heraus zu bringen, und ich bin oft über meine
Impotenz
in
3
Verzweifelung, die das Uebel immer ärger macht.
4
Ein beynahe tollkühner Bösewicht, Regierungsrath Glawe, ist sehr lange
5
h
in Untersuchung gewesen. Er wurde
cassi
rt, und zu 2 Jahren
6
Vestungsstrafe verdammt. Dies Urtheil kam der ganzen Welt zu gelinde vor, ihm
7
aber noch zu hart. Er untersteht sich an den Salomo zu
appeli
ren; und
8
erhält zum Bescheid
Confirmation
in Ansehung der Zeit, aber zur
9
Karrenarbeit
geschmiedet zu werden. Er hat sich immer selbst den Galgen oder
10
zum Minister prognosticirt. Das sind noch immer Züge
de main de maitre,
11
und Strahlen der untergehenden Sonne, die der Himmel weiß wie? mit
12
meiner armen Autorschaft sympathisirt.
13
Nun ruhe Dich aus, lieber Fritz! und Deine Ruh sey Ehre, nicht wie die
14
meinige. Mein Nachen komt alle Augenblick statt des Hafens auf den
15
Strand. Die mir zugedachten Exempl. denke allso zu vertheilen 1. für
16
Crispus
pro studio et labore,
der herzlich in Deinen Ton verliebt ist, und der
17
guten Hoffnung leb
en
t, daß Du über unser gemeinschaftliches
Exercitium
18
styli
an Deinem Ey so herzlich lachen wirst, als es uns bisweilen
19
angekommen über uns selbst zu lachen.
Vielleicht ist dies jenes zur zweiten Auflage
20
brauchbar u anzuwenden. Was hat das Ey für eine mystische Bedeutung in
21
der Schluß
vignette?
Ist es ein orphisches oder Straußeney, oder irgend auf
22
einen Aesopischen Apolog der uns nicht eingefallen, eine Anspielung.
23
Sömeringk stellt ungefehr unsern Kant u der
Operateur
mit seinen Freunden den
24
jüdischen
φφ
en vor. 2. durch Kant in das Kayserlingsche Haus. 3. für Hippel
25
4. Scheffner 5.
Brahl.
6. des Adjutanten Schwager
Dorow
für den
26
heutigen Schreck
.
Also bleiben noch 3 übrig zu meiner freyen Willkühr u
27
Disposition.
Beynahe wünschte ich von diesen 3 ein rohes Exemplar, wie ich
28
mir eins, wenn ich mit meinem fliegenden Briefe fertig bin u Wort halte,
29
schon ausgebeten habe um alles zusammengehörende in einem Bande nach
30
der Reihe und auf der Schnur zu haben. Doch dies kommt Zeit gnug. Hält
31
mein
Tenesmus
an; so muß ich
Punctum
machen, und meine silberne
32
Hochzeit mit der goldenen einziehen. Ich lache wol über mich selbst, aber es geht
33
nicht recht von Herzen.
DEVS prouidebit.
Heute ist Hartknoch mit meinem
34
Petito
vielleicht angekommen; denn hört so alles auf. Das Leben ist mir
35
näher als die Autorschaft – Vielleicht ist es am sichersten beyde aufzuopfern.
36
Wie Du mich führst und führen wirst, so will ich gerne gehen – über den
37
Hügel Golgotha zum Schiblemini!
Hippel und Kraus wünschen Dir
S. 383
beyderseits Glück. Ersterer ist gleiches Sinnes mit uns.
Ich denk ihm die letzten
2
Bogen ohne G morgen zu bringen, wenn ich ausgehen kann. Weiter will es
3
nicht. Gott seegne Dich und Dein ganzes Haus, das ich bald
in integrum
4
restitui
rt wünsche. Lebe wohl und habe Gedult mit Deinem alten Görgel
5
et Comp.
6
Ich möchte alles wiederruffen was ich geschrieben habe, und bisweilen
7
kommt es mir vor, daß ich mit meiner
Polypragmosyne
mich selbst u andere
8
mehr verwirre, als mit einem ich weiß nicht was für Willen beförderlich bin.
9
Gott versteht mich, weil ich aus mir selbst und nichts klug werden kann. Ja
10
lieber Fritz, unsere Misverständniße gehören zu den
Arcanis
der göttl.
11
Haushaltung und Regierung. Sie hängen wie das Unkraut mit dem Weitzen
12
zu genau zusammen, daß alles bis zur Erndte wachsen muß und
in statu quo
13
gut ist und wird.
Fac valeas!
14
Vermerk von Jacobi:
15
Koenigsberg den 3
ten
u 4
ten
May 1786
16
J. G. Hamann
17
empf den 14
ten
–
18
beantw den 16
ten
–
Provenienz
Universitätsbibliothek Erlangen, Ms. 2035.
Bisherige Drucke
Friedrich Heinrich Jacobi’s Werke. Hg. von Friedrich Roth. 6 Bde. Leipzig 1812–1825, IV 3: J. G. Hamanns Briefwechsel mit F. H. Jacobi, 220–230.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, V 310–319.
Friedrich Heinrich Jacobi: Briefwechsel, I 5: 1786. Hg. von Walter Jaeschke und Rebecca Paimann, unter Mitarbeit von Albert Mues, Gudrun Schury und Jutta Torbi. Stuttgart-Bad Cannstadt 2005, 184–191.
ZH VI 376–383, Nr. 963.
Zusätze fremder Hand
|
383/15 –18
|
Friedrich Heinrich Jacobi |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
|
376/2 |
den 3 May 86. ]
|
Neben dem Datum von Jacobi vermerkt: Ueber die Rechtfertigung gegen Mendelssohn 3. |
|
376/6 |
ähnlich, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ähnlich |
|
376/10 |
Dom |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Dom. |
|
376/13 –15
|
Wegen des […] ist] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
376/19 –20
|
Lies […] Hand] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
376/21 |
was nur mögl. ist ]
|
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
376/26 –27
|
Dies […] unterhält] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
377/13 |
Holtz ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Holtz, |
|
377/22 –25
|
Hippel […] vortreflich] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
377/28 –29
|
Selbst unsere […] seyn] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
378/3 |
Bureaux, |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Bureaux – |
|
378/11 –14
|
befinde […] steht] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
378/21 |
aus, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: aus; |
|
378/25 |
umgehen, – ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: umgehen – |
|
378/31 –33
|
Die […] mahl!] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
379/3 |
K l einigkeiten ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Kleinigkeiten |
|
379/7 –17
|
Der […] VOBISCUM.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
379/17 |
VOBISCUM ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: VOBIScum |
|
379/19 |
Crispus |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
379/22 –31
|
Er […] mag.] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
|
379/31 –380/7
|
Sinne […] einmal.] |
Die Passage ist in der Handschrift von Jacobi am Rand markiert. |
|
380/15 |
schick ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: schicke |
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380/25 |
Student ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Student, |
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380/27 |
beyde ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: beide |
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381/16 |
wolte ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: wollte |
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381/26 –28
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An […] Ausdruck.] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
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381/31 |
Wege, ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Wege |
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382/16 –19
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Crispus […] lachen.] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |
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382/25 |
Brahl. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Brahl |
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382/37 –383/1
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Hippel […] uns.] |
In der Handschrift von Jacobi unterstrichen. |